Danke schon mal für die lieben Reviews! Hier also das nächste Kapitel!

Kapitel 5

Als Elenael am nächsten Morgen durch die Gärten streifte, hing sie ihren Gedanken nach. Der gestrige Abend und alles, was an ihm geschehen war, ging ihr noch einmal durch den Kopf und wieder stieg ein leichtes Gefühl der Eifersucht in ihr auf. Sie fühlte sich ein wenig hilflos, weil sie es unterdrücken wollte, es aber nicht völlig schaffte. Um diese Gedanken zu verbannen, begann sie, an etwas vollkommen anderes zu denken, obwohl es nicht leicht war, da sie ständig Legolas' tiefblaue Augen vor sich sah. Sie summte leise ein Lied vor sich hin, während sie unter den Bäumen hindurchwanderte.

Legolas kniff die Augen zusammen, um von der Sonne nicht geblendet zu werden.

„Du musst einfach mehr üben", sagte sein Gegenüber. „Sonst wird das nie was. Aber selbst, wenn du noch ein ganzes Jahrtausend trainierst, wirst du sicherlich nie so gut sein wie ich." Ein schelmisches Grinsen lag auf den Zügen des dunkelhaarigen Elben.

„Und du solltest dich ein wenig in Bescheidenheit üben, Elrohir", antwortete Legolas mit einem Augenzwinkern. Die beiden hatten nach dem Frühstück angefangen, sich im Schwertkampf zu messen, und auch wenn Legolas Fortschritte machte, so musste er zugeben, dass der Zwilling um einiges fähiger war als er.

„Bescheidenheit? Was ist das?", fragte Elrohir neckend und lachte den blonden Elben fröhlich an.

„Etwas, das du nie haben wirst." Legolas kannte Elrohir mittlerweile gut genug, um seine Sticheleien richtig zu verstehen, denn sie waren ganz und gar nicht böse gemeint. Ein hämisches Lächeln formte sich auf des dunkelhaarigen Elben Lippen.

„Auch wenn mein Herz mich schmerzt, so muss ich Euch nun verlassen, verehrter Prinz." Legolas lachte laut auf und warf Elrohir dann einen Kuss, begleitet von einem spöttischen Grinsen, zu, während dieser sich zum Gehen wand. Kopfschüttelnd und schmunzelnd blieb er einen Augenblick lang auf der Wiese stehen.

Es waren leise, entfernte Stimmen, die Elenael schließlich darauf aufmerksam machten, dass sie nicht mehr allein war in den Gärten. Neugierig lief sie ihnen nach und als sie an den Rand einer Lichtung kam, sah sie Legolas und Elrohir, die anscheinend gerade wieder mal mit dem Schwertkampf beschäftigt waren. Sofort zog sich die junge Elbin ein wenig mehr hinter die Bäume zurück, jedoch so, dass sie die zwei noch sehen konnte und verstand, was sie sagten. Ein kleiner Teil in ihr protestierte und meinte, dass dies den beiden gegenüber nicht fair sei, doch sie ignorierte ihn. Sie kam gerade zur rechten Zeit um zu hören, wie Legolas Elrohir fast schon liebevoll schalt, dass er so etwas wie Bescheidenheit nie besitzen würde. Als er ihm dann zum Abschied, nachdem Elrohir gesagt hatte, dass er nun gehen müsse, einen Kuss zuwarf, zog sich Elenaels Herz ein wenig zusammen. Wie hatte sie das nur vorher nicht sehen können? Es war so offensichtlich …

Die junge Elbin schluckte und wand sich dann um, um Legolas alleine zu lassen.

Legolas wand sich plötzlich blitzschnell herum, als er ein Rascheln hinter sich im Gebüsch vernahm, doch nichts war zu sehen. Er ging etwas schneller in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war und sah dann zwischen den etwas weiter entfernten Baumreihen das wehende Gewand einer Elbin mit langem, schwarzem Haar.

„Elenael?" rief er, als er glaubte, sie erkannt zu haben.

Als sie hörte, wie Legolas ihren Namen rief, blieb Elenael stehen. Dass er sie bemerken würde, hatte sie überhaupt nicht gewollt und sie glaubte nicht, dass sie im Augenblick wirklich in der Verfassung war, ihm gegenüber zu treten. Die Elbin schloss die Augen und atmete tief durch.

Schnellen Schrittes schloss Legolas mit Elenael auf.

„Hallo, so treffen wir uns wieder", sagte er lächelnd, doch als die Elbin ihn ansah, schien ihr Blick irgendwie abwesend und betrübt.

„Geht es dir gut?" fragte er und legte etwas besorgt eine Hand auf ihre Schulter.

Elenael hatte sich gezwungen, ihn anzusehen und begrüßend zu lächeln, als er bei ihr angekommen war, doch anscheinend war ihre schauspielerische Leistung diesmal nicht wirklich überzeugend. Als sie plötzlich seine Hand auf ihrer Schulter spürte, war es ihr, als schickte er damit flüssiges Feuer durch ihre Adern und sie schnappte unhörbar nach Luft.

„Nein … ich meine, ja, es geht mir gut", brachte sie schließlich heraus, vermied es aber, ihm wirklich in die Augen zu sehen.

Legolas runzelte die Stirn. Irgendetwas stimmte mit Elenael nicht, denn sie schien leicht verwirrt, doch entschied er sich, nicht weiter nachzufragen, da sie ihn offensichtlich nicht daran teilhaben lassen wollte.

„Was machst du hier? Wieder einen deiner Spaziergänge?", fragte er dann freundlich.

Auf seine Frage nickte Elenael, froh, das Thema wechseln zu können.

„Es ist manchmal ganz schön, dem Trubel ein wenig zu entfliehen. Wenn ich ehrlich sein soll, verschwinde ich so oft ich es mir erlauben kann." Um seinetwillen versuchte sie, nicht an das zu denken, was sie eben beobachtet hatte und teilweise gelang es ihr auch, sodass sie ihn wieder fröhlich anlächeln konnte.

„Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dich begleite? Ich liebe es auch, in diesen wunderschönen Gärten spazieren zu gehen", fragte er ein wenig schüchtern, da er sich ihr nicht aufdrängen mochte. Vielleicht wollte sie auch allein sein.

„Nein, überhaupt nicht. Es würde mich freuen", antwortete Elenael und ihr Herz machte einen kleinen Sprung bei dem Gedanken, noch mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. Die beiden Elben liefen langsam weiter und für einen Moment herrschte eine leicht unangenehme Stille.

„Wie lange wirst du noch hier bleiben?", fragte Elenael schließlich, als die Neugier schließlich siegte.

Legolas blickte erfreut zu ihr auf, als er ihre Stimme vernahm. Er war es schon müde gewesen, dem Kies unter seinen Schritten beim Knirschen zuzuhören, doch hatte er nicht gewusst, wie er eine Konversation mit ihr anfangen sollte. Es war nicht so, dass es nicht genügend Dinge gab, die er gerne mit ihr teilen wollte, doch fühlte er sich in ihrer Gegenwart auch ein wenig unsicher, gerade weil er sich der Gefühle, die er bald schon nicht mehr leugnen konnte, immer mehr gewahr wurde.

„Ich weiß es noch nicht", sagte er. „Ich würde gerne noch längere Zeit bleiben, doch werde ich irgendwann wieder nach Hause zurückkehren müssen, auch um meinem Vater die Nachricht Elronds zu überbringen."

„Ich verstehe …", erwiderte die Elbin leise, obwohl der Gedanke daran, dass er bald wieder abreisen würde, sie traurig stimmte. „Nun, ich hoffe, dass dieser Tag noch fern ist. Ich muss sagen, dass ich deine Gegenwart hier mehr und mehr genieße", fügte sie mit einem leicht schelmischen Funkeln in den Augen hinzu. Und diesmal lag wenigstens die reine Wahrheit in ihren Worten.

„Ich hoffe, du spielst nicht auf die vielen Missgeschicke an, die sicherlich auch für dich erheiternd waren", sagte er mit einem gespielt verletzten Gesichtsausdruck. „Aber ich genieße deine Gesellschaft auch. Ich bin mir sicher, wir können sehr gute Freunde werden."

Ein Schatten, jedoch so schwach, dass man ihn kaum bemerken konnte, huschte bei seinen letzten Worten für eine Sekunde über ihr Gesicht. Gute Freunde, ja … und wenn das nicht reichte?

„Ich gebe zu, dass deine Gesellschaft immer recht erheiternd war", sagte sie lächelnd. „Doch sei versichert, es ist nicht nur das. Elladan und Elrohir mögen vielleicht in dieser Hinsicht nicht so anspruchsvoll sein wie ich, sie würden jeden Willkommen heißen, der ihnen Grund gibt, sich so zu amüsieren, aber ich denke, zu guter Gesellschaft gehört mehr als nur das."

„Oh, aber auch sie schätzen die Gesellschaft anderer nicht nur aus diesem Grund, das weißt du aber sicherlich?" Es wunderte ihn ein wenig, dass Elenael in dieser Art von ihrem Liebsten redete, doch war es sicherlich nur ein Scherz gewesen, wie die Zwillinge ihn bestimmt verdient hatten. Er musste zugeben, dass sie oft wirklich anstrengend sein konnten mit all ihren Streichen.

„Ich habe es im Laufe der Zeit herausgefunden", erwiderte sie. Legolas so etwas sagen zu hören, ließ einen Hauch Röte in ihre Wangen steigen, als sie für einen Augenblick daran dachte, an was er bei seinen Worten wohl wirklich denken musste. Was genau sich dahinter verbarg, wollte sie sich lieber überhaupt nicht vorstellen

Legolas musste seinen Blick plötzlich von Elenael abwenden, als er die Röte auf ihren Wangen sah. Sie hatte sich vermutlich an irgendeine Situation mit Elrohir erinnert, und Legolas war dieser Gedanke alles andere als angenehm. Aber er durfte es nicht zulassen, auf einen seiner besten Freunde eifersüchtig zu sein. Er musste das Gesprächsthema wechseln.

„Ich habe mich eben gefragt, ob du noch mehr schöne Lieder wie das von vorgestern kennst. Ich würde dich all zu gerne noch einmal singen hören."

Bei Legolas' Worten spürte Elenael, wie ihre Wangen leicht zu glühen begannen.

„Nun ja, ich … Lieder kenn ich zwar genug, aber …" Sie konnte nichts dafür, aber dennoch war sie verlegen bei dem Gedanken, in der Gegenwart des Prinzen Düsterwalds noch etwas zu singen. Sicherlich kannte er etliche begabte Musiker und Sänger mit Stimmen, bei deren Vergleich sie wie ein Spatz neben einer Nachtigall erscheinen musste.

„Oh bitte, schäme dich nicht deiner Stimme, denn sie ist wirklich wunderschön." Legolas überlegte kurz, wie er sie locken konnte, doch noch etwas für ihn zu singen. „Aber ich hätte es wissen sollen, dass du nicht in der Lage bist, vor anderen zu singen", sagte er herausfordernd und grinste sie schelmisch an.

Sein Kompliment hatte Elenael ein wenig ihre Unsicherheit genommen und seine letzte Worte konnte sie einfach nicht auf sich sitzen lassen.

„So?", fragte sie, sein Grinsen auf ihren Zügen spiegelnd. „Was bekomme ich, wenn ich dir beweise, dass es nicht so ist?"

Legolas lachte, glücklich darüber, dass sie angebissen hatte.

„Nun, was hättest du denn gerne?" fragte er, denn das einzige Angebot, welches ihm spontan durch den Kopf geschossen war, war ein Kuss gewesen, doch das konnte er wohl kaum vorschlagen.

„Ein Lied deinerseits?", antwortete sie spontan, um die Gedanken darüber, was sie wirklich gerne hätte, überhaupt nicht aufkommen zu lassen. Hätte sie dies zugelassen, hätte sie einen davon wahrscheinlich noch ausgeplaudert so wie sie sich selbst kannte, und Elenael glaubte nicht, dass sie das überleben würde.

Legolas seufze laut, aber lächelte dann.

„Nun gut, aber ich muss dich warnen. Ich bin kein besonders guter Sänger. Aber ich werde mir etwas überlegen, während du dein Lied singst."

Insgeheim glaubte Elenael Legolas nicht ein Wort, wenn er sagte, dass er kein guter Sänger war. Doch anstatt es auszusprechen, lachte sie leise und fragte dann: „Nun gut. Hast du irgendwelche Wünsche?" Die beiden Elben waren inzwischen in eine recht abgelegene Gegend der Gärten gekommen, in der diese wilder wurden, die Pflanzen und Blüten ein wenig exotischer, aber nicht weniger bezaubernd.

Legolas runzelte leicht die Stirn.

„Hmm, nein, ich habe keine Wünsche. Ich bin mir sicher, ganz gleich was du singst, es wird wunderschön sein." Erwartungsvoll lächelnd blickte er sie an und war von ihren glänzenden Augen wieder einmal wie verzaubert. Er wusste auch nicht so recht, welches Lied er gleich singen sollte, doch begann sich langsam in seinem Geiste ein Gedanke zu formen.

Elenael dachte einen Augenblick nach.

„Nun gut … Ich werde dir eine Geschichte erzählen, doch keine Angst", fügte sie lächelnd hinzu, „du bekommst dein Lied. Meine Mutter hat mir diese Geschichte erzählt, als ich noch klein war. Ich habe sie so oft gebeten, sie mir immer und immer wieder zu erzählen, bis ich sie Wort für Wort auswendig konnte … ich habe sie einfach geliebt. Doch wundere dich nicht, wenn dir einige Zeilen des Liedes bekannt vorkommen werden …" Ihre Wangen röteten sich ein wenig. „Es war nur ein Märchen für ein Kind umgedichtet …"

Legolas nickte in freudiger Erwartung. Er lauschte gerne dem Klang ihrer Stimme, auch wenn sie nur sprach, und so würde er diese Geschichte sicherlich genießen.

„Ich würde sie all zu gerne hören", sagte er lächelnd.

Elenael schwieg einen Augenblick, den Blick auf den Weg vor sich gerichtet und sammelte ihre Gedanken. Schließlich begann sie leise zu sprechen.

„Es war einmal ein Königssohn, der machte sich auf, das Mädchen zu suchen, das ihm im Traum begegnet war. Er zog durch das Land seines Vaters, war bald hier, bald dort und lernte viele Menschen kennen, bei denen er gern länger geblieben; doch da er das Mädchen nicht fand, zog er weiter, bis er eines Tages durch einen finsteren Wald kam und plötzlich an einem See stand, der in leuchtend schönen Farben schimmerte, wie er sie noch nie gesehen hatte. Und über den See hörte er eine Mädchenstimme singen, klar und rein wie die Stimme aus seinem Traum. Und als er sich umschaute, sah er auf der anderen Seite des Sees eine Hütte stehen, aus der die Stimme zu kommen schien. Da machte er sich auf den Weg zum anderen Ufer und lief am See entlang, durch Felder von Blumen, die er nur aus einer weiten und fast vergessenen Erinnerung her kannte; er sah Bäume an seinem Weg stehen, knorrig und alt, und ihr Raunen klang wie ein mächtiger Chor, der den Gesang der fernen Stimmen begleitete. Schillernde Schmetterlinge umflogen ihn und geleiteten ihn bis zur Hütte."

Legolas lauschte gebannt ihrer Stimme. Beinahe mit Erschrecken stellte er fest, dass diese Geschichte in gewisser Weise zu ihm zu passen schien, doch war sich Elenael dessen mit Sicherheit nicht bewusst.

Ihre Mutter hatte immer gesagt, dass sie erleben würde, wie diese Geschichte vielleicht für sie irgendwann Wirklichkeit werden würde. Während Elenael weitererzählte, dachte sie an ihre Mutter zurück und fragte sich, warum es diesmal ein Märchen für sie bleiben musste …

„Auf der Bank vor der Hütte sah er einen Mann sitzen, angetan mit der Kleidung des fahrenden Volkes. Funkelnde Augen schauten unter buschigen Brauen den Ankömmling an, durchdringend und warm wie die Strahlen der Sonne. Und der Königssohn fragte den Alten nach der Mädchenstimme und dem Ort, wo er diese finden könnte. Der Alte schaute ihn lange an, dann lächelte er, stand auf und holte aus der Hütte eine Schüssel, die er mit dem Wasser des Sees füllte; und er deutete dem Königssohn an, hineinzublicken. Als der Königssohn hineinschaute, war ihm, als blicke er in einen Zauberspiegel. Er sah in eine Landschaft von paradiesischer Schönheit weit unten auf dem Grunde des Sees, und ihm war, als würde ihn eine Welle mit sich ziehen, tiefer … tiefer … tiefer …"

Und eben auch diese Welle schien Legolas erfasst zu haben, denn es kam ihm vor, als sah er sich mitten in die Welt hineinversetzt, von der Elenael erzählte.

Für einen Moment verstummte Elenael. Eine Weile war es still, doch als die Elbin bereits Legolas' erwartungsvollen Blick auf sich spürte, erhob sich ihre Stimme zu einem Lied, erst unsicher, doch schnell ihren Mut findend.

„Die Welt war jung, die Berge grün

Und fleckenlos der Mond noch schien

Das Laub hing dicht, die Gipfel frei

Wie zu der Zeit die längst vorbei

Er trug ein elfenweißes Kleid

Und sieben Leuchter brannten vor

Als er durchs große Runentor

Betrat ein tief verborgenes Land

Weit hinten sah er einen Schein

Von Licht in dunklem Waldgemach

Von wehenden Schleiern einen Schein

Und goldenen Funken tausendfach

Hell rief er sie mit Namen an

Die Stimme schlug sie in den Bann

Da hielt sie an in raschem Lauf

Er fing sie in den Armen auf

Unter ihrem Schattenhaar

Gespiegelt in dem Augenpaar

Sah er hell der Sterne Licht

Verfallen war er dem Gesicht

An seiner Seite das Mädchen ging

Der Sänger sang, die Harfe klang

Und vor dem Tore stieß ins Horn

Der Wächter zu der Zeiten Gang

Sie betraten die Hallen wo man nicht

Vergangenheit noch Zukunft kennt

Die Sehnsucht ihre Sehnsucht findet

Das Licht der Liebe ewig brennt"

Gegen Ende des Liedes konnte Elenael nicht mehr verhindern, dass ihre Stimme leicht zu zittern begann. Als sie schließlich verstummte, schloss sie die Augen und schluckte, um eben dieses Zittern in den Griff zu bekommen, bevor sie weitererzählen konnte. Sie hoffte nur, Legolas würde es nicht bemerkten, was in ihr vorging.

Für einen langen Augenblick war Legolas nicht in der Lage, irgendetwas zu sagen. Immer noch gefangen in der Welt, in die Elenael ihn durch die Geschichte und das Lied hatte eintauchen lassen, kam es ihm vor, als spräche diese Weise von Elenael, deren Augen wahrlich so hell strahlten wie der Sterne Licht. Langsam fand er seine Beherrschung wieder, als er wie aus einem Traum erwachte. Er schaute die Elbin vor sich an, die scheu den Blick gesenkt hatte.

„Das war eine wunderschöne Geschichte", sagte er leise, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern, da er den Zauber dieses Moments nicht zu zerstören wagte. „Und das Lied war noch schöner."

„Ich danke dir sehr", erwiderte Elenael, ebenso leise. „Doch hast du das Ende noch gar nicht vernommen." Sie hob ihren Blick wieder und sah Legolas in die Augen, und es dauerte einen Augenblick, bis sie die Kraft fand, weiter zu sprechen.

„Das Bild verblasste, und der Königssohn merkte, dass er auf die Sterne schaute, die in der Schüssel blinkten. Und der Alte nahm seinen Arm, führte ihn zu der Bank und sagte: „Viele Dinge zeigt dieser Spiegel, und nicht alle werden, wie sie hier scheinen. Manche werden nie geschehen, es sei denn, dass jene, die die Bilder sehen, von ihrem Pfad abweichen, um sie zu verhindern! Und bedenke, dass der Spiegel ein gefährlicher Führer für Taten ist!" Und nach diesen Worten ließ er den Königssohn allein.

Dieser ging hinunter zum Ufer des Sees, schaute ins Wasser … und sprang."

Legolas schaute Elenael etwas erschrocken an. „Was meinst du, 'er sprang'?"

Ein Lächeln schlich sich bei seinen Worten auf Elenaels Lippen. „Was immer du hören möchtest."

„Ich verstehe nicht ganz. Was geschah mit ihm?" fragte Legolas stirnrunzelnd.

„Wer weiß?", antwortete Elenael leise. Sie wunderte sich ein wenig, warum Legolas so sehr wissen wollte, was sie mit ihren letzten Worten gemeint hatte. „Wenn du es so willst, dann hat er sein Mädchen gefunden."

Legolas grübelte eine Weile über den Ausgang der Geschichte nach. Er verstand es immer noch nicht so ganz, denn konnte schließlich nicht das geschehen sein, was Legolas befürchtete. Er hoffte, dass die Geschichte so gedacht war, dass der Königssohn durch diesen See in das verborgene Reich kam, wo seine Prinzessin auf ihn wartete.

 „Deine Mutter hat dir dieses Märchen erzählt?" fragte er schließlich.

„Das hat sie", erwiderte Elenael und sah Legolas an. „Warum?"

Legolas schüttelte sanft den Kopf. „Nun, nichts. Ich dachte nur … Du musst sie sehr geliebt haben, dass du dir jedes Wort so genau merktest." Er schalt sich sofort innerlich für seine Worte. Er wollte keine schmerzlichen Erinnerungen in Elenael wecken, doch vielleicht entsann sie sich auch gerne ihrer Mutter, sonst hätte sie dieses Märchen wohl kaum erzählt.

„Ich habe sie sehr geliebt", antwortete Elenael, ihre Stimme leicht belegt. „Und bitte, bereue deine Worte nicht – ich vermisse sie sehr, ebenso wie meinen Vater, doch es war mir eine Freude, dir ihre Geschichte erzählen zu dürfen. Und noch mehr freut es mich, dass sie dir so gefallen zu haben scheint."

Legolas lächelte sie an und war erleichtert, dass er mit seinen Worten keinen Schmerz verursachte hatte.

„Ja das hat sie, auch wenn ich zugeben muss, dass sie mich ein wenig verwirrt hat." Eine leichte Röte kam über seine Wangen, als er sich entsann, dass nun wohl er an der Reihe war, sein Lied zu singen. Gemessen an Elenaels Lied und der Geschichte war es nur so kurz und unscheinbar. Er hoffte fast, sie würde es vergessen.

Elenael lachte leise. „Das konnte ich sehen. Doch ich will mit dir wetten, dass du irgendwann deinen Sinn darin finden wirst, früher oder später." Etwas abseits des Weges fiel der jungen Elbin etwas ins Auge, das sie schnell erkannte und kurzerhand traf sie eine Entscheidung. Ohne viel darüber nachzudenken, nahm sie seine Hand und zog ihn vom Weg herunter.

„Komm, ich will dir etwas zeigen. Doch vergiss nicht, dass du mir noch ein Lied schuldest", fügte sie mit blitzenden Augen hinzu, als sie zu ihm zurücksah.

Etwas verdutzt lies er sich vom Pfad weg führen. Was hatte sie vor?

„Ja, ich habe es nicht vergessen", sagte er. „Doch was willst du mir zeigen?"

Als sie den Elben hinter sich ein weiter durch den etwas dichter werdenden Wald führte, sah sie noch einmal zu ihm zurück und legte einen Finger auf ihre Lippen, ihm bedeutend, leise zu sein. Automatisch wurden die Schritte beider Elben absolut lautlos, bis Elenael langsamer wurde und irgendwann stehen blieb. Sie bedeutete Legolas stumm, durch das Gebüsch vor ihnen zu blicken. Dort, auf einem kleinen Flecken Gras, geschützt durch grüne, fast undurchsichtige Büsche, lag eine junge Hirschkuh, den Kopf mit geschlossenen Augen auf das Gras gelegt. Neben ihr, dicht an sie gekuschelt, konnte man ein kleines Bündel Fell erkennen.

Als Legolas Blick auf die beiden Tiere fiel öffnete sich sein Mund leicht vor Erstaunen. Ganz nah an der schlafenden Mutter lag ein kleines Rehkitz, das vermutlich erst wenige Wochen alt war. Der Anblick war wahrhaftig bezaubernd und ein fröhliches Lächeln breite sich auf seinen Lippen aus.

„Woher wusstest du?", flüsterte er so leise wie möglich.

„Ich habe sie beobachtet, als sie hierher kam. Die Gärten Bruchtals sind hier fast zu Ende, aber die Tiere können sie frei von außen betreten. Sie wusste, dass sie hier sicher sein würde mit ihren Jungen", antwortete Elenael ebenfalls so leise, dass es kaum mehr als ein Atemhauch war, den sie nahe Legolas' Ohr aussprechen musste, damit er sie überhaupt hören konnte.

Elenaels Lippen waren so nah an seinem Ohr, dass ein leiser Schauer seinen Rücken herunter lief.

„Dann sollten wir sie nun allein lassen", flüsterte er wieder, und wand sich dann geräuschlos zum Gehen. Ein Teil von ihm war froh, dass er Elenael nicht mehr so nah an sich spürte, denn das Verlangen, seine Hand auszustrecken und sie zu berühren, war plötzlich zu groß geworden, als dass er noch lange hätte standhalten können.

Doch noch bevor Legolas auch nur einen Schritt hatte gehen können, hob das Reh plötzlich den Kopf und sah in die Richtung der beiden. Elenaels Hand hatte sich um Legolas' Handgelenk geschlossen und hinderte ihn daran zu gehen. Als er sie fragend ansah, nickte sie nur leicht in Richtung der Tiere. Die sanften, braunen Augen der Hirschkuh ruhten auf den beiden und ein kleines Wesen bewegte sich neben ihr. Elenaels Gesicht schien vor Freude zu glühen, als erkennbar wurde, dass neben dem Muttertier nicht ein, sondern zwei winzige Rehkitze ruhten.

Auch Legolas betrachtete die Szenerie mit Bewunderung. Die Hirschkuh schien ihn nahezu vertrauensvoll anzublicken, nicht verängstigt durch seine und Elenaels Gegenwart. Doch auf ihn schien sie, die immer noch sein Handgelenk fest umschlossen hielt, eine ganz andere Wirkung zu haben. Von ihrem Griff aus breitete sich ein warmes Kribbeln aus, das sein Herz automatisch etwas schneller schlagen lies, und er hoffte, dass sie es nicht hören würde. Er konnte ihre Berührung kaum noch ertragen, doch wagte er auch nicht, sich los zu reißen.

Für einen Augenblick noch sah Elenael hinüber zu den Tieren, dann wisperte sie etwas so leise, dass niemand außer ihr selbst es hören konnte, und wandte sich schließlich ab, um mit Legolas den Rückweg anzutreten, während sie nun endlich sein Handgelenk losließ. Die Hand, mit der sie ihn berührt hatte, war warm, und diese Wärme schien sich in ihrem Körper auszubreiten, sodass ihr ein leichter Schauer den Rücken hinab fuhr.

„Sie haben sich gar nicht gefürchtet", sagte Legolas schließlich, immer noch leise, als sie wieder auf den schmalen Pfad getreten waren. „Wahrhaft bezaubernd."

„Ja, das ist wahr", antwortete Elenael. „Sie haben gelernt, dass sie es hier nicht müssen, und ich bin froh darüber." Sie blickte zu Legolas hinüber. „Doch denkst du nicht, dass es jetzt Zeit für ein Lied von dir wäre?", fragte sie mit einem schelmischen Funkeln in den Augen.

Legolas seufzte kaum merklich. Er würde wirklich nicht darum herum kommen.

„Ja, das ist es wohl. Aber ich muss dich nochmals warnen. Das Lied ist nicht besonders lang und singe ich nicht halb so schön wie du."

„Sei bloß nicht zu bescheiden!", erwiderte Elenael lachend. „Und im Übrigen muss ich dir leider sagen, dass ich dir deine Worte nicht ganz glaube. Aber ich denke, ich werde mir mein eigenes Urteil über deine Stimme bilden." Insgeheim konnte Elenael es kaum erwarten, Legolas singen zu hören, da er, schon wenn er sprach, eine in ihren Ohren sehr angenehme Stimme hatte und sie sich kaum vorstellen konnte, dass es beim Singen denn anders sein sollte.

Er lächelte leicht verlegen und räusperte sich kurz, um eine klare Stimme zu finden. Doch fiel es ihm in der ersten Zeile seines Liedes schwer, denn er war nervös in Elenaels Gegenwart und umso nervöser bei den Empfindungen, die er mit diesem Lied verband.

„Oh Morgenrot, oh güldnes Licht

Bringst Sonnestrahlen warm und hell

Doch hart dein Glanz im Tau sich bricht

Die Nacht vergeht doch ach zu schnell.

Des Mondes Anblick, silbern, klar

Am funkelnd schwarzen Himmelszelt

Mein Herz begehrt ihn immerdar

Der sanft mir mein Gemüt erhellt.

Oh Sterne, strahlt hell in der Nacht

Und seid der Morgenröte Diebe

Verbergt, was Schicksal mir gebracht

In Dunkelheit bleibt meine Liebe

Oh Morgenrot, oh Sonnenstrahl,

Halt fern dein güldnes, grelles Licht

Und lasse mir die süße Qual

Die Sternenglanz mir nachts verspricht."

Als er sein Lied beendete, während dessen er die ganze Zeit die Augen gesenkt hatte, um sich genau auf die Worte und die Melodie zu konzentrieren, schaute er Elenael leicht skeptisch an.

Als Legolas begonnen hatte zu singen, erfüllte seine Stimme sie vollkommen. Seine Worte hatten sich in ihre Erinnerung gegraben, und niemals würde sie sie vergessen können. Elenael hatte das Lied noch nie gehört und sie war sich ziemlich sicher, dass es seinem eigenen Herzen entsprungen war. Der Tag als Feind, die Nacht als Deckmantel … Oh ja, sie wusste, wovon er sang. Eine Träne, silbern glitzernd im Sonnenlicht, rann ihre Wange hinunter, ihre Arme schlangen sich um ihren Körper, als könnte sie sich so selbst die Wärme schenken, nach der sie sich sehnte. Als das Lied geendet hatte, merkte sie kaum, wie Legolas sie wieder ansah.

Verwundert sah er, dass ihre Augen glänzten, und er fragte sich, ob sie das Lied wirklich so gerührt hatte.

„Hat es … hat es dir gefallen?" fragte er unsicher.

„Es war wunderschön", antwortete Elenael aus tiefstem Herzen. Auch, wenn der Gedanke an die eigentliche Aussage des Liedes sie mehr schmerzte als sie es sagen konnte. Wie gerne hätte sie ihn in dem Augenblick berührt, sich als Trost in seinen Armen gespürt … Hilflos spürte sie, wie erneut eine Träne ihren Augen entfloh.

Legolas sah, wie sich das Glitzern in ihren Augen sammelte und bald ein runder Tropfen ihre Wange herunter rann. Ohne zu überlegen, streckte er seine Hand aus und berührte sanft ihre Wange, die Träne mit seinem Daumen weg wischend. Ihre Haut fühlte sich so wunderbar weich an unter seinen Fingern, und obwohl er sich langsam darüber klar wurde, was er da tat, konnte er seine Hand nicht fort ziehen.

Elenael war überrascht, als sie plötzlich seine Berührung spürte, doch zur gleichen Zeit wurde ihr bewusst, dass ihr eine einfache Geste wie diese noch nie so zärtlich vorgekommen war, sie noch nie eine so sehr geliebt hatte wie diese, dass ihr Herz gleichzeitig vor Glück und Leid zu bersten schien. Für einen Augenblick presste sie die Augen zusammen, um jeden einzelnen Moment dieser Berührung in sich aufzunehmen, bevor sie sich endlich dazu zwang, einen Schritt zurück zu treten, sodass sich seine Hand von ihrer Wange löste.

Legolas bedauerte, dass Elenael die Berührung unterbrochen hatte, doch sah er ihr nun direkt in die großen Augen, die wie graue Seen im Mondlicht glänzten, und er wollte in ihnen versinken. Er ging wieder einen Schritt auf sie zu, und ohne zu wissen, wie ihm geschah, und was er eigentlich tat, griff er sanft ihre Hand und beugte sich zu ihr herunter, ihre Lippen nur noch ein Fingerbreit von den seinen entfernt.

Etwas erschrocken spürte Elenael plötzlich ihre Hand in seiner und sie sah zu ihm auf, in diese tiefen, blauen Augen, für einen Augenblick von etwas verdunkelt, was sie sich nicht völlig erklären konnte, bevor sie aufgab. Sie musste sich kaum zu ihm bewegen, bevor sie seine Lippen unter ihren spüren konnte.

Ein Schauer lief durch Legolas gesamten Körper, als er Elenaels warmen Atem auf seinem Gesicht spürte. Langsam, so langsam dass er es kaum ertrug, näherte er sich ihr und spürte schon die Oberlippe sanft die seine streifen, als im plötzlich ein Gedanke durch den Kopf schoss.

Die Berührung war so flüchtig, so sanft, und doch lief ein Zittern durch Elenaels Körper, eines, das sie so noch nie erlebt hatte. Und das, obwohl sich ihre Lippen kaum berührten. Doch plötzlich zuckte ein Bild vor ihrem inneren Auge auf und sie sah Legolas, der dem sich entfernenden Elrohir einen Kuss zuwarf.

„Das kann ich Elrohir doch nicht antun!" riefen sie beide zeitgleich und traten einen Schritt zurück, um sich von dem anderen zu entfernen. Wie seltsam, dass sie beide denselben Gedanken gehabt hatten, dachte Legolas. Doch wenigstens zeigte es, dass sie es ernst mit Elrohir meinte und ihn nicht verletzen wollte, genauso wenig wie Legolas selbst seinem Freund wehtun wollte.

Erneut sah Elenael etwas erschrocken zu Legolas auf, als sie dieselben Worte auch aus seinem Mund hörte. Wie konnte es sein, dass sie im selben Augenblick genau den gleichen Gedanken haben sollten? Einen Moment lang starrte sie Legolas noch an, kaum begreifen könnend, was gerade zwischen ihnen vorgefallen war. Ein Ausdruck tiefen Schmerzes, den sie nicht verbergen konnte, trat in ihre Augen.

„Es tut mir leid", flüsterte Elenael, bevor sie sich umdrehte und von dieser Stelle unter den grünen Bäumen der Gärten von Imladris floh.

Legolas stand wie angewurzelt da, als er Elenael nachblickte. Er überlegte, ob er ihr folgen sollte, doch vermutlich war sie durch das, was sie eben beinahe getan hatten, so beschämt, dass sie lieber für sich alleine war. Er seufzte traurig und schüttelte den Kopf.

Wie konnte es nur so weit kommen? Sie war Elrohirs Liebste, und er durfte sie nicht begehren … und doch tat er es, so sehr, dass es ihn zu zerreißen drohte. Er spürte nun, wie auch seine Augen feucht wurden. Wütend über sich selbst und über die Valar, die es wohl schlecht mit ihm meinten, trat er mit seinem Fuß auf und griff sich an den Kopf. Er wollte auch die Freundschaft zu ihr nicht verlieren und hoffte inständig, dass er dies irgendwie wieder gut machen können würde. Er wäre untröstlich, sollte dieser Nachmittag, so wundervoll er bisher auch gewesen war, nun zwischen ihnen stehen. Betrübt den Blick senkend begann er nun, ebenfalls zum Haus zurück zu gehen. Er hoffte nur, er würde Elrohir nicht begegnen, denn es schien ihm, als würde er ihm nun nicht in die Augen sehen können.

Elenael lief so lange, bis sie eine weite Strecke in den Gärten zurückgelegt hatte. Schließlich blieb sie stehen, schnell atmend und noch immer leicht zitternd. Warum geschah ihr so etwas? Warum gerade ihr? Hatte sie je etwas getan, das die Valar wirklich erzürnt hatte, dass sie sie so leiden ließen? Den Mut dazu, zurück zum Hause Elronds zu gehen, hatte sie nicht, aus Angst, sie würde irgendjemandem begegnen. Noch immer war es sehr unwahrscheinlich, dass sie hier irgendjemand finden würde und so ließ sie sich am Stamm eines großen Baumes herabsinken, vergrub ihr Gesicht in ihren Armen und erlaubte den Tränen endlich, frei zu fließen.

Bald schon wusste die junge Elbin nicht mehr, wie lange sie dort gesessen und sich kaum gerührt hatte. Die Zeit schien langsamer zu vergehen, als sie es jemals zuvor erlebt hatte. Die leisen Schritte im weichen Gras, die sich ihr näherten, hörte sie überhaupt nicht.

„Elenael? Was ist mit dir?" hörte sie eine freundliche Stimme, deren Besitzer sich dann neben ihr im Gras nieder lies.

Erschrocken fuhr Elenael auf und sah einem dunkelhaarigen Elben in die Augen – für einen kurzen Moment befürchtete sie erschrocken, dass es Elrohir war, doch es war sein Bruder. Eine Welle der Erleichterung überkam sie.

Ein Hauch von Besorgnis spiegelte sich auf den Zügen des Zwillings, als er sie ansah. „Was ist geschehen?" fragte er wieder.

Elenael schwieg für einen Augenblick – was konnte sie ihm schon sagen?

„Es … ist nichts Wichtiges. Mir geht es gut", war alles, was sie herausbrachte, um einen unbeschwerlicheren Ton bemüht. Dennoch musste sie vermeiden, Elladan in die Augen zu sehen, während sie es sagte.

Und doch bemerkte sie, wie er ihren Blick suchte. Seine Hand fuhr zu ihrem Kinn und er zwang sie, ihn anzusehen.

„Elenael?" fragte er sanft. „Du kannst mir nichts vormachen. Ich sehe doch, dass etwas nicht stimmt. Du kannst es mir sagen." Seine Stimme war voller Besorgnis.

Und eben das war es, was Elenael in diesem Augenblick kaum ertragen konnte. Wie konnte sie ihm etwas vormachen? Er erlaubte ihr noch immer nicht, wegzusehen und schließlich musste sie nachgeben.

„Ich … ich denke, ich … habe mich verliebt." Ihre Stimme war nur ein schwaches Wispern, als könne sie somit verhindern, dass Elladan hören würde, was sie sagte.

Doch plötzlich formte sich auf seinen Lippen ein sanftes Lächeln. „Doch was ist denn daran Schlimmes? Es ist doch schön, verliebt zu sein?"

Ein leises, bitteres Lachen, das sie nicht verhindern konnte, kam über Elenaels Lippen und sie entzog sich endlich Elladans Blick. Antworten tat sie jedoch nicht.

Elladans Blick wurde wieder ernster. „Nun, es sei denn, du bist dir sicher, dass deine Gefühle nicht erwidert werden."

Elenael weigerte sich immer noch, ihn anzusehen. „Vielleicht hättest du Gedankenleser werden sollen."

Wieder umspielte ein Lächeln seine Lippen, doch diesmal schien es mehr von Mitleid als Erheiterung her zu rühren.

„Wenn ich Gedanken lesen könnte, dann wüsste ich jetzt, welcher Elb dir so sehr den Kopf verdreht hat, dass ich dich weinend unter einem Baum sitzend vorfinde. Deswegen kannst du es mir gerne erzählen." Er saß nun neben ihr, und rupfte ein paar Büschel Gras aus dem Grund, als müsse er seine Finger beschäftigen.

Elenael schwieg. Wenn sie Elladan jetzt erzählen würde, in wen sie verliebt war, würde es unweigerlich zu noch mehr Fragen kommen – und sie wollte weder Legolas, noch Elrohir in eine unangenehme Situation bringen.

„Es tut mir leid", erwiderte sie schließlich leise. „Das kann ich nicht."

Elladan runzelte die Stirn. „Nun, das verstehe ich nicht ganz, denn wenn er nicht das gleiche für dich empfindet, gibt es doch keine Beziehung, die es geheim zu halten gilt, dennoch respektiere ich deinen Wunsch, wenn du es mir nicht sagen möchtest." Er schaute sie dann wieder an und sein Gesicht wirkte freundlich. „Aber wenn du es dir anders überlegst, so kannst du gerne mit mir reden, jederzeit."

Letztendlich erwiderte Elenael nun doch den Blick des Zwillings, der ihr im Laufe ihres Lebens ein so guter Freund geworden war.

„Ich danke dir, Elladan – ich denke, ich werde auf deine Worte zurückkommen." Sobald sie soweit war. Für einen Moment sah es so aus als wolle Elladan daraufhin wieder aufstehen, doch schnell legte sie ihm ihre Hand auf den Arm, bevor sie wusste, was sie tat. „Bitte, geh nicht …"

Elladan nickte verstehend und lehnte sich dann an den breiten Baumstamm. „Wir sollten mal wieder etwas Schönes miteinander unternehmen", sagte er nach einer Weile der Stille. „Vielleicht ein Ausritt und ein Picknick oder so etwas."

Elenael lehnte sich ebenfalls an den Baumstamm, an ihrer Schulter die des Zwillings spürend. „Das wäre schön …" Sie war froh, von dem für sie unangenehmen Thema endlich abgekommen zu sein. Umso dankbarer war sie Elladan auch, dass er ihren Unwillen, ihm mehr zu sagen, akzeptierte.

„Vielleicht könnten wir Lindir mitnehmen, damit er auf der Harfe spielt, während du singst?" schlug der Zwilling vor.

Die Tränen auf ihren Wangen waren getrocknet und nun erfüllte Elenaels Lachen wieder die Lichtung. „Glaubst du wirklich, dass Lindir sich auf einen Ausflug einlässt, an dem du oder Elrohir beteiligt sind?"

Elladan schmunzelte leicht boshaft. „Hmm du meinst also, er trägt es uns immer noch nach, dass wir damals seine Harfe versteckt haben?"

„Darauf kannst du wetten", antwortete Elenael, ebenfalls ein leichtes Grinsen im Gesicht. „Aber du kannst es versuchen, ihn zu überreden. Wenn du das schaffst, werde ich sogar für euch singen."

Elladan verzog gespielt angeekelt das Gesicht. „Oh, na ob das so eine gute Idee ist? Wir wollen doch nicht, dass alle Vögel, Hasen und Rehe im Umkreis von zwei Tagesmärschen in Furcht und Schrecken fliehen, oder?"

Rücksichtslos stieß Elenael Elladan daraufhin in die Seite, ein Lachen aber nicht unterdrücken könnend.

„Wessen Vorschlag war genau das eben noch? Sei vorsichtig mit dem, was du sagst, Elladan, deine Wünsche könnten dir gewährt werden."

Wieder runzelte er die Stirn und rieb sich nachdenklich das Kinn. „Nun, dann wünsche ich mir … ich wünsche mir, dass du nicht mehr traurig bist, wegen irgendeinem Narren, der dich nicht zu schätzen weiß." Wieder lag ein schelmisches Grinsen auf seinen Zügen „Und dass du nicht mehr handgreiflich gegen mich wirst."

Bei seinen Worten schluckte Elenael leicht, sah ihren Freund dann aber an, Dankbarkeit in ihren Augen glänzend. Die junge Elbin umarmte den älteren Zwilling und flüsterte nur: „Ich danke dir …"

„Nichts zu danken", erwiderte er und klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. „Was hältst du davon, wenn wir nun erst einmal die Küche unsicher machen und uns eine Tasse Tee und etwas Kuchen besorgen?"

„Was ich davon halte? Eine ganze Menge", lachte Elenael. „Und was deine Wünsche angeht – den ersten werde ich dir vielleicht erfüllen können. Doch der zweite – das wird unmöglich sein …"

Elladan erwiderte ihr Lachen, während er aufstand und ihr dann die Hand anbot, um sie hinauf zu ziehen. „Dann werde ich mich wohl anstrengen müssen, dir keine Gelegenheiten dazu zu bieten."

Elenael nahm seine Hand und als sie neben ihm auf den Füßen stand, erwiderte sie lächelnd: „Ich denke nicht, dass sich das vermeiden lässt. Ob du willst oder nicht, irgendetwas werde ich immer finden." Dasselbe galt auch für seinen Bruder – doch Elenael brachte es nicht über sich, jetzt von ihm zu sprechen, deshalb schwieg sie.

„Jetzt bist du aber ein wenig ungerecht", lachte Elladan. „Elrohir ist kein bisschen besser als ich in dieser Hinsicht."

Bei seinen Worten wurde Elenaels Lächeln eine Spur schwächer. „Das ist allerdings wahr. Ich habe auch nicht gesagt, dass es bei ihm anders ist, ganz im Gegenteil …" Innerlich wünschte sie sich jedoch, dass Elladan jetzt nichts weiter über seinen Bruder sagen würde – am Ende würde er etwas bemerken.

„Dann lass uns jetzt gehen", sagte Elladan nur. Was Elenael jedoch nicht bemerkte, war das kurze Funkeln in seinen Augen, in dem sich ein leiser Verdacht spiegelte.

TBC

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