So, hier dann endlich mal Kapitel 7. Sorry, dass es mit dem Posten so lange gedauert hat, aber ich vergesse das hier immer irgendwie schäm

Hoffe, es gefällt euch auch weiterhin.

Kapitel 7

Legolas schaute kurz hinter sich, als er auf dem Rücken seines Pferdes den Kiesweg entlang ritt, und blickte kurz auf Elenael, die etwas müde auf ihrem Tier zu sitzen schien. Die beiden Zwillinge ritten voraus an diesem warmen Tag unter der hell strahlenden Sonne, die Legolas geradezu zu verspotten schien. Elladan war auf die Idee gekommen, zu viert einen Ausritt mit Picknick zu machen, und Legolas war nicht in der Lage gewesen, ihm diesen Vorschlag auszuschlagen, schließlich wollte er nicht, dass irgendjemand etwas bemerkte, doch spürte er von Zeit zu Zeit die fragenden Blicke von Elrohir, der ab und an über seine Schulter blickte. Ahnte er etwas? Legolas senkte den Blick und ließ sein Pferd gemütlich hinter den anderen hertraben.

Innerlich seufzte Elenael. Diese Nacht war von Träumen geplagt gewesen, die sie immer wieder aufgeweckt hatten – und oft war Legolas darin vorgekommen. Langsam war sie es müde, sich selbst daran zu erinnern, dass es sinnlos war. So in Gedanken versunken sah sie weder, wie Legolas sie manchmal ansah, noch die Blicke, die Elrohir öfters zurückwarf. Sie fragte sich, wie weit die Zwillinge vorhatten zu reiten.

„Ich glaube, hier können wir halt machen", sagte Elladan und brachte sein Pferd zum Stehen, um es in dem hohen Gras weiden zu lassen. Eine sonnige Lichtung umgeben von hohen Laubbäumen lag vor ihnen und die Reiter stiegen ab, um sich auf der großen weißen Decke nieder zu lassen, die der ältere Zwilling im Gras ausgebreitet hatte.

Als die vier sich schließlich gesetzt hatten, fiel Elenael etwas ein, das ein verschmitztes Lächeln auf ihr Gesicht rief.

„Elladan, wolltest du nicht Lindir mitnehmen? Lass mich raten – er hat sich geweigert, stimmt's?"

Der Zwilling lachte laut auf. „Ja, das hat er. Er sagte, und ich zitiere 'Oh nein, das würde euch so passen, nur, damit ihr wieder meine Harfe verstecken könnt und dann darüber lacht, wie ich sie überall suche'. Als ob wir den gleichen Scherz noch mal gemacht hätten. Uns wäre sicherlich etwas Besseres eingefallen."

„Daran zweifele ich nicht", erwiderte Elenael lachend und zwinkerte Legolas kurz zu. „Aber jetzt werdet ihr wohl auf den musikalischen Teil verzichten müssen."

Legolas fragte sich, was diese Geste nun wieder zu bedeuten hatte. Sicherlich hatte sie gemeint, dass sie nicht daran zweifelte, dass die Zwillinge sich noch gemeinere Scherze einfallen lassen konnten, doch warum zwinkerte sie gerade Legolas zu, hatte jeder Blick von ihr doch immer wieder die selbe Wirkung.

Er musste sich zusammen nehmen, nicht wieder in seinen Gedanken um sie zu versinken, und sprach schließlich. „Der arme Lindir, fürchtet er euch schon so sehr, dass er nicht einmal in eurer Gegenwart sein will, wenn zwei Unschuldige dabei sind? Ich habe ihm noch nie etwas getan, und ich denke mal, Elenael auch nicht."

„Nein, das hat sie sicherlich nicht", erwiderte Elrohir, der bisher recht still gewesen war. Scherzhaft lächelnd sah er zu der jungen Elbin hinüber. „Und dennoch glaube ich, dass irgend etwas mit ihm nicht stimmen kann. Wer wollte sich schon weigern, Zeit mit jemandem wie ihr zu verbringen, selbst, wenn wir zwei mit dabei sind?"

„Also ich würde mich sicherlich nicht weigern", sagte Elladan lachend, doch Legolas konnte nicht umhin, Elrohirs Worte als ernsthafter zu interpretieren. Warum zeigte er nicht offen, dass er Elenael liebte? Hatte er vielleicht Angst, seinen Bruder damit zu verletzten, dass er jemanden hatte und ihn alleine zurück lassen würde? Legolas nahm einen Schluck Wein aus dem Becher, den er soeben gefüllt hatte.

„Würdest du dich etwa weigern, Legolas?" fragte Elladan und Legolas verschluckte sich hustend und spuckend an dem Getränk.

Elenael war bei den Worten der Zwillinge ein wenig rot geworden, doch auch – oder besonders – Legolas' Reaktion hatte sie ein wenig überrascht. Es war kein Zufall gewesen, dass er sich in genau diesem Augenblick so verschluckt hatte, da war sie sich fast sicher. Nur warum? Elrohir schien sich inzwischen wie sein Bruder das Lachen wieder nicht verkneifen zu können.

„Legolas, alles in Ordnung?", fragte er schließlich, ihm in die Augen sehend.

Legolas hustete noch ein letztes Mal und zwang sich dann zu einem Kichern.

„Ja, ja, natürlich. Ich wollte nur lachen, als Elladan mich das gefragt hat, aber hab mich dann verschluckt", log er und hoffte, seine Erklärung klang plausibel.

„Was, wenn ich fragen darf, fandest du an dem Gedanken so erheiternd?", fragte Elenael schließlich gezwungen fröhlich. Sie wusste noch nicht genau, was sie von seiner Antwort halten sollte und bevor sie die falschen Schlüsse zog, hatte sie beschlossen, lieber noch einmal nachzufragen.

Diese Frage erwischte Legolas eiskalt. Wie sollte er darauf antworten, ohne seine Gefühle zu enthüllen?

„Nun ja", sagte er nervös lächelnd. „Es klang ja fast so, als fragte mich Elladan, ob ich an dir interessiert sei, und … nun, das bin ich ja nicht. Wir sind doch nur Freunde!" Diese Erklärung sollte alle zufrieden stellen. Elenael hatte sowieso nur Augen für Elrohir, und dieser würde nun wissen, dass Legolas nicht vorhatte, ihm gefährlich zu werden. Natürlich war es eine komplette Lüge, aber Legolas hoffte, niemand würde ihn durchschauen.

Bei Legolas' Antwort gingen verschiedenen Personen die verschiedensten Gedanken durch den Kopf. Elrohir hätte am liebsten das Gesicht in beiden Händen vergraben – Legolas' Worte bestätigten seine Vermutung nur noch mehr. Er wusste nicht, wie er damit umgehen oder überhaupt darauf eingehen sollte und der Gedanke machte ihm ein wenig Angst.

Elenael hingegen trafen seine Worte wie eiskalte Dolchstöße. Da, nun hatte sie es sogar aus seinem eigenen Mund. Wie viele Beweise brauchte sie eigentlich noch? Und dennoch war ihr ganzes schauspielerisches Talent nötig um nicht den Schmerz, den seine Antwort in ihr ausgelöst hatte, zeigen zu lassen.

Elladan schaute verdutzt in die Runde. Alle drei schienen nach Legolas Worten etwas angespannt, und er wusste überhaupt nicht, wie er dies deuten sollte.

„So hatte ich es aber nicht gemeint, wir sind doch alle nur Freunde, oder?" fragte er, als kannte er die Antwort schon, doch war er gespannt, wie die anderen darauf reagieren würden.

Wie es zu erwarten war, bestand die Antwort der drei anderen Elben aus einem „Ja, sind wir.", das so exakt zur gleichen Zeit ausgesprochen wurde, dass man sich fast schon fragen musste, ob die drei es vorher nicht eingeübt hatten. Eine recht seltsame Stille folgte.

Elladan war nun reichlich verwirrt, doch versuchte er, es nicht zu zeigen. Nach einiger Zeit sagte er: „Nun, dann ist ja alles bestens."

Er spürte förmlich, wie die anderen erleichtert ausatmeten, als sie glaubten, dass er nichts weiter in ihre Aussage hinein interpretierte, doch die Stille hing immer noch über ihnen wie ein Nebel. „Ein wirklich schöner Tag heute, nicht wahr?" fragte Elladan schließlich.

„Ja, das ist es wirklich", antwortete Elrohir, ebenfalls erleichtert, dass sie das Thema wechseln konnten. Verstohlen sah er für einen Augenblick zu Legolas hinüber, aber ebenso schnell wieder weg. Er wusste einfach nicht, was er tun sollte. Schließlich tastete er mit einer Hand nach der Tasche, die sie mitgebracht hatten und suchte darin nach etwas zu essen, nur, um seine Hände beschäftigen zu können.

Elenael, die gesehen hatte, was Elrohir vorhatte, erinnerte sich nun ebenfalls an etwas und stand auf.

„Ich bin sofort wieder da." Damit ging sie zurück zu ihrem Pferd, das in der Nähe graste und nahm einen Korb, in dem sie eine Torte, die sie gebacken hatte, verstaut hatte.

Legolas war innerlich sehr angespannt. Er fragte sich, wie lange er seine Gefühle für Elenael noch so verbergen könnte, dass niemand etwas ahnte, doch fürchtete er, dass Elrohir bereits Verdacht schöpfte, da er ihn immer wieder fragend ansah, wenn Legolas nicht zu ihm blickte. Dieser Ausflug war eine schlechte Idee gewesen, auch wenn Elladan keine Schuld traf, da er ja nicht wissen konnte, was Legolas Herz belastete. Plötzlich hörte er ein lautes Summen an seinem Ohr und bemerkte, dass eine Wespe um ihn herum flog. Er sprang schnell auf und versuchte, das Untier zu verjagen. Nach einigem Schwenken seiner Arme gelang es ihm schließlich und er blieb vor den beiden Zwillingen stehen, die ihn belustigt anblickten. Nur auf Elrohirs Zügen lag noch etwas anderes, und Legolas fühlte sich immer unwohler.

Leicht belustigt hatte Elenael auf ihrem Rückweg beobachtet, wie Legolas aufgesprungen war um die Wespe zu verjagen. Bei seinem Verhalten fragte sie sich kurz, ob es in Düsterwald überhaupt Wespen gab. Sie sagte jedoch nichts, sondern setzte leicht lächelnd die Torte auf der Decke ab. Danach richtete sie sich wieder auf und fragte Legolas: „Möchtest du dich nicht wieder zu uns setzen und etwas essen?"

Legolas wollte ihr schon zu lächeln, als seine Elbensinne sich plötzlich schärften. Hinter sich nahm er einen Luftzug wahr und Schwingungen drangen in sein Gehör, als er ein Geräusch wahrnahm, ein Rascheln in den Blättern hinter ihm und das aufgeregte Flattern einiger Vögel, die panisch aus dem Gebüsch flogen. Gefahr näherte sich ihnen und schien genau Elenaels Richtung einzuschlagen. Schützend warf er die Elbenmaid zu Boden, nahm blitzschnell den Bogen, der neben seinem vorigen Platz auf dem Grund gelegen hatte und spannte einen Pfeil ein. Er fokussierte seine Augen auf die Bedrohung und zielte, als der Feind aus dem Gebüsch hervor sprang und sich zeigte. Legolas Augen weiteten sich vor Schrecken, als er sein Ziel erblickte. Es war ein Fuchs. Wie paralysiert stand er da und schaute auf das kleine Tier, das ihn mit dem Blick seiner runden Knopfaugen zu verspotten schien, bevor es sich umwand und in einem weiteren Gebüsch verschwand um Vögel zu jagen. Langsam senkte er den Bogen und wand sich mit geschlossenen Augen zu seinen drei Begleitern um. Als er sie öffnete, viel sein Blick auf Elenael, die sich langsam wieder aufrichtete und ihn ansah. Die sahnige Torte war vollständig auf ihrem hübschen Gesicht verteilt. 

Elenael hatte im ersten Moment überhaupt nicht gewusst, was sie traf, als sie plötzlich zu Boden geworfen wurde. Sie spürte etwas Kühles auf ihrem Gesicht und erst, als es für einen Moment still war und sich nichts regte, wusste sie, was es war. Langsam richtete sie sich auf und ihr Blick fiel auf Legolas, der sie anstarrte. Die junge Elbin hob einen Finger an ihre Wange und als sie wieder auf ihn herabsah, klebte ein Teil der weißen Sahne an der Fingerspitze. Elenael wusste nicht, wie sie reagieren sollte, wütend oder amüsiert. Beide Gefühle schienen sich in ihr zu streiten und darum zu kämpfen, welches die Überhand gewinnen würde.

Elladan war der erste, der die Stille durchbrach, als er anfing, laut zu lachen. Er stand auf und ging zu Elenael, um ihr sein Taschentuch zu reichen.

„Du siehst wirklich köstlich aus", sagte er immer noch kichernd und strich dann mit seinem Zeigefinger über ihre Nase, um die Sahne zu kosten. „Und du schmeckst auch köstlich", fügte er mit einem Schmunzeln hinzu.

Bei seinen Worten röteten sich Elenaels Wangen, was man aber unter der Sahne nicht wirklich sehen konnte. Dankbar nahm sie von Elladan das Taschentuch entgegen, doch bevor sie es verwenden konnte, hatte Elrohir, der nun ebenfalls lachte, seine Hand auf ihre gelegt um sie davon abzuhalten und meinte nun: „Wenn mein Bruder das sagt, so muss ich mich doch selbst davon überzeugen." Damit strich er ihr ebenfalls mit einem Finger über die Wange und sah schließlich zu Legolas, der sich noch immer nicht gerührt hatte.

„Schäm dich, Legolas, diese Torte wollte ich essen!"

Legolas beobachtete, wie die Zwillinge von den Überresten der Torte kosteten, die auf Elenaels Gesicht klebten, und für einen kurzen Augenblick wollte er es ihnen nachahmen, doch schalt sich dann sofort für seine Gedanken. Für Elladan war es sicherlich nur Spaß, aber Elrohir würde nur noch mehr Verdacht schöpfen, wenn Legolas es ihnen gleich täte. Die Röte stand ohnehin schon in seinem Gesicht, da er sich dafür schämte, mal wieder unüberlegt und furchtbar ungeschickt gehandelt zu haben.

„Es tut mir leid", sagte er mit belegter Stimme und wand seinen Blick ab.

Elrohir war noch immer damit beschäftigt, jetzt doch mit Hilfe des Taschentuchs seines Bruders, Elenaels Gesicht völlig zu säubern. Sie hatte noch immer nichts gesagt und er konnte sich denken, dass sie nicht wusste, wie sie nun darauf reagieren sollte.

„Was hast du denn gedacht, würde jetzt aus dem Gebüsch angesprungen kommen?", fragte er Legolas weiter, ohne ihn anzusehen.

Legolas sah, wie Elrohir fürsorglich Elenaels Gesicht von den Tortenresten befreite, und sein Herz schien beinahe zu brechen. Elrohirs Frage riss ihn aus seinen Gedanken. Er wusste nicht, wie er darauf antworten sollte, da er es ja selbst nicht verstand, warum er so übervorsichtig reagiert hatte.

„Ich … ich weiß es nicht", sagte er leise. „Es hätte ein Wolf sein können, oder ein Bär …" Oder ein Ork, dachte er, doch sprach er es nicht aus, als ihm auffiel, wie dumm dieser Gedanke gewesen war, da Orks wohl kaum an einem sonnigen Tag wie diesem alleine durch die Wälder streiften.

Ein wenig zweifelnd sah Elrohir Legolas an und wandte sich dann wieder ab.

„Danke", sagte Elenael schließlich leise, als ihr Gesicht wieder sauber war, sah Elrohir kurz in die Augen und dann für einen Augenblick zu Legolas herüber. Sie wusste noch immer nicht, was sie sagen sollte, die ganze Situation war ihr sehr unangenehm. Nicht nur, dass sie von Legolas im wahrsten Sinne des Wortes in eine Torte geworfen worden war, es schien auch, als wäre die Stimmung zwischen Elrohir und Legolas ein wenig angespannt, etwas, das sie im Grunde nicht wollte – nicht wegen ihr.

Legolas war dankbar, dass vom Osten her dunkle Wolken aufzogen und die Gesellschaft sich auf den Rückweg machen musste. Sie hatten noch ein wenig gegessen, nachdem Elenael sich wieder gesäubert hatte, doch waren alle bis auf Elladan sehr still gewesen. Die Stimmung war alles andere als gut, und so begrüßte Legolas den drohenden Regen und genoss die Stille des Heimritts. Noch waren die Wolken fern und Imladris rückte immer näher, sodass sie wohl noch im Trockenen ankommen würden. Dann würde er auf sein Gemach gehen, ein warmes Bad nehmen und versuchen, Elenael und Elrohir aus dem Wege zu gehen. Es verunsicherte ihn zu sehr, sie gemeinsam zu sehen, und er wollte nicht, dass ihm womöglich noch schlimmere Missgeschicke geschehen würden.

Während des Heimwegs war Elenael ebenfalls still und hing ihren Gedanken nach. Sie hatte noch kein Wort mit Legolas gesprochen und sie wusste nicht ganz, wie sie die Situation lösen sollten. Vielleicht sollte sie doch irgendjemandem von ihren Gefühlen erzählen … Recht schnell verscheuchte sie den Gedanken wieder, doch einmal da gewesen ließ er sie so schnell nicht mehr los. Außerdem wusste sie noch nicht genau, an wen sie sich dabei überhaupt wenden sollte … Still erreichten sie schließlich Imladris, brachten ihre Pferde wieder in den Stall und verabschiedeten sich schließlich voneinander. Und dabei geisterte Eleanel immer wieder die Frage im Kopf herum, was sie nur tun sollte.

Rotgolden sank die Sonne im Westen und schickte ihre letzten Strahlen über das Land. Einige davon fielen durch Elenaels Fenster und malten ihren Schatten auf den Boden, während sie auf dem Sims saß und auf Imladris hinabblickte. Am Nachmittag hatte es geregnet, doch nicht stark und jetzt roch die Luft nach frischem Gras und nassen Blättern. Elenael nahm dies jedoch nur am Rande war, da ihre Gedanken sie weit weg getragen hatten – sie verweilten noch immer an diesem Mittag …

Frustriert ließ die junge Elbin ihren Kopf auf ihre Knie sinken. Langsam wurde es ihr wirklich zu viel – sie hatte versucht, Legolas' Gegenwart zu meiden, doch wie es schien, wollten es die Valar so, dass ihre Versuche vergebens blieben, wenn sie immer wieder ohne selbst etwas dagegen tun zu können, ihn sah, mit ihm zu tun hatte … Elenael wurde aus ihren Gedanken gerissen, als es leise an ihrer Tür klopfte. Einen Moment überlegte sie, ob sie überhaupt öffnen sollte. Eine Vorahnung überkam sie, wer dort vor der Tür stehen musste, doch schließlich, als es noch einmal klopfte, seufzte sie und stand auf. Als sie langsam, ein wenig zögernd, die Tür öffnete, überkam sie eine Welle der Erleichterung. Es war Elladan.

„Elenael, guten Abend", sagte Elladan sanft und lächelte sie an. „Darf ich hinein kommen?"

„Sicher", antwortete sie, sein Lächeln leicht erwidernd. „Komm rein." Elenael wandte sich um und nahm wieder ihren Platz auf dem breiten Fensterbrett ein. „Was … kann ich für dich tun?"

Elladan setzte sich ihr gegenüber, beantwortete ihre Frage jedoch zunächst nicht. Er sah sie nur lange Zeit an, und aus irgendeinem Grund wirkten seine Züge besorgt. „Elenael, ich sagte dir ja bereits, dass du mir alles erzählen kannst", fing er an. „Es bedrückt dich immer noch, ich kann es sehen."

Sie hätte sich denken können, dass er deshalb hier war. Elenael fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und überlegte, ob sie darauf überhaupt antworten sollte. „Was meinst du?" Fast sofort bereute sie ihre Worte, da sie abweisender klangen als sie es vorgehabt hatte.

Elladan seufzte und seine Brauen legten sich in Falten. „Du weißt genau, was ich meine", sagte er schließlich, doch es klang nicht vorwurfsvoll. „Elenael, ich erfragte dies nicht, weil ich zu neugierig bin, es nicht zu wissen, sondern weil ich aus Erfahrung weiß, dass es besser ist, wenn man über die Dinge redet, die einen bedrücken. Ich verspreche dir, dass ich auch zu niemandem ein Wort sagen werde. Nur bitte rede mit mir!"

Lange Zeit schwieg die dunkelhaarige Elbin, doch endlich sah sie auf, Elladan in die Augen. Sie wusste, dass er recht hatte. „Es … tut mir leid, ich … Es ist Legolas", antwortete sie plötzlich, geschlagen. Dabei wich sie jedoch dem Blick des Zwillings aus.

Elladan sah Elenael aufmunternd lächelnd an, und auf seinem Gesicht lag kaum eine Spur von Überraschung. „So, Legolas also?" fragte er. „Nun ja … und weiter?"

„Weiter? Nichts weiter", erwiderte Elenael ein wenig bitter. „Was soll ich denn tun, wenn er und Elro…" Recht plötzlich brach sie ab und biss sich auf die Lippen. Sie hatte nicht vorgehabt, Elladan irgendetwas davon zu erzählen, es lag an seinem Bruder und an keinem anderen, ob und wann er davon erfahren sollte. Sie hoffte nur, dass er ihr vielleicht nicht ganz genau zugehört hatte, obwohl sie wusste, dass diese Hoffnung wohl recht vergebens war.

Plötzlich verschwand die Sanftheit aus Elladans Zügen und er musterte Elenael skeptisch. „Was genau wolltest du eben sagen?"

„Nichts, bitte vergiss, dass ich überhaupt den Mund aufgemacht habe …" Bittend und ein wenig verzweifelt sah Elenael zu ihm auf. Es lag nicht an ihr, Elladan das zu sagen, wenn Elrohir es noch nicht getan hatte.

Doch es war zu spät. Elladan blickte mit leicht geweiteten Augen aus dem Fenster, zunächst ungläubig, doch dann allmählich verstehend. „Jetzt begreife ich …" sagte er leise. „Es ergibt plötzlich alles einen Sinn, doch warum … warum hat er mir nichts davon gesagt? Wir haben doch sonst immer alles miteinander geteilt … Ich … Ich verstehe es nicht."

„Oh nein …", stöhnte Elenael leise auf. „Das solltest du doch nicht von mir erfahren, das ist etwas zwischen dir und Elrohir und … es tut mir leid. Ich hätte mich da nicht einmischen sollen." Sie verstand es ja selbst nicht, warum Elrohir es seinem Bruder nicht gesagt hatte, sie wusste aus eigener Erfahrung, dass sie sonst wirklich alles miteinander teilten. Und sie hatte immer gedacht, dass sie sich gegenseitig alles erzählt hätten, selbst, wenn die ganze Welt es nicht erfahren dürfte.

Traurig sah Elladan nun wieder zu ihr auf. „Es ist nicht deine Schuld", sagte er und seine Stimme klang etwas heiser. „Ich frage mich nur, wie lange er es noch vor mir verheimlicht hätte. Jetzt verstehe ich auch, was dein Problem war. Du hast dich also in Legolas verliebt? Und er … er liebt meinen Bruder." Elladan lachte kurz sarkastisch auf und schüttelte dann den Kopf.

Elenael fühlte sich plötzlich noch schlechter als noch vor ein paar Minuten. Sie sah Elladan, der ihr gegenüber auf der Fensterbank saß, an, hob dann langsam eine Hand und legte sie ihrem Freund in einer tröstenden Geste auf die Wange. „Es tut mir wirklich leid …", sagte sie noch einmal, trotz seiner Worte, dass sie es nicht brauchte.

Elladan lehnte sich etwas in die Berührung und schloss für einen Augenblick die Lider. „Dann leiden wir wohl beide darunter, auch wenn es bei dir ein wenig anders ist", sagte er schließlich und legte seine Hand auf die ihre, die immer noch auf seiner Wange ruhte. „Nur wie soll ich mich nun verhalten?" fragte er. „Und was willst du tun?"

„Ich weiß es nicht", antwortete sie leise, den Trost genießend, den er durch seine Berührung spendete. Es war vielleicht doch gut, dass sie ihre Gefühle schließlich jemand anderem offenbarte – so war sie endlich doch nicht mehr alleine.

Wieder seufzte Elladan. „Und ich weiß es auch nicht. Aber ich werde Elrohir nicht konfrontieren. Er muss es mir selbst sagen." Er nahm Elenaels Hand und legte sie sanft in ihren Schoss, um dann aufzustehen. „Doch nun muss ich gehen. Das Abendessen beginnt bald, auch wenn mir im Moment nicht der Sinn nach Essen steht."

Elenael nickte leicht und stand ebenfalls auf. „Du hast recht … ich sollte mich dort unten auch noch einmal blicken lassen. Ich danke dir, dass du so für mich da bist – auch, wenn ich dir wohl damit selbst Kummer bereitet habe."

Elladan lächelte milde. „Mach dir darüber keine Gedanken. Und wofür sind Freunde denn da?" Er stand bereits bei der Tür und drückte die Klinke hinunter. „Wir sehen uns morgen." Mit diesen Worten verschwand er aus ihrem Zimmer.

Seufzend sah sie Elladan nach. Sie hatte wirklich nicht gewollt, dass es so weit kommen würde und Elenael bereute jetzt zutiefst, dass sie nicht den Mund hatte halten können. Einen Moment blieb sie noch stehen, dann folgte sie ihm, schloss die Tür hinter sich und machte sich auf den Weg nach unten zur Küche, um dort bei den Vorbereitungen des Abendessens zu helfen.

Beide wussten nicht, wer draußen auf dem Weg vor Elenaels Fenster stand und mit erschrockenem Gesichtsausdruck die Szene beobachtet hatte.

Das kann nicht sein!, dachte Elrohir bei sich, als seine Augen immer noch auf dem Fleck ruhten, wo er soeben seinen Zwillingsbruder mit Elenael gesehen hatte. Sie hatte seine Wange gestreichelt und er hatte ihre Hand gegriffen. Wie konnte sein Bruder ihm dies antun? Wie konnte er ihm nichts davon erzählt haben? Seit wann vertrauten sie einander so wenig, dass sie nicht mehr jeden Gedanken miteinander teilten? Zutiefst verletzt schüttelte Elrohir den Kopf und begann dann, langsam wieder zum Eingang zu laufen. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass sein Bruder anscheinend eine Beziehung mit Elenael hatte und er es nur durch diesen Zufall erfahren hatte. Und er fürchtete sich auch vor den Konsequenzen. Seit beinahe 3000 Jahren waren Elladan und er ein Herz und eine Seele gewesen, und niemand hatte es vermocht, sich zwischen sie zu drängen.

Es war nicht so, dass es nicht genügend hübsche Elbinnen gab, für die sich die Brüder interessieren könnten, doch hieße dies auch immer, dass ihre Zweisamkeit ein Ende finden würde und dass das Band zwischen ihnen immer lockerer werden würde. Bisher hatte niemand es geschafft, diese Verbindung zu gefährden, doch nun war es Elenael, und der Gedanke schmerzte Elrohir umso mehr, da auch sie ihm am Herzen lag, und dies vermutlich auch eine Gefährdung ihrer Freundschaft bedeuten konnte. Sie würde ihm seinen Bruder wegnehmen – sein Ein und Alles, und auch wenn er sich für ihn freuen sollte, so blieb doch noch der bittere Nachgeschmack haften, der dazu führen würde, dass er die Elbin dafür verantwortlich machte.

TBC

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