Kapitel 8
Draußen war die Sonne bereits fast gänzlich untergegangen, als Legolas in einem bequemen Sessel der Bibliothek saß. Außer ihm war niemand sonst hier, und so konnte er die Stille des Abends genießen. Doch die Ruhe bedeutete auch, dass seine Gedanken immer wieder um Elenael kreisten. Um sich ablenken zu können, hatte er zu lesen begonnen, und blätterte nun eine weitere Seite des Quenta Silmarillion um. Die Geschichte vom Anbeginn der Tage in Mittelerde hatte eine angenehm beruhigende Wirkung auf ihn, denn es erinnerte ihn an seine Kindheit, als er oft daraus hatte vorgelesen bekommen. Er wusste die Worte schon beinahe auswendig, und doch fand er immer wieder Gefallen daran. Soeben las er das Kapitel über die große Wanderung der Elben und über die Nandor, die diese ablehnten und im Großen Grünwald – wie Düsterwald damals noch genannt wurde – die ersten Elbensiedlungen gründeten. Doch längst nicht alles über Düsterwald stand im Quenta Silmarillion. Zu Hause in den Hallen seines Vaters gab es viele Bücher, die Geschichten über die Nandor und auch die Sindar erzählten, die sonst ungenannt blieben. Und auch diese kannte er.
Doch so sehr er sich bemühte, sich auf die alten Geschichten zu konzentrieren, so konnte er nicht umhin, immer wieder Elenaels Gesicht vor seinem geistigen Auge zu sehen, ihre strahlenden Augen, ihr seidiges Haar und ihr liebreizendes Lächeln. Was gäbe er dafür, wenn er sie in den Arm schließen könnte, sie küssen könnte. Seine Augen glitten über die Zeilen, doch er hatte die Konzentration verloren und musste den Absatz von neuem beginnen, als er plötzlich hörte, wie die Tür zur Bibliothek geöffnet wurde.
Es war Glorfindel, der nun die Bibliothek betrat und die Tür hinter sich schloss. Sein Blick fiel auf Legolas, der allein in einem der Sessel saß und in einem Buch blätterte. Der goldblonde Elb wunderte sich ein wenig, da er von dem Picknick gehört hatte, zu dem die vier jungen Elben am Vormittag aufgebrochen waren und er hatte vermutet, dass sie noch weiter Zeit miteinander verbringen würden.
„Guten Abend, Legolas", sagte er mit einem freundlichen Lächeln und ging zu einem der Regale neben den Sesseln, in dem er einige Bücher suchen wollte. „So ganz alleine hier?"
Legolas schaute von dem Buch auf und blickte zu Glorfindel.
„Ja", sagte er nur knapp. „Und wie ich sehe, hast du auch zu tun, statt den anderen beim Abendessen Gesellschaft zu leisen?"
„Es sieht so aus", antwortete Glorfindel, sah Legolas jedoch mit einer leicht hochgezogenen Augenbraue an. Er entschied sich aber diesmal dagegen, etwas zu sagen, sondern wandte sich wieder dem Bücherregal zu.
„Wie war euer Picknick?", fragte er beiläufig, um eine Unterhaltung bemüht.
Legolas seufzte kaum merklich. „Nett", log er und versuchte, so neutral wie möglich zu klingen, doch der musternde Blick des älteren Elben verriet, dass er nicht sonderlich überzeugend gewesen war.
„Aha …" Legolas hatte richtig vermutet, Glorfindel klang auch alles andere als überzeugt. Schließlich sah er kurz auf die Bücher, die er inzwischen in der Hand hielt, hinunter, kam dann zu Legolas, setzte sich ebenfalls in einen der Sessel und legte die Bücher weg.
„Jetzt mal ehrlich – was ist geschehen?"
Wieder seufzte Legolas. „Versprichst du mir, dass dies zwischen uns bleibt?" fragte er. Vielleicht war es besser, sich endlich jemandem anzuvertrauen. So langsam wurde die Last, die mit seinem Geheimnis auf seinen Schultern lag, unerträglich und vielleicht wusste der ältere Elb auch einen Rat.
„Natürlich", antwortete Glorfindel ruhig. Er sah, dass Legolas sein Geheimnis sehr bedrückte und er war froh, dass er jüngere Elb sich endlich jemandem anzuvertrauen schien.
„Nun gut", begann Legolas, schaute jedoch etwas nervös auf das Buch in seinen Händen. „Ich sagte ja bereits, dass ich in jemanden verliebt bin, der meine Gefühle nicht erwidert. Und … nun ja … dieser jemand ist Elenael. Und ich weiß dies, weil sie ihr Herz bereits an jemanden verschenkt hat."
Überrascht blickte Glorfindel ihn an. Nun gut, wenn er darüber nachdachte, war es nicht sonderlich überraschend für ihn, dass Legolas sich in die junge Elbin verliebt hatte, doch hatte er nicht gewusst, dass diese schon vergeben war.
„An wen?", fragte er deshalb geradeheraus, noch immer recht verwundert.
Legolas zögerte einen Augenblick. Er wusste, dass Glorfindel und Elrond ein sehr gutes Verhältnis zueinander hatten, und wenn dieser etwas davon erführe, wäre dies alles andere als gut, da Elrohir scheinbar beabsichtigte, seine Verbindung mit Elenael noch nicht bekannt zu geben. Doch Glorfindel hatte ihm versprochen, nichts zu verraten, und Legolas wusste, dass er ihm vertrauen konnte.
„Es ist Elrohir", antwortete er wieder knapp, denn jedes weitere Wort wäre nur schmerzlich.
Eine Weile war es still, da Glorfindel ein wenig seine Stimme verloren zu haben schien. Er hatte mit allen möglichen gerechnet, doch einer der Zwillinge?
„Das … nun, das ist sicherlich eine Überraschung", sagte er schließlich. „Wenn es irgend jemand in diesem Haus weiß, dann doch nur sehr wenige. Warum haben sie noch nichts gesagt?" Doch schon im nächsten Moment bemerkte Glorfindel den etwas gequälten Ausdruck in Legolas' Gesicht und er setzte schnell hinzu: „Das tut mir leid."
Legolas nickte und zwang sich zu einem dünnen Lächeln.
„Nun, ich weiß nicht, warum sie es noch niemandem gesagt haben. Vermutlich wegen Elladan. Ich weiß nicht, wie er es aufnehmen würde, wenn plötzlich eine andere Person die wichtigste in seines Zwillings Leben ist." Traurig blickte er zu Glorfindel auf. „Und dennoch ändert dies nichts an der Tatsache, dass ich mich in sie verliebt habe, und ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll. Ich weiß nicht, wie ich diese Gefühle verhindern soll. Was tut man in so einer Situation?"
Mitgefühl spiegelte sich auf Glorfindels Gesichtszügen, als er Legolas ansah. „Vielleicht wäre es wirklich das Beste, wenn du es ihr sagst … obwohl ich dir nicht wirklich Rat geben kann, da gegen Gefühle dieser Art noch kein Kraut gewachsen ist." Selbst ein wenig ratlos verstummte er.
Legolas schüttelte den Kopf.
„Nein, ich kann es ihr nicht sagen. Was sollte daraus entspringen? Außerdem, fürchte ich, ahnt sie ohnehin schon etwas. Neulich waren wir gemeinsam in den Gärten spazieren. Es war ein so wunderschöner Tag und wir haben uns sehr gut unterhalten. Ich denke, wir haben uns dann zu etwas hinreißen lassen, denn beinahe hätten wir uns geküsst, doch dann sagte sie, sie könne dies Elrohir nicht antun."
Nun, wo er schon einmal dabei war, konnte Legolas Glorfindel auch alles erzählen, und es tat gut, sich endlich einmal die Dinge von der Seele zu reden, die ihn schon seit einiger Zeit bedrückten.
„Das ist ja das Schlimmste an der Sache. Hätte sie mir an dem Tag gesagt, dass sie rein gar nichts für mich empfindet und dass ich es vergessen soll, dann würde es mir vielleicht leichter fallen, jedoch so ist immer noch ein Funke Hoffnung in mir am Leben, dass sie vielleicht doch mehr fühlt. Nur selbst wenn, so kann ich doch sie und Elrohir nicht entzweien. Schließlich ist auch er mein Freund." Die gesamte Situation war so ausweglos und frustrierend. Seufzend legte er den Kopf in die Hände und strich sich durchs Haar, während er starr auf den Boden unter seinen Füßen schaute.
Glorfindel schwieg nach diesen Worten, nun noch ratloser als vorher. Es schien wirklich eine sehr verzwickte Lage, in die Legolas wohl gekommen war und er wusste nicht, was er selbst in dieser Situation tun würde. Er beschloss, später Erestor um Rat zu fragen. Zwar hatte er Legolas versprochen, es niemandem zu sagen, doch wenn es jemanden gab, dem er es dennoch erzählte, war es Elronds vertrautester Ratgeber. Und diese Situation schien ihm eine Notlage zu sein.
„Du hast Recht, ich würde jetzt wahrlich nicht gerne in deiner Haut stecken … Mit Elrohir möchtest du auch nicht darüber reden?"
Legolas schüttelte vehement den Kopf. „Oh nein, das kann ich nun wirklich nicht! Ich bin froh genug, dass er noch nichts zu ahnen scheint, denn ich fürchte, er könnte wütend auf mich sein, und dann würde ich auch noch seine Freundschaft verlieren."
Er sah zu dem älteren Elben auf, fast so, als erwartete er eine Art Lösung für sein Problem, doch er wusste, dass Glorfindel nicht viel mehr anbieten konnte, als zuzuhören – und immerhin war dies ein Anfang.
„Ich fürchte, ich muss einfach damit zurecht kommen und versuchen, nicht mehr so an Elenael zu denken. Das Beste wäre vermutlich, wenn ich schnell wieder nach Düsterwald zurückkehre."
Gerne hätte Glorfindel Legolas widersprochen, konnte es jedoch nicht. Wahrscheinlich hatte er Recht und es war wirklich für alle Beteiligten das Beste. Jetzt, da er darüber nachdachte, wusste er auch, warum Legolas bei ihrer letzten Unterhaltung, als Elrohir aufgetaucht war, so plötzlich verschwunden war.
„Es tut mir sehr leid, dass dein Besuch hier so enden sollte."
„Mir auch", sagte Legolas nur. „Doch dank dir, dass du mir zugehört hast. Ich weiß es zu schätzen." Legolas blickte wieder auf das Buch in seinem Schoß und klappte den Einband zu, um sich dann von seinem Sessel zu erheben.
„Vielleicht sollten wir nun aber zum Abendessen gehen. Immerhin sollte ich wenigstens noch Elrond ein wenig Gesellschaft leisten und mich für seine Gastfreundschaft bedanken."
„Ja, das sollten wir", stimmte Glorfindel dem Jüngeren zu, stand ebenfalls auf und nahm die Bücher wieder.
„Und bedank dich nicht, es war mir eine Ehre." Er lächelte Legolas noch einmal aufmunternd zu und wandte sich dann um, um die Bibliothek zu verlassen.
Legolas folgte ihm und gemeinsam liefen sie den Gang zum Speisesaal entlang. Es würde ihn nun einiges an Selbstbeherrschung kosten, seinen Gemütszustand nicht vor den anderen zu offenbaren, vor allem nicht vor Elrohir, da dieser sonst vermutlich wirklich Verdacht schöpfen könnte. Bevor sie die Tür zum Speisezimmer öffneten, holte Legolas noch einmal tief Luft und setzte ein sanftes Lächeln auf, das ihn nicht verraten würde.
Erestor schlug die weiche Decke des großen Bettes auf und stellte seine Hausschuhe fein säuberlich vor den kleinen Nachttisch, bevor er sich auf den Rand der Matratze setzte. Er schüttelte die Kissen ein wenig auf und schaute dann zum Kleiderschrank, wo sich Glorfindel gerade seiner Tunika entledigte und dann ebenfalls zum Bett ging. Allerdings hatte er über den weichen Stoffhosen noch seine Stiefel an und begann nun, umständlich daran zu ziehen. Erestor beobachtete ihn noch einen Augenblick und ein schelmisches Grinsen stahl sich auf seine Lippen.
„Soll ich dir vielleicht helfen?"
Glorfindel lachte und wandte sich zu Erestor um. „Wenn du das für mich tun würdest …" Er war froh, der Gesellschaft beim Abendessen entkommen zu sein, die Stimmung war alles andere als erheiternd gewesen. Legolas, Elladan und auch Elrohir hatten kaum ein Wort gesagt und es vermieden, sich gegenseitig anzusehen, was ihn nur noch mehr besorgt hatte. So konnte es nicht viel länger bleiben, es wurde höchste Zeit, dass irgendetwas geschah.
Ebenfalls leise lachend stand Erestor auf, ging um das große Bett herum und kniete vor dem Goldblonden nieder, um mit einem kurzen Ruck erst den einen, dann den anderen Stiefel abzustreifen. Er stand wieder auf und schaute zu dem dankbar lächelnden Elben hinunter, der nun seine Hand ergriff. Kurz beugte sich der dunkelhaarige Elb herunter und tupfte einen zärtlichen Kuss auf Glorfindels Stirn, bevor er wieder auf seine Seite des Bettes zurück ging und sich unter die Decke legte.
Schließlich stellte Glorfindel die Stiefel weg und suchte sich ebenfalls den Weg unter die Decke. Er schloss kurz die Augen und genoss den Augenblick leise seufzend. Nach ein paar Sekunden jedoch öffnete er sie wieder und wandte sich auf die Seite, Erestor zu.
„Ist dir beim Essen nichts aufgefallen?"
Erestor stütze seinen Kopf auf einen Arm und sah Glorfindel an.
„Nun, es war recht ruhig heute Abend, das muss ich zu geben. Ist dir denn etwa der Grund dafür bekannt?", fragte er und begann, mit der freien Hand gedankenverloren mit einer der goldenen Locken zu spielen.
„Ich wünschte fast, er wäre es nicht", antwortete Glorfindel leise. „Unsere Jungen scheinen in Sachen Liebe einige Schwierigkeiten zu haben. Ich hatte zwar versprochen, nichts zu sagen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass es ein Notfall ist", fügte er leicht grinsend hinzu.
„Ein Notfall, sagst du?" fragte Erestor und hob eine der fein geschwungenen Augenbrauen. „Dann sag es mir. Ich kann es durchaus für mich behalten. Außer dir fiele mir ohnehin niemand ein, mit dem ich ein Geheimnis teilen wollte." Den letzten Satz untermalte er mit einem sanften Lächeln.
Anstatt etwas zu sagen, hob Glorfindel eine Hand und stich damit zärtlich über die Wange des anderen, sich so für seine Worte bedankend. Letztendlich sprach er aber doch.
„Wenn ich wüsste, wo ich anfangen soll … Aber ich denke, es begann, als Legolas hier eintraf. Ich weiß nicht, wann er sich dessen bewusst wurde, doch anscheinend hat er sich in Elenael verliebt. Was ja eigentlich nicht schlimm wäre, wenn er nicht fest davon überzeugt wäre, dass sie bereits mit Elrohir zusammen ist – oh ja, eben das habe ich auch gedacht", sagte er lachend, als er Erestors überraschten Gesichtsausdruck sah.
Dem ersten Berater Elronds fiel buchstäblich die Kinnlade herunter und er schaute Glorfindel mit geweiteten Augen an.
„Elrohir und Elenael?" fragte er und noch mehr Überraschung machte sich auf seinen Zügen bemerkbar, als der Blonde nickte. „Dann muss Elladan es wissen, denn warum sonst wäre er so schweigsam und bei schlechter Laune? Es muss hart für ihn sein, dass sein Zwilling plötzlich einen anderen Lebensmittelpunkt erwählt hat als ihn. Ich habe immer gehofft, sie würden sich gemeinsam verlieben. Vielleicht in Zwillingsschwestern."
„Oder in Brüder", lachte Glorfindel, der sich diesen Kommentar nicht völlig verkneifen konnte.
Erestor grinste zurück. „Ja, auch daran wäre nichts auszusetzen, solange man einander liebt." Er beugte sich leicht vor und küsste Glorfindel zärtlich auf die Lippen.
Erst blieb Glorfindel überhaupt nichts anderes übrig, als diesen Kuss zu erwidern, dann jedoch riss er sich zusammen. „Lass das, ich komm sonst nie zum Punkt der Geschichte", wies er Erestor spielerisch zurecht.
Erestor räusperte sich kurz und nahm eine ernstere Haltung ein, jedoch nicht ohne Glorfindels Hand zu greifen und sanft mit seinem Daumen über ihren Rücken zu streicheln. „Was also gedenkst du zu tun?" fragte er schließlich.
„Das war ja noch nicht alles", sagte Glorfindel leicht seufzend. „Die vier verhalten sich allgemein in letzter Zeit reichlich seltsam. Als Legolas mir nach dem Frühstück vor ein paar Tagen erzählte, dass er verliebt ist, kam Elrohir plötzlich herein. Das hättest du sehen sollen, Legolas ist rot angelaufen und sofort verschwunden … erst vorhin habe ich den eigentlichen Grund erfahren …" Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Doch in dem Moment hatte ich ernsthaft erst vermutet, dass Elrohir derjenige wäre, in den er sich verliebt hatte, da er auch sagte, dass er genau wusste, dass diese Person seine Liebe nicht erwidert …"
Erestor nickte. „Das hätte auch möglich sein können, aber wenn er sagte, dass er in Elenael verliebt ist, wird dies schon richtig sein. Oder denkst du etwa, er hat sie nur als Vorwand benutzt?"
„Nein, das glaube ich nicht", schüttelte Glorfindel seinen Kopf. „Er hat wirklich verzweifelt gewirkt, als er von ihr sprach … und wie es scheint, ist sie ihm sogar nicht völlig abgewandt. Legolas erzählte, dass sie sich vor einigen Tagen während eines Spazierganges durch die Gärten sogar fast geküsst hätten, bevor sie sagte, dass sie das Elrohir nicht antun könne."
Erestors Lippen formten nur ein stummes ‚Oh', als seine Augen sich wieder weiteten und er Glorfindel überrascht ansah.
„Ob Elrohir davon weiß?", fragte er. „Vielleicht war auch er deswegen so schweigsam heute." Er runzelte kurz die Stirn und blickte grübelnd auf die Hand, die in seiner lag. „Vielleicht sollten sie sich alle einmal aussprechen. Das wäre wohl das Beste."
„Das hatte ich auch vorgeschlagen, aber Legolas hat wohl Angst, dadurch die Freundschaft zu den Zwillingen zu verlieren, die ihm ebenfalls sehr wichtig zu sein scheint." Glorfindel seufzte. „Es ist komplizierter als dass ich ihm dann noch hätte Rat geben wollen. Ich weiß auch noch immer nicht, ob und wie Elladan dort hineinpasst …"
„Du meinst, warum er wegen der ganzen Sache so betrübt ist?" fragte Erestor und Glorfindel nickte.
„Nun, stell es dir doch einmal vor. Elladan und Elrohir sind seit fast 3000 Jahren unzertrennlich. Alles haben sie bisher gemeinsam erlebt, alles geteilt, Freud wie auch Leid, und von beidem erlebten sie viel. Und nun ist jemand anderes in Elrohirs Leben getreten und wird diese einmalige Verbindung vielleicht für immer zerstören, da sie nun nicht mehr alles gemeinsam durchstehen. Sie können ja wohl kaum auch Elenael miteinander teilen."
„Das ist wahr", antwortete Glorfindel. „Doch irgendetwas scheint mir immer noch nicht zusammen zu passen … warum hat Elrohir außer vielleicht zu Elladan noch nichts gesagt? Ich weiß, dass Elrond nichts gegen diese Verbindung hätte, im Gegenteil."
Wieder legten sich tiefe Falten über Erestors Stirn. „Nun, darauf kann ich mir ehrlich gesagt auch keinen Reim machen. Es ist in der Tat äußerst merkwürdig. In der Tat." Er schüttelte dezent den Kopf und blickte tief in Gedanken ins Leere.
„Meinst du, wir können irgendetwas tun, es heraus zu finden?"
„Ich würde es gerne, denn man kann deutlich sehen, dass sie alle darunter leiden. Und das haben sie nicht verdient. Doch wenn wir noch jemanden von ihnen befragen, wird es unweigerlich zu neuen Fragen kommen."
Erestor nickte. „Ja, und damit würden wir Legolas verraten. Wir müssten äußerst geschickt und diplomatisch vorgehen", sagte er und ein schelmisches Grinsen legte sich auf seine Lippen. „Und wir beide wissen ja, wer bei diplomatischen Angelegenheiten große Talente besitzt", sagte er zwinkernd.
Glorfindel lachte. „Oh, dann darf ich mich also zurücklehnen und zusehen? Ehrlich gesagt ist das überhaupt keine schlechte Idee, da ich in der Sache sowieso ein wenig ratlos bin."
Erestor lächelte den Blonden an und führte seine Hand zu seinen Lippen, um sie sanft zu küssen.
„Genau das heißt es. Und als ersten werde ich mir Elladan vorknüpfen. Wir hatten schon immer ein gutes Verhältnis und haben schon lange nichts mehr miteinander unternommen. Im Normalfall würde ich natürlich mit beiden Zwillingen sprechen, aber da auch dort die Stimmung im Moment schlecht zu sein scheint, sollte es nicht schwierig sein, mit ihm alleine zu reden. Und vielleicht bringe ich ihn sogar dazu, eine Aussprache einzuleiten. Schließlich ist er der jenige, der in der Lage ist, dies zu fordern."
„Wie immer eine brillante Idee", lächelte Glorfindel. „Ich bin mir sicher, dass, wenn es jemand schafft, diese Situation zu lösen, du derjenige bist."
Das Lächeln auf Erestors Lippen wurde breiter, als er diese Worte vernahm. „Du solltest mir nicht immer so schmeicheln. Ich könnte mich daran gewöhnen."
„Hast du das nicht schon? Gib es doch zu, ohne könntest du doch überhaupt nicht mehr leben", stichelte Glorfindel liebevoll.
Erestor lachte leise auf. „Nun du hast wohl recht", gestand er, doch dann wurden seine Züge wieder ernsthafter, aber fröhlich. „Ich könnte ohne dich nicht leben."
Anstatt zu antworten, schlang der goldblonde Elb dankend einen Arm um den anderen Elben und ließ seinen Kopf an dessen Oberkörper sinken, die Augen geschlossen. „Ich wünschte nur, dass es für sie auch so einfach wäre wie für uns. Das haben sie nicht verdient", sagte er schließlich leise. „Keiner der vier."
Erestor seufzte kaum merklich. „Nein, das ist wahr. Aber leider erfährt nicht jeder dieses Glück, das uns zu Teil wurde. Aber wenn es eine Möglichkeit gibt, ihnen zu helfen, dann werden wir sie finden." Erestor legte seinen Arm um Glorfindel und lehnte seinen Kopf gegen die blonden Haare. „Doch nun gräme dich nicht. Es gibt schönere Dinge, mit denen wir uns beschäftigen können. Morgen ist auch noch ein Tag."
TBC
Wir hoffen wie immer, dass es Euch gefallen hat. Lasst es uns wissen.
