Kapitel 12: Erwachen?
Nervös lief Legolas in seinem Zimmer auf und ab, die Kerzen waren bereits herunter gebrannt und Gwiwileth war immer noch nicht erschienen. Er fragte sich, was er tun sollte, und warum sie nicht kam.
Seufzend ließ er sich auf das Bett sinken und wartete weiter.
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Erestor wollte derweil aufstehen und Thranduil aufsuchen, doch in diesem Moment klopfte es leise an der Tür.
„Herein", rief er und warf einen kurzen Blick auf die Elbenmaid, die schlafend auf dem Bett lag.
Es war Thranduil, der vor der Tür stand und diese nun öffnete. Äußerlich wirkte er wieder gelassen und ruhig, doch sein Inneres war immer noch in Aufruhr. Als er nun in das Zimmer Erestors trat, bemerkte er Gwiwileth, die auf dessen Bett lag und schlief.
„Du hast dich um sie gekümmert, ich danke dir", erklärte er leise, um die Elbenmaid nicht zu wecken.
„Du wusstest, dass ich dies tun würde", antwortete der Noldo lächelnd und ließ sich wieder auf einem Sessel nieder. „Was hat Laurelin gesagt?"
„Sie war zunächst sehr wütend, fragte mich, ob mir nichts am Glück meiner Kinder gelegen wäre", erwiderte Thranduil, und nun konnte man ihm anmerken, dass er immer noch niedergeschlagen war. „Und sie machte sich große Sorgen um Gwiwileth, doch ich sehe, dass es ihr gut geht." Ein schwaches Lächeln fand den Weg auf die Lippen des blonden Elben.
Nachdenklich blickte Erestor auf den schlafenden Körper.
„Ich bezweifle, dass es ihr gut geht. Der Schock hat sie schlussendlich einschlafen lassen, aber ich glaube, ihre Seele ist immer noch in Aufruhr, sie wollte sich nicht einmal berühren lassen, das arme Kind."
Auf diese Worte Erestors erwiderte Thranduil nichts, nur ein Seufzen kam aus seinem Mund, leise und leidgeprüft.
Der Schock hatte Gwiwileth in einen leichten Schlaf sinken lassen, doch ihr Körper wollte keine Ruhe finden. Und so wachte die Elbenmaid bereits nach einer kurzen Weile auf, ließ die Augen zunächst jedoch geschlossen, bis sie Thranduils Stimme in dem Zimmer vernahm.
Erstaunt schlug sie die Augen auf und blickte zu den beiden Elben.
Aus den Augenwinkeln hatte Erestor gesehen, wie Gwiwileth sich bewegt hatte, und stand nun auf, um sich neben das Bett zu knien. Sanft umfasste er ihre Hände.
„Du bist also wieder wach, ich hatte gehofft, du würdest länger schlafen", sprach er leise und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln.
Gwiwileth schüttelte den Kopf.
„Nein, ich konnte nicht mehr schlafen", murmelte sie leise. „Und ich hörte Stimmen."
Immer noch schimmerten die Augen der Elbenmaid feucht, während sie den dunkelhaarigen Elben ansah und versuchte, die Kontrolle über ihr Innerstes wiederzuerlangen.
„Verzeih, wenn wir dich geweckt haben", antwortete Thranduil zurückhaltend, er wusste nicht, wie er reagieren sollte, und überließ es lieber Erestor, mit der Situation zurechtzukommen.
Der dunkelhaarige Berater drückte kurz Gwiwileths Hände und atmete einmal tief durch.
„Ich weiß, du möchtest darüber jetzt nicht nachdenken, aber Legolas erwartet dich, und du solltest dich entscheiden, wie du mit dem Wissen, das du nun hast, umgehen wirst."
„Wollt Ihr es ihm sagen?"
Erschrocken sah Gwiwileth Erestor an, ihr Körper fing erneut an, zu zittern. Thranduils Entschuldigung hatte sie nicht einmal wahrgenommen.
Mitleid stieg in Erestor auf, und ein kurzer Blick zu Thranduil sagte ihm, dass dieser einverstanden war.
„Wir werden es ihm nicht sagen, wenn du es nicht möchtest", erklärte der Noldo knapp und hoffte, mit diesen Worten die Elbenmaid beruhigen zu können.
Gwiwileth schüttelte heftig den Kopf.
„Nein... Bitte, sagt es ihm nicht!", wisperte sie flehentlich. „Ich... Ich möchte nicht, dass er ebenso unglücklich wird, wie ich." Tränen stiegen erneut in die Augen der Elbenmaid, und Gwiwileth vermochte sie nicht aufzuhalten.
Fast mitleidig beobachtete Erestor, wie Thranduil unter diesen Worten erbleichte und einen Schritt zurück trat, doch seine erste Sorge galt der jungen Frau, die immer noch sehr verletzlich war. Er hoffte, sie würde eines Tages mit diesem Wissen zurechtkommen.
„Dann werden wir schweigen. Doch seid nicht zu unglücklich darüber."
Erestors Worte riefen ein Stirnrunzeln bei der jungen Elbenmaid hervor.
„Wie wollt Ihr mir sagen, dass ich nicht zu unglücklich sein soll?" Ungläubig sah Gwiwileth den Dunkelhaarigen an. Sie konnte kaum glauben, was der Elb soeben gesagt hatte.
Noch immer vor ihr kniend blickte der Noldo die werdende Mutter an.
„Natürlich nicht, Keiner wusste von der Verwandtschaft. Außerdem, du hast einen Gemahl, der dich liebt, und erwartest ein Kind, das sind zwei Dinge, über die man sich freuen sollte, egal, was sich später herausstellte. Legolas würde dich auch lieben, selbst wenn er wüsste, dass du seine Halbschwester bist."
Gwiwileth schloss die Augen, bevor sie leicht den Kopf schüttelte.
„Nein, was Ihr mir da sagt, Ihr tut es nur, weil Ihr mich jetzt beruhigen wollt. Ich liebe Legolas, ja, aber kann ich es denn noch?"
Eine einsame Träne kullerte aus den geröteten Augen der Elbenmaid über ihre Wange. „Sagt mir, kann ich es noch? Wir sind... Halbgeschwister, das ist doch nicht möglich."
„Warum sollte es nicht möglich sein, Kind?", fragte Erestor sanft und warf einen warnenden Blick auf Thranduil, dass dieser ja den Mund halten würde. „Was soll an einer Liebe falsch sein, die völlig unschuldig entstand?"
„An dieser Liebe ist nichts falsch", erwiderte Gwiwileth leise. „Aber haltet mich nicht für dumm, ich weiß, dass es eine Liebe ist, die nicht sein darf."
Fest sah sie Erestor an. „Ich weiß um die Ansichten meines Volkes", fügte sie dann noch hinzu, nun gefasster, doch noch immer leicht zitternd."
Natürlich hatte sie Recht, aber Erestor wusste, dass er ihr das nicht sagen durfte.
„Was das Volk nicht weiß, regt es auch nicht auf", antwortete er leise und sah, wie Thranduil nickte und schließlich das Wort ergriff.
„Es muss niemand erfahren."
„Dies soll mich beruhigen?", fragte sie ein weiteres Mal mit lauterer Stimme. „Und wer sagt mir, dass es nicht doch einer erfährt? Wer weiß, ob sie es nicht in meiner Heimat wissen, dass Ihr, Thranduil, mein Vater seid? Und wisst ihr überhaupt, ob ich die Kraft aufbringe, allen etwas vorzuspielen?"
Nun war es an Erestor, spöttisch zu lachen.
„Du hast die Kraft, und das weißt du", erklärte er fest. „Außerdem, bedenke, wie Legolas leiden wird, wenn du ihn verlässt. Er wird daran zugrunde gehen, da er dich wahrhaft liebt."
„Und ich werde ebenso zugrunde gehen", erwiderte Gwiwileth nun leise und mit einem traurigen Blick. „Ich werde an meinem Wissen zugrunde gehen."
„So wie auch Níniel? Oh nein, das wirst du nicht", antwortete Erestor bestimmt und blickte sie eindringlich an. „Wie oft gab es schon Leid in unserem Volke? Versuch zu kämpfen, für das Kind und Legolas, denn ihr alle seid unschuldig."
„Wie könnt Ihr beurteilen, was ich vermag?"
Gwiwileth schüttelte den Kopf. „Ihr seid es nicht, welche die ganze Last des Wissens trägt. Ich kann nicht mein Leben lang Allen etwas Falsches vorspielen und dann auch noch vorgeben, ich sei glücklich. Ich kann es einfach nicht, ich will es nicht, ich darf es gar nicht."
Erneut drängten die Tränen in Gwiwileths Augen und die Elbenmaid schlug die Hände vors Gesicht. „Ihr versteht nicht, was ich empfinde, Ihr könnt es gar nicht. Lasst mich nun bitte alleine."
Dieser Ausbruch stachelte das verborgene Temperament des Noldo an und Thranduil, der dies bemerkte, trat vorsichtshalber einen Schritt zurück.
„Wie kannst du nur so selbstsüchtig sein? In Selbstmitleid ertrinken?", fuhr Erestor sie an, und seine Augen funkelten wütend. „Weißt du überhaupt, was ich an Leid gesehen habe, Kind? Weißt du überhaupt, was es bedeutet, zu sehen, wie ein guter Freund beginnt, zu schwinden, weil er liebt, was nicht sein darf? Ich sah es mehr als einmal, und ich sage dir Eines: Sie haben alle gekämpft, und keiner war so feige, wie du es bist." Mit diesen Worten wandte er sich um und rauschte aus der Tür. „Legolas wird sicherlich warten, ich werde ihm sagen, wo er dich finden kann."
Mit großen Augen sah Gwiwileth ihm nach, wollte nicht hören, was der Elb gesagt hatte, konnte es kaum verstehen.
„Aber... Ich... ertrage es einfach nicht, schon jetzt, was soll ich denn tun?", flüsterte Gwiwileth am Rande der Verzweiflung, und ein Schluchzen kam über die Lippen der Elbenmaid.
„Wenn du nicht möchtest, dass mein Sohn dies erfährt, dann solltest du so sein, wie immer", schlug Thranduil kühl vor und blickte zu der jungen Elbenmaid. Er wünschte so sehr, er hätte sie früher kennen gelernt, hätte gewusst, dass er noch eine Tochter hatte.
Mit einer Hand wischte sich Gwiwileth die Tränen aus den Augen, bevor sie versuchte, ihre Fassung wieder zu erringen. Sie wusste nicht, wie sie nun auf Legolas reagieren sollte, wusste nicht, was sie noch sagen oder tun konnte. Erestors Worte hatten sich tief in ihr Gedächtnis eingebrannt, doch genauso wusste sie, dass sie es nicht ertragen konnte, ihm über all die Zeit ihr Wissen vorzuenthalten.
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Immer noch wütend stürmte Erestor durch die Gänge, bis er vor der Tür zu den Gemächern von Legolas stehen blieb. Einmal tief durchatmend, um seinen Zorn wieder unter Kontrolle zu bringen, klopfte er an.
Legolas, der immer noch wartend auf seinem Bett gesessen hatte, sprang erfreut auf, als er das Klopfen an der Tür vernahm. Innerlich wunderte er sich zwar, warum Gwiwileth anklopfte, doch war er so erfreut, dass sie endlich kam, dass er nicht weiter nachfragte.
„Herein", rief der blonde Elb fröhlich und sah erwartungsvoll auf die Tür.
Legolas' glückliche Stimme versetzte Erestor einen Stich. Er hoffte, dass Gwiwileth wieder zur Vernunft kommen würde, doch konnte er nichts tun.
Langsam öffnete er die Tür und trat vor den jungen Elben.
„Legolas, ich wollte dir nur sagen, dass Gwiwileth derzeit in meinen Gemächern ist."
Erstaunt sah Legolas den dunkelhaarigen Elben an.
„Aber, warum ist sie denn dort und kommt nicht selbst?", fragte er verdutzt und ein wenig enttäuscht. So sehr hatte er gehofft, Gwiwileth endlich wieder in die Arme schließen zu können.
„Ich fand sie draußen an einem der Seen im Schnee, ihr ging es nicht gut, und da meine Räume näher waren, brachte ich sie dorthin", antwortete Erestor und hoffte, Legolas so auf eine falsche Fährte zu locken. „Die Schwangerschaft zehrt an den Kräften viele Elbenmaiden, sie hat sich wohl etwas überanstrengt."
Legolas nickte bestürzt.
„Ich hoffe, es geht ihr nun wieder besser, daran dachte ich gar nicht. Ich werde sofort zu ihr gehen, entschuldige mich bitte."
Ohne ein weiteres Wort Erestors abzuwarten, war Legolas bereits an ihm vorbei getreten und eilte zu dessen Gemächern. Er konnte es kaum erwarten, Gwiwileth wieder zu sehen.
Mit traurigem Blick sah Erestor dem Elben hinterher und folgte ihm langsamer, er wollte lieber nicht die Enttäuschung auf Legolas' Zügen sehen, wenn Gwiwileth ihn gleich zurückwies.
Freudig öffnete Legolas die Tür und musterte erstaunt seinen Vater, der mit grimmigem Gesicht am Kamin stand.
„Ada…?", begann er, und dann fiel sein Blick auf seine Geliebte. Sofort war er an ihrer Seite, ergriff ihre Hände. „Gwiwi, ich habe mir Sorgen gemacht, als du nicht zurückkehrtest."
Doch Gwiwileth entzog dem Elben ihre Hände und sah ihn an, unsicher, wie sie sich nun zu verhalten hatte.
„Verzeih, Legolas", erwiderte sie leise. „Aber..."
Sie brachte ihren Satz nicht zu Ende, sah ihn nur stumm und hilflos an.
Verwirrung machte sich auf Legolas' Zügen breit, und er sah sie fragend an. Er war es nicht gewohnt, dass sie sich ihm entzog, sonst hatte sie seine Nähe immer gesucht.
„Was ist, Gwiwi? Geht es dir nicht gut, und bin ich dir zu aufdringlich?", fragte er zittrig und bemerkte nicht den verzweifelten Blick, den Thranduil dem eben herein getretenen Erestor zuwarf.
„Es tut mir leid, Legolas, aber es geht mir wirklich nicht gut", antwortete Gwiwileth nur leise. Sie wusste nicht, was sie sonst antworten sollte, und zudem verunsicherte sie das Erscheinen Erestors um ein Weiteres.
Dieser blickte nur kalt auf die Elbenmaid und verzog dann das Gesicht zu einer höhnischen Grimasse.
„Da es aber schon spät ist, würde ich vorschlagen, dass du mit Legolas zurück zu euren Gemächern gehst. Er wird dir sicherlich helfen, sollte es dir schlechter gehen."
Erestors Reaktion wirkte wie ein weiterer Stich in Gwiwileths Herz, und die Elbenmaid wurde immer verzweifelter. Wie sollte sie Legolas nur erklären, warum sie sich vor ihm zurückzog, erst recht, wenn sie mit ihm alleine war? Doch Gwiwileth wusste ebenso, dass sie mit Legolas gehen musste, wollte sie nicht, dass er misstrauisch wurde.
Mit einem Blick zu Erestor, der fast schon etwas wie Wut zeigte, versuchte sie, sich von dessen Bett zu erheben.
„Ja, dies ist wohl das Beste", erklärte sie leise, sah dabei jedoch niemandem in die Augen, jeder hätte die Lüge in ihren Worten erkannt.
Sofort war Legolas an ihrer Seite und berührte sie zaghaft, ängstlich gar, sie könne die Berührung wieder ablehnen.
„Darf ich dir helfen, Geliebte", fragte er sie zurückhaltend, und wieder übersah er den Blickwechsel zwischen seinem Vater und dem Noldo, in dem diesmal so etwas wie Wut stand.
Gwiwileth, die ebenfalls wusste, dass sie seine Hilfe nun nicht abschlagen konnte, nickte nur, ohne etwas zu sagen. Legolas' Berührung ließ sie fast zusammenzucken, seltsam unangenehm war es, mit dem Wissen, welches sie nun besaß. Zu gerne hätte sie dies alles verdrängt, doch dies war ihr nicht mehr möglich.
Legolas' Seele schrie leise auf, als er das Zucken bemerkte, doch sagte er nichts, sondern führte Gwiwileth hinaus. Ein letzter Blick auf seinen Vater und Erestor beunruhigte ihn zusätzlich. Die Beiden sahen einander an, als stände der Weltuntergang bevor.
Kaum war der Nachhall der zugeschlagenen Tür verklungen, ergriff Thranduil das Wort:
„Wird sie lernen, mit dem Wissen zu leben?"
„Das kann ich noch nicht abschätzen, wir werden Geduld haben müssen", lautete die sanfte Antwort, in der immer noch Reste eines Zorns mitschwangen, der in Erestor brodelte.
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Ele:
Danke für dein Review ;), fühl dich umgeknuffelt! Also, wie es aussieht soll er es nicht erfahren. Mir tut er irgendwie Leid… aber gut, wir wissen ja, dass Frauen während der Schwangerschaft etwas merkwürdig sind…
Narwain:
Auch dir vielen Dank für das Review, fühl dich in den Boden gewuschelt ;) Naja, die FF ist jetzt fertig geschrieben, wir werden in den nächsten Tagen die restlichen 4 Kapitel veröffentlichen… aber halt nur Stück für Stück ;). Leider werden wir wohl nicht so schnell verraten, wie Legolas reagieren würde, sollte er es jemals herausfinden…
Galu:
XXGibt dem Drängelmodus nachXX (es nervt mich, dass es keine Sternchen mehr gibt) ich hoffe, dir hat das Kap gefallen. Danke für das Review, fühl dich mit den anderen geknuffelt und gewuschelt ;). Also, die frage mit dem Vater verstehe ich nicht ganz… eine Elbenmaid (wie Gwiwis Mutter) kann ja auch Single sein, oder? Wer sagt denn, dass nicht auch noch irgendwann in Die, die wir lieben eine Botschafterin Cilliens auftritt, das ganze ist ja WESENTLICH länger als Fallende Engel… und auch mit wesentlich mehr Charakteren ;)?
Legolasion:
Danke für das Review ;). Fühl dich geknuffelst ;). Valinja und ich geben uns größte Mühe keine 08/15 Mary Sue zu schreiben… wir haben immerhin etwas Ehrgefühl und auch Stolz ;). Nene, das wird nicht passieren. (Außerdem wäre Thranduil ja sonst böse… und total gegen Gwiwi… ;))
