Kapitel 13: Mütterlicher Beistand
Die Wochen, die folgten, waren für Gwiwileth die Schwersten ihres Lebens. Nicht nur, dass sie Legolas immer noch verheimlichte, was sie von Thranduil erfahren hatte, hinzu kam, dass die Elbenmaid sehr oft über Erestors Worte nachgedacht hatte.
Anfangs hatte sie sich diese noch zu Herzen nehmen wollen, und nachdem der erste Schock überwunden war, hatte sie versucht, ihre Beziehung so weiterzuführen, wie sie vor der Eröffnung gewesen war. Doch mit der Zeit hatte Gwiwileth bemerkt, dass dies nicht mehr möglich war.
Mit jedem Tag war es ihr schwerer gefallen, schien sie die Last ihres Wissens zu erdrücken, und die Elbenmaid begann, sich immer unwohler in Legolas' Nähe zu fühlen. Zwar war sie versucht, es sich nicht anmerken zu lassen, dennoch spürte sie, wie ihr Innerstes sich gegen jede noch so kleine Berührung Legolas' zu wehren schien, wie sie verkrampfte, wenn er besorgt um sie war und ihr helfen wollte.
Mehr denn je war Gwiwileth innerlich zerrissen zwischen der Liebe zu Legolas und der Erkenntnis, dass diese nicht sein durfte, zerrissen zwischen dem Wunsch, sich nichts anmerken zu lassen, und der Realität, in der sie dies nicht vermochte.
Schweigend wanderte Legolas neben Gwiwileth durch die Gärten. Noch vor wenigen Monaten hätten sie miteinander gescherzt und gelacht, doch nun herrschte eisiges Schweigen zwischen ihnen. Es tat ihm weh, zu merken, wie sich seine Gefährtin immer mehr von ihm zurückzog, immer mehr von ihm abschottete, seit jener Nacht, als sie in Erestors Gemächern gewesen war. Ein Teil von ihm begann, Erestor die Schuld daran zu geben, und er fing an, den Noldo zu hassen. Seither mied er die Gegenwart des Freundes seines Vaters und hatte kaum ein Wort mit diesem gewechselt, genauso wie er kaum eine Umarmung von Gwiwileth geschenkt bekommen hatte.
Traurig lag sein Blick auf ihr, doch wusste er nichts zu sagen, wusste nicht, was er sie fragen konnte. Wie gerne hätte er sie in diesem Moment an sich gezogen, doch fürchtete er, dass sie sich wieder in seiner Umarmung verspannen würde, wie sie es so oft getan hatte, so oft, bis er es aufgegeben hatte.
Gwiwileth spürte, wie Legolas' Blick auf ihr ruhte, und eine eiserne Klaue schien sich um ihre Brust zu legen, wenn sie daran dachte, wie gerne sie wieder so unbeschwert gewesen wäre, wie zu der Zeit, als sie ihn kennen gelernt hatte. Die Elbenmaid spürte ganz genau, wie der blonde Elb litt, doch vermochte sie nichts zu tun, um es ihm zu erleichtern, ihr Körper wehrte sich gegen jede zärtliche Berührung, gegen jede Liebesbeteuerung, die sie hätte geben können. Und so hielt die Elbenmaid ihren Blick gesenkt, nicht wagend, in Legolas' Augen zu sehen, denn Gwiwileth wusste, wie traurig diese sie betrachteten.
Nur ein Stück weiter waren sie gegangen, als Gwiwileth dazu gezwungen wurde, stehen zu bleiben, da sie spürte, wie wackelig sie auf den Beinen stand. Suchend tastete ihre Hand nach etwas Festem, um sich festzuhalten. Die Elbenmaid hatte das Gefühl, im nächsten Moment auf dem Boden zu liegen und nicht mehr aufstehen zu können.
Nur zu deutlich sah Legolas ihre Schwäche, wollte ihr helfen, ergriff ihren Arm und spürte direkt sofort ihre Abwehr gegen diese Berührung. Stumm führte er sie zu einer kleinen Bank und wartete, bis sie sich gesetzt hatte. Seine blauen Augen suchten die ihren, suchten nach dem engen Kontakt, der Liebe, die er früher immer gesehen hatte, und die jetzt einfach verschwunden schien, erkaltet, genauso wie die Elbenmaid selbst. Er ertrug es nicht mehr, brauchte eine Antwort, auch wenn er die Hochschwangere nicht unter Druck setzen wollte.
„Gwiwileth, was ist los? Was ist in den letzen Monaten geschehen? Was habe ich falsch gemacht?", fragte er sie, und seine Stimme bebte bei jedem einzelnen Wort, verriet den Kloß in seiner Kehle, die ungeweinten Tränen.
Die Elbenmaid vernahm seine Worte, und genauso hörte sie das Beben seiner Stimme. Immer mehr fühlte sie sich schuldig an seinem Zustand, und so war es für sie unerträglich geworden, in seine Augen zu blicken - auch jetzt nicht.
„Legolas... Du... du hast nichts falsch gemacht, verzeih mir", erwiderte sie leise, doch ihre Stimme war matt und schwach, nicht fröhlich, wie sie einst gewesen war. Bevor die Gedankenqual Gwiwileth zu sehr erdrücken konnte, fügte sie noch hinzu: „Und lass uns bitte in unser Gemach zurückkehren. Ich bin müde und würde gerne ruhen."
„Nichts falsch gemacht? Und das soll ich dir glauben?", fragte er bitter und schüttelte leicht zornig das Haupt. „Nein, Gwiwileth, ich werde dich jetzt nicht zurückbringen…"
Er konnte den Satz nicht zu Ende führen, konnte die verletzenden Worte nicht sprechen, und so wandte er sich um und rannte durch den erblühenden Garten zurück in den Palast, nahm nichts mehr um sich herum war. Tränen standen in seinen Augen, doch er kämpfte sie nieder, versteckte sie in sich und blieb schwer atmend vor der Tür zu den Gemächern seiner Mutter stehen.
„Nana, bist du da?", fragte er mit unsicherer Stimme und klopfte leicht.
Laurelin war erst vor kurzer Zeit in ihre Gemächer zurückgekehrt und stand nun am Fenster und sah hinaus, als es an der Tür klopfte. Verwundert vernahm sie die Stimme ihres jüngsten Sohnes.
„Herein", antwortete die Elbenfrau leise und wartete darauf, dass Legolas eintrat. Sein Anblick schockte sie jedoch.
Seine Augen waren rotgerändert, und er war blasser als ein Leichentuch.
„Was ist passiert, Nana? Was habe ich falsch gemacht?", stieß er hervor und warf sich seiner Mutter in die Arme, als die Anspannung der vergangenen Wochen endlich über ihm zusammenbrach und er hemmungslos schluchzte.
Erschrocken schloss Laurelin die Arme um ihren Sohn und strich ihm beruhigend über den Rücken. Sie ahnte, was ihn zu ihr getrieben hatte, und dieser Gedanke machte sie genauso unglücklich, wie er es zu sein schien.
„Was sollst du denn falsch gemacht haben, mein Sohn?", fragte die Elbenfrau so liebevoll und bemüht, ihrer Stimme einen neutralen Klang zu verleihen.
Verzweiflung und Sehnsucht beherrschten sein Denken, sodass er fast die Worte seiner Mutter überhörte. Wie sehr er sich doch wünschte, Gwiwileth wieder in die Arme schließen zu dürfen, sie wieder küssen zu dürfen, wieder ihr glückliches Lächeln zu sehen.
„Ich weiß es nicht… Aber warum zieht sie sich vor mir zurück? Warum weist sie mich ab? Warum…?" Seine Stimme klang in seinen Ohren fremd, und er versuchte, alle Gefühle aus seinem Herzen zu verbannen.
Legolas' Worte waren wie ein Dolchstoß in Laurelins Herz. Krampfartig zog es sich zusammen, wollte das Leid ihres Sohnes lindern, doch wusste sie nicht wie. Nur Gwiwileth hätte ihm sagen können, warum sie sich vor ihm zurückzog, niemand Anderes konnte und wollte es. Es war die Entscheidung der Elbenmaid gewesen, ihm nichts zu sagen, und Laurelin wollte diese nicht brechen.
„Ich weiß es nicht, Legolas", versuchte seine Mutter den Elben so zu beruhigen, doch sah sie ihm nicht in die Augen, denn die Lüge war zu offensichtlich. „Ich weiß es nicht... Gib ihr Zeit, sie erwartet ihr erstes Kind, vielleicht hat sie einfach nur Angst."
„Wenn sie Angst hätte, könnte sie es sagen! Was ist damals passiert, Nana? Was ist an dem Abend, als sie in Erestors Gemächern war, geschehen?"
Seine Stimme überschlug sich fast, und sein ganzer Körper zitterte und bebte nun, er musste die Wahrheit endlich wissen, ertrug es nicht länger. Er wusste, über kurz oder lang würde er zusammenbrechen.
„Legolas, ich bin es nicht, die dir sagen kann, was geschehen ist. Ich war nicht einmal dort, warum sollte sie an diesem Tag ihr Verhalten geändert haben, was ist denn in Erestors Gemach geschehen?", fragte Laurelin ihren Sohn leise und wiegte ihn dabei in ihren Armen wie ein kleines Kind.
Die vertraute Stimme seiner Mutter begann ihn zu beruhigen, hüllte seinen Verstand ein, wie ein weiches Tuch. Doch er kämpfte darum, das Gespräch weiter zu führen, nicht weg zu dämmern.
„Ich weiß es nicht. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass Erestor an jenem Abend mich aufsuchte und mir sagte, das Gwiwileth in seinen Räumen war. Sein Blick war seltsam durchdringend, doch wusste ich ihn nicht zu deuten. Noch mehr verwirrte mich Adas Gegenwart… Und Gwiwileth lag dort und seither… Ich darf sie nicht einmal mehr in den Arm nehmen, ohne dass sie sich verspannt." Wieder war seine Stimme tränenerstickt, doch war es ihm unmöglich, etwas dagegen zu tun.
Legolas' Leid zu sehen und seine unbeantworteten Fragen zu vernehmen, schmerzte Laurelin, doch trotz allem, wusste sie, dass sie es ihm nicht sagen konnte, dies war Gwiwileths Aufgabe und nicht die ihre.
„Legolas, mein Sohn, ich verstehe es auch nicht. Erestor und Thranduil verloren kein Wort darüber, was in seinem Gemach geschah. Ich kann dir nicht helfen. Lass Gwiwileth Zeit, lass sie ihr Kind bekommen, das Glück wird euch wieder verbinden."
Innerlich hoffte Laurelin, dass dem wirklich so war, doch ihr Verstand flüsterte der Elbenfrau etwas Anderes zu.
Blaue, bis vor kurzem noch unschuldige Augen blickten in Ältere von der gleichen Farbe, sahen die Zweifel und auch das Wissen.
„Du kannst es mir nicht sagen… Was verbergt ihr vor mir? Du glaubst genauso wenig wie ich daran, dass es sich danach ändern wird. Ja, sie wird unser Kind zur Welt bringen, aber ich glaube, es wird das Einzige sein, das ich je haben werde."
Seine Worte hatten einen schicksalhaften Klang, als würde dem wirklich so sein.
Entsetzt sah Laurelin ihren Sohn an.
„Legolas, so etwas darfst du weder sagen, noch denken, hörst du? Was soll ich vor dir noch verbergen können? Es tut mir selbst weh, dich so zu sehen, so in Schmerzen über Gwiwileths Verhalten. Aber ich kann daran nichts ändern, so gerne ich es tun würde."
Nahezu verzweifelt blickte die Elbenfrau ihren Sohn an, wünschte sich, dass er endlich wieder lächeln würde.
„Doch, du weißt, was hinter ihrem Verhalten steht", antwortete er völlig ruhig und sah sie aus kühlen Augen an. „Du hast deine Gründe, nicht wahr? Was soll ich deiner Meinung nach nur tun?" Jegliche Gefühle waren erloschen in ihm, zurück blieb nur Leere.
„Legolas, was ich weiß, kann und darf ich dir nicht sagen, einzig und allein Gwiwileth vermag das, deshalb musst du zu ihr gehen, verstehst du nicht?"
Nun war alles in Laurelin zusammengebrochen, als sie sah, wie ihr Sohn sie anblickte, welche Gefühle er hatte oder besser noch, welche Gefühle er nicht hatte.
Seltsam entspannt musterte Legolas seine Mutter, und ein verzerrtes Lächeln schlich sich auf seine Züge.
„Vielleicht hast du Recht, vielleicht sollte ich einfach eine Antwort einfordern. Vielleicht sollte ich sie wirklich endlich um die Wahrheit bitten", erklärte er ruhig, nur bei dem letzten Wort schwang leichter Spott in seiner Stimme, und seine Augen glitzerten trügerisch.
Wie viel hätte Laurelin in diesem Moment dafür gegeben, zu wissen, was in dem Kopf ihres Sohnes vorging. Der versteckte Spott seiner Stimme machte sie misstrauisch.
„Was hast du nun vor?", fragte die Elbenfrau so argwöhnisch und schob ihren Sohn von sich. „Bedenke, was du tust, auch wenn Gwiwileth dir etwas verschweigen mag, so geht es ihr dennoch nicht gut."
„Ja, es mag ihr nicht gut gehen, aber was sie mir verschweigt, zerstört sie und mich, und ich möchte nicht, dass es so weiter geht", erklärte Legolas barsch und stand auf. Der erschrockene Blick jedoch ließ seine Stimme wieder weicher werden. „Bitte, verstehe mich, Nana, mein Herz erträgt dies nicht viel länger. Ich muss es aus dem Weg räumen." Mit diesen Worten verabschiedete er sich und trat hinaus auf den Flur, sich auf den Weg zu Gwiwileth machend.
„Legolas!"
Am liebsten wäre Laurelin ihrem Sohn hinterher gerannt, hätte es ihm doch noch gesagt, nur um Gwiwileth auch noch diese Last abzunehmen. Genauso wie ihr Sohn sich quälte, tat es auch die Elbenmaid, wie die Gemahlin Thranduils wusste.
Und wenn sie das Leiden und die Qualen der Beiden sah, dann hatte Laurelin das Gefühl, selbst daran zu zerbrechen, langsam und dennoch stetig. Immer wieder fragte sie sich, wie dies enden sollte, und was mit dem Kind der Beiden passieren sollte, wenn es einmal auf der Welt war.
Wie in Trance sank Laurelin in ihren Sessel, der nahe am Fenster stand.
„Es zerstört sie doch genauso...", flüsterte sie, bevor die ersten Tränen der Verzweiflung in ihre Augen traten.
X.X.X.X.X:
Narwain:
Danke für dein Review, fühl die plattgeknuffelt ;). Damit dir erste Schulwoche nicht so hart ist, hier mal wieder ein neues Kapitelchen. Es freu Val und mich total, das du denkst, das unsere FF nicht alltäglich ist… aber wir sind ja auch mit der Idee heran gegangen, eine Legolas-Quähl-FF zu schreiben… von daher… wir wollten keine reine Romanze… dafür haben wir ja Die, die wir lieben… oder besser gesagt die ursprüngliche Planung dieser FF…irgendwie ist das alles ein wenig aus dem Ruder gelaufen ;) sodele, alles ist fertig gebetat, und wir werden wenn die Reviews da sind, das nächste Kap posten… jetzt wäre es wirklich fies, zu lange zu warten ;).
Galu:
Danke für dein Review, fühl dich weggeknuffelt ;). Und ja, es war für Legolas eine Zerreisprobe… damit hattest du völlig Recht. Aber er hat es immerhin einige Monate ausgehalten, fast den ganzen Winter lang… Und Gwiwi… nun ja… wir werden sehen… Laurelin, Erestor und Thranduil tun mir aber auch leid… zum Schweigen verdammt und zu sehen, wie Legolas daran langsam aber sicher zerbricht, genauso wie Gwiwi… Das war echt verdammt hart zu schreiben die letzen Kapitel…
Ele:
Danke für dein Review Süße, fühl dich umgeknuddelt ;). Wie du siehst, sie hat es ihm nicht gesagt, versucht wohl irgendwie seine heile Welt zu retten… zumindest ihn vor diesem Wissen zu schützen… dabei übersieht sie halt, dass es ihm aber auch so sehr schmerzt… Ob die beiden sich deswegen fetzen werden… ich denke, dieses Kapitel lässt bestimmt Rückschlüsse darauf zu ;)
