An Romi: Ich bemühe mich. Heute haben meine Eltern mich aber ‚gezwungen' mit ihnen Doppelkopf (Kartenspiel, wer es nicht kennt) zu spielen, weil ihnen der vierte Mitspieler gefehlt hat und nachmittags ‚musste' ich mich dann noch überraschend um meine Stute kümmern.
Erst die Arbeit…
„Was wollt ihr?", fragte Lily irgendwann und die Streitereien verstummten. „Ich wollte zu dir", erklärte James und alle anderen sahen Lily gespannt an. Sie verdrehte genervt die Augen: „Spar dir deinen Atem, ich gehe nicht mit dir aus." „Keine schlechte Idee", bemerkte James grinsend, „aber darum ging es nicht." „Ich wüsste nicht, was wir beide zu bereden hätten", schnappte Lily. Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr und betrachtete ihre überlangen, perfekt manikürten und heute schneeweiß lackierten Fingernägel. Lily wusste durchaus, wie arrogant das wirken musste, aber lieber war sie als arrogant abgestempelt, als ‚das Mädchen was nicht mit James Potter ausgeht' zu sein.
„Wie wäre es mit ‚Schulsprecherpflichten'?", fragte James und grinste dabei ziemlich unverschämt. Lily erstarrte für eine Sekunde, senkte dann betont langsam die Hand und drehte sich genauso langsam um. „Sara!" Das reichte, um die Jüngere zusammen zucken und sich wortreich entschuldigen zu lassen: „Es tut mir wirklich, wirklich, WIRKLICH Leid. Ich hatte es eben kurz vergessen. Nein, ich hatte es nicht vergessen, ich habe mich nur nicht mehr dran erinnert und…" „Vergessen ist nicht mehr erinnern", unterbrach Lily sie, „Potter, in fünf Minuten vorne im Schulsprecherabteil. Und das du ja rechtzeitig bist!" James hob den Kopf: „Ist das so was wie ein Date?" „NEIN!"
Fünf Minuten später betrat Lily das Abteil der Schulsprecher. Es nahm gut einen halben Wagon ein und normalerweise waren in jedem Wagon zehn Abteile a sechs Schülern untergebracht. Die andere Hälfte nahmen die vier Abteile für die Vertrauensschüler ein. In jedem Abteil saßen vier Schüler (ein Mädchen und ein Jungen aus der Fünften und ein Mädchen und ein Junge aus der Sechsten) und sie waren nach Häusern sortiert. So gab es z.B. ein festes Gryffindorabteil, in dem auch Lily Teile der letzten beiden Fahrten verbracht hatte. Deshalb wusste sie auch, dass die Abteile der Vertrauensschüler größer und komfortabler waren, als die normalen, aber das der Schulsprecher alles überstieg. Lily hatte keinen Blick mehr dafür, denn da die Vertrauensschüler ihre Instruktionen immer hier bekamen, betrat sie es nicht zum ersten Mal.
„Also, wo ist der Brief?", fragte Lily kalt, nachdem sie sich gesetzt hatte. James, der ausgestreckt auf einem der Sofas lag und ein Buch falsch herum vor seiner Nase hielt, deutete auf den Tisch neben sich. Lily griff nach dem Brief und merkte an: „Ich hätte nicht gedacht, dass du freiwillig ließt. Und außerdem ist das Buch falsch rum." „Ich weiß", kam es zurück, „normales lesen ist mir zu langweilig, also lese ich auf dem Kopf." Darauf hatte Lily keine Antwort mehr parat und deshalb wandte sie sich dem Brief zu.
Darin standen, kurz und knapp erklärt, ihre Aufgaben. Zu aller erst mussten sie die Patrouillen einteilen. Die Vertrauensschüler und die Schulsprecher mussten immer von 22.00 bis 23.30 Uhr über die Flure laufen und kontrollieren, ob auch alles in Ordnung war, denn nach 22.00 Uhr durfte sich niemand mehr auf den Fluren aufhalten, es sei denn, es ging um den Astronomieunterricht (23.00-1.00 Uhr). Nach 23.30 Uhr übernahmen die Lehrer, Geister und Gemälde die Patrouillen. Es musste gesichert sein, dass jeden Abend 4x2 Leute unterwegs waren und mindestens zwei dieser Gruppen mussten Sechstklässer (oder eben die beiden Schulsprecher) sein. Jedes Team übernahm drei Wachen, nur die Schulsprecher mussten viermal raus. Abschließend war noch darauf zu achten, dass jedes Team (außer den Schulsprechern) an einem Wochenendtag Dienst schieben musste und das nicht beide Teams aus einem Haus gleichzeitig eingeteilt waren.
Wenn mit den Patrouillen alles fertig war, ging es an die Passwörter. Sie durften die Passwörter für die vier Gemeinschaftsräume, für das Vertrauensschülerbad und für ihren privaten Aufenthaltsraum bestimmen, zudem jeder noch für sein persönliches Schlafzimmer. Ja, sie hatten ein eigenes Schlafzimmer. Schulsprecher sein brachte neben den ganzen Unannehmlichkeiten auch ein paar Vorteile mit sich und die privaten Räumlichkeiten gehörten definitiv dazu. Sie wurden allerdings auch angehalten, keines der Passwörter weiterzugeben und es sich nicht zunutze zu machen, dass sie das Passwort für z.B. den Slytheringemeinschaftsraum kannten. Lily war sich sicher, dass der Kommentar für James bestimmt war. Allerdings ahnte sie auch, dass ihm niemand besagtes Passwort sagen musste. Er hätte es auch so raus gefunden.
Ihre letzte Aufgabe für heute bestand darin, den Vertrauensschülern die Daten ihrer Patrouillen und die Passwörter zu geben und ihnen kurz zu erklären, was sie zu tun hatten. Lily legte den Brief wieder weg und zog ein Blatt Papier auf ihrer Hosentasche. Darauf war fein säuberlich eine Tabelle gemalt, in die, in einer verschlungenen, sauberen Handschrift, etwas eingetragen war. „Hier. Ich wusste schon, was kommt und habe die unangenehme Arbeit des Patrouilleneinteilens bereits zu Hause gemacht", bemerkte sie knapp, „Ich habe uns für Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag eingeteilt." „Alles klar. Die Tage hätte ich auch ausgesucht und der Rest ist mir herzlich egal", erklärte James ohne von seinem Buch aufzugucken. Lily stöhnte gequält auf. Wo sollte das noch hinführen?
„Wollen wir jetzt die Passwörter machen?", fragte sie also weiter und mit einem Mal war James Feuer und Flamme. Er schlug sein Buch zu, dass Lily bei dem Knall zusammen zuckte, schwang die Beine vom Sofa und sah sie interessiert an. „Können wir den Slytherins ‚Walpurgisritter' geben?", bettelte James mit schief gelegtem Kopf und Dackelblick und ohne das sie es merkte, schlich sich ein leises Lächeln auf Lilys Lippen. Sie nickte und notierte es auf dem Pergament, was neben dem Brief gelegen hatte. „Du weißt, dass sich die Todesser früher Walpurgisritter nannten? Voldemorts Anhänger", erklärte James ihr und Lily nickte knapp. Beim Namen des Dunklen Lords war sie unmerklich zusammengezuckt. Nicht das sie sich vor einem Namen fürchtete, das war albern, es war nur… nein, sie durfte nicht dran denken. Es tat zu weh, war zu frisch.
„Und ‚Hexenschuss' für die Hufflepuffs. Die Sprout ist auch so eine Kräuterhexe, da passt das", philosophierte James weiter vor sich hin, „die Ravenclaws kriegen ‚Hexenhammer'. Vielleicht wissen die, was das ist, ich weiß es nicht, aber es hat was mit der Hexenverfolgung zu tun." Lily wusste, dass es ein Buch war, in dem sämtliche Gesetzte und Regeln (allesamt krankhaft, aber danach hat keiner gefragt) der Hexenverfolgung standen, aber sie sagte nichts, sondern notierte nur brav. Sie hatte einmal in ihrem Leben keinen Nerv auf eine Diskussion mit Potter, denn eben war alles wieder hochgekommen. „Und die Gryffindors…", jetzt schienen James die Ideen auszugehen, aber hier sprang Lily dann doch ein: „‚Nibelungenschatz'." „Hatte der auch was damit zu tun?", wunderte sich James und bekam – zu seiner noch größeren Verwunderung – nur ein schwaches Nicken zur Antwort.
Während Lily das noch aufschrieb, hatte James bereits das nächste Passwort: „Und die Vertrauensschüler kriegen für ihr Bad ‚Ohrenschmalz'." Es wurde ebenfalls widerspruchslos notiert. „Sag mal, Evans, bist du krank?", auf diese Frage bekam James nur ein Schulter zucken. Er betrachtete Lily noch einmal nachdenklich und fuhr dann fort: „Unser Gemeinschaftsraum bekommt ‚Thestral', wenn's recht ist und mein Schlafzimmer ‚rosa Schrankmonster'. Dann fehlt nur noch deins." Hatte James gehofft, sie würde es ihm sagen, so hatte er sich geschnitten. Lily schrieb ihr, sorgfältig überlegtes, Passwort zu letzt hin und er sah es nicht. Liliaceae. Ein Fremdwort für ‚weiße Lilie'. Lily faltete das Pergament, steckte es in einen Umschlag und gab es der Schuleule, die neben ihr saß. Wenn sie in Hogwarts ankamen, würden bereits alle Passwörter geändert sein.
Fünf Minuten später strömten die sechzehn Vertrauensschüler in das große Abteil. Jeder suchte sich einen Platz und Lily begann mit ihrer kleinen Ansprache: „Hallo erstmal. Ich bin Lily Evans und das hier ist James Potter. Wir sind die diesjährigen Schulsprecher und aus Gryffindor, wie ihr sicher wisst. Sag hallo, James." Die Schüler mussten lachen, als sie ihn vorführte, doch James grinste nur und winkte, hielt sich aber weiter im Hintergrund, so fuhr Lily fort: „Ihr habt als Vertrauensschüler die Aufgabe, zu helfen, dass alles im Schloss glatt läuft. Ihr dürft maximal 10 Hauspunkte pro Nase abziehen, wenn es um mehr geht oder um Strafarbeiten, dann geht zu einem Lehrer oder kommt zu James und mir. Wenn er oder ich merken, dass einer von euch unnatürlich viele Punkte oder so abzieht, werdet ihr euch da rechtfertigen müssen, womit wir sicherstellen wollen, dass es fair bleibt.
Auch solltet ihr immer ein offenes Ohr für die Schüler, grade die jüngeren, haben und – zumindest in gewisser Weiße – ein Vorbild sein. Falls ihr Fragen oder Probleme habt, dann könnt ihr euch jederzeit an James oder mich wenden. Alles klar soweit? Dann kommen wir jetzt zu den Patrouillen, immer im Team und immer von 22.00 bis 23.30 Uhr. Wir treffen uns um fünf vor zehn in der Eingangshalle und da wird dann eingeteilt, wer wo Aufsicht führt. Findet ihr jemanden, zieht ihr 20 Punkte ab (übrigens die einzige Möglichkeit, wo ihr 20 abziehen dürft) und schickt ihn oder sie in sein/ihr Haus. Trefft ihr ihn oder sie noch mal, dann bitte zum jeweiligen Hauslehrer bringen."
Sie hob die Liste und begann vorzulesen: „Die jüngeren Gryffindors haben Montags, Donnerstags und Sonntags, die Älteren Mittwochs, Freitags und Samstags Dienst. Die jüngeren Hufflepuff müssen Dienstags, Mittwochs und Sonntags Aufsicht schieben, die Älteren Montags, Freitags und Samstags. Die jüngeren Ravenclaws haben ihre Patrouillen Dienstags, Freitags und Samstags, die Älteren Donnerstags, Freitags und Sonntags. Die jüngeren Slytherins haben immer Montags, Mittwochs und Samstags und die Älteren Dienstags, Donnerstags und Sonntags Wache. Montags, Dienstags, Mittwochs und Donnerstags sind James und ich auch noch dabei. Alle ihre Tage notiert? Sehr schön, dann gebe ich euch jetzt die Passwörter."
Lily griff nach einer anderen Liste, schien leichte Probleme mit der Schrift zu haben, begann dann aber doch vorzulesen: „Das Passwort für den Gemeinschaftsraum lautet bei Gryffindor ‚Nibelungenschatz', bei Hufflepuff ‚Hexenschuss', bei Ravenclaw ‚Hexenhammer' und bei Slytherin ‚Walpurgisritter'. Euer Badezimmer hat das Passwort ‚Ohrenschmalz'. Sollten wir irgendjemanden erwischen, der die Passwörter der anderen Häuser weitergibt oder sich das Wissen darum irgendwie zunutze macht, dann wird er oder sie es bitter bereuen, glaubt mir." „Jep, ganz bitter. So was ist nämlich armselig. Wenn muss man die Passwörter selbst raus finden", schaltete sich James das erste Mal ein. Lily verdrehte nur die Augen und ignorierte ihn: „Wie schon gesagt, bei Fragen und Problemen stehen wir jederzeit zur Verfügung. Wir treffen uns jeden Donnerstagnachmittag um 17.00 Uhr und ihr könnt circa eine Stunde einplanen. Alles klar? Gut, dann könnt ihr jetzt gehen, denke ich."
