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Kapitel 4: Eifersucht

Nach dem Essen ging Aragorn ein wenig hinaus, um frische Luft zu schnappen. Er zündete sich eine Pfeife an und setzte sich auf eine Bank vor dem Haus. Es war ein schöner lauer Frühsommerabend. Plötzlich gesellte sich Éowyn zu ihm: auch ihr war die Luft im großen Saal des Fürstenhauses zu stickig geworden. Aragorn betrachtete sie aufmerksam: die beginnende Schwangerschaft bekam ihr offensichtlich gut. Ihre Augen leuchteten und ihre hellblonden Haare wirkten voll wie nie zuvor.

„Ich bin froh, dass du dein Glück mit Faramir gefunden hast", sagte er ehrlich. „Ich hätte es mir nie verziehen, wenn du dein Leben lang mir nachgetrauert hättest".

Éowyn sah ihn etwas verwirrt an. Warum kamen plötzlich alle mit diesen alten Geschichten? Erst Gerowyn, jetzt Aragorn.

„Du siehst ja, dass ich dir nicht nachgetrauert habe", erwiderte sie beleidigt."Du warst nur ein Schatten, den ich gejagt habe. Die wahre Liebe hat mir erst Faramir gezeigt".

Aragorn stand jetzt auf.

„Verzeih", sagte er leise. „Ich wollte dich nicht kränken." Er wechselte schnell das Thema: „ Ich würde mir jetzt gerne das Pferd ansehen".

Éowyn war sofort damit einverstanden: sie liebte ja Pferde über alles. Genau wie Aragorn, dachte sie fast etwas wehmütig.

Werfola wieherte leise, als sich die beiden seiner Box näherten. Der kluge Hengst merkte sofort, dass sich hier zwei Menschen befanden, die sich mit Pferden auskannten und ihn gut behandeln würden. Aragorn kraulte Werfola zwischen den Ohren und sprach beruhigende elbische Worte.

Éowyn lächelte und begann Werfola ebenfalls zu streicheln. Dabei berührten ihre Hände die von Aragorn.

Nach einer Viertelstunde begann Faramir seine Frau zu vermissen.

„Wo ist die Fürstin hingegangen?", fragte er eine Bedienstete beunruhigt.

„Sie ist nach draußen gegangen".

Faramir merkte jetzt, dass auch Aragorn weg war. Es verspürte einen Stich der Eifersucht in seinem Herzen, als er daran dachte, dass die beiden jetzt irgendwo da draußen zusammen waren. Éowyn hatte ihm seinerzeit auf den Wällen von Minas Tirith erzählt, dass sie in Aragorn verliebt war. Ab und zu kamen ihm ein wenig Zweifel, ob Éowyns Zuneigung für Aragorn tatsächlich für immer erloschen war. Manchmal glaubte er ein besonderes Leuchten in Éowyns Augen zu sehen, wenn sie den König ansah. Vielleicht bildete er sich das auch alles nur ein.

Trotzdem hatte er jetzt keine Ruhe mehr. Er beschloß, nach Éowyn zu sehen.

„Entschuldigt mich kurz!", sagte er seinen Gästen und ging hinaus.

Er sah weit und breit keine Spur von seiner Frau und Aragorn. Gerowyn schlenderte gerade ein wenig im Hof herum.

„Sucht Ihr Euere Gemahlin, Fürst Faramir?", fragte sie etwas amüsiert, denn sie hatte Aragorn und Éowyn vorhin in die Ställe laufen sehen.

„Ich mache mir Sorgen um Éowyn, schließlich ist sie schwanger", erklärte Faramir, der aufgrund seines Scharfsinns sofort merkte, dass sich Gerowyn über ihn lustig machte. Er sah sie ungehalten an. Gerowyn wurde rot und senkte den Blick.

„Sie sind in die Ställe gegangen", sagte sie schließlich.

Faramir sah sie noch einmal durchdringend an, dann ging er zu den Ställen. Gerowyn folgte ihm heimlich.

Faramir trat leise ein. Éowyn und Aragorn bemerkten ihn nicht. Sie waren immer noch damit beschäftigt, Werfola zu kraulen und unterhielten sich. Faramir blieb im Halbdunkel einer geöffneten Pferdebox stehen.

„Darf ich Werfola aus der Box führen?", fragte Aragorn gerade Éowyn. „Ich möchte ihn einmal in seiner ganzen Schönheit sehen".

„Aber sicher darfst du das", sagte Éowyn lächelnd und öffnete die Box. Aragorn führte den Rapphengst jetzt heraus. Werfola benahm sich sanft wie ein Lamm und ließ sich von dem König abtasten.

„Er ist so königlich wie mein Brégo. Junge, Junge, weiß Faramir überhaupt, was er da geschenkt bekommen hat?", bemerkte Aragorn lachend.

Faramir begann in seinem Versteck vor Wut zu zittern: die Bemerkung von Aragorn war scherzhaft gemeint, aber er glaubte, dass Aragorn damit in Wirklichkeit etwas ganz anderes sagen wollte. War er, Faramir, überhaupt fähig, mit so einem temperamentvollen Prachtpferd umzugehen? Er musste daran denken, wie oft sein Vater ihn der Unfähigkeit bezichtigt hatte.

Éowyn lachte gerade. Lachte sie etwa über ihn?

Werfola schnaubte unruhig. Er hatte einen Schatten im Stall gesehen. Es war noch eine weitere Person im Stall anwesend, von der er nicht wusste, was er von ihr halten sollte. Ohne Vorwarnung stieg er hoch. Éowyn wich geschickt zur Seite. Aragorn rief Werfola elbische Worte zu und sofort beruhigte sich der Hengst wieder.

„Das war genau wie damals bei Brégo", staunte Éowyn. „Weißt du noch?"

„Und ob ich das noch weiß", lächelte Aragorn.

Er führte Werfola wieder zurück in die Box.

„Ich weiß auch nicht, vor was er sich plötzlich erschrocken hat", meinte er kopfschüttelnd. „Vielleicht gibt es hier im Stall Mäuse".

„Wir sollten jetzt vielleicht zurück in den Saal gehen", meinte Éowyn gutgelaunt. „Man wird uns sicher schon vermissen".

Sie hakte sich lachend bei Aragorn ein und sie verließen den Stall.

Faramir kam jetzt aus seinem Versteck heraus und atmete erst einmal tief ein und aus. Wütend betrachtete er Werfola. Dieser verdammte Gaul war schuld an allem!

Sein Selbstwertgefühl befand sich zum ersten Mal seit langem wieder im Keller. Zu allem Überfluß trat jetzt auch noch Gerowyn zu ihm.

„Warum seid Ihr immer noch hier? Ihr hättet doch Aragorn und Éowyn begegnen müssen".

„Was geht dich das an?", entgegnete Faramir zornig. Seine blauen Augen blitzten gefährlich.

Doch Gerowyn ließ sich davon nicht beeindrucken.

„Ihr habt also Éowyn und den König belauscht", sagte sie kopfschüttelnd.

„Geh!", befahl Faramir, der allmählich völlig in Rage geriet.

Werfola begann unruhig zu wiehern. Seine feinen Sinne ertrugen den Streit der zwei Menschen vor seiner Box nicht.

„Um Werfolas Willen sollten wir nicht länger die Stimmen erheben", sagte Gerowyn leise.

„Alles dreht sich hier nur um dieses verdammte Pferd", bemerkte Faramir finster und verließ den Stall.

Er hatte jetzt überhaupt keine Lust mehr weiterzufeiern. Doch er war der Gastgeber und es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

„Wo bist du gewesen?", fragte Éowyn erstaunt und strich ihm über die bärtige Wange.

„Ich habe dich im Garten gesucht", erwiderte Faramir mit mühsam beherrschter Stimme.

Er warf einen finsteren Blick auf Aragorn, der zum Glück nicht zu ihm hinsah, und setzte sich neben seinem Onkel.

Faramir sah die bewundernden Blicke seiner Gäste auf dem König ruhen.

Es ist wohl alles nur eine Frage der Macht, dachte er bissig.

Es wurde spät in die Nacht gefeiert. Faramir war jedoch nur noch halbherzig dabei und er quälte sich durch den Abend. Aragorn merkte schnell, dass mit dem jungen Statthalter etwas nicht stimmte.

„Was hast du, mein Freund? Du wirkst seit einiger Zeit still und bedrückt", fragte er Faramir vorsichtig.

„Ach, ich bin wahrscheinlich nur müde", entgegnete dieser mit einem verzerrten Lächeln.

Aragorn runzelte die Stirn, weil ihn diese Antwort nicht zufrieden stellte. Doch er beschloß jetzt Faramir nicht weiter zu fragen.

Éowyn bemerkte beim Zubettgehen, wie ungewöhnlich wortkarg sich ihr Gemahl gab. Noch nie hatte er sich so seltsam benommen seit sie verheiratet waren.

„Faramir, willst du mir nicht sagen, was los ist?", fragte sie leise, als sie sich neben ihm hinlegte. Doch er stellte sich schlafend.

Éowyn wickelte sich betrübt in die Decke. Was war nur los mit ihr und Faramir? Ein Schatten schien sich plötzlich über ihre bisher glückliche Ehe gelegt zu haben. Sie seufzte tief. Irgendwann schlief sie dann ein.

Faramir lag die ganze Nacht neben ihr wach. Als der Morgen graute, fasste er einen Entschluß. Er zog Reitkleidung an und verließ das Schlafgemach. Dann ging er zu der Kammer, wo der Stallbursche schlief, ein sechzehnjähriger, schlacksiger Junge.

Urgond erschrak, als der Truchseß persönlich ihn weckte.

„Ich möchte, dass du Werfola für mich sattelst", sagte Faramir in einem gebieterischen Tonfall zu ihm.

„Der neue Rapphengst aus Rohan?", fragte Urgond ängstlich.

„Du kannst doch mit Pferden umgehen, oder?", fragte Faramir ungeduldig.

Urgond nickte schnell und stieg rasch aus seinem Bett.

Etwas zaudernd betrat der Junge den Stall. Selbst ihm war der wilde Hengst aus Rohan nicht geheuer. Er warf einen wehmütigen Blick auf Flammenmähne, den fuchsfarbenen Hengst, den Faramir sonst immer ritt. Plötzlich erhob sich vor dem Jungen eine Gestalt aus dem Stroh: es war Gerowyn, die im Stall genächtigt hatte.

„So früh schon auf, Junge?", fragte sie erstaunt.

Urgond war vor Schreck ganz verdattert.

„Ich...ich soll Werfola satteln", stammelte er. „Lord Faramir will auf ihm ausreiten".

„Das Satteln übernehme lieber ich", erwiderte Gerowyn kopfschüttelnd.

Urgond lächelte sie dankbar an.

Faramir staunte nicht schlecht, als er Gerowyn mit Werfola aus dem Stall kommen sah.

„Was willst du schon wieder hier?", fragter er die Éorlinga ungehalten.

„Tut das nicht, Fürst Faramir", warnte ihn Gerowyn. Sie machte sich wirklich Sorgen um Faramir. „Ihr und Werfola – Ihr müsst Euch erst langsam aneinander gewöhnen. Er wird Euch abwerfen".

„Wir werden ja sehen", erwiderte Faramir düster und nahm ihr die Zügel aus der Hand.

Werfola wurde sofort unruhig, aber Faramir saß überraschend schnell im Sattel. Der Hengst begann leicht zu scheuen, aber Faramir behielt die Oberhand. Schließlich sprengte er im Galopp aus dem Tor. Gerowyn sah ihm kopfschüttelnd nach: so ein Dickkopf! Vielleicht hatte sie sich ja ein wenig in Faramir geirrt und er hatte doch von Pferden mehr Ahnung, als es den Anschein hatte. Sie musste lächeln und ging zurück in den Stall.

Éowyn erwachte, als die Sonne direkt in ihr Schlafzimmerfenster schien. Sie blinzelte und tastete gewohnheitsmäßig neben sich. Doch der Platz neben ihr im Bett war leer – und kalt. Erschrocken fuhr Éowyn hoch: das war sie von Faramir nicht gewohnt, dass er einfach klammheimlich morgens aufstand, ohne ihr Bescheid zu sagen. Sie zog sich rasch an und ging hinunter. Auch Aragorn und Éomer waren schon auf.

„Habt ihr Faramir heute morgen schon gesehen?", fragte sie besorgt.

Die beiden Freunde sahen sie erstaunt an.

„Er ist spurlos verschwunden", fuhr sie fort.

Sie begannen, die Bediensteten zu fragen. Schließlich erzählte Urgond schüchtern von Faramirs morgentlichen Ausritt.

„Er ist tatsächlich auf Werfola losgeritten?", fragte Éomer grinsend. „So ein Teufelskerl", fügte er leise bewundernd hinzu.

Aragorn runzelte die Stirn.

„Warum schenkst du eigentlich deinem Schwager, der ein Leben lang als Waldläufer zu Fuß durch Ithilien streifte, einen wilden Hengst aus Rohan, mit dem er sich eigentlich nur blamieren kann, weil er Pferde nicht gewohnt ist?"

Éomer wurde knallrot und sah betreten zu Boden.

„Mir ist nichts eingefallen, was ich Faramir zum Geburtstag hätte schenken können. Gerowyn hatte dann die Idee mit Werfola. Sie meinte, es wäre ein königliches Geschenk".

„So ein Geschenk kann für jemanden wie Faramir eine Strafe sein", fuhr Aragorn aufgebracht fort.

Er wandte sich an den Stalljungen:

„Wie lange ist der Fürst schon fort?"

„Seit Sonnenaufgang", erzählte Urgond bebend.

„Das sind fast fünf Stunden", bemerkte Aragorn erschrocken.

„Wir müssen ihn suchen", rief Éowyn den Tränen nahe. „Vermutlich hat ihn Werfola längst abgeworfen, und ihm ist etwas passiert".

Éomer nahm seine Schwester tröstend in die Arme.

„Ich werde auch mit suchen helfen", sagte Aragorn besorgt.

„Aber das geht doch nicht", erwiderte Éowyn erschrocken. „Du musst nach Minas Tirith zurück – Arwen entbindet doch bald".

„Faramirs Leben hat jetzt Vorrang", erklärte Aragorn.

Faramir lenkte Werfola zielstrebig in den Wald hinein. Immer wieder bockte der temperamentvolle Hengst und ließ sich nicht so lenken, wie der Fürst wollte. Doch der Ehrgeiz und die Wut ließen Faramir im Sattel fast festkleben.

„Ich werde dich schon noch zähmen, Rohan-Hengst!", knurrte der junge Truchseß wütend.

Immer weiter ritten sie und bald waren sie in der Nähe von Henneth Annûn. Der Pfad wurde immer unwegsamer und Werfola geriet ab und zu ins Straucheln. Faramir sah, dass das Tier schweißnaß war und zufrieden beschloß er umzukehren.

Doch dann geriet er in einen Hinterhalt: Pfeile sirrten plötzlich durch die Luft. Faramir zog sein Schwert, um sich zu verteidigen. Im gleichen Augenblick stieg Werfola hoch und warf den Truchseß, der die Zügel kurz losgelassen hatte, ab. Faramir verlor das Bewusstsein und blieb liegen.