Liebe Leonel ! Vielen Dank für deine regelmäßigen Reviews. Das ermutigt mich, auch diese Geschichte wieder einmal zu updaten. Es geht ganz spannend weiter....
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Kapitel 5: Die Suche nach Faramir
Éowyn hatte sich eine Männertracht angezogen, weil sie so besser reiten konnte. Zielstrebig steuerte sie auf den Stall zu. An der Stalltür begegnete sie Gerowyn.
„Ich habe gehört, dass Faramir noch nicht zurückgekehrt ist", sagte Gerowyn leise. „Es tut mir leid".
Éowyn starrte sie giftig an.
„So, leid tut dir alles? Allmählich schaue ich hinter deine Absichten: du willst doch nur Faramir und mich auseinanderbringen, weil du unser Glück nicht ertragen kannst. Du bist eifersüchtig auf ihn, weil er mich aus Rohan fortgebracht hat. So sieht es doch aus, oder?"
„Ich wollte das wirklich nicht", beteuerte Gerowyn verzweifelt. „Ich wollte dir nur beweisen, dass er nicht zu dir passt. Deswegen hatte ich die Idee mit Werfola. Dein Bruder hat sich so gefreut, dass er ein passendes Geschenk für Faramir endlich hatte".
„Wenn Faramir irgendetwas passiert ist, dann bringe ich dich um!", schrie Éowyn ihre einstige beste Freundin an.
Aragorn und Éomer waren bereit zum Losreiten. Auch Beregond und Fürst Imrahil holten ihre Pferde. Lothiriel wollte ebenfalls mitreiten, aber der Fürst war strikt dagegen.
„Auch du, Éowyn , solltest besser zuhause bleiben", mahnte er. „Denk an dein ungeborenes Kind".
„Nein, ich kann jetzt einfach nicht hierbleiben", sagte Éowyn energisch. „Ich muss wissen, was mit Faramir ist".
Schließlich ritten sie los. Aragorn als geübter Spurenleser ritt voraus. Er hatte schnell Werfolas Spuren erblickt.
„Es sieht so aus, als ob Faramir zum Henneth Annûn geritten ist", sagte er den anderen.
Gerowyn ritt den Fünfen heimlich nach. Das schlechte Gewissen erdrückte sie schier. Sie hatte nicht gewollt, dass Faramir etwas passierte. Sie befand sich einige Meilen hinter den anderen, als sie plötzlich ein leises Wiehern hörte. War das Werfola? Gerowyn rief seinen Namen. Dann kam der Hengst angetrabt. Gerowyn stieg von ihrem eigenen Pferd herab und ergriff den verängstigeten Rappen an den Zügeln. Sie sah Pfeilschäfte im leeren Sattel stecken. Gerowyn erschrak fürchterlich, als sie das sah: Faramir war also überfallen worden. Jetzt machte sie sich wirklich schwere Vorwürfe. Sie beruhigte Werfola mit leisen Worten.
Gerowyn ließ die beiden Pferde zurück und folgte der Richtung, aus der Werfola gekommen war. Plötzlich sah sie ein Lager zwischen den Bäumen. Sie erkannte das rote Banner mit der Schlange.
Haradhrim!, dachte sie entsetzt.
Dann entdeckte sie Faramir. Man hatte ihn an einem Baum gefesselt. Er war halb ohnmächtig und sein rotblondes Haar war blutverkrustet. Sie musste ihn unbedingt befreien. Zwei Haradhrim bewachten ihn. Die anderen schienen das Lager verlassen zu haben. Gerowyn lächelte böse: mit Zweien wurde sie leicht fertig.
Sie holte ihren Pfeil und Bogen.
Faramir fuhr erschrocken zusammen, als er sah, dass einer seiner Bewacher einen Pfeil durch die Kehle bekam. Doch dann erkannte er den Rohirrim-Pfeil und er atmete erleichtert auf. Der andere Haradhrim schnellte hoch und zog sein Krummschwert. Ein Dolch flog aus dem Gebüsch und traf den vermummten Südländer mitten in die Brust. Röchelnd brach er zusammen. Sofort lief Gerowyn zu Faramir und befreite ihn.
„Könnt Ihr laufen, Fürst Faramir?", fragte sie besorgt.
„Es wird schon gehen", meinte er mit schwacher Stimme.
Gerowyn stützte ihn beim Laufen und schon bald waren sie bei den Pferden.
„Setzt Euch am besten auf mein Pferd, ich reite Werfola", entschied Gerowyn.
„Nein, das kommt nicht in Frage", erwiderte Faramir entrüstet.
Zu ihrer Verwunderung blieb Werfola ruhig, als Faramir ihn bestieg.
Dann ritten sie so schnell wie möglich zurück nach Emyn Arnen. Unterwegs erfuhr der junge Truchseß von Gerowyn, dass er von seinen Freunden und seiner Frau ebenfalls gesucht wurde.
„Ich hoffe, dass sie nicht wie ich in einen Hinterhalt geraten", meinte er besorgt.
„Vielleicht sind sie schon zurück", mutmasste Gerowyn.
Doch der Suchtrupp war noch nicht wieder in Emyn Arnen eingetroffen. Faramir machte sich große Sorgen um seine schwangere Frau.
„Es ist alles meine Schuld", sagte er kopfschüttelnd. „Warum war ich nur so dumm und bin heute morgen alleine in die Wälder losgeritten".
„Quält Euch nicht mit Selbstvorwürfen", erwiderte Gerowyn. „Wir hätten Euch niemals dieses Pferd schenken dürfen. Die Menschen aus Gondor sind kein Reitervolk".
Ein Bediensteter, der sich mit der Heilkunst auskannte, versorgte Faramirs Kopfwunde.
„Ihr müsst nun ruhen, Mylord", riet er dem jungen Fürsten.
Doch Faramir ging ruhelos im Garten auf und ab und starrte immer wieder auf den Wald, in der Hoffnung, dass dort bald Reiter auftauchen würden.
In der Nähe von Henneth Annûn verlor sich Werfolas Spur. Auf dem felsigen Boden konnte man beim besten Willen nichts mehr erkennen. Seufzend stieg Aragorn vom Pferd. Er wandte sich an Éowyn:
„Weißt du, wo Faramir hingeritten sein könnte? Gibt es irgendeinen Lieblingsplatz, wo er sich gerne aufhält?"
„Vielleicht ist er in die Höhle hinter dem Wasserfall gegangen", überlegte Éowyn laut.
„Am besten, wir sehen mal nach", meinte Aragorn.
Éomer, Beregond und Imrahil beschlossen, bei den Pferden zu bleiben und aufzupassen, während Éowyn und Aragorn den steilen Felspfad hinaufkletterten. Die Gischt des Wasserfalls sprühte ihnen schon bald in die Gesichter. Sie hatten die Höhle nun erreicht.
„Ich gehe mal in die Höhle – am besten alleine", meinte Éowyn etwas unsicher.
Aragorn nickte: er wusste, was sie damit meinte.
Kaum betrat sie die Höhle, packten sie zwei starke Hände und zwei andere hielten ihr den Mund zu. Aragorn stand vor der Höhle und wartete geduldig. Er wunderte sich, dass Éowyn nicht wieder zurückkam. Vielleicht hatte sie tatsächlich Faramir gefunden und die beiden sprachen sich aus. Da wollte er lieber nicht stören. Plötzlich vernahm er mit seinen geübten Waldläuferohren leise Stimmen, die sich sonderbar und fremdartig anhörten. Irgendetwas war da nicht in Ordnung. Vorsichtig zog er sein Schwert.
In diesem Moment stürmten fünf Haradhrim aus der Höhle. Aragorn hatte gegen diese Übermacht keine Chance: zwar konnte er zwei von ihnen außer Gefecht setzen, aber die anderen packten ihn und zwangen ihn zu Boden. Unfähig sich zu bewegen blieb der König keuchend liegen.
„Fesselt ihn!", befahl eine raue Stimme.
Es war Teherin, der Anführer der Haradhrim. Aragorn kannte ihn: nach dem Ringkrieg hatte er mit Teherin Friedensverhandlungen geführt – jedoch vergeblich.
Teherin starrte Aragorn triumphierend mit seinen kohlschwarzen Augen an.
„Bringt ihn in die Höhle!", befahl er schließlich.
Éomer wurde immer unruhiger: es dauerte dem jungen König von Rohan schon viel zu lange. Er mochte einfach nicht mehr länger warten.
„Ich werde jetzt nachsehen", sagte er zu Beregond und Fürst Imrahil.
„Nein, wartet, Éomer", sagte der Fürst besonnen. „Ich bin der Meinung, dass wir weiter hier warten sollten. Der König wird Euere Schwester beschützen".
Dann sahen die Drei plötzlich eine Gruppe von Haradhrim auf sich zukommen. Die Pferde begannen zu scheuen.
„Sie werden uns entdecken!", knurrte Éomer wütend.
Die drei Männer machten sich kampfbereit. Kurz darauf wurden sie von den Haradhrim entdeckt. Es gab einen erbitterten Kampf. Éomer wehrte sich wie ein Berseker, auch der ein wenig ältere Beregond stand ihm in nichts nach. Schon bald hatten sie die Haradhrim vertrieben.
Doch Fürst Imrahil war schwer verwundet worden: der ältere Mann hatte einen Schwertstich in den Bauch bekommen.
„Er muß so schnell wie möglich nach Emyn Arnen zurück", sagte Beregond in höchster Sorge.
Éomer zögerte: seine Schwester und Aragorn schwebten wahrscheinlich ebenfalls in großer Gefahr, aber um Fürst Imrahil stand es sehr schlecht. Er entschied sich schließlich dafür, dem Fürsten zu helfen. Alleine würde Beregond den Verwundetentransport nicht schaffen.
Sie bauten eine behelfsmäßige Schleppbahre aus langen Ästen und legten Imrahil darauf. Dann geleiteten sie den Verwundeten nach Hause.
Éomer nahm sich fest vor, sofort wieder aufzubrechen, um seine Schwester zu suchen. Möglicherweise war sie zusammen mit Aragorn gefangengenommen worden. Auch Beregond glaubte dies.
Faramir atmete auf, als er sah, dass sich etwas vom Wald aus auf die Hügel zubewegte. Er sah fünf Pferde, doch kaum Reiter. Was war passiert? Er rannte den Hügel hinab, seinen schmerzenden Kopf ignoriernd. Außer Atem erreichte er Beregond.
„Wo ist Éowyn?", keuchte er.
„Wahrscheinlich sind sie und Aragorn gefangengenommen worden", berichtete Éomer bekümmert. „Ich werde sofort losreiten und sie suchen".
„Warte, ich komme auch mit!", rief Faramir bebend.
Doch dann gewahrte er seinen Onkel, der schwer verwundet auf der Schleppbahre lag.
„Es steht nicht gut um ihn", raunte Beregond seinen Herrn leise zu.
Entsetzt beugte sich Faramir über den Fürsten von Dol Amroth.
Imrahil öffnete jetzt seine grauen Augen und sah seinen Neffen an.
„Kümmere dich nicht um mich, Neffe – suche deine Frau und den König".
Faramir befand sich jetzt in einem Dilemma: er konnte seinen nähesten, noch lebenden Verwandten nicht einfach so liegen lassen und wegreiten. Éomer jedoch wollte nicht länger warten und brach alleine auf. Faramir sah ihm enttäuscht nach.
