Kapitel 2:
Gewißheit
Es war, als ob jeder Gedanke aus seinem Kopf weggewischt wurde.
Er merkte nicht, wie er, genau wie Harry, geräuschlos vor Hermines unbeweglichen Körper auf den Boden sank.
Nein, das kann nicht sein, dachte er, von Schock und Angst geschüttelt.
Das war nicht Hermine. Das konnte sie nicht sein.
Es ist nicht real. Ich träume. Ja, es muss ein Alptraum sein, schoss es ihm durch den Kopf.
Ein schrecklicher Alptraum.
Gleich würde er aufwachen, in seinem Bett, und alles wäre wieder normal. Es gab keinen Krieg und alle waren lebendig und gesund.
"Es ist real, Ron. Sie ist tot." sagte eine kalte, klare Stimme in seinem Hinterkopf.
"Nein!" flüsterte er fieberhaft.
"Doch. Überzeug dich doch selber davon. Sieh ihr in die Augen; sie sind tot, genauso wie der Rest von ihr. Sie ist bestimmt schon kalt." fuhr die Stimme fort, und er hatte das Gefühl, dass sein Verstand nun endgültig beschlossen hatte, sich gegen ihn zu stellen.
"Nein..."
Wie um das Gegenteil zu beweisen, beugte er sich über sie, trotz der übermächtigen Welle des Entsetzens, die ihn unter sich zu begraben drohte und des hämmernden Schwindelgefühls in seinem Kopf.
Er nahm ihre Hand.
Kalt.
"Hermine..." flüsterte er.
Ron fühlte sich, als ob er in ein tiefes, schwarzes Loch fiel.
Ein Windböe kam auf und wirbelte Hermines Haar auf.
Einen Moment lang sah sie so...lebendig aus. Ein Hoffnungsschimmer regte sich in seinem Herz.
Vielleicht...vielleicht konnte man sie noch retten.
Zum ersten Mal erinnerte er sich wieder daran, dass Harry neben ihm saß.
"Harry..."
Ron drehte den Kopf, um ihn anzusehen, aber Harry hatte immer noch den Blick starr auf Hermines Gesicht gerichtet, als könnte er sich nicht von dem grausigen Anblick losreißen.
"Harry, vielleicht können wir sie retten..." sagte er. "Vielleicht ist sie nur bewußtlos, Harry!"
Harry griff langsam nach Hermines anderer Hand.
"Wir können sie retten," rief Ron, und seine Stimme wurde etwas sicherer, "wir müssen sie nur irgendwie ins St. Mungo schaffen..."
"Es ist zu spät, Ron." Die Ruhe in Harrys Stimme war angsteinflößend und Ron lief es eiskalt den Rücken hinunter.
"Aber..."
Harry sah schließlich auf und ihre Blicke trafen sich. Ron hatte das Gefühl, er starre eine Wand an. Keine einzige Gefühlsregung war in Harrys smaragdgrünen Augen zu sehen.
Das Gefühl, als ob ihm jemand in den Magen getreten hätte, kehrte wieder zurück, und diesmal war es so stark, dass es richtig weh tat.
"Es war Voldemort...er hat Avada Kedavra benutzt. Wir können nichts mehr machen." Harrys Stimme war monoton und ausdruckslos.
Ron starrte ihn fassungslos an. Sein Gehirn weigerte sich schlicht, dies anzunehmen.
"Das kann nicht sein!"
Harry kniff die Augen zusammen, wie unter Schmerzen.
Du - du lügst!" schrie Ron in die Stille hinein, nicht mehr dazu fähig, noch auf irgendeine Weise vernünftig zu denken.
"Nein, es war so, wie ich es sage. Sie ist tot, Ron." sagte Harry, wieder mit dieser grauenhaft ruhigen Stimme, und Ron hatte das Gefühl, dass er das Echo der kalten Stimme in seinem Kopf war, die er vorhin gehört hatte.
Eine ohnmächtige Wut stieg in ihm auf und er richtete sich plötzlich auf und packte Harry am Kragen.
"NEIN, DU LÜGST!" brüllte er ihn an, gegen das schreckliche erstickende Gefühl, dass sich in seinem Brustkorb breitmachte, ankämpfend.
Harry öffnete die Augen, und zum ersten Mal sah Ron den Sturm von Gefühlen, die er bisher so erfolgreich zu verbergen versucht hatte.
Wut, Schrecken, Panik, Schmerz und...Trauer.
Und Ron wurde plötzlich klar, dass Harry nicht gelogen hatte.
A/N: Puh, dieses Kapitel war gar nicht so einfach zu schreiben. Hoffe, es kommt ungefähr so rüber, wie ich das wollte. Es ist für den Verlauf der Geschichte wichtig zu wissen, wie Ron und Harry individuell auf Hermines Tod reagieren. Das Geheimnis der "Unendlichen Seele" wird im nächsten bzw. übernächsten Kapitel erklärt - versprochen :-)
ps: danke an alle, die bisher reviewt haben - ihr streichelt mein schriftsteller-ego g
