Kapitel 3:
Asche zu Asche, Staub zu Staub
Das Begräbnis fand eine Woche später statt.
Der Friedhof war so ganz anders als die, die sich Ron immer vorgestellt hatte. Er war noch nie auf einem Begräbnis gewesen, nur auf der Trauerfeier für Sirius nach seinem Tod am Ende des fünften Schuljahres. Sie hatten damals keine Beerdigung für ihn gehabt, denn sein Körper war nie wieder aufgetaucht, nachdem er hinter dem Vorhang in der Mysteriumsabteilung verschwunden war.
In seiner Phantasie waren Friedhöfe immer unheimlich und düster, und es regnete ständig, während ein verdunkelter Himmel alles in einen grauen Schleier versinken ließ.
Doch dieser Ort war anders.
Es war ein kleiner Friedhof in der Nähe von London, nicht unweit von der kleinen Wohnung, die sich Harry, Hermine und er nach dem Schulabschluß gemietet hatten.
Grüne Sträucher und dezent plazierte Blumenbeete säumten die Wege, und auf den Bäumen saßen zahlreiche Vögel, die laut und fröhlich zwitscherten, als hätten sie keine anderen Sorgen auf der Welt.
Er wußte, dass es lächerlich war, aber es kam ihm vor, als ob sich die Natur über ihn lustig machen wollte. Als wollten sie ihm voller Schadenfreude zurufen: "Wir sind am Leben - und sie nicht!"
Er fühlte sich selber auch nicht viel lebendiger als all die Toten, die hier lagen.
Die Sonne strahlte hell und wärmend auf sein Gesicht, und sosehr er auch suchte, Ron fand keinen Platz, der ihm ausreichend Schatten spenden konnte.
Er wollte im Schatten sein.
Die Dunkelheit passte zu dem, was er im tiefsten Inneren fühlte.
Eine Woche war nun vergangen, doch Ron hatte sich strikt geweigert, mit irgendjemanden über die Sache zu reden oder auch nur ansatzweise zu versuchen, es zu verarbeiten.
Wenn er es sich eingestand, war es endgültig. Dann gab es kein Zurück mehr.
Er hatte versucht zu ignorieren, dass das Begräbnis bald stattfinden würde, doch nun half alles Abwenden nichts - nun war es soweit.
Sehr viele Menschen waren da, Muggel und Zauberer. Die Grangers hatten die Trauergäste, die aus der Zaubererwelt stammten, gebeten, in Muggelkleidung zu erscheinen, um die anderen Muggel nicht zu irritieren, die nichts davon wußten, dass Hermine eine Hexe war.
Das Resultat daraus war, dass die meisten Zauberer und Hexen aussahen, als hätten sie blind in den Kleiderschrank gegriffen. Zwar trugen alle angemessenes Schwarz, aber die Kombination der Kleider war mitunter recht abenteuerlich. So trug zum Beispiel Hagrid einen langen, schwarzen Kautschukmantel, der immer quietschte, sobald er auch nur die kleinste Bewegung machte. Das war ihm sichtlich peinlich, und er bewegte sich die ganze Zeit nur, wenn es unbedingt nötig war, und dann mit hochroten Kopf.
Professor McGonagall hatte etwas an, das entfernt an eine schwarze Toga erinnerte, und Dumbledore trug eine Art Talar mit dazu passenden schwarzen Sandalen.
Wenn der Anlass nicht so traurig gewesen wäre, hätte Ron sich wahrscheinlich köstlich amüsiert. Er selber war inzwischen in die Feinheiten der Muggelmode eingeweiht worden, unter anderem als Teil seiner Ausbildung als Auror in dem Fach Verkleidung und Tarnung. Und Hermine hatte ihm auch dabei geholfen.
Hermine.
Seine Gedanken wanderten wieder zu ihr zurück. Das taten sie ständig, er konnte einfach nichts dagegen tun.
Er ließ nochmal den Blick über die Trauergäste schweifen; Dumbledore, McGonagall und Lupin standen im Halbkreis und unterhielten sich leise, während sie ab und zu verstohlen zu ihm hinübersahen.
Er beobachtete sie ein Weile, wie sie ihn beobachteten. Dann sah er weg, er konnte das Mitleid in ihren Gesichtern nicht ertragen.
In einiger Entfernung standen Hagrid und Harry. Hagrid hatte ein riesiges rotgepunktetes Taschentuch aus seiner Manteltasche gezogen und schneuzte sich gelegentlich daran, während er Harry aufmunternde Worte zubrummte. Dass er sich selber nicht beruhigen konnte, half nicht wesentlich dabei, Harry wieder aufzubauen.
Harrys Gesichtsausdruck war unmöglich zu entziffern. Und Ron bemühte sich auch nicht, es herauszufinden, er hatte kaum ein paar Worte mit Harry gewechselt in den letzten paar Tagen. Er wollte nicht wissen, wie Harry sich fühlte, denn sonst müsste er auch darüber nachdenken, wie er selber sich fühlte, und das wollte er auf gar keinen Fall.
Seine Familie stand in der Nähe, doch er hatte das Gefühl, dass sie alle selber nach einem Weg suchten, mit der Situation klarzukommen, und im Moment nicht sonderlich auf ihn achteten. Ginny hatte sich an ihre Mutter geklammert und schluchzte leise. Von Freds und Georges Gesichtern war das übliche Dauergrinsen vollkommen verschwunden. Sein Vater stand bei seiner Mutter und streichelte Ginny sanft über den Kopf, während er ihr beruhigende Worte zuflüsterte.
Die Zeit schien langsamer zu vergehen als sonst. Ron war vollkommen in Gedanken versunken, als Dumbledore sich räusperte, und er bemerkte plötzlich, dass alle sich um den dunkelbraunen Sarg versammelten.
Ein kleiner, pummeliger Mann ging mit einem Korb voller Rosen umher, und drückte jedem eine in die Hand.
Er betrachtete die Rose. Sie war rot.
Dann wurde der Sarg heruntergelassen.
Ron sah weg, er konnte es nicht ertragen, hinzusehen.
Hermines Eltern gingen zuerst an das Grab und warfen die Rosen auf den Sarg.
Das Geräusch der Blumen, die unten auf das Holz trafen, war das einzige weit und breit und es klang wie ohrenbetäubender Lärm in Rons Ohren.
Alles schien still zu stehen.
Sogar die Vögel hatten aufgehört, zu zwitschern.
Als nächstes war Harry dran. Er ging langsam und zögernd, und hielt am Grab inne. Dann kniete er sich hin und küsste die Rose, bevor er sie hineinwarf.
In Rons Kopf rauschte es. Er war als nächster dran.
Er starrte auf die Rose in seiner Hand. Niemand bewegte sich.
Und dann rannte Ron.
Er dachte nicht nach, er lief einfach nur los. Irgendwohin, egal wohin, einfach nur weg.
Weg von diesem Ort...weg von ihrem Grab. Die Welt um ihn herum verschwamm zu einem Wirbel aus Licht und Schatten.
Seine Lungen stachen schmerzhaft von der plötzlichen Geschwindigkeit seiner Bewegungen, doch er machte nicht Halt, um Luft zu holen.
Menschen um ihn herum tauchten auf und verschwanden wieder, viele schrien ihm irgend etwas nach, weil er sie angerempelt hatte, und einige schüttelten einfach nur mißbilligend den Kopf.
All das merkte Ron nicht.
Er lief durch die Stadt und durchquerte Straße um Straße, Wohngebiete, Parks und Einkaufsstraßen; ein Strudel aus losen Geräuschfetzen, fremden Gerüchen und Farben in den unterschiedlichsten Schattierungen strömten an ihm vorbei.
Als seine Lungen ihre allerletzte Kraft auszuhauchen schienen, machte er schließlich Halt.
Er war in einem Hinterhof gelandet, eine finstere Gasse im Halbdunkel lag vor ihm.
Er lehnte sich gegen eine kühle Mauerwand und holte tief Luft.
A/N: And the sadness goes on...jaja, ich werd selber noch ganz depressiv, wenn ich das hier schreibe...lol. Deswegen konnte ich einfach nicht anders und musste einen Hagrid-meets-Matrix Gag einbauen...hoffentlich krieg ich jetzt keine Flames g Der arme Ron muß ne Menge bei mir durchmachen, ich schätze ich bin wohl eine ziemliche Sadistin, was das angeht...lol Falls einige verwirrt sein sollten (seine Gefühlslage betreffend): er erlebt gerade eine Vielzahl widersprüchlicher Gefühle; mal ist er fast soweit, Hermines Tod zu akzeptieren, mal streitet er es wieder ab...armer Kerl seufz
