Liebe Leonel Auf dich ist halt Verlass mit den Reviews. knuddel Im nächsten Kapitel gibt es eine große Überraschung. Vielleicht deutet die Überschrift schon darauf hin...
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Kapitel 9 : Artamir
19 Jahre vergingen und Faramir war in der ganzen Zeit nicht mehr in Dol Amroth gewesen. Denethor hatte es ihm strengstens verboten. Zum Glück kam wenigstens Fürst Imrahil ab und zu in Minas Tirith vorbei, wenn auch meist zu militärischen Zwecken. Faramir vermied es, seinen Onkel nach Melian zu fragen, denn er wollte nicht mehr an seinem Schmerz erinnert werden. Er hoffte, dass sie inzwischen glücklich verheiratet war.
Faramir hatte gerade die Nachricht vom Tode seines Bruders erhalten und ritt mit dem zerborstenen Horn Boromirs von Ithilien nach Minas Tirith, um seinem Vater die schreckliche Kunde zu bringen. An jenem verhängnisvollen Tag war auch Imrahil zum ersten Mal seit einem Jahr wieder in der Stadt. Er brachte die von Denethor geforderte Verstärkung für das Heer: eine Abteilung junge Soldaten. Gerade als Faramir sein Pferd in die Ställe, die im sechsten Festungsring lagen, brachte, erschienen die fünfzig jungen Männer aus Dol Amroth im Hof der Stallungen. Faramir betrachtete sie mit einem wehmütigen Lächeln. So wie es aussah, würden auch sie ihr Leben im Ringkrieg lassen.
Dieser Krieg macht noch Leichen aus uns allen, dachte er grimmig.
Plötzlich stutzte er, als er einen etwa 18-jährigen Soldaten sah, unter dessen Helm rotblonde Locken hervorquollen. Es war der einzige Soldat aus Dol Amroth, der so helles Haar hatte.
Faramir ging mit klopfendem Herzen zu ihm hin. Er hatte plötzlich so eine merkwürdige Ahnung.
„Nimm deinen Helm ab, Soldat!", befahl er mit fast zitternder Stimme.
Der Soldat tat es. Faramir wich entsetzt einen Schritt zurück, denn er blickte in ein Gesicht, das sowohl Züge von Melian als auch von ihm aufwies. Er hatte Melians dunkle Augen, die ihn erstaunt anblickten.
„Wie nennt man dich?", fragte Faramir bebend.
„Ich heiße Artamir", erzählte der junge Mann gehorsam.
„Wie heißen deine Eltern?"
„Meine Mutter ist schon lange tot. Meinen Vater kannte ich nicht", sagte Artamir leise.
Fürst Imrahil war jetzt hinzugekommen. Er hatte schweigend beobachtet, wie sich Faramir mit Artamir unterhielt. Faramir sah ihn jetzt im Augenwinkel und drehte sich zu ihm um. Er zog den Fürsten ein Stück von den Soldaten weg.
„Onkel Imrahil, was bedeutet das? Ist Artamir mein Sohn?"
Imrahil nickte.
Faramir schnappte nach Luft.
„Warum....warum hast du mir nie etwas davon gesagt?"
„Es war besser so, glaube mir", seufzte der Fürst bedrückt. „Was glaubst du, wie dein Vater reagiert hätte auf einen unehelichen Enkel, den ausgerechnet du gezeugt hast?"
„Du hast recht", murmelte Faramir mit gesenktem Kopf. „Aber ich wusste nicht, dass Melian gestorben ist. Ich dachte, sie sei glücklich verheiratet. Ich hätte es ihr so sehr gewünscht".
Der Fürst nickte traurig:
„Melian starb an einer unheilbaren Krankheit, als Artamir drei Jahre alt war. Sie und der Junge waren die ganze Zeit bei uns im Schloß. Und ich zog Artamir auf, als sei er mein eigener Sohn".
§
Denethor hatte von einem Boten erfahren, dass Faramir aus Ithilien angekommen war. Es musste etwas passiert sein, wenn Faramir seinen Posten extra verließ, um nach Minas Tirith zu reiten. Besorgt eilte er persönlich hinunter in den sechsten Festungsring. Bei den Stallungen sah er Faramir und Imrahil, seinen verhassten Schwager, stehen. Gerade umarmten sich die Beiden und Denethor hörte Faramir sagen:
„Ich wünschte, du wärest mein Vater".
Als Denethor diese Worte hörte, wich er entsetzt zurück. Zum Glück hatten ihn die Beiden nicht gesehen. Wie konnte Faramir es wagen! Denethor war bestürzt über diese Worte seines Sohnes. Er begab sich langsam zurück zur Zitadelle. Das Band zwischen ihn und Faramir war nun ein für alle Mal zerschnitten. Er setzte sich auf seinen Truchsessen-Stuhl und wartete grimmig auf seinen Sohn.
Minuten später betrat Faramir den Thronsaal. In den Händen hielt er das zerborstene Horn seines Bruders. Denethor stand wortlos auf, den Blick starr auf das Horn gerichtet. Langsam ging er Faramir entgegen.
„Vater, Boromir ist...er ist...", stammelte Faramir mühsam, während er versuchte, die Tränen zu unterdrücken.
„Sag' nicht, dass er tot ist!", fauchte der Truchseß seinen Sohn an. „Es kann nicht sein, dass Boromir, der beste Krieger Gondors, gefallen ist. Nein, nicht er!"
„Doch, Vater", erwiderte Faramir leise mit gesenktem Kopf.
Denethor riß ihm wütend das Horn aus den Händen.
„Geh!"
Faramir starrte ihn entsetzt an.
„Vater, können wir nicht gemeinsam um Boromir trauern?"
Die Tränen rannen ihm jetzt offen über das Gesicht.
„Nein, laß mich in Frieden!", bellte Denethor. „Geh zurück auf deinen Posten: nach Henneth Annûn, Osgiliath oder sonst wo."
Faramir war sprachlos: die Ablehnung seines Vaters traf ihn fürchterlich. Mit gesenktem Haupt verließ er den Thronsaal. Dafür traten jetzt Fürst Imrahil und die jungen Soldaten ein.
„Hat man denn keine Zeit zum Trauern?", beschwerte sich Denethor barsch bei seinem Schwager.
„Ich trauere mit dir, Denethor", entgegnete Imrahil besonnen. „Doch ich bringe dir auch Verstärkung für dein Heer".
Denethor lächelte schief.
„Dieses junge Gemüse soll mein Heer verstärken? Das ist doch nicht dein Ernst, oder?"
„Wir haben in Dol Amroth keine weiteren Soldaten mehr", sagte Imrahil ernst. „Meine Armee hat in diesem Krieg schon große Verluste hinnehmen müssen. Dol Amroth wird von den Korsarenschiffen bedroht".
„Und wir von Sauron höchstpersönlich!", giftete Denethor zurück.
Sein Blick wanderte durch die Reihe der Soldaten und blieb schließlich auf Artamir haften.
Wie Faramir vorhin forderte auch er den jungen Mann auf, sein Haupt zu entblößen.
„Ist es möglich?", fragte er sich kopfschüttelnd. „Ein Bastard-Sohn Faramirs! Dass er wagt, mir das anzutun".
„Ist Heermeister Faramir wirklich mein Vater?", wagte der junge Mann zu fragen und sah den Fürsten dabei an.
„Und genauso vorlaut bist du auch!", herrschte Denethor Artamir an.
Er wandte sich an Imrahil.
„So habt ihr beide also, du und Faramir, die ganzen Jahre über diese Peinlichkeit vor mir verheimlicht!"
„Faramir wusste nichts davon", sagte der Fürst ernst. „Er hat seinen Sohn heute zum ersten Mal gesehen".
„Du lügst!", schrie Denethor.
Imrahils edles Gesicht verfinsterte sich.
„Ich denke, ich verschwende hier nur meine Zeit", sagte er erzürnt.
„Geh zurück auf dein Schloß, ich brauche dich hier nicht", fuhr Denethor wütend fort. „Und nimm diesen Bastard und die anderen Halbwüchsigen mit dir. Wenn das alles ist, was Dol Amroth Gondor anbietet, dann kann ich auch gut und gern darauf verzichten. Und nun raus hier!"
Er wedelte herablassend mit der Hand.
Empört verließ der Fürst mit seinen Soldaten die Zitadelle. Solch beleidigenden Worte hatte sein Schwager nie zuvor gegen ihn gebraucht.
„Wir reiten sofort nach Hause", sagte Imrahil erschüttert zu seinen Soldaten.
Bei den Stallungen im sechsten Ring begegneten sie Faramir, der darauf wartete, dass sein treuer Wallach „Flammenmähne"gesattelt wurde. Seine Augen waren ganz dunkel vor Trauer und Schmerz. Er hob den Kopf, als er Imrahil mit seinen Mannen sah.
„Wir verlassen Minas Tirith", erklärte der Fürst mit bebender Stimme. „Solange dein Vater lebt, werde ich nie wieder hierher zurückkehren".
Faramir blickte ihn verzweifelt an.
„Ich habe Boromir verloren, so soll ich dich auch nicht mehr sehen?"
„Aber du hast doch noch mich", sagte plötzlich Artamir leise.
Faramir schloß seinen Sohn in die Arme.
„Ich wünschte, ich könnte dir ein besserer Vater sein, als dein Großvater für mich", flüsterte er.
„Wenn dieser Krieg vorbei ist, dann werde ich dich zu mir holen, das schwöre ich!"
Artamir lächelte, als er das hörte.
Imrahil blickte über die Mauerbrüstung nach Osten, wo Rauchschwaden von Osgiliath aufstiegen.
„Faramir, ihr werdet die Stadt nicht mehr lange gegen Mordor halten können. Du musst sie aufgeben, bevor deine Männer wie Vieh abgeschlachtet werden".
„Wir werden die Orks heute nacht in einen Hinterhalt locken, wenn ihre Nachschubboote kommen", erklärte sein Neffe.
Der Stallbursche brachte Flammenmähne gesattelt heraus. Nun galt es Abschied zu nehmen.
Faramir sah Imrahil, seinem Sohn und den Schwanenrittern wehmütig hinterher. Dann galoppierte er auf Flammenmähne Richtung Osgiliath.
Denethor jedoch saß mit dem zerborstenen Horn auf den Knien in der Zitadelle und schluchzte leise vor sich hin.
