Man soll den Tag nie vor dem Abend loben
Gerade eben hatte sich Alexiel noch in warmer Dunkelheit gehüllt, als sie plötzlich im freien Fall nach unten flog.
Und eh sie sich versah, landete sie auf etwas Weichem. Trotzdem war die Landung nicht die Sanfteste und sie sah für einige Augenblicke nur Sterne um ihren Kopf wirbeln.
„Severus!" rief eine weibliche, helle Stimme ganz in ihrer Nähe und Alec drehte den schmerzenden Kopf in diese Richtung.
Als sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, erblickte sie eine hübsche, rothaarige Schülerin in einem etwas antik wirkenden Hogwartsumhang, die entsetzt auf Alexiel starrte.
Fragend richtete sie ihren Blick auf ihre weiche Unterlage und sprang mit einem leisen Schrei auf.
Sie hatte wohl im Sturzflug einen Jungen umgenietet, der mit schmerzverzehrten Gesicht am Boden kauerte.
‚Super Alec, das ist der zweite Volltreffer in nur zwei Tagen. Einsamer Rekord' ging es ihr durch den Kopf und sie lächelte gequält, eh sie sich neben ihrem Opfer niederließ und sorgenvoll fragte: „Ist mit dir alles in Ordnung, das wollte ich nicht!"
Sie legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter, doch zuckte zurück, als er diese brüsk von sich stieß.
„Lass mich los!" knurrte der Junge und blickte sie aus eisigen Augen an, die Alec irgendwie bekannt vorkamen. Mit einem erneuten Schreckenslaut erinnerte sie sich an das Foto, welches ihr Dumbledore kurz vor ihrer Reise gezeigt hatte. Denn vor ihr lag eindeutig der Mensch, der sie auf diesem besagten Foto im Arm gehalten hatte.
Sie war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie kaum bemerkte, wie sich das Mädchen näherte und dem Jungen beim Aufstehen half.
Beide starrten sie unentwegt an und Alexiel begann sich unwohl zu fühlen.
„Also, wer oder was bist du?" fragte die Rothaarige schließlich und verengte ihre grünen Mandelaugen misstrauisch.
„Ich.. ähm ich...!" begann Alec und wusste nicht wirklich, was sie sagen sollte, immerhin hatte man ihr ja verboten über ihre Zeitreise zu reden.
„Ich bin die neue Austauschschülerin!" erklärte sie schließlich und blickte beide mit einem Bettelblick an, der bisher jeden auf ihre Seite gezogen hatte. Na gut, jeden außer ihrem Zaubertranklehrer, der scheinbar immun dagegen war.
„Austauschschülerin?" wiederholte der schwarzhaarige Junge ihre Worte und lächelte zynisch. „Die fallen ja auch jeden Tag aus dem Nichts auf mich herunter!" seine Stimme tropfte vor Sarkasmus und machte ihr deutlich, dass er keinem ihrer Worte auch nur annähernd Glauben schenkte.
„Mist!" murmelte sie leise und erntete dafür ein höhnisches Lachen.
„Am besten bringen wir dich zu Dumbledore, der wird wissen, was mit dir zu tun ist!" sagte schließlich das andere Mädchen und Alexiel nickte zustimmend. Dumbledore war immer gut und sie hatte ja noch den ominösen Zettel für ihn.
Wortlos folgte sie den beiden, wobei insbesondere ihr männlicher Begleiter ihr ständig abschätzende Blicke zuwarf und sie damit beinah an den Rand der Verzweiflung trieb.
Es kam ihr wie Stunden vor, eh sie den Wasserspeier erreichten und ihre Begleiter das Passwort sagten.
Abermals erinnerte sie der Gang zu Dumbledores Büro wie der Weg zum Henker, doch sie machte sich Mut, immerhin war ihre Ankunft vorherbestimmt und sie war schließlich ein Glückskind, sofern sie nicht über ihre eigenen Füße stolperte.
Als sie schließlich eintrafen, öffnete der Schulleiter bereits die Tür um die drei willkommen zu heißen. Er warf Alec einen aufmunternden Blick zu und fragte nach ihrem Durchqueren der Tür: „Was kann ich für sie tun, Miss?"
„Äh Kingsley!" sagte die Angesprochene schnell und reichte dem Direktor ihren Zettel. „Naja ein Bekannter von mir meinte, ich solle ihnen das geben!" Sie blickte unsicher umher und bemerkte, dass sich das Büro kaum verändert hatte, es wirkte einfach nur frischer.
Nach einigen Augenblicken gespannten Wartens, hob Dumbledore den Blick von dem Pergamentstückchen und nickte schließlich. „Miss Kingsley, da hat man sie ja mit einer anstrengenden Mission beauftragt. Nun gut, ich werde sehen, was ich für sie tun kann!"
Erleichtert atmete das Mädchen aus, sie hatte sich schon irgendwo auf der Straße gesehen, falls der Zettel den Direktor nur vor ihrer Tollpatschigkeit warnte.
Doch Dumbledore wandte sich nun an die anderen Hogwartsschüler.
„Severus, Lily, ich möchte euch um einen Gefallen bitten. Ihr werdet nun von mir in ein paar Dinge eingeweiht, die ihr für euch behalten müsst. Ich denke, dass ihr als Vertrauensschüler eurer Jahrgänge Alexiel bei ihrer Aufgabe Unterstützung geben könnt!"
Alec bemerkte wie die Blicke von den beiden den ersten Dumbledores erwiderten. Sie schienen sich ihrer Verantwortung durchaus bewusst zu sein und sie wusste, dass sie Hilfe in dieser Zeit gebrauchen konnte.
„Miss Alexiel Kingsley stammt nicht aus unserer Zeit!" fing der Schulleiter an und erntete ein erstauntes Keuchen von Lily. Der schwarzhaarige Junge hingegen reagierte völlig unbeteiligt, aber warf Alec einen berechnenden Blick zu.
„Sie wird euch weder etwas über die Zukunft verraten, noch werdet ihr sie darüber fragen!" fuhr Dumbledore fort. „Alexiel hat von meinem zukünftigen Ich einen Auftrag erhalten und wird ihn auch mit Bravour meistern, trotzdem möchte ich ,dass ihr ihr unter die Arme greift. Es wird viele Veränderungen geben und nun ja ihre Mitschüler sind vielleicht von einem anderen Schlag als in ihrer Zeit!"
Alexiels Blick glitt fragend zu dem von Dumbledore, doch er behielt seinen freundlichen Gesichtsausdruck bei.
„Aber ich bin sicher gemeinsam werdet ihr das sicherlich schaffen!"
Damit schien zumindest dieses Thema für den Direktor abgehackt, da er sich nun völlig auf Alexiel konzentrierte und sein stechender Ausdruck in den Augen verriet ihr, dass irgendetwas nicht ganz stimmte.
„Allerdings gibt es noch ein kleines Problem mit ihrem Aussehen, Miss Kingsley. Wie sie sicher bereits vermutet haben, werden wir sie heute Abend erneut in ein Haus einteilen lassen. Ihre Ankunft hat das Zeitgefüge ebenfalls ein wenig verändert, so dass der Hut erneut aktiviert wurde, trotzdem können sie nicht als Alexiel Kingsley erscheinen!"
Zuerst hatte Alec gedacht es wäre etwas Schlimmes, doch Dumbledore schien es nur um ihren Namen zu gehen. Deswegen wedelte sie mit ihrer linken Hand und grinste breit.
„Keine Sorge, ich hatte schon an einen neuen Namen gedacht. Was halten sie von Alexiel mmh King?" schlug sie vor.
„Ich dachte eher an Alex King!" entgegnete Dumbledore und erntete einen verblüfften Blick von allein drei Schülern. Rasch räusperte er sich und setzte zu einer Erklärung an.
„Nun es gibt ein kleines Problem, meine Liebe. Ihre Tante Murielle d'Adrien besucht zur Zeit die siebte Klasse. Und sie werden unlängst wissen, dass sie ihrer Mutter sehr ähneln. Darum bat mich mein zukünftiges Ich, ihre Identität damit zu kaschieren, dass wir sie zu einem Jungen machen."
Sie konnte nicht glauben, was man ihr gerade eröffnet hatte. „Junge? Wie? Was?" fragte sie völlig konfus und starrte den Schulleiter ungläubig an. „Aber ich bin doch weiblich. Wie wollen sie denn mein Geschlecht ändern!"
„Vielleicht durch Zauberei!" kam eine scharfe Erwiderung von dem Jungen namens Severus.
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Lily ihm ihren Ellenbogen in die Seite stieß und ihn böse anfunkelte.
„Haha, da wäre ich echt nie drauf gekommen!" sagte Alexiel schließlich und verdrehte die Augen, eh sie abermals zu Dumbledore blickte.
„Nun, Mister Snape liegt gar nicht so falsch. Ich werde Madame Pomfrey den Auftrag erteilen ihnen einen Trank zu verabreichen, der ihre Stimme ein wenig tiefer klingen lässt. Ihre Körperstatur ist recht androgyn, da müssen wir nicht soviel verändern. Nur bei ihrer ähm...!" Er räusperte sich erneut. „...Oberweite hätten wir zwei Möglichkeiten, entweder binden sie diese mit genügend Leinen ab oder sie müssen ebenfalls einen Trank zu sich nehmen!"
„Leinen!" schoss es sofort aus Alecs Mund. Man konnte vieles mit ihr machen, aber ihren Körper ließ sie durch niemanden verändern und der Gedanke plötzlich wie ein männliches Individuum aussehen zu müssen, versetzte sie in Panik.
„Wie sie wünschen!" meinte der Direktor. „Ihre neuen Schulkameraden werden sie zur Krankenstation geleiten, bei Fragen wenden sie sich bitte zuerst an sie!" Damit entließ er Alexiel, Severus und Lily mit einem ach so huldvollen Lächeln und wandte sich wieder seinen Unterlagen zu.
Völlig durcheinander lief die junge Zeitreisende hinter den beiden Althogwartsschülern, eh sie mit einem Mal völlig abrupt stehen blieb und Severus am Ärmel seines Umhanges zog.
„Was ist?" fuhr sie der schwarzhaarige Junge funkelnd an und verschränkte die Arme.
„Dein...dein Name war.. äh?" meinte Alex völlig verunsichert.
„Severus Snape, wie oft denn noch?" erwiderte dieser eiskalt und verengte die Augen.
„Severus Snape? Dieser Menschenverächter, dieser impertinente arrogante ahhhh!" rief die junge Hufflepuff aufgebracht und konnte nicht fassen, dass sie ausgerechnet mit ihren Zaubertranklehrer in einem Jahrgang steckte. Sie merkte nicht wie erschrocken Lily und Severus über ihren plötzlichen Ausbruch waren und bekam auch die völlig verblüfften Blicke nicht mit.
„Warum immer ich, ja, mit mir können sie es ja machen. Habe ich eigentlich irgendwo ein Schild auf meiner Stirn kleben mit den Worten ‚Macht mich fertig!'?" fragte sie aufgebracht und erntete ein rasches Kopfschütteln der anderen.
Nur allmählich beruhigte sie sich wieder, eh ihr auffiel, was sie gerade getan hatte. Leicht errötend sagte Alexiel entschuldigend: „Sorry, mitunter gehen mit mir die Pferde durch!"
Daraufhin brach Lily in schallendes Gelächter aus und auch der junge Snape konnte sich ein leichtes Lächeln nicht vermeiden. Alex wurde nur noch dunkler im Gesicht und lief eilig voran um so schnell wie möglich die Krankenstation zu erreichen.
Dreißig Minuten später starrte eine völlig verwirrte junge, zeitreisende Hufflepuff in den Spiel und konnte nicht fassen, dass sie es war, die ihr im Spiegelbild entgegenblickte.
„Wow!" war alles was Alexiel herausbringen konnte und auch Lily und Severus nickten anerkennend.
„Du bist zwar sehr feminin, aber kannst durchaus als Junge durchgehen!" erklärte der Rotschopf lächelnd. „Ja, niedlich bist du so definitiv!"
Alexiel warf ihr einen ungläubigen Blick zu und verdrehte die Augen, auch wenn sie Lily insgeheim recht geben musste. Madame Pomfrey hatte wahre Wunder bewirkt.
Ihre unbändigen blonden Locken waren in einen leicht fransigen Bobschnitt umgewandelt und durch einen Vergrößerungstrank war sie um einige Zentimeter gewachsen, auch wenn sie immer noch kaum über Lily ragte. Die Leinenbinden hatten ihr übriges getan und sie wirkte durchaus männlicher als vorher.
„Die Menschen glauben stets nur das, was sie glauben wollen. Du wirst demnach keine Probleme haben!" erklärte Severus tonlos und Alex merkte, dass das seine Art war ihre Angst zu lindern.
Sie schenkte ihm deswegen ein strahlendes Lächeln. „Vielen Dank euch beiden, ich freu mich wirklich euch kennen lernen zu dürfen!" sagte sie fröhlich und zog ihren Umhang an, der ihr neues Outfit komplett machte.
Mit einem mulmigen Gefühl dachte sie an die kommende Zeremonie in der großen Halle und erklärte mit mehr Enthusiasmus, als sie eigentlich fühlte:" Nun denn, lasst uns gehen. Ich brauche schließlich ein Haus!"
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