Vielen Dank für die Reviews freut sich, die eines Schreibers Freude sind.
Natürlich will ich euch nicht allzulange warten lassen, deshalb hier das nächste Kapitel. Dann löst sich auch, wer der Elb in Ketten ist.

Viel Spass beim Lesen :)


POV Glorfindel

Erschrocken sehe ich auf das Antlitz meines Schützlings und atme tief ein. Was hatten sie ihm nur angetan?

Aus seiner Schulter ragt immer noch der Schaft eines Orkpfeils, der wahrscheinlich mit dem Gift dieser Kreaturen versetzt ist. Die vollen, schön geschwungenen Lippen sind aufgeplatzt und von getrocknetem Blut gezeichnet. Auch sein Gesicht zeugt von einem Kampf, ist es doch mit vielen kleineren und größeren Kratzern übersät. Selbst in der Dunkelheit kann ich sehen, dass seine Handgelenke von den schweren Ketten geschunden sind. Doch am meisten Sorgen bereitet mir das getrocknete Blut, das auf eine Kopfverletzung schließen lässt.

Nur langsam gehe ich auf ihn zu und betrachte ihn von der Nähe. Es schmerzt mich im Herzen, ihn so zu sehen. Einst war er so stolz und stark, ein Augenöffner für jeden, der mit seinem Blick den Glauben an Schönheit schon verloren hatte. Doch nun gleicht er einem hilflosen Elbling, der in der Dunkelheit alleine gelassen wurde.

Ein leises Seufzen entweicht meinen Lippen und ich streiche vorsichtig eine Haarsträhne aus seinem Gesicht. Schuldgefühle überwältigen mich, denn eine Auseinandersetzung mit mir hatte ihn dazu veranlasst, den Schutz seines Heimes zu verlassen. Und nun finde ich ihn hier... von Menschenhand gefangen und beinahe wie ein Tier auf dem Markt angeboten.

"Lord Glorfindel... wir müssen diesen Ort verlassen."

Beinahe ist meine Erwiderung nur von Wut beherrscht, denn ich weiß selbst, dass wir die Höhlen der Menschen verlassen müssen. Mein Schützling braucht einen Heiler, obwohl er selbst in der Kunde der Heilung belesen ist. Mit geübten Handgriffen und dem richtigen Schlüssel löse ich die schweren Eisenketten und reagiere blitzschnell, als der leblose Körper zusammen bricht. Sicher fange ich ihn auf und halte ihn in meinen Armen, wie schon so oft. Er stöhnt leise auf und Wörter in unserer Sprache kommen über seine Lippen. Doch sie sind wirr, so dass ich deren Sinn nicht verstehe.

Vorsichtig nehme ich ihn hoch und trage ihn, beschützt von einem Dutzend Wachen, aus der Höhle der Menschen hinaus. Unseren Weg säumen Leichen, den niemand ist unserer Wut entkommen...niemand, der diese Höhle bewohnt hatte.

Erst in der Freiheit außerhalb der Höhle kümmere ich mich um den Pfeil, der immer noch in seiner Schulter steckt. Schnell ist ein Teil des Pfeilschaftes abgebrochen und was ich nie tun wollte, ist nun meine Aufgabe. Ich muss ihm Schmerzen zufügen, die er selbst in der tiefen Bewusstlosigkeit spüren wird. Und so ist es auch, denn ein schmerzvoller Schrei hallt durch die Stille, als ich den Pfeil aus der Wunde entferne. Doch er erwacht davon nicht und wimmert nur leise, als ich die Verletzung notdürftig versorge.

Wir kommen nur langsam voran, da ich unbedingt vermeiden will, dass ich ihm noch mehr Schmerzen zufüge. Er ruht immer noch in meinen Armen und je weiter die Zeit voranschreitet, je mehr Sorgen bereitet mir sein Zustand. Schuldgefühle plagen mich und ich mache mir Gedanken darüber, was Elrond sagen wird, wenn ich ihm seinen Sohn so zurückbringe... bewusstlos und bezwungen von Menschen. Denn immer noch ist es einzig der schwache Atem und das leise Stöhnen, das mir von dem Lebenshauch in ihm berichtet. Und zum ersten Mal in meinem langen Leben verfluchte ich es, dass ich der Heilkunde so abgeneigt war.

Die Nacht bricht herein und wir sind gezwungen, eine Pause einzulegen. Die Pferde benötigen ein wenig Ruhe und uns würde eine Rast ebenfalls nicht schaden. Trotzdem würde ich gerne weiter reiten, denn das Leben meines Schützlings liegt in meinen Händen und ich könnte mir ein Versagen nicht verzeihen.

Vorsichtig bette ich ihn Sekunden später auf dem weichen Untergrund des Waldes. Mein Umhang wärmt seinen Körper, während eine weitere Decke als Stütze für seinen Kopf dient. Erst jetzt wage ich es, im Schein des Feuers seine Verletzungen zu betrachten. Eine nahe Quelle spendet sauberes Wasser, mit dem ich sanft die Wunden in seinem schönen Gesicht reinige. Mir ist es dabei egal, was meine Gefährten denken oder was hinter vorgehaltener Hand geflüstert wird. Ich ignoriere ebenfalls die Blicke, die auf uns ruhen, während ich beinahe zärtlich die Verletzungen an seinen Lippen mit der Blütenfrucht der Malengor bestreiche. Sie wächst hier überall und ist ein wirkungsvolles Mittel gegen Schrammen und Kratzer, wie ich selbst oft genug erfahren habe. Das ist die einzige Hilfe, dich ich ihm entgegenbringen kann.

Ein Tropfen auf dem heißen Stein, wie ich weiß, wenn ich meinen Blick über seine Gestalt gleiten lasse. Seine Haut ist unnatürlich blass und doch tobt das Feuer des Fiebers in ihm. Das Gift breitet sich immer weiter aus und ich bin von Hilflosigkeit gefesselt. "Lord Glorfindel... wir haben Athelas gefunden, es könnte die Vergiftung aufhalten." Ich sehe auf und blicke direkt in die blauen Augen von Eanos, einer meiner jüngsten Wachen. Er hält ein Bündel unscheinbar wirkende Kräuter in der Hand und zum ersten Mal an diesem furchtbaren Tag entweicht mir ein Lächeln. "Hab Dank Eanos. Gönn Dir ein wenig Ruhe." Ich nehme die Kräuter entgegen und bemerke erst dann, dass er eine Schüssel mit heißem Wasser neben mich gestellt hat. Dankend nicke ich ihm zu und lege die einzelnen Blätter in das Wasser. So würde sich die Wirkung schneller entfalten.

Es dauert einen Augenblick und das angenehme Aroma verbreitet sich um uns herum. Behutsam öffne ich währenddessen seine Tunika und halte erschrocken den Atem an. Die Vergiftung ist tatsächlich weit vorangeschritten, das bemerke sogar ich, der keine Ahnung im Gebiet der Heilkunst hat. Wieder stöhnt er leise auf und verkrampft sich, als ich die nassen Kräuterblätter auf die Wunde lege. Zusätzlich tauche ich meinen Zeigefinger in das noch warme Wasser und benetze damit seine Lippen. Langsam suchen sich die Tropfen einen Weg in sein Inneres, um zu heilen, was so wertvoll. Dies wiederhole ich ein paar Mal und alte Sehnsüchte wachsen wieder in mir.

Wie oft habe ich davon geträumt, diese vollen Lippen zu berühren und nun tue ich es, aber es erfüllt mich nicht mit Freude. Denn es geschieht nur zu Deinem besten und nicht aus dem Bedarf heraus, Sehnsüchte zu stillen.

Seufzend lehne ich mich gegen einen Baumstamm und betrachte ihn im flackernden Licht des Feuers. Oft habe ich mir gewünscht, über seinen Schlaf zu wachen und seine Züge in meine Erinnerung aufzunehmen. Doch nie wollte ich dies unter solchen Umständen. Erneut frage ich mich, warum ich ihm nie offenbart habe, was ich für ihn empfinde. Ich der Balrogschlächter, der tapfere Krieger hatte Angst davor, meine Gefühle offen auszusprechen. Und plötzlich muss ich daran denken, dass ich vielleicht nie wieder die Möglichkeit dazu bekommen könnte.

Eine Bewegung reißt mich aus meinen Gedanken und ich beuge mich leicht über ihn, erkenne die Zeichen, dass er langsam zu sich kommt. Ein Lächeln legt sich auf meine Züge, schürt das doch meine Hoffnungen. Und dann öffnet er seine Augen. Wunderschön wie der klare Nachthimmel treffen sie auf die meinen. Doch wo ich Freude und Erleichterung erwartet habe, erkenne ich Furcht und Verwirrung. Beruhigend will ich meine Hand auf seinen Arm legen, aber er weicht vor mir zurück. Mit schmerzverzerrtem Gesicht versucht er aufzustehen und reagiert auf jedes kleine Geräusch panisch.

Doch das Gift hat ihm jedwege Kraft genommen und ehe er nur einen Schritt tun kann, bricht er zusammen. Bevor er jedoch auf dem Boden aufschlägt, erretten ihn meine Arme. "Shhhhht... Du bist hier in Sicherheit mellon nin." Meine Worte beruhigen ihn nicht, sie scheinen ihn noch mehr zu verwirren und ein angsterfüllter Schrei löst sich von seinen Lippen.

Dieser weckt meine Mitstreiter, deren Stimmengewirr und die plötzliche Nähe ihn völlig verstören. Trotz der Schmerzen, die er haben muss, schlägt er um sich und versucht sich gegen meinen stützenden Griff zu wehren. Ich gebe nicht nach, sondern lasse ihn sanft auf das weiche Moos sinken. Schützend legt er seine Hände über seinen Kopf und sein schmaler Körper zittert unkontrolliert.

Es schmerzt mich, ihn so zu sehen und ich gehe neben ihm in die Hocke. In all der Zeit, in der er mein Schüler war, hatte ich ihn nie so erlebt. Nicht einmal beim Abschied seiner Mutter, und so ist es Angst, die meine Kehle zuschnürt... Angst, dass das Gift seinen Verstand verdunkelt hat. Meine Stimme ist leise und beruhigend, als ich ihn Sekunden später anspreche. "Elladan, Du bist in Sicherheit und Dir wird nichts mehr geschehen... glaub mir bitte." Er reagiert nicht auf meine Worte, tut es auch nicht, als ich ihn das zweite Mal anspreche. Das Zittern wird stärker, als ich den dunkelhaarigen Elben sanft berühre und ihn dazu zwinge mich anzublicken. "Elladan..." Ich verstumme, denn in seinen Augen spiegelt sich Unverständnis und Verwirrung. Für einen Moment atme ich tief durch, denn eine böse Ahnung beschleicht mich und ich wage es nicht, diese mit einer einzigen Frage bestätigt zu wissen.

"Weißt Du wer ich bin Elladan?" Schließlich sind die Worte ausgesprochen und ich spüre wie etwas zerbricht, als er langsam den Kopf schüttelt. Trotzdem will ich die Hoffnung noch nicht aufgeben und hoffe, dass er sich nur verstellt. Eine weitere Frage formt sich in meinen Gedanken und ich hole einen zierlichen Ring aus Mithril aus meiner Tasche. Einst gehörte er seiner Mutter und nie legte er diesen Ring ab. Ohne den Blick von seinen Augen zu nehmen, zeige ich ihm den Ring. "Gehört dieses Schmuckstück Dir?" Ein verständnisloser Blick aus großen Augen trifft mich, bevor er mit den Schultern zuckt und ich weiß, dass meine Vorahnung nun schreckliche Wahrheit ist. Der Sohn Elronds, mein Schützling, hatte sein Gedächtnis verloren.