POV Elladan

Schmerz.

Mein ganzes Sein scheint von einem Schmerz gefangen, der selbst mein Herz erreicht. Geräusche sind um mich herum und einem plötzlichen Impuls folgend, will ich mich bewegen. Ein Stechen durchdringt meine Schulter und schließlich überwinde ich mich dazu, die Augen zu öffnen. Panisch erkenne ich ein Gesicht nahe dem meinen, das von wundervollen, blauen Augen gekrönt ist. Wärme ruht in ihnen und sie sind ganz anders als die Augen des Menschen, war dort doch nur Kälte zu erkennen. Doch ich kenne dieses Gesicht nicht und verspüre unwillkürlich Angst. Als er mich dann auch noch berührt, versuche ich panisch zurückzuweichen.

Nur mit Mühe komme ich auf die Beine und verspüre schon Sekunden später einen Schwindel, der mich zusammensacken lässt. Starke Arme umfangen mich und geben mir ein Gefühl von Sicherheit. Trotzdem wehre ich mich dagegen und schütze schließlich meinen Kopf mit den Händen. Mein Körper scheint mir nicht mehr zu gehorchen und ich zucke zusammen, als ich seine Stimme vernehme. Sie ist so sanft und einfühlend... so als würden wir uns schon ein Leben lang kennen. Doch habe ich dieses zeitlose und schöne Gesicht noch nie gesehen.

Er spricht und ein Name kommt immer wieder über seine Lippen, doch wer ist es? Eine weitere Berührung von ihm, dem goldenen Elb. Nur ist sie diesmal bestimmender, obwohl sie nichts an Sanftmut verloren hat. Ich sehe in strahlend blaue Augen, die jedoch von den Schatten der Angst verdunkelt sind. Unwillkürlich frage ich mich, warum er Angst hat und weshalb sein Blick so liebevoll, ja fast zärtlich ist. Und dann fragt er mich, ob wir uns kennen.

Ich kann diese Frage nur verneinen goldener Elb, obwohl ich Dich gerne kennen würde. Denn Deine Art fasziniert mich, Deine Augen fesseln mich und Deine Berührungen verführen mich zu dem Gefühl der Sicherheit. Du jedoch wirkst müde und vor allem aber traurig. Für einen kurzen Moment scheine ich Hoffnung in Deinen Augen zu sehen, die sich jedoch ebenfalls zerschlägt, als ich Deine nächste Frage mit einem Schulterzucken beantworte. Nein...auch dieser Ring ist nicht mein Eigen, auch wenn sich bei dessen Anblick ein Gefühl in mir aufbaut, dass mich fast schreien lässt.

Ich blicke ihn fragend an und bemerke, dass sich das strahlende Blau von der Dunkelheit der Nacht abgewandt hatte. Wieder höre ich seine sanfte Stimme, durchbrochen von einer tiefen Traurigkeit. Er fragt mich nach meinem Namen und wenigstens auf diese Frage will ich antworten.

Doch in diesem Moment erkenne ich, dass ich mich nicht daran erinnern kann, wer ich bin und auch nicht, wer ich war. Verzweifelt blicke ich mich um, versuche in meinem Gedächtnis nach Hinweisen zu suchen, die mir noch geblieben sind. Und schließlich senke ich meinen Kopf, will dem schönen Fremden meine Gefühle nicht zeigen.

Ich spüre seine langen Finger auf meiner Wange, wie sie sanft die Haut liebkosen und blicke ihn schließlich wieder an. In diesem Augenblick frage ich mich, ob uns etwas verbindet, denn auch sein Blick spricht mit purer Trauer. Meine Augen gleiten auf den Ring in seiner Hand und ich frage mich, ob es ein Geschenk von ihm an mich war. Verband uns etwas, ob nun Blut, eine tiefe Freundschaft oder sogar die wahre Liebe? Und erneut muss ich mir eingestehen, dass ich es nicht weiß.

Ein Name streichelt meine Gedanken, ein Name, mit dem er mich angesprochen hat. Elladan. Immer und immer wieder sage ich dieses Wort in meinen Gedanken auf, doch er erweckt weder Empfindungen noch Erinnerungen. Überall herrscht Dunkelheit und das einzige Licht sind seine Augen, die mich immer noch traurig anblicken.

Ich will ihn fragen, ob er mich liebt, doch diese Worte kommen nicht über meine Lippen.

Ich möchte ihn um meine Erinnerungen bitten, weiß jedoch, dass dies nicht möglich ist.

Ich wünsche mir seinen Namen zu erfahren, erneut seine sanfte Stimme hören, aber auch diesen Wunsch äußere ich nicht.

Stumm sitze ich vor ihm und vergessen ist der Schmerz, der meinen Körper quält. Verzweifelt versuche ich immer noch nach einem Lichtschein zu greifen, um mein Leben wieder zurück zu bekommen, verlaufe mich aber immer wieder in der Finsternis. Ein salziger Geschmack auf meinen Lippen lässt mich bemerken, dass silberne Perlen meiner Verzweiflung den Weg in die Freiheit gefunden haben.

Und dann spüre ich seine Arme, die mich behutsam bergen und erneut auf dem weichen Moos betten. Seine Stimme nimmt ein wenig der Kälte, die in mir herrscht, doch dieses Mal ist sie nicht an mich gerichtet. Er gibt den umstehenden Elben einige Befehle und wendet sich dann erst mir zu. Sanft stehlen seine Fingerspitzen meine Tränen und beinahe schreie ich meinen Kummer darüber hinaus, nicht zu wissen, ob uns tiefe Liebe verbindet oder es nur Fürsorge ist.

"Nicht doch Elladan. Wir werden eine Möglichkeit finden, Deine Erinnerungen zurückzuholen. Dein Vater ist der beste Heiler den ich kenne... er weiß was zu tun ist. Wir brechen so schnell wie möglich auf." Wieder war da dieser Name aus seinem Mund und nun bin ich mir sicher, dass es mein Name ist. Und er spricht von einem Heiler... meinem Vater, an den ich mich jedoch auch nicht erinnern kann. Er scheint meine nächste Frage zu ahnen und nennt mir seinen Namen. Hegt er die Hoffnung, dass ich dadurch alleine zu meinem Gedächtnis finde?

Glorfindel... goldener Elb. Ein ehrenhafter Name, bei dessen Klang mein Herz schneller schlägt. Ist es ein Zeichen? Ich weiß es nicht und so nicke ich einfach nur.

Als die anderen zum Aufbruch bereit sind, hilft er mir langsam auf die Beine. Mit Sorge in den Augen erkundigt er sich nach Schmerzen, weiß jedoch schon Sekunden später, dass mein ganzer Körper davon gequält wird. Denn erneut sucht mich Schwindel heim und ich sacke in seinen Armen zusammen. Eine Entschuldigung will gerade meine Lippen verlassen, als Glorfindel mich auf seine Arme nimmt. Mühelos, als wäre ich eine Feder, hebt er mich in den Sattel und sitzt Sekunden später hinter mir. Die Welt um mich herum verschwimmt und ich lasse meinen Kopf kraftlos gegen seine Schulter sinken. Schmerz durchflutet meinen Körper, der nicht einmal von seiner Nähe gestillt werden kann.

Bist Du der, den ich liebe und dem ich mein Herz geschenkt habe?

Warum sonst sollte er mich sonst so behandeln und voller Sorge sein.

Oder bist Du von meinem Fleisch und Blute?

Auch einem Bruder traue ich so eine Fürsorge zu, doch wären seine Berührungen dann so liebkosend und beinahe zärtlich?

Aber vielleicht bist Du keines von beidem und hast Dein Herz bisher nie vernommen.

Es würde die Sorge in seinen Augen erklären, denn sie war von einem tiefen Gefühl begleitet.

An die Möglichkeit, dass uns nichts verbindet, will ich gar nicht erst denken. Denn obwohl ich nicht einmal mehr weiß, wer ich bin, fühle ich mich bei ihm geborgen und sicher. Dieser Gedanke ist das Letzte was mich beschäftigt, bevor ich die gnädige Bewusstlosigkeit empfange.