POV Glorfindel
Verzweiflung scheint ihn immer weiter in den Schatten zu ziehen und nun gibt es keinen Irrtum mehr. Mein Schützling kannte weder mich, noch den Ring seiner Mutter, den wir beim Platz des Überfalls gefunden hatten. Doch das Schlimmste war, dass er nicht einmal sich selbst kannte. Er wirkt auf mich wie ein verlorenes Menschenkind, dem nie eine Zukunft gewährt wurde. Wie schlimm musste das Wissen ohne Erinnerung zu sein, erst für ihn sein? Aber noch hege ich Hoffnung, denn Elrond wird bestimmt eine Möglichkeit finden. Wenn nicht er, wer soll es sonst? Ich vertraue meinem langjährigen Freund und ich achte ihn auch. Deshalb wird er von meinen Lippen die Wahrheit erfahren, auch wenn mich seine unbändige Wut trifft.
Ich halte ihn immer noch fest in meinen Armen und bemerke voller Sorge, dass Elladan erneut das Bewusstsein verloren hat. Sein Atem geht jetzt wieder nur ganz schwach und ich bete zu den Valar, dass sie ihn mir nicht nehmen. Denn sie würden auch mir ein Teil meines Lebens nehmen...eines Lebens, das sie mir einst zurückgaben. Doch warum? Ich hatte nicht gegen einen Balrog gekämpft und war zurück in das Leben gekommen, um nun mit ansehen zu müssen, wie der hellste Stern meines Nachthimmels verglühte.
Seufzend treibe ich mein Pferd an und atmet tief durch. Obwohl er unter Menschen war, kann ich immer noch den Duft von Frühlingswiesen und Wald riechen, der von ihm ausgeht. Es ist das erste Mal, dass ich ihn so intensiv wahrnehme und sofort fühle ich mich in einen schönen Traum versetzt... mit ihm an meiner Seite. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus und was würde ich darum geben, seine Schmerzen zu nehmen und ihm all die schönen und weniger schönen Erinnerungen zurückzugeben.
Ein leises Stöhnen lässt mich aufhorchen und Sekunden später spüre ich eine sachte Bewegung in meinen Armen. Erleichtert lockere ich meinen Griff etwas, denn wenn auch sein Körper mit den Qualen des Schmerzes kämpft, so ist sein Geist wieder zu mir zurückgekehrt.
Ich spüre, wie er sich versteift und dann wohl erkennt, dass er in Sicherheit ist, denn sein Körper entspannt sich wieder. Trotzdem entgeht mir nicht das ständige Zucken, wenn mein Pferd seine Schritte falsch gesetzt hat. Er hatte immer noch Schmerzen, aber zumindest war er wieder bei Bewusstsein.
Ich vernehme seine leise und zerbrechliche Stimme, wie das Spiel einer Harfe. "Wer bin ich Glorfindel... erzähle mir von meinem Leben, wenn es in Deiner Macht steht." Er spricht sehr zögernd, geprägt von Unsicherheit und Angst. Ich lächle über seine Bitte und hoffe, dass vielleicht damit seine Erinnerungen zurückkommen. Also beginne ich zu erzähle und bringe ihm nah, wer er ist. Unaufhaltsam lasse ich Streiche seiner Jugend erwachen und auch die Zeit, die er als Krieger verbracht hatte, lasse ich nicht aus. Aber ich verschweige ihm, wer ich wirklich bin und verliere auch kein Wort darüber, welch Verhältnis uns bindet.
