POV Glorfindel

Meine Gedanken rasen und ich suche nach einer Möglichkeit, diese Frage abzuwenden. Trotzdem weiß ich, dass ich ihm eine Antwort schuldig bin. Er zittert in meinen Armen und ich spüre fast schon seinen Kampf gegen Schmerz und Bewusstlosigkeit, sehe wie Elladan seine Hände zu Fäusten ballt. Tief atme ich seinen Geruch ein und lasse meine Hände durch die Flut des nachtschwarzen Haares gleiten. Wie Seide fühlen sie sich an und ich frage mich, wie es sich anfühlt, wenn dieses seidige Gefühl langsam über meinen Körper streicht.

Dieser Gedanke verführt mich zu einer Antwort, aber ich bin mir nicht sicher, ob er meine leisen Worte überhaupt noch versteht. "Du stehst unter meiner Obhut, was Deine kriegerischen Fähigkeiten angeht."

Er hatte die Luft angehalten und ich vernehme, wie er sie fast enttäuscht ausstößt. Auf was hat er gewartet? Im gleichen Moment weiß ich selbst darauf eine Antwort, denn längst ist er für mich nicht nur Schützling und guter Freund. Tiefe Gefühle brennen in mir, die ich nie offenbart habe und nun scheint er genau danach zu verlangen.

Ein weiteres Beben seines zierlichen und doch starken Körpers erinnert mich daran, dass immer noch das Gift in ihm wütet. Vielleicht wäre dieser Moment der erste und letzte, in dem ich ihm von meinen Gefühlen erzählen kann. Und ich will mir mein Schweigen nicht ein ganzes, unsterbliches Leben vorwerfen müssen.

Also nehme ich all meinen Mut zusammen und suche mit meiner Hand die seine. Zärtlich lasse ich sie dort ruhen und werde nicht fort gestoßen. "Ich wäre gerne an Deiner Seite und in Deinem Herzen", flüstere ich nahe an seinem Ohr und verfluche mich im nächsten Moment für meine Torheit. Meine Hoffnungen, dass er ebenso fühlen könnte schwinden mit jeder Sekunde, in der seine Reaktion ausbleibt. Über seine Lippen kommt kein Wort und erst als ich sein Gesicht sanft dem meinen zuwende, bemerke ich seine geschlossenen Augen.

Ein Seufzen entgleitet mir, weiß ich nicht, ob er meine Worte noch vernommen hatte oder ob ihn in diesem Augenblick schon die Bewusstlosigkeit verführt hatte. Und entgegen meinem Ärgernis wünsche ich mir, dass er sie noch gehört hatte und mit diesem Wissen in den dunklen Schlaf gefallen ist. Angst überkommt mich, dass seine Augen womöglich nie wieder zu mir aufblicken werden und ich weiß, dass nun die Zeit drängt. Deshalb gebe ich das Zeichen für einen schnelleren Ritt, in der Hoffnung, dass er bei dem Beben des Ritts von keinem Schmerz gequält wird.

Es ist beinahe Nacht, als wir Imladris erreichen. Elladan ist auf dem ganzen Ritt nicht wieder zu sich gekommen und sein Körper war zunehmend kälter geworden. Nur noch das schwache Heben und Senken seiner Brust deuten auf das Leben hin, das noch in ihm flackert.

Schon von weitem sehe ich meinen Freund auf uns zueilen. Die tiefe Sorge in Elronds Augen lässt mich meinen Blick senken. Er tritt uns entgegen und als ich aufsehe, bemerke ich die Enttäuschung in seinen Zügen. Bevor er auch nur eine Frage stellen kann, lasse ich mich von dem Pferderücken gleiten und hebe Elladan ebenfalls herab. Ein leises Stöhnen von seinen Lippen schwängert die Stille zwischen Elrond und mir, der mit Entsetzen auf das leblose Bündel in meinen Armen hinab blickt. Ich will ihn beruhigen, ihm sagen, dass alles gut wird... doch ist er der Heiler, nicht ich.

Vorsichtig legt Elrond seine Hand auf die Stirn seines Sohnes und keucht qualvoll auf. "Schnell bring ihn in die Häuser der Heilung. Sein Leben schwindet mit jeder Sekunde." Ich nicke nur und eile wie in Trance mit Elladan in meinen Armen auf die Gebäude zu, in denen die Krankenflügel untergebracht sind. Wie durch einen Nebel bekomme ich noch die Anweisungen mit, die Elrond Figwit und Thalaron gibt.

Der Weg dorthin kommt mir wie eine Ewigkeit vor und erst als ich den zierlichen Körper auf das weiche Bett gelegt habe, dringt der Sinn von Elronds Worten zu meinem Verstand durch. Ich bete zu den Valar, dass sie dieses Kind des Nachthimmels beschützen mögen und bemerke kaum, wie auch Elrond eintritt. An seiner Seite ist ein hochgewachsener, braunhaariger Elb, der wie ich weiß ebenfalls Heiler und ein guter Freund der Zwillinge ist.

Ich werde von ihm aufgefordert, den Raum zu verlassen, doch ich weigere mich. Dieses Unglück wäre nie passiert, hätte ich ihn nicht gehen lassen und so will ich seine Seite nun auch nicht verlassen. Elrond ist es schließlich, der mir diese Geste erlaubt. Und so stehe ich nun da... der tapfere Krieger, der Balrogschlächter... zur Hilflosigkeit verurteilt. Meine Hände sind gebunden und so begnüge ich mich damit, den beiden Heilern nicht im Wege zu stehen.

"Was ist passiert?" Die Stimme meines Freundes dringt nur langsam zu mir durch und ich muss Schlucken. Nie hatte ich ihm die Wahrheit verschwiegen, also werde ich auch jetzt nicht damit anfangen. Ich halte mich kurz und erzähle Elrond, was er begehrt zu wissen... berichte ihm, in welchen Zustand wir seinen Sohn fanden und wie sich sein Zustand Stunde um Stunde verschlechtert hatte. Er nickt nur und tauscht einen besorgten Blick mit Thalaron aus. Mich vergisst er dabei ganz, oder ist es die Wut über mich, die ihn so handeln lässt?