POV Glorfindel

Voller Sorge betrachte ich den angestrengten Gesichtsausdruck Elronds und flehe die Valar nochmals an. Die verstreichenden Sekunden kommen mir vor wie eine Ewigkeit und selbst als Elrond erschöpft in den Stuhl zurückfällt, will sich noch keine Erleichterung einstellen. Ich sehne mich danach, seine Haut zu berühren und den Ton seines Atems zu vernehmen, doch dies war im Moment nur Thalaron erlaubt. Wieder sitze ich machtlos und ohne Einfluss daneben, kann nur die Götter anflehen. Doch was würde passieren, wenn Elladan aufwachen würde und sich nicht an seinen Vater, nicht an Thalaron erinnern könnte. Dies habe ich Elrond wohlweislich verschwiegen, denn es hätte seine Konzentration nur gefährdet. Aber nun ist es an der Zeit, ihm dieses Detail auch noch zu sagen und so stehe ich mit weichen Beinen auf und setze mich zu ihm.

Er blickt mich an und hebt müde seine Hand. "Sag nichts Glorfindel, ich weiß es bereits... ich habe es gesehen... in seinen Gedanken." Traurig blickt er seinen Sohn an und ich ahne, dass er mit der Tatsache kämpft, keinen Platz mehr in den Erinnerungen Elladans zu haben. "Es ist nicht Deine Schuld mein Freund." Ich vernehme diese Worte und frage mich, ob er mir damit meine Schuldgefühle nehmen will. Doch in seinen Augen ist reine Aufrichtigkeit zu erkennen und so bringe ich ein gequältes Lächeln zustande.

Thalaron hat inzwischen seine Tätigkeit beendet und wendet sich Elrond zu. Ich erkenne Erschöpfung auf seinen Zügen und schüttle meinen Kopf über die Sturheit des Elbenherrschers. Natürlich kann ich verstehen, dass er an der Seite seines Sohnes bleiben will, aber es bringt wohl wenig, wenn auch er noch zusammenbricht. "Elrond, Du hast für Elladan alles getan, was Du konntest und hast dabei selbst an Kraft verloren. Ruhe Dich ein wenig aus, ich wache über ihn." Er blickt mich bei diesen Worten verwundert an und erkennt, dass eine Weigerung sinnlos ist. Langsam nickt er und gibt Thalaron noch einige Anweisungen, bevor er sich von dem jungen Elben in seine Gemächer bringen lässt.

Nun bin ich wieder alleine mit Elladan, dessen Körper entspannt auf dem weichen Bett liegt. Sein Oberkörper ist immer noch entblößt und die zarte Haut ist beinahe ebenso blass, wie der Verband, der seine Schulter ziert. Auf mich wirkt er so schutzlos und doch weiß ich, dass in ihm die Kraft eines Kriegers ruht. In ihm vereinigen sich zwei Geschöpfe... der Krieger und der Heiler. Denn anders als sein Bruder Elrohir wurde Elladan von seinem Vater in der Kunst des Heilens unterrichtet.

Langsam trete ich an sein Bett und lasse meinen Blick auf ihm ruhen. Selbst jetzt strahlt er noch eine Schönheit aus, die mit dem Sternenhimmel konkurrieren kann. Ich will mich zu ihm hinab beugen und dem Drang nachgeben, seine Lippen zu kosten. Doch ich widerstehe dieser Versuchung und ziehe stattdessen die leichte Decke etwas höher. Ein leises Stöhnen entweicht seinen Lippen und mir ist es, als habe er einen Alptraum. Feine Schweißtropfen bilden sich auf seiner Stirn und wirre Worte verlassen seinen Mund. Für einen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken ihn zu wecken, aber dieser Schlaf ist zu kostbar für ihn. Und so begnüge ich mich damit, Elladans Hand zu ergreifen und ihm beruhigend über die Wangen zu streicheln.

Ich bin so in seinen Anblick vertieft, dass ich Thalaron nicht bemerkt und auch nicht das Lächeln auf seinen Zügen erkenne. Erst als er sich räuspert, wende ich meine Aufmerksamkeit dem jungen Heiler zu. Er sagt nichts und überprüft den Zustand seines Freundes mit Sorgfalt. "Er wird den Kampf gewinnen... zumindest über das Gift." Er lässt den anderen Kampf unausgesprochen, aber ich weiß, was er damit meint. "Besteht Hoffnung?" Ich fürchte mich vor der Antwort auf meine Frage und rechne schon damit, dass darauf nur Stille bleibt. Doch bevor Thalaron den Raum verlässt, wendet er sich noch einmal an mich. "Die besteht immer Glorfindel, er hat sie auch nie aufgegeben." Mit diesen Worten verlässt er den Raum und lässt mich verwirrt zurück.