POV Elladan

Bilder überfluten plötzlich meinen Geist, als ich Glorfindels so verletzliche Seite erkenne. Ich bemerke eindeutig Schuldgefühle in seinen Augen, die mir zu einer verblassten Erinnerung helfen. Ich sehe uns, wie wir einander feindlich gegenüber stehen. Sekunden später sind da Worte, die in meinem Geist verhallten.

Du hast mich zurecht gewiesen, weil ich die Hilfe bei einem Verletzten verweigert hatte, der Dich beinahe umgebracht hat. Aber weißt Du auch, dass mein Herz ausgesetzt hatte, als der Pfeil Deines nur knapp verfehlte? Wie also kann ich demjenigen helfen, der mir beinahe meinen größten Wunsch genommen hätte? Nein Glorfindel... Dein Dolch traf ihn zu Recht, denn sonst wärest Du gefallen.

Erneut durchzucken mich Bilder und ich spüre einen Stich in meinem Herzen. Die Angst, Dich zu verlieren ist wieder greifbar.

Meine Hände waren es, die das Blut Deiner Wunde stillten und in diesem Moment war ich kein Krieger mehr, denn ich ließ den Schützen entkommen. Und als dieser Tage später um Hilfe im letzten gastlichen Haus ersuchte, war ich nicht bereit, ihm zu helfen. Und obwohl er Dich beinahe getötet hätte, war es Dein Wunsch, dass ich ihm helfen sollte.

Ich blicke auf, als die Bilder langsam verblassen und schäme mich dafür, meine Gefühle über die Tätigkeit eines Heilers gestellt zu haben. Doch diese Scham ist vergessen, als ich die einsame Träne auf seiner Wange sehe. Ich stehle sie von der Sanftheit seiner Haut und schmecke das Zeugnis seiner Schuld auf meiner Zunge. Meine Worte versuchen ihn zu beruhigen und erst an seinem Blick erkenne ich, dass ein Teil meiner Erinnerungen zurückgekehrt ist.

Doch dies ist nun Nebensache, denn meine Gefühle für ihn überwältigen mich. Schüchtern beuge ich mich vor und vereine unsere Lippen in einem Hauch von Berührung. Für einen Moment fürchte ich, dass er dies gar nicht will, denn seine Haltung ist beinahe verkrampft. Sekunden später bettet er mich jedoch in seinen Armen. Stark umfangen sie mich und ich wünsche mir in diesem Augenblick, dass es für die Ewigkeit sein möge.

Er ist es, der diesen Kuss fordernder werden lässt und vorsichtig mit seiner Zunge über meine Lippen streichelt. Und ich gewähre ihm diesen einen Wunsch, denn nichts wünsche ich mir sehnlichster. So umschlingen sich unsere Zungen in einem Tanz aus tiefen Gefühlen. Wie zu leiser Musik wiegen sie sich im Takt unserer Herzen und ich nehme diesen Moment tief in meinem Inneren auf. Er schmeckt gut... so süß wie Honig und verführerisch wie die vom Sommer geschwängerten Erdbeeren. Und trotzdem mischt sich dieses unverwechselbare Aroma hinein, das nur ihm alleine eigen ist.

Zaghaft hebe ich meine Hand und streichle über die ebenmäßige Wange des blonden Elbenkriegers. Unter meinen Fingern spüre ich immer noch die feuchte Spur der einsamen Träne, die mein Mund für sich beansprucht hatte.

Habe ich Erfahrung in dieser Art der Liebe oder lag ich nie bei einem Mann? Aber es ist mir gleich, vertraue ich Dir doch und ahne, dass diese Gefühle Dir nicht erst seit dem Tage meiner Rettung gehören.

Meine Lippen auf den seinen und mein Körper in der Obhut seiner Arme. Wie oft hatte ich das schon begehrt. Und plötzlich bin ich mir sicher, dass uns verborgen Gefühle zueinander verbinden.

Oh Glorfindel, hast Du ebenso wie ich empfunden... geliebt und trotzdem Abstand gewahrt?

Ein leises Stöhnen entweicht mir und wird von seinen Lippen gestillt, als kräftige Hände meinen Körper näher gegen den seinen pressen. Ich spüre fast schon die Wärme von Glorfindels Haut, obwohl Stofflagen zwischen uns sind. Es kommt mir beinahe schon so vor, als hätte er Angst, mich selbst hier zu verlieren.