Vor vielen Jahren war ich der gefürchtetste Zauberer der Welt. Ich brachte Furcht und Entsetzen über die Magier und Hexen, die sich meinem Weg nicht anschlossen. Meine treuen Diener folterten und mordeten in meinem Namen, in meinem Auftrag. Ein Wort von mir, und sie gehorchten. Ein Wort von mir, und sie töteten.

Dann wurde ich besiegt. Von einem Kind, einem Baby ohne nennenswerte magische Kraft. Bis heute weiß ich nicht, wie er es geschafft hat. Mein Körper wurde vernichtet, meine Macht in alle Winde zerstreut. Ich existierte als ein Wesen – kaum mehr als ein Nichts –, dessen einzige Fähigkeit es war, von anderen Besitz zu ergreifen. Nicht von Menschen, nein – dazu war ich zu schwach. Aber von Tieren. Bevorzugt wählte ich Schlangen, deren Wesen mir am vertrautesten ist.

Endlich, an jenem schicksalhaften Tag, traf ich in einem Waldstück auf diesen Quirrell. Er war jung, ängstlich und leicht zu täuschen. Ich bot ihm an, ihn von seiner Angst zu befreien, ihm zu Macht und Größe zu verhelfen. Er willigte ein, empfing mein Zeichen und brachte mich nach Hogwarts – der Schule, an der er unterrichtet, für mich ein Hort von Erinnerungen.

Und jetzt sitze ich an seinem Hinterkopf fest.

Es ist kein angenehmes Gefühl, das könnt ihr mir glauben. Noch immer bin ich zu schwach, um mir selbst einen Körper zu verschaffen. Daher bin ich darauf angeweisen, seinen mitzubenutzen. Aber was kann ich schon ausrichten, wenn ich ständig unter seinem Turban stecke? Nicht genug, daß ich nichts sehe und nur gedämpft höre; es stinkt auch noch nach Knoblauch! Seine panische Angst vor Vampiren konnte ich Quirrell seltsamerweise nicht nehmen. Ich glaube, ich hätte ihn damals im Wald nicht beißen sollen. Gut, ich war eine Schlange, und Schlangen tun so etwas. Außerdem erschien es mir angemessen dramatisch.

Hier in der Schule befindet sich etwas, das ich haben will. Der Schlüssel zur Wiederherstellung meiner Macht. Der Stein der Weisen. Ich weiß, er muß hier sein. Vorher befand er sich in einem Schließfach bei Gringott's in London. Ich beauftragte Quirrell, den Stein zu stehlen, doch als er dort ankam, war das Schließfach bereits leer. Sagte er zumindest. Manchmal traue ich es diesem Idioten wirklich zu, daß er einfach nur zu dumm oder feige war, dort einzubrechen. Andererseits hörte ich, daß im Tagespropheten von einem versuchten Diebstahl bei Gringott's berichtet wird, wobei das entsprechende Fach bereits vorher geleert worden war. Sicherlich hat Dumbledore seine Finger irgendwie in der Sache; er hat mir schon immer die Tour vermasseln wollen, und diesmal ist es wohl kaum anders. Ich frage mich, ob er meine Rückkehr ahnt? Ob er ahnt, daß ich hier bin, direkt vor seiner Nase?

Ich war der gefürchteste Zauberer der Welt. Alle erzitterten vor meinem Namen. Man nannte mich...

"Halt' endlich die Klappe!" erklang die genervte Stimme von Professor Quirrell.

"Warum? Darf man hier nicht einmal in Ruhe Monologe führen?"

"Es ist ein bißchen auffällig, wenn unter meinem Turban eine Stimme ertönt", gab der Lehrer zurück. "Außerdem habe ich in einigen Minuten Unterricht und möchte mich konzentrieren können."

"Konzentriere dich besser auf dein Stottern. Es fällt auf, wenn du plötzlich die Worte schon beim ersten Versuch über die Zunge bringst."

"Ach, sei still, Voldemort", knurrte Quirrell.

Das rudimentäre Gesicht des einst gefürchtetsten Zauberers der Welt zuckte. "Sag' diesen Namen nicht!" zischte er gequält.

"Warum nicht?"

"Wenn du es wirklich wissen willst..." Voldemort druckste ein wenig herum und rückte schließlich mit der Wahrheit heraus: "Ich habe Angst davor."

"Du hast Angst vor deinem eigenen Pseudonym?" fragte Quirrell ungläubig. "Warum hast du es denn dann gewählt? Ist doch ein ziemliches Eigentor, oder?"

Voldemort grummelte leise. "Ich habe es mir ja nicht ausgesucht. Das waren meine Todesser. Sie waren der Ansicht, der Name ‚Tom Riddle' habe einfach nicht genug – Dings. Stil. Ich habe sie gefragt, ob ich mich nicht wenigstens ‚Marvolo' nennen kann, aber als Lucius meinte, das klänge nach einem abgehalfterten Zirkuszauberer, und alle anfingen zu lachen... naja, irgendwann fingen sie an, mit den Buchstaben meines Namens herumzuspielen. Und dabei kam Lord V... Lord Vol... na, du.weißt-schon-wer heraus." Voldemort schniefte.

Quirrell kicherte hämisch. "Wenn ich das jemandem erzähle – der Dunkle Lord fürchtet sich vor seinem eigenen Namen. Aber jetzt hör' endlich auf zu jammern, ich muß gleich den fünften Jahrgang unterrichten. Es geht um... Vampire." Er unterdrückte ein Schaudern.

"Ist das der Grund, warum du deinem Turban diese entsetzliche Knoblauchfahne verpaßt hast? Es stinkt hier! Dabei ist es doch vollkommen unwahrscheinlich, daß an dieser Schule irgendwo ein Vampir herumläuft."

"Und was ist mit Snape?" erkundigte sich Quirrell skeptisch.

"Snape?" lachte Voldemort auf. "Wie kommst du auf die Idee, er könne ein Vampir sein? Das ist doch absurd!"

"Naja", murmelte der Lehrer unbehaglich, "allein wie er aussieht, und dann seine Art, aus den Schatten aufzutauchen... Außerdem gibt es im Internet jede Menge Theorien dazu."

"Internet?!"

"Ähm. Schon gut." Quirrel schwieg einen Moment lang, dann hob er erneut an zu sprechen. "Woher weißt du denn, daß er keiner ist?"

Voldemort schnaubte verächtlich. "Damals, als er sich meinen Todessern anschloß, war er zumindest noch kein Vampir. Und ich glaube nicht, daß sich das geändert hat. Er hielt nicht viel von Bluttrinkerei. Übrigens schafft er es wenigstens, Dumbledore über seine Identität hinwegzutäuschen – ich hoffe nur, daß es dir genausogut gelingt."

"Jaja", murrte Quirrell. Er setzte sich wieder in Bewegung, dann jedoch erstarrte er. "Snape ist ein Todesser?"

"Jawohl", erklärte sein Hinterkopf (alias Voldemort). "Ach, wenn ich an die alten Tage zurückdenke – unsere Grillpartys... Severus konnte schon immer die besten Grillsoßen machen. Auch wenn sie meist etwas feurig waren, aber wer eine verbrannte Kehle nicht abkann, der ist kein wahrer Todesser, sage ich immer. Nur dumm, daß immer alle Nudelsalat mitbrachten. Was gibt es gegen einen netten kleinen Kartoffelsalat einzuwenden, frage ich mich?"

"Vielleicht... mochten die Todesser keine Kartoffeln?" spekulierte Quirrell mit vor Verzweiflung zitternder Stimme. Er fragte sich langsam, ob er den Verstand verlor. Das Ding unter seinem Turban entsprach nicht gerade seiner Vorstellung des berüchtigten Dunklen Lords. Hatten die Todesser damals tatsächlich Grillpartys abgehalten?

"Das kann natürlich ein Grund sein. Wenn ich ehrlich bin, habe ich sie nie gefragt. Vielleicht hätte ich das tun sollen. Aber im Grunde genommen mochte ich den Nudelsalat, auch wenn immer viel zu viel davon übrig blieb. Und keiner wollte etwas mit nach Hause nehmen. Nun gut, bis auf Crabbe und Goyle, aber die hatten immer die Behälter vergessen. Sie hätten es sich aufschreiben können, aber ich bezweifle, daß sie überhaupt schreiben konnten. Die beiden wußten nicht einmal, wie herum man einen Stift hält."

"A-ha", machte Quirrell. Er wünschte sich, Voldemort würde endlich still sein. Langsam wurde er wirklich verrückt.

"Und das Schlimmste war, als Macnair einmal versuchte, eine Salatsoße zu machen. Ich will nicht wissen, was für Zutaten er verwendet hat – vermutlich irgendwelche Schlachtabfälle. Es schmeckte widerlich..."

"Wenn du nicht endlich still bist", fauchte Quirrell, "dann – nenne ich deinen Namen!"

"Bitte nicht!" flehte Voldemort und schwieg fortan.

Eine Stunde später hatte der etwas fahrige Lehrer seinen Unterricht hinter sich gebracht und zog sich zur Erholung in sein Arbeitszimmer zurück. Er überflog kurz seine Aufzeichnungen für die nächste Stunde, lehnte sich dann bequem in seinem Stuhl zurück und begann zu dösen.

"Darf ich jetzt wieder reden?" erklang Voldemorts Stimme an seinem Hinterkopf.

"Was ist denn, Voldemort?" knurrte Quirrell, der gerade fast eingeschlafen gewesen war.

Der Ex-Dunkle Lord zog scharf die Luft ein. "Sag' diesen Namen nicht!"

"Schon gut, schon gut. Kein Grund, sich in die nichtvorhandene Hose zu machen."

"Sagt derjenige, der sich vor ein paar Wochen noch vor seinem eigenen Schatten fürchtete."

"Ist ja gut! Also, was ist los?"

"Es geht um den Stein der Weisen. Ich will ihn haben, und zwar so schnell wie möglich. Also denk' dir gefälligst etwas aus."

"Wie heißt das Zauberwort mit den zwei ‚t'?"

"Aber flott!"

"Nein, das meinte ich nicht. Entweder du sagst ‚bitte', oder ich sage ‚Lord Vol...'"

"Schon gut, schon gut!" warf Voldemort hastig ein. "Also könntest du dir bitte, bitte, bitte überlegen, wie du an den Stein herankommst?"

Quirrell runzelte die Stirn. Er erhob sich aus seinem Stuhl und begann, unruhig in seinem Arbeitszimmer herumzuwandern. Nach einer Weile blieb er stehen, als sei ihm eine unsichtbare Wand in die Quere gekommen. "Aber ja!" rief er aus. "Es dürfte eigentlich nicht allzu schwierig sein. Ich weiß, wo der Stein versteckt ist, und ich bin für eine der Sicherungen verantwortlich. Die anderen dürften auch zu knacken sein, mit meinem Verstand und deinem... äh, Köpfchen. Das Problem ist nur Fluffy."

"Was?"

"Fluffy. Ich merke es, wenn du ungläubige Grimassen ziehst, also laß' das sein. Fluffy ist ein Zerberus", erklärte er. "Ein dreiköpfiger Hund, der den Eingang zu dem unterirdischen Gemäuer bewacht. Dummerweise reagiert er nicht sonderlich freundlich auf Leute, die ihm zu nahe kommen."

"Wer kommt denn auf die verrückte Idee, sich einen dreiköpfigen Hund anzuschaffen?!"

"Hagrid."

Voldemorts rudimentäres Gesicht zuckte erneut. "Hagrid? Er ist hier?"

"Äh, ja, er kümmert sich ums Gelände und um die Tiere... Du kennst ihn?"

"Ja, aber das ist eine lange Geschichte", murmelte Voldemort abwesend. "Er hatte immer schon ein Faible für... ungewöhnliche Haustiere. Hielt einmal eine Riesenspinne in einer Kiste. Ich kann das alles nicht nachvollziehen, ich hätte lieber etwas Kleineres, Pflegeleichteres. Ein Kätzchen vielleicht."

"Ein Kätzchen?!"

"Warum nicht?" verteidigte sich der Ex-Dunkle Lord. "Sind besser als Hunde, man muß sie nicht ständig Gassi führen."

Quirrell schüttelte perplex den Kopf und fragte sich (nicht zum ersten Mal), ob er langsam verrückt wurde. Oder vielleicht wurde ja Voldemort langsam verrückt. Man wußte es nicht.