1105
Z-Zeit (7.05 Uhr EDT)
Apartment "The Washington 2812"
Georgetown, Washington D.C.
Weinend
lag Mac auf ihrer Couch.
Wie hatte es nur so weit kommen
können?
Sie liebte Harm – dessen war sie sich sicher.
Und
trotzdem hatte sie sich auf die Beziehung mit Mic eingelassen. Die
Frage war nun wieso. Nur aus Wut über die abweisende Haltung des
Commanders? Nein. Da war mehr. Sie war in Mic verliebt und er brachte
ihr die Aufmerksamkeit entgegen, die sie sich bei Harm immer
gewünscht hatte. Doch hatte sie Mic wirklich geliebt?
Konnte
man zwei Männer gleichzeitig überhaupt so intensiv
lieben?
Sie wusste es nicht. Oder sie wollte die Wahrheit einfach
nicht zulassen. Denn tief in ihrem Inneren schlummerte sie –
unterdrückt durch Angst vor Zurückweisung und
Einsamkeit.
Und sie war einsam.
Harm war mit Reneé
liiert und würde diese Bindung auch nicht so schnell wieder
lösen. Mac hatte die beiden beobachtet. Sie waren glücklich.
Und nichts auf der Welt würde das ändern können. Und
wieso sollte sich Harm überhaupt für sie entscheiden –
wenn man ihn vor die Wahl stellen würde?!
Und dann war da
noch Mic. Sie hatte dem Mann, der sie liebte und alles für sie
getan hätte, das Herz gebrochen.
Sie hoffte, dass sie deshalb
weinte, denn sonst...
Das
Klingeln des Telefons unterbrach ihre Gedanken. Schnell wischte sie
die Tränen weg und nahm den Hörer ab: „MacKenzie."
«Hey,
Mac,» hörte sie die Stimme ihrer ‚Schwester'.
Ein
zaghaftes Lächeln zauberte sich auf ihr Gesicht: „Chloe. Wie
geht es dir?"
«Gut. Aber was ist mit dir los?»
Mac
unterdrückte einen Seufzer. Sie hatte gedacht, dass sie ihre
Trauer verstecken könnte, doch dem war offensichtlich nicht
so.
„Alles in bester Ordnung,"antwortete sie trotzdem und
hoffte, dass Chloe ihr glauben würde. Sie wollte jetzt mit
niemanden über ihr Beziehungschaos sprechen – auch nicht mit
ihr.
Doch sie war erfolglos, denn die Kleine sagte: «Was ist
passiert? Du hast doch geweint, oder?»
„Es ist nichts,
worüber du dir Sorgen machen müsstest,"erklärte sie
ausweichend und wechselte dann schnell das Thema: „Aber warum rufst
du an? Kann ich irgendetwas für dich tun?"
«Eigentlich
will ich dir helfen. Dad hat erlaubt, dass ich schon ein Paar Tage
früher fliegen darf.»
„Wie bitte?"fragte Mac
überrascht, da sie nicht genau wusste, worauf die
Dreizehnjährige hinaus wollte.
«Die Hochzeit. Ich
möchte dir gern bei den Vorbereitungen helfen. Außerdem
ist es die letzte Gelegenheit für uns, allein...» Leise
Schluchzer ließen Chloe augenblicklich verstummen. Mac hatte
versucht ruhig zu bleiben. Doch die Erwähnung der Feier, die nun
ausfallen würde, hatte ihr den Rest gegeben und nun liefen die
Tränen unaufhaltsam. «Mac?»
Erneut wischte sie
die Tränen weg und erklärte: „Mic...
er ist... er ist nach Australien..."
Sie konnte den Satz nicht
beenden, doch ihre Freundin verstand auch so. «Er hat dich
verlassen,» stellte sie mit finsterer Stimme fest.
Das
konnte Mac natürlich nicht so stehen lassen, schließlich
war sie es gewesen, die ihn weggestoßen hatte: „Naja.
Eigentlich habe ich... Er wollte... doch ich... ich konnte ihn
einfach nicht so... lieben, wie... wie er es verdient hätte."
«Mac.
Du darfst dir keine Vorwürfe machen.»
Mit wütender
Stimme antwortete sie: „Aber ich habe ihn nur benutzt. Ich habe ihn
nie geliebt. Es ist alles meine Schuld. Viele Menschen mussten
leiden, weil ich die falschen Entscheidungen getroffen habe. Ich..."
Sie brach ab, als sie bemerkte, was sie gerade gesagt hatte. Doch es
war die Wahrheit. Das konnte sie nicht leugnen. Allerdings erkannte
sie, dass Chloe eindeutig die falsche Person für ein solches
Gespräch war. Sie war noch jung und es war verantwortungslos,
die Trauer auf ihr abzuladen. Deshalb ergänzte sie: „Mach dir
keine Sorgen. Ich schaffe das schon."
«Du musst mir nichts
vormachen. Ich weiß, wie schwer es ist, wenn man jemand
verliert, an dem einem viel lag. Auch wenn du ihn nicht geliebt hast,
so war er dir doch sehr wichtig. Deshalb darfst du dich jetzt nicht
selbst verurteilen. Im Grunde genommen hast du doch am Ende noch das
Richtige getan. Hättest du ihn wirklich geheiratet, ohne ihn zu
lieben, wäre das viel schlimmer gewesen.»
„Meinst du
wirklich?"fragte Mac unsicher nach.
«Natürlich. Ich
habe vielleicht noch keine eigenen Erfahrungen in solchen Dingen.
Aber ich weiß bereits folgende Dinge. Erstens: eine Ehe kann
niemals gut gehen, wenn ein Partner in jemand anderes verliebt
ist.»
„Es gibt doch niemand anderes,"warf Mac ein, doch
Chloe ließ sich nicht beirren: «Zweitens: du liebst Harm.
Streite es nicht ab. Ich kenne dich besser, als du glaubst. Und
drittens: ich konnte Brumby nie leiden.»
„So schlimm war
er doch gar nicht."
«Ich weiß nicht. Irgendwie haben
wir uns von Anfang an nicht sehr gemocht.»
Mac war nun
vollkommen verwirrt und sagte deshalb: „Chloe, können wir das
Gespräch vielleicht ein anderes Mal fortsetzen? Ich muss gleich
zur Arbeit..."
«Schon verstanden. Das ist kein Problem.»
Sie zögerte kurz, bevor sie weitersprach: «Ich sage Dad
dann, dass er mein Ticket stornieren soll.»
Mac sagte leise:
„Das ist wohl das beste."
«Aber wir holen meinen Besuch
nach.»
„Natürlich. Bis bald. Ich liebe dich."
«Ich
liebe dich auch. Bis bald,» hörte sie sie antworten und
dann war nur noch ein monotones Tuten zu vernehmen, dass ihr
anzeigte, dass Chloe aufgelegt hatte.
Sie tat es ihr gleich,
stand dann entschlossen auf und begab sich ins Badezimmer. Sollte sie
jetzt noch einmal in die nachdenkliche Phase zurückfallen, würde
sie auf jeden Fall zu spät im Büro ankommen. Und das wollte
sie mit aller Kraft verhindern.
Prüfend blickte sie in den
Spiegel. Ihre Augen sahen ein wenig rot aus und die Lider waren
geschwollen. Doch mit ein wenig Make up sollte sich das kaschieren
lassen.
1254
Z-Zeit (8.54 Uhr EDT)
JAG-Hauptquartier
Church Falls,
Virginia
Mac
und Harm betraten gemeinsam das Großraumbüro. Sie hatten
sich am Aufzug getroffen, sich kurz begrüßt und danach
hatten sie sich schweigend zum Büro begeben. Nach einer kurzen
Begrüßung der anderen Angestellten gingen sie in ihre
Büros, schlossen die Türen und machten sich an ihre
Arbeit.
Harriet warf ihrem Mann einen hilflosen Blick zu: „Was
war das denn?"
„Der
Commander und der Colonel scherzen gar nicht miteinander?"Auch Bud
war ratlos. „Was da wohl passiert ist? So kennt man sie gar
nicht."
Da beide keine logische Erklärung fanden, machten
auch sie sich wieder an die Arbeit, aber nicht ohne immer wieder
verstohlene Blicke zu ihren Vorgesetzten zu werfen. Etwas war
passiert und sie wollten für ihre Freunde da sein, falls sie sie
brauchen würden. Doch offensichtlich zogen sie es vor zu
schweigen.
1403
Z-Zeit (10.03 Uhr EDT)
Nördlich der Union-Station
Washington D.C.
Liz
hatte nach dem Frühstück die Wohnung weiter aufgeräumt.
Im Bad und in Harms Schlafzimmer war alles schon wieder in bester
Ordnung und auch das Wohnzimmer ließ fast nicht mehr erahnen,
was am Vortag passiert war.
Nach einem kurzen Blick auf die Uhr
bemerkte Liz, dass es nun auch in Roswell langsam hell werden müsste
und so entschloss sie sich Maria anzurufen, bevor sie sich um die
Küche kümmern würde.
Sie setzte sich auf die Couch
und wählte ihr Nummer. Kurze Zeit später wurde am anderen
Ende abgehoben und Maria sagte: «DeLuca. Einen Moment
bitte.»
Dann hörte man im Hintergrund leise Stimmen und
Liz erkannte Michael, der sich offensichtlich von Maria
verabschiedete. Nach einem Poltern, das an das Zuschlagen einer Tür
erinnerte, kam Maria zurück ans Telefon.
«Entschuldigen
sie die Verzögerung.»
„Macht doch nichts,"lachte
Liz. „Ihr könnt euch ruhig ausgiebig verabschieden."
«Liz,
schön das du endlich anrufst. Ich habe mir solche Sorgen
gemacht.»
„Tut mir leid. Aber ich musste einfach
raus."
«Ich verstehe dich gut, Liz. Aber warum hast du
dich nicht verabschiedet?»
„Weil ich vor dem Abflug keine
Zeit mehr hatte."Dann ergänzte sie lachend: „Außerdem
war es so früh, wer weiß, wobei ich euch gestört
hätte."
«Was soll das heißen: Abflug?»,
fragte Maria, ohne auf Liz' Anspielung einzugehen.
„Ich bin in
Washington bei meinem Cousin Harmon."
«Washington?
Washington D.C.?»
„Du hörst dich an, wie meine
Mutter. Sie hat genauso reagiert,"meinte sie grinsend. „Ich
hatte doch vor einigen Wochen das Ticket nach Schweden gekauft und
als ich den Flug nicht angetreten bin, hat man mir zum Ausgleich
einen Inlandsflugschein ausgestellt. Und der war nur noch bis heute
gültig, also bin ich weg."
«Das klingt ja alles
vollkommen logisch, aber was ist mit uns? Was mit Max?»
„Maria,
du kennst die Geschichte. Ich konnte jetzt nicht einfach da bleiben.
Okay, Tess ist weg. Aber deshalb sind die Probleme doch nicht
verschwunden."
«Du hättest es ihm doch erklären
können.»
„Ich weiß doch selbst nicht mehr, was
ich fühle. Es ist alles so verwirrend."
«Was hast du
Max eigentlich über die Nacht mit Kyle erzählt?»
„Wieso
fragst du?"fragte sie leicht nervös zurück.
«Naja,
wir hatten gestern eine kleine Auseinandersetzung, weil er nicht
verstehen wollte, wieso du gehen musstest und da habe ich aus
Versehen etwas angedeutet und er wusste sofort, was ich meine.»
„Als
wir uns verabschiedet haben, hat er noch einmal nachgefragt, ob ich
mit ihm geschlafen habe und ich habe den Kopf geschüttelt.
Danach haben wir uns geküsst und ich bin gegangen. Er weiß
nichts von dem Max aus der Zukunft."
«Wirst du es ihm
erzählen?»
„Ich bin mir nicht sicher. Auch darüber
werde ich mir hier klar werden müssen."
«Und wie geht
es dir sonst?»
„Sehr gut. Ich habe dir doch erzählt,
wie gut ich mich immer mit Harmon verstanden habe und daran hat sich
auch nichts geändert. Wir können uns alles erzählen
und es befreit ungemein. Er ist ein wunderbarer Zuhörer."
«Du
hast ihm doch nichts von Max gesagt, oder?»
„Doch. Aber
natürlich habe ich die überirdischen Dinge
weggelassen."
«Verstehe. Und wie lang wirst du
bleiben?»
„Ich weiß es noch nicht. Am liebsten den
ganzen Sommer, aber ich glaube nicht, dass das so einfach ist.
Schließlich hat Harmon sein eigenes Leben."
«Ich
werde dich vermissen.»
„Du fehlst mir auch. Wir können
jeder Zeit telefonieren und ich werde dir schreiben. Aber bitte
erzähle den anderen nicht, wo ich bin und kommt nicht her."
«Ist
doch klar. Wenn du diesen Abstand brauchst, dann sollst du ihn auch
haben.»
„Danke, Maria. Ich muss jetzt Schluss machen, aber
ich melde mich wieder."
«Wiederhören.»
„Tschau."
Erleichtert
legte Liz auf. Sie hatte gewusst, dass ihre Freundin sie verstehen
würde, aber trotzdem hatten sie kleinere Zweifel beschlichen.
Doch sie waren umsonst. Maria hatte deutlich gemacht, dass sie zu ihr
stehen würde, egal wie ihre Entscheidung lautete.
Bestärkt
durch dieses Gefühl machte sie sich an die Aufgabe, auch die
Küche wieder auf Vordermann zu bringen.
1622
Z-Zeit (12.22 Uhr EDT)
JAG-Hauptquartier
Church Falls,
Virginia
Mac
lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. In ihren Händen hatte
sie eine Akte, die sie aber gar nicht betrachtet. Vielmehr dachte sie
immer wieder über Mic und auch Harm nach. Wie sollte sie ihm von
der Trennung erzählen?
Auf
der Verlobungsfeier hatten sie offen über ihre Beziehung
gesprochen und trotzdem war eigentlich noch nichts geklärt.
Schließlich hatten damals beide eine feste Beziehung und somit
konnte es zwischen ihr und Harm nicht mehr geben. Aber nun war das
anders. Wie sollte sie sich also verhalten? Was erwartete sie von
Harm? Er war noch immer mit Renee
zusammen und selbst wenn sie nicht wäre, so wäre noch lange
nicht gesagt, dass er wirklich eine Beziehung mit ihr wollte. Sie
hatten sich geküsst, ja, aber das hieß doch nicht
...
Frustriert legte sie die Akte auf den Tisch.
„Kann ich
ihnen helfen?"Harm hatte unbemerkt das Zimmer betreten und schaute
sie nun fragend an.
„Laden sie mich zum Mittagessen ein."
Harm
lächelte vorsichtig: „Genau das hatte ich vor."
Mac
schaute ihn überrascht an: „Ist das ihr Ernst?"
„Ich
muss ihnen etwas erzählen und ich glaube kaum, dass das Büro
der richtige Ort dafür ist,"erklärte Harm.
Mac
schloss die Akte und stand auf: „Dann lassen sie uns gehen.
Vielleicht kann ich mich danach ja besser konzentrieren."
In
der Cafeteria kauften sie sich Sandwiches und dann gingen sie in den
Park, der an das Gelände des JAG-Hauptquartiers angrenzte. Sie
setzten sich auf eine Bank und musterten stumm ihre Umgebung.
Dann
begann Harm zu erzählen: „Mac, sie wissen ja, dass Liz gestern
angekommen ist und nach der Arbeit bin ich dann nach Hause gefahren
und wir haben die gröbsten Schäden
beseitigt..."
„Natürlich,"meinte Mac sofort. „Ist es
sehr schlimm? Brauchen sie meine Hilfe?"
Bevor sie noch mehr
Fragen stellen konnte, unterbrach er sie: „Keine Angst. Wir
schaffen das schon. Die Küche sieht schrecklich aus, aber der
Rest geht, wenn man bedenkt, dass ich jetzt gar keine Wohnung mehr
haben könnte."
„Das freut mich für sie. Ich weiß
doch, wie viel Mühe sie sich damit gegeben haben."
„Ja,"
antwortete er schlicht, bevor er das Thema wechselte und endlich das
ansprach, was er eigentlich schon die ganze Zeit loswerden wollte:
„Naja, worauf ich eigentlich hinaus wollte, ist,... Sie sind meine
beste Freundin und ich will einfach nicht, dass sie es von jemand
anderes erfahren. Ich... ich..."
Langsam wurde Mac nervös.
Was wollte er ihr so wichtiges sagen? Was sollte das mit der besten
Freundin? Und dann durchfuhr es sie wie ein Blitz. Er wollte auch
heiraten. Renée hatte vermutlich beim aufräumen geholfen
und er hatte ihr anschließend einen Antrag gemacht. Und jetzt
wollte er ihre Meinung dazu wissen. Urplötzlich wurde sie sauer.
Was dachte er sich eigentlich? Konnte er nicht wenigstens ein wenig
Rücksicht auf ihre Gefühle nehmen. Schließlich hatte
sie eben erst ihre Verlobung gelöst.
Sie wollte ihm schon
wütend erklären, was für ein Dummkopf er doch war, als
er fortfuhr: „Gleichzeitig war ich auch mit Renee
verabredet. Doch in der Aufregung hatte ich den Termin einfach
vergessen. Stinksauer kam sie später zu mir und nachdem es in
der Vergangenheit schon öfters Probleme zwischen uns gab, hat
sie unsere Beziehung beendet."
Mac schaute ihn überrascht
an. Hatte sie das gerade richtig verstanden? Plötzlich waren
alle anderen Gedanken verschwunden. Harm hatte sich von Renée
getrennt... Das änderte einfach alles. Sie wusste nicht, was sie
sagen sollte. Mit leiser Stimme begann sie: „Es tut mir leid, Harm.
Aber das muss doch nicht das entgültige Ende sein. Ich bin mir
sicher, dass Renée das schon versteht. Wenn sie ihr
die..."
„Ich denke nicht, dass es da noch Hoffnung gibt,"
meinte er. „Während Renée mir gerade eine Szene machte,
rief Liz, ob ich nicht ein Handtuch für sie hätte."
Mac
konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sie sich sein
Gesicht dazu vorstellte. Doch dann wurde sie wieder ernst:
„Entschuldigen sie. Sie fanden das sicher nicht sehr witzig. Dieses
Missverständnis lässt sich doch schnell klären. Wenn
Renée Liz erst einmal kennen lernt, wird sie sicher ganz
anders darüber denken."
„Ich denke nur nicht, dass es
irgendwann dazu kommt. Renée würde mich doch gar nicht zu
Wort kommen lassen."
Verwundert schaute Mac ihn an: „Das
klingt ja so, als hätten sie schon aufgegeben."
„Wahrscheinlich
ist das das Problem,"nickte Harm. „Ich weiß gar nicht
mehr, warum ich eigentlich mit ihr zusammen war. Natürlich ist
sie nett und erfolgreich und wir haben uns gut verstanden. Aber
eigentlich haben wir nichts gemeinsam."
Er brach ab und schaute
gedankenverloren zu Boden.
Macs Gedanken gingen indes zu Mic.
Wieso war sie eigentlich mit ihm zusammen gewesen? Hatte sie ihn
wirklich geliebt? Oder war es nur Harms Zurückweisung, die sie
den Antrag annehmen ließ? Sie hatte ihn gemocht – sie war in
ihn verliebt, aber hatte sie ihn wirklich aus tiefstem Herzen
geliebt? Obwohl Mac die Antwort wusste, wollte sie sie sich nicht
eingestehen und unterdrückte sie.
Und dann wurde ihr
plötzlich klar, dass sie Harm von ihrer Trennung noch gar nichts
erzählt hatte. Vielleicht – nein, mit größter
Wahrscheinlichkeit war dies jetzt der ideale Zeitpunkt dafür.
Doch sie wusste einfach nicht, wie sie beginnen sollte.
„Harm?"
fragte sie vorsichtig. Als er sie kurz ansah und sie Gewissheit
hatte, dass er ihr zuhörte, fuhr sie fort: „Um ehrlich zu
sein, muss ich ihnen auch etwas sagen."Sie schluckte noch einmal
und sagte dann: „Mic ist wieder in Australien."
Sie hatte die
ganze Zeit auf den Boden geschaut, doch nun wollte sie wissen, wie er
darauf reagierte und so blickte sie ihn an.
Harm verstand Mac
allerdings falsch und fragte: „Und sie werden ihm folgen?"
Doch
Mac schüttelte anders als erwartet den Kopf: „Nein. Wir haben
uns ebenfalls gestern getrennt."
„Oh!"war alles, was Harm
dazu sagen konnte.
Schweigend hingen beide ihren Gedanken nach.
Dabei warfen sie sich immer wieder verstohlene Blicke zu. Als die
Spannung fast nicht mehr auszuhalten war, griffen sie fast
gleichzeitig nach ihren Sandwiches und begannen zu essen.
„Wie
sieht es nun genau in ihrer Wohnung aus, Harm?"brach Mac das
Schweigen.
Offensichtlich wollten beide nicht mehr über das
andere Thema sprechen, den auch Harm ging sofort auf den neuen
Gesprächsstoff ein: „Es wurde einiges zerstört. Fast
alles, was zerbrechen konnte, ist zerbrochen. Die Schränke in
der Küche haben sich geöffnet und das Geschirr ist fast
vollständig kaputt. Liz wollte heute zu Ende aufräumen und
heute Nachmittag werden wir dann einkaufen gehen. Es wird sicher
einiges zusammenkommen. Naja. Aber alles in allem ist es nur ein
Sachschaden und man kann froh sein, dass nicht noch mehr passiert
ist."
Mac nickte: „Und wer regelt das Finanzielle?"
„Ich
habe mich schon mit der Versicherung in Verbindung gesetzt und die
meinte, dass ich erst einmal alle nötigen Gegenstände
kaufen und die Rechnungen aufheben soll. Sie wird das dann mit meiner
Nachbarin klären. Sie kennen das doch. Die Mühlen der
Bürokratie mahlen langsam. Wahrscheinlich werde ich ewig darauf
warten, dass man mir den Schaden ersetzt."
„Wenn ich ihnen
schon nicht beim aufräumen helfen konnte, dann kommen sie doch
wenigstens heute Abend zu mir zum essen."
Harm lächelte:
„Ich will ja nicht unhöflich sein, aber wenn sie
kochen..."
„Dann bringen sie eben Pizza mit,"unterbrach ihn
Mac, „und ich spendiere die Teller. Es wird sicher ein netter Abend
und ich lerne ihre Cousine näher kennen."
Nach einer kurzen
Pause meinte Harm: „Einverstanden."
2101
Z-Zeit (17.01 Uhr EDT)
Farragut Einkaufscenter
New Downtown,
Washington D.C.
„Rede
mit mir, Harmon. Was ist den nur heute passiert, das dich so aus der
Fassung gebracht hat? Du bist sonst nie so schweigsam,"Liz wurde
langsam ungeduldig.
Harm schaute sie von der Seite an, bevor er
sagte: „Mac!"
„Du hast ihr also von der Trennung erzählt,"
schlussfolgerte Liz und er nickte. Als er wieder schwieg, fragte sie
weiter nach: „Und was ist dann passiert?"
„Sie
hat auch Schluss gemacht,"sagte er mit undeutlicher Stimme.
„Sie
hat mit dir Schluss gemacht? Nein. Ihr wart doch nie zusammen."
Völlig verwirrt starrte Liz ihn an.
„Sie
hat ihre Verlobung zu Bugme gelöst,"
erklärte er schließlich.
„Bugme? Was ist den das für
ein Name?"fragte Liz sofort, doch dann wurde ihr klar, dass für
solche Details sicher nicht der richtige Zeitpunkt war. „Oh,
entschuldige. Ich glaube nicht, dass das jetzt so wichtig ist für
dich.
Verständnisvoll lächelte er sie an. Und dann
klärte er sie auf: „Mic Brumby ist heute morgen nach
Australien zurückgekehrt."
„Verstehe. Das ist Macs
Ex-Verlobter?!"Er nickte und Liz fuhr fort: „Und du weißt
jetzt nicht, wie du dich ihr gegenüber verhalten sollst."
Sie
waren in der Zwischenzeit in dem Haushaltswarengeschäft
angelangt und gingen durch die Reihen, in denen sie die
verschiedensten Geschirrmuster betrachten, während sie
weitersprachen.
„Es war schon vorher etwas angespannt zwischen
uns, aber jetzt ist alles anders. Und dann war da ja auch noch die
Verlobungsfeier."
Überrascht schaute sie ihn an. Was war da
vorgefallen? Dieses Ereignis hatte er bis jetzt noch mit keinem Wort
erwähnt. „Was ist da passiert?"
„Wir haben uns
ausgesprochen und dann haben wir uns geküsst."
„Ein Kuss
unter Freunden?"wollte sie wissen, obwohl sie die Antwort
eigentlich schon wusste. Sein Verhalten allein sagte schon mehr als
tausend Worte.
Trotzdem war sie ein wenig geschockt, als er die
Wahrheit aussprach: „Eher ein sehr leidenschaftlicher Kuss."
Liz
schaute ihn verblüfft an: „Ihr habt euch richtig geküsst
– auf ihrer Verlobungsfeier und dann hat sich nichts zwischen euch
geändert!?"
„Naja,"meinte er achselzuckend und man
merkte, wie unwohl er sich dabei fühlte. „Wir haben es
verdrängt, schließlich wollte sie heiraten. Und zwar nicht
mich."
„Jetzt steht diese Sache nicht mehr zwischen euch und
du fragst dich, was wird – was sie von dir erwartet – was sie
will."
„So im etwa. Und was soll ich jetzt machen?"Er
blickte sie hilfesuchend an.
Liz wusste nicht, was sie jetzt auf
die schnelle antworten sollte. Schließlich hatte sie selbst
erst wenige Erfahrungen gesammelt und diese waren nicht gerade
glücklich. Was sollte sie ihm also sagen? Was hätte sie
sich als Rat gewünscht? Was hatte ihr bei Max gefehlt? „Rede
mit ihr und frage sie, wie sie die ganze Sache sieht."Genau.
Vielleicht wäre alles anders geworden, wenn sie nur miteinander
geredet hätten.
Liz wurde wieder aus ihren Gedanken gerissen,
als Harm fortfuhr: „Ich meine, sie hat gerade erst eine Beziehung
hinter sich, ich glaube nicht, dass sie gleich wieder was festes will
und mir wäre alles andere zu wenig. Dann lieber gleich nur
Freundschaft."
Liz hielt ihn fest und zwang ihn sie anzusehen:
„Also zuerst einmal seid ihr mehr als nur Freunde und deshalb ist
es verständlich, dass du dir Sorgen machst und dass du keine
Affäre willst. Dementsprechend kannst du unmöglich diese
Entscheidung allein treffen. Sprich mit ihr. Findet heraus, was ihr
beide wollt. Nur so kannst du eine Lösung finden. Und jetzt mach
dich nicht verrückt und konzentriere dich."
Harm nahm sie
kurz in den Arm: „Danke. Du hast ja Recht, aber ich weiß
einfach nicht, wie ich das machen soll."
„Am besten bleibe ich
einfach zu Hause. Dann könnt ihr nachher sprechen."
Resolut
schüttelte er den Kopf: „Bestimmt nicht. Sie hat dich
ausdrücklich mit eingeladen und ich kann dich unmöglich
verhungern lassen."
„Aber
hattest du nicht mal gesagt, dass sie eine schreckliche Köchin
ist."
Harm lachte: „Deshalb bringen wir ja auch Pizza mit."
2359
Z-Zeit (19.59 Uhr EDT)
Apartment "The Washington 2812"
Georgetown, Washington D.C.
Mac
öffnete lächelnd die Tür: „Harmon Rabb jr. ist
pünktlich. Ich bin geschockt."
Harm lächelte
ebenfalls: „Ich hätte schwören können, dass es schon
nach acht ist."
„Nein,"Mac schüttelte den Kopf, „es
ist jetzt genau um. Sie waren sogar etwas zu früh. Wie soll ich
denn damit umgehen? Jetzt kann ich sie nie mehr damit aufziehen, dass
sie immer zu spät kommen."
„Schieben sie es einfach auf
Liz."
Erst da fiel ihr Blick auf die zweite wartende Person, die
die beiden Offiziere grinsend beobachtete und ihr wurde bewusst, dass
sie noch immer auf dem Flur standen.
Ihrer einladenden
Handbewegung folgend traten Harm und Liz ein. Während Liz noch
ihre Jacke ablegte, ging Harm bereits in ein angrenzendes Zimmer. Mac
war in einem anderen Raum verschwunden, doch man hörte noch ihre
Stimmen: „Zu meinem Bestürzen muss ich leider zugeben, dass
ich damit gerechnet habe, dass sie etwas später kommen und
deshalb ist der Tisch noch nicht gedeckt."
„Nicht so schlimm.
Ich bringe alles mit. Räumen sie nur den Tisch ab."
Liz
ging durch das Vorzimmer und schaute in den Raum, in dem Mac
verschwunden war. Im Wohnzimmer stand ein großer Tisch, der mit
Akten belegt war. Nun versuchte Mac sie so gut es ging zu stapeln und
dann auf einem Regal unterzubringen, was sich auf Grund der Menge
sehr schwierig gestaltete.
Dann ging sie weiter und kam in die
Küche, in der Harm einige Schubladen und Schränke öffnete
und einige Dinge herausnahm. Liz bemerkte schnell, dass er sich sehr
gut auskannte, denn er brauchte nicht lang und schon hatte er alles
gefunden. Dann verteilte er noch die Pizzen auf die Teller und als er
sich umdrehte und Liz entdeckte, bat er sie, ihm beim tragen zu
helfen.
Als sie gemeinsam das Wohnzimmer betraten, erkannte man es
nicht wieder. Die Akten waren verschwunden und auch von den einzelnen
Papieren, die vorher den Boden geziert hatten, war nichts mehr zu
sehen. Stattdessen standen auf dem Tisch zwei Kerzen, die Mac eben
anzündete. Harm verteilte die Teller und legte das Besteck dazu.
Dann stellte er die Gläser ab und fragte: „Und was wollt ihr
trinken?"
Mac schüttelte den Kopf: „Harm, ich bin hier
der Gastgeber. Das ist meine Frage."
„Sie
haben schon großzügigerweise die Teller bereitgestellt, da
kann ich doch die Getränkebestellung übernehmen,"wehrte
Harm ab.
Mac gab sich geschlagen: „Ich habe
Orangensaft im Kühlschrank."
„Das klingt gut,"stimmte
Liz zu.
„Also Orangensaft für die Damen?"fragte er noch
einmal nach.
Als beide nickten, drehte er sich um und kam einige
Sekunden später mit dem Saft und einer Flasche Mineralwasser
zurück.
Das Essen verlief recht ruhig, da Harm und Mac nicht
genau wussten, was sie sagen sollten und sich befangen fühlten.
Liz bemerkte natürlich die Blicke, die sich die beiden immer
wieder zuwarfen und deshalb schlug sie vor den Abwasch zu übernehmen,
da sie hoffte, dass sie ihre Differenzen beilegen würden, wenn
sie allein waren. Somit stellte Liz die Teller zusammen und ging dann
in die Küche. Harm hatte zwar angeboten ihr zu helfen, aber sie
hatte ablehnt.
Harm und Mac wussten allerdings beide nicht, was
sie sagen sollten und vor allem wie sie anfangen sollten und so
blieben sie still.
Es war Mac, die das Schweigen letztendlich doch
brach: „So kann das doch nicht den ganzen Abend weitergehen. Wir
haben sogar schon Liz verschreckt."
„Ich weiß.
Verdrängen ist dieses Mal keine Lösung."
„Weil es
nicht geht. Diese Gedanken sind da und wir können sie nicht
einfach abschütteln,"erklärte Mac und Harm nickte. „Lass
mir ein bisschen Zeit, Harm. Ich habe gerade erst eine Beziehung
beendet und ich bin total durcheinander."
„Das verstehe ich.
Mir geht es doch nicht anders,"stimmte er sofort zu.
„Wir
können also weiterhin Freunde sein, ohne dass ständig etwas
zwischen uns steht?"Mac blickte ihn fragend an. Und als er
lächelnd nickte, atmete sie erleichtert aus. Danach lächelte
auch sie.
Genau in diesem Moment betrat Liz wieder das Zimmer und
sie bemerkte erfreut, dass sich die Lage entspannt hatte.
0248
Z-Zeit (22.48 Uhr EDT)
Apartment "The Washington 2812"
Georgetown, Washington D.C.
Nachdem
Harm und Mac ihr Beziehungsgespräch erst einmal vertagt hatten,
ging alles besser. Auf einmal konnten sie wieder ausgelassen
miteinander scherzen und davon machten sie auch ausgiebig Gebrauch.
Sie neckten sich gegenseitig und dadurch lernte Liz die beiden immer
besser kennen. Sie wurde natürlich auch mit in das Gespräch
einbezogen und wie sich herausstellte, teilte sie meist Macs
Standpunkt. Deshalb gab Harm sich stets beleidigt, obwohl er
insgeheim froh war, dass sich die beiden so gut verstanden.
Harm
merkte, dass es immer später wurde und so erklärte er
plötzlich: „Wir sollten jetzt auch langsam gehen. Es ist
spät!"
„Ach, seit wann gehen sie so zeitig ins Bett,
Commander. Es ist doch erst 22.49 Uhr und da wollen sie wirklich
schon gehen?"gab Mac zurück.
„Wie machen sie das immer?"
Liz konnte ihre Verwunderung nicht mehr verbergen.
Mac und Harm
schauten sie überrascht an. Doch dann schimmerte ihnen, wovon
Liz sprach und Harm setzte zu einer Erklärung an: „Tja, das
ist ihr Geheimnis."
„Aber, ich meine, sie können die Zeit
angeben, ohne auch nur einen Blick auf eine Uhr zu werfen. Dabei
möchte ich anmerken, dass es hier gar keine Uhren gibt."
„Ich
brauche ja auch keine. Ich habe mich,"stimmte Mac zu.
„So
eine Art innere Uhr also."Und dann schaute Liz sie plötzlich
wissend an: „Jetzt erinnere ich mich. Harmon hat es erwähnt,
aber ich dachte es wäre ein Scherz."
„Und dann hast du es
so schnell wieder vergessen?"erkundigte sich Mac, die dachte, dass
Harm es ihr am vorhergehenden Abend erzählt hatte.
Doch Liz
verteidigte sich: „Naja. Das ist jetzt bereits einige Jahre
her!"
Mac blickte zuerst Liz überrascht an, bevor sie ihren
Blick Harm zuwandte, der seinerseits ertappt aussah und gleichzeitig
Liz finster anschaute: „Sie haben ihr also schon vor Jahren von mir
erzählt."
„Ich musste ihr doch mein Leid klagen,"
versuchte Harm es herunterzuspielen. „Schließlich musste ich
eine neue Kollegin einarbeiten, die auch noch ein Marine war und mich
jeden Tag mit einer neuen Eigenschaft überraschte."Da wurde
Harm bewusst, dass diese Aussage nicht gerade dazu beitrug, die
anderen glauben zu machen, dass alles ganz harmlos sei.
Er wollte
etwas ergänzen, als er von Mac unterbrochen wurde: „Danke. Das
ist wohl das netteste, was sie jemals über unser Kennenlernen
gesagt haben."
Kurze
Zeit später brachen sie dann doch auf. Liz bedankte sich immer
wieder für den netten Abend, als ihr klar wurde, wie sie sich
revanchieren konnte: „Mac, haben sie morgen eigentlich schon etwas
vor?"wollte sie wissen.
„Wieso? Nichts besonderes. Ich wollte
das Wochenende zum Aufräumen nutzen."
Liz schüttelte
den Kopf: „Das kann warten. Harmon will mir morgen die Stadt zeigen
und ich dachte, dass sie uns vielleicht begleiten. Zu dritt wird es
sicher noch witziger und wir können uns gleich für die
Gastfreundschaft bedanken. Was sagen sie?"
„Ich weiß
nicht. Ich kann mir vorstellen, dass sie lieber allein wären.
Schließlich haben sie sich lange nicht gesehen. Harm?"
fragend blickte sie ihn an.
Doch er winkte ab: „Keine Ausreden,
Marine. Ich würde mich freuen und sie haben Liz gehört.
Damit ist das beschlossene Sache. Wir holen sie gegen 9 Uhr ab."
Alle
schauten sich kurz an, um eine Spur von Zweifel in den Augen der
anderen zu entdecken, doch als sie nichts fanden, waren sie
beruhigt.
Glücklich verabschiedeten sich Harm und Liz und
machten sich auf den Heimweg.
