1105 Z-Zeit (7.05 Uhr EDT)
Apartment "The Washington 2812"
Georgetown, Washington D.C.

Weinend lag Mac auf ihrer Couch.
Wie hatte es nur so weit kommen können?
Sie liebte Harm – dessen war sie sich sicher.
Und trotzdem hatte sie sich auf die Beziehung mit Mic eingelassen. Die Frage war nun wieso. Nur aus Wut über die abweisende Haltung des Commanders? Nein. Da war mehr. Sie war in Mic verliebt und er brachte ihr die Aufmerksamkeit entgegen, die sie sich bei Harm immer gewünscht hatte. Doch hatte sie Mic wirklich geliebt?
Konnte man zwei Männer gleichzeitig überhaupt so intensiv lieben?
Sie wusste es nicht. Oder sie wollte die Wahrheit einfach nicht zulassen. Denn tief in ihrem Inneren schlummerte sie – unterdrückt durch Angst vor Zurückweisung und Einsamkeit.
Und sie war einsam.
Harm war mit Reneé liiert und würde diese Bindung auch nicht so schnell wieder lösen. Mac hatte die beiden beobachtet. Sie waren glücklich. Und nichts auf der Welt würde das ändern können. Und wieso sollte sich Harm überhaupt für sie entscheiden – wenn man ihn vor die Wahl stellen würde?!
Und dann war da noch Mic. Sie hatte dem Mann, der sie liebte und alles für sie getan hätte, das Herz gebrochen.
Sie hoffte, dass sie deshalb weinte, denn sonst...

Das Klingeln des Telefons unterbrach ihre Gedanken. Schnell wischte sie die Tränen weg und nahm den Hörer ab: „MacKenzie."
«Hey, Mac,» hörte sie die Stimme ihrer ‚Schwester'.
Ein zaghaftes Lächeln zauberte sich auf ihr Gesicht: „Chloe. Wie geht es dir?"
«Gut. Aber was ist mit dir los?»
Mac unterdrückte einen Seufzer. Sie hatte gedacht, dass sie ihre Trauer verstecken könnte, doch dem war offensichtlich nicht so.
„Alles in bester Ordnung,"antwortete sie trotzdem und hoffte, dass Chloe ihr glauben würde. Sie wollte jetzt mit niemanden über ihr Beziehungschaos sprechen – auch nicht mit ihr.
Doch sie war erfolglos, denn die Kleine sagte: «Was ist passiert? Du hast doch geweint, oder?»
„Es ist nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest,"erklärte sie ausweichend und wechselte dann schnell das Thema: „Aber warum rufst du an? Kann ich irgendetwas für dich tun?"
«Eigentlich will ich dir helfen. Dad hat erlaubt, dass ich schon ein Paar Tage früher fliegen darf.»
„Wie bitte?"fragte Mac überrascht, da sie nicht genau wusste, worauf die Dreizehnjährige hinaus wollte.
«Die Hochzeit. Ich möchte dir gern bei den Vorbereitungen helfen. Außerdem ist es die letzte Gelegenheit für uns, allein...» Leise Schluchzer ließen Chloe augenblicklich verstummen. Mac hatte versucht ruhig zu bleiben. Doch die Erwähnung der Feier, die nun ausfallen würde, hatte ihr den Rest gegeben und nun liefen die Tränen unaufhaltsam. «Mac?»
Erneut wischte sie die Tränen weg und erklärte: „Mic... er ist... er ist nach Australien..."
Sie konnte den Satz nicht beenden, doch ihre Freundin verstand auch so. «Er hat dich verlassen,» stellte sie mit finsterer Stimme fest.
Das konnte Mac natürlich nicht so stehen lassen, schließlich war sie es gewesen, die ihn weggestoßen hatte: „Naja. Eigentlich habe ich... Er wollte... doch ich... ich konnte ihn einfach nicht so... lieben, wie... wie er es verdient hätte."
«Mac. Du darfst dir keine Vorwürfe machen.»
Mit wütender Stimme antwortete sie: „Aber ich habe ihn nur benutzt. Ich habe ihn nie geliebt. Es ist alles meine Schuld. Viele Menschen mussten leiden, weil ich die falschen Entscheidungen getroffen habe. Ich..." Sie brach ab, als sie bemerkte, was sie gerade gesagt hatte. Doch es war die Wahrheit. Das konnte sie nicht leugnen. Allerdings erkannte sie, dass Chloe eindeutig die falsche Person für ein solches Gespräch war. Sie war noch jung und es war verantwortungslos, die Trauer auf ihr abzuladen. Deshalb ergänzte sie: „Mach dir keine Sorgen. Ich schaffe das schon."
«Du musst mir nichts vormachen. Ich weiß, wie schwer es ist, wenn man jemand verliert, an dem einem viel lag. Auch wenn du ihn nicht geliebt hast, so war er dir doch sehr wichtig. Deshalb darfst du dich jetzt nicht selbst verurteilen. Im Grunde genommen hast du doch am Ende noch das Richtige getan. Hättest du ihn wirklich geheiratet, ohne ihn zu lieben, wäre das viel schlimmer gewesen.»
„Meinst du wirklich?"fragte Mac unsicher nach.
«Natürlich. Ich habe vielleicht noch keine eigenen Erfahrungen in solchen Dingen. Aber ich weiß bereits folgende Dinge. Erstens: eine Ehe kann niemals gut gehen, wenn ein Partner in jemand anderes verliebt ist.»
„Es gibt doch niemand anderes,"warf Mac ein, doch Chloe ließ sich nicht beirren: «Zweitens: du liebst Harm. Streite es nicht ab. Ich kenne dich besser, als du glaubst. Und drittens: ich konnte Brumby nie leiden.»
„So schlimm war er doch gar nicht."
«Ich weiß nicht. Irgendwie haben wir uns von Anfang an nicht sehr gemocht.»
Mac war nun vollkommen verwirrt und sagte deshalb: „Chloe, können wir das Gespräch vielleicht ein anderes Mal fortsetzen? Ich muss gleich zur Arbeit..."
«Schon verstanden. Das ist kein Problem.» Sie zögerte kurz, bevor sie weitersprach: «Ich sage Dad dann, dass er mein Ticket stornieren soll.»
Mac sagte leise: „Das ist wohl das beste."
«Aber wir holen meinen Besuch nach.»
„Natürlich. Bis bald. Ich liebe dich."
«Ich liebe dich auch. Bis bald,» hörte sie sie antworten und dann war nur noch ein monotones Tuten zu vernehmen, dass ihr anzeigte, dass Chloe aufgelegt hatte.
Sie tat es ihr gleich, stand dann entschlossen auf und begab sich ins Badezimmer. Sollte sie jetzt noch einmal in die nachdenkliche Phase zurückfallen, würde sie auf jeden Fall zu spät im Büro ankommen. Und das wollte sie mit aller Kraft verhindern.
Prüfend blickte sie in den Spiegel. Ihre Augen sahen ein wenig rot aus und die Lider waren geschwollen. Doch mit ein wenig Make up sollte sich das kaschieren lassen.

1254 Z-Zeit (8.54 Uhr EDT)
JAG-Hauptquartier
Church Falls, Virginia

Mac und Harm betraten gemeinsam das Großraumbüro. Sie hatten sich am Aufzug getroffen, sich kurz begrüßt und danach hatten sie sich schweigend zum Büro begeben. Nach einer kurzen Begrüßung der anderen Angestellten gingen sie in ihre Büros, schlossen die Türen und machten sich an ihre Arbeit.
Harriet warf ihrem Mann einen hilflosen Blick zu: „Was war das denn?"
„Der Commander und der Colonel scherzen gar nicht miteinander?"Auch Bud war ratlos. „Was da wohl passiert ist? So kennt man sie gar nicht."
Da beide keine logische Erklärung fanden, machten auch sie sich wieder an die Arbeit, aber nicht ohne immer wieder verstohlene Blicke zu ihren Vorgesetzten zu werfen. Etwas war passiert und sie wollten für ihre Freunde da sein, falls sie sie brauchen würden. Doch offensichtlich zogen sie es vor zu schweigen.

1403 Z-Zeit (10.03 Uhr EDT)
Nördlich der Union-Station
Washington D.C.

Liz hatte nach dem Frühstück die Wohnung weiter aufgeräumt. Im Bad und in Harms Schlafzimmer war alles schon wieder in bester Ordnung und auch das Wohnzimmer ließ fast nicht mehr erahnen, was am Vortag passiert war.
Nach einem kurzen Blick auf die Uhr bemerkte Liz, dass es nun auch in Roswell langsam hell werden müsste und so entschloss sie sich Maria anzurufen, bevor sie sich um die Küche kümmern würde.
Sie setzte sich auf die Couch und wählte ihr Nummer. Kurze Zeit später wurde am anderen Ende abgehoben und Maria sagte: «DeLuca. Einen Moment bitte.»
Dann hörte man im Hintergrund leise Stimmen und Liz erkannte Michael, der sich offensichtlich von Maria verabschiedete. Nach einem Poltern, das an das Zuschlagen einer Tür erinnerte, kam Maria zurück ans Telefon.
«Entschuldigen sie die Verzögerung.»
„Macht doch nichts,"lachte Liz. „Ihr könnt euch ruhig ausgiebig verabschieden."
«Liz, schön das du endlich anrufst. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.»
„Tut mir leid. Aber ich musste einfach raus."
«Ich verstehe dich gut, Liz. Aber warum hast du dich nicht verabschiedet?»
„Weil ich vor dem Abflug keine Zeit mehr hatte."Dann ergänzte sie lachend: „Außerdem war es so früh, wer weiß, wobei ich euch gestört hätte."
«Was soll das heißen: Abflug?», fragte Maria, ohne auf Liz' Anspielung einzugehen.
„Ich bin in Washington bei meinem Cousin Harmon."
«Washington? Washington D.C.?»
„Du hörst dich an, wie meine Mutter. Sie hat genauso reagiert,"meinte sie grinsend. „Ich hatte doch vor einigen Wochen das Ticket nach Schweden gekauft und als ich den Flug nicht angetreten bin, hat man mir zum Ausgleich einen Inlandsflugschein ausgestellt. Und der war nur noch bis heute gültig, also bin ich weg."
«Das klingt ja alles vollkommen logisch, aber was ist mit uns? Was mit Max?»
„Maria, du kennst die Geschichte. Ich konnte jetzt nicht einfach da bleiben. Okay, Tess ist weg. Aber deshalb sind die Probleme doch nicht verschwunden."
«Du hättest es ihm doch erklären können.»
„Ich weiß doch selbst nicht mehr, was ich fühle. Es ist alles so verwirrend."
«Was hast du Max eigentlich über die Nacht mit Kyle erzählt?»
„Wieso fragst du?"fragte sie leicht nervös zurück.
«Naja, wir hatten gestern eine kleine Auseinandersetzung, weil er nicht verstehen wollte, wieso du gehen musstest und da habe ich aus Versehen etwas angedeutet und er wusste sofort, was ich meine.»
„Als wir uns verabschiedet haben, hat er noch einmal nachgefragt, ob ich mit ihm geschlafen habe und ich habe den Kopf geschüttelt. Danach haben wir uns geküsst und ich bin gegangen. Er weiß nichts von dem Max aus der Zukunft."
«Wirst du es ihm erzählen?»
„Ich bin mir nicht sicher. Auch darüber werde ich mir hier klar werden müssen."
«Und wie geht es dir sonst?»
„Sehr gut. Ich habe dir doch erzählt, wie gut ich mich immer mit Harmon verstanden habe und daran hat sich auch nichts geändert. Wir können uns alles erzählen und es befreit ungemein. Er ist ein wunderbarer Zuhörer."
«Du hast ihm doch nichts von Max gesagt, oder?»
„Doch. Aber natürlich habe ich die überirdischen Dinge weggelassen."
«Verstehe. Und wie lang wirst du bleiben?»
„Ich weiß es noch nicht. Am liebsten den ganzen Sommer, aber ich glaube nicht, dass das so einfach ist. Schließlich hat Harmon sein eigenes Leben."
«Ich werde dich vermissen.»
„Du fehlst mir auch. Wir können jeder Zeit telefonieren und ich werde dir schreiben. Aber bitte erzähle den anderen nicht, wo ich bin und kommt nicht her."
«Ist doch klar. Wenn du diesen Abstand brauchst, dann sollst du ihn auch haben.»
„Danke, Maria. Ich muss jetzt Schluss machen, aber ich melde mich wieder."
«Wiederhören.»
„Tschau."
Erleichtert legte Liz auf. Sie hatte gewusst, dass ihre Freundin sie verstehen würde, aber trotzdem hatten sie kleinere Zweifel beschlichen. Doch sie waren umsonst. Maria hatte deutlich gemacht, dass sie zu ihr stehen würde, egal wie ihre Entscheidung lautete.
Bestärkt durch dieses Gefühl machte sie sich an die Aufgabe, auch die Küche wieder auf Vordermann zu bringen.

1622 Z-Zeit (12.22 Uhr EDT)
JAG-Hauptquartier
Church Falls, Virginia

Mac lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. In ihren Händen hatte sie eine Akte, die sie aber gar nicht betrachtet. Vielmehr dachte sie immer wieder über Mic und auch Harm nach. Wie sollte sie ihm von der Trennung erzählen?
Auf der Verlobungsfeier hatten sie offen über ihre Beziehung gesprochen und trotzdem war eigentlich noch nichts geklärt. Schließlich hatten damals beide eine feste Beziehung und somit konnte es zwischen ihr und Harm nicht mehr geben. Aber nun war das anders. Wie sollte sie sich also verhalten? Was erwartete sie von Harm? Er war noch immer mit Renee zusammen und selbst wenn sie nicht wäre, so wäre noch lange nicht gesagt, dass er wirklich eine Beziehung mit ihr wollte. Sie hatten sich geküsst, ja, aber das hieß doch nicht ...
Frustriert legte sie die Akte auf den Tisch.
„Kann ich ihnen helfen?"Harm hatte unbemerkt das Zimmer betreten und schaute sie nun fragend an.
„Laden sie mich zum Mittagessen ein."
Harm lächelte vorsichtig: „Genau das hatte ich vor."
Mac schaute ihn überrascht an: „Ist das ihr Ernst?"
„Ich muss ihnen etwas erzählen und ich glaube kaum, dass das Büro der richtige Ort dafür ist,"erklärte Harm.
Mac schloss die Akte und stand auf: „Dann lassen sie uns gehen. Vielleicht kann ich mich danach ja besser konzentrieren."
In der Cafeteria kauften sie sich Sandwiches und dann gingen sie in den Park, der an das Gelände des JAG-Hauptquartiers angrenzte. Sie setzten sich auf eine Bank und musterten stumm ihre Umgebung.
Dann begann Harm zu erzählen: „Mac, sie wissen ja, dass Liz gestern angekommen ist und nach der Arbeit bin ich dann nach Hause gefahren und wir haben die gröbsten Schäden beseitigt..."
„Natürlich,"meinte Mac sofort. „Ist es sehr schlimm? Brauchen sie meine Hilfe?"
Bevor sie noch mehr Fragen stellen konnte, unterbrach er sie: „Keine Angst. Wir schaffen das schon. Die Küche sieht schrecklich aus, aber der Rest geht, wenn man bedenkt, dass ich jetzt gar keine Wohnung mehr haben könnte."
„Das freut mich für sie. Ich weiß doch, wie viel Mühe sie sich damit gegeben haben."
„Ja," antwortete er schlicht, bevor er das Thema wechselte und endlich das ansprach, was er eigentlich schon die ganze Zeit loswerden wollte: „Naja, worauf ich eigentlich hinaus wollte, ist,... Sie sind meine beste Freundin und ich will einfach nicht, dass sie es von jemand anderes erfahren. Ich... ich..."
Langsam wurde Mac nervös. Was wollte er ihr so wichtiges sagen? Was sollte das mit der besten Freundin? Und dann durchfuhr es sie wie ein Blitz. Er wollte auch heiraten. Renée hatte vermutlich beim aufräumen geholfen und er hatte ihr anschließend einen Antrag gemacht. Und jetzt wollte er ihre Meinung dazu wissen. Urplötzlich wurde sie sauer. Was dachte er sich eigentlich? Konnte er nicht wenigstens ein wenig Rücksicht auf ihre Gefühle nehmen. Schließlich hatte sie eben erst ihre Verlobung gelöst.
Sie wollte ihm schon wütend erklären, was für ein Dummkopf er doch war, als er fortfuhr: „Gleichzeitig war ich auch mit Renee verabredet. Doch in der Aufregung hatte ich den Termin einfach vergessen. Stinksauer kam sie später zu mir und nachdem es in der Vergangenheit schon öfters Probleme zwischen uns gab, hat sie unsere Beziehung beendet."
Mac schaute ihn überrascht an. Hatte sie das gerade richtig verstanden? Plötzlich waren alle anderen Gedanken verschwunden. Harm hatte sich von Renée getrennt... Das änderte einfach alles. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Mit leiser Stimme begann sie: „Es tut mir leid, Harm. Aber das muss doch nicht das entgültige Ende sein. Ich bin mir sicher, dass Renée das schon versteht. Wenn sie ihr die..."
„Ich denke nicht, dass es da noch Hoffnung gibt," meinte er. „Während Renée mir gerade eine Szene machte, rief Liz, ob ich nicht ein Handtuch für sie hätte."
Mac konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sie sich sein Gesicht dazu vorstellte. Doch dann wurde sie wieder ernst: „Entschuldigen sie. Sie fanden das sicher nicht sehr witzig. Dieses Missverständnis lässt sich doch schnell klären. Wenn Renée Liz erst einmal kennen lernt, wird sie sicher ganz anders darüber denken."
„Ich denke nur nicht, dass es irgendwann dazu kommt. Renée würde mich doch gar nicht zu Wort kommen lassen."
Verwundert schaute Mac ihn an: „Das klingt ja so, als hätten sie schon aufgegeben."
„Wahrscheinlich ist das das Problem,"nickte Harm. „Ich weiß gar nicht mehr, warum ich eigentlich mit ihr zusammen war. Natürlich ist sie nett und erfolgreich und wir haben uns gut verstanden. Aber eigentlich haben wir nichts gemeinsam."
Er brach ab und schaute gedankenverloren zu Boden.
Macs Gedanken gingen indes zu Mic. Wieso war sie eigentlich mit ihm zusammen gewesen? Hatte sie ihn wirklich geliebt? Oder war es nur Harms Zurückweisung, die sie den Antrag annehmen ließ? Sie hatte ihn gemocht – sie war in ihn verliebt, aber hatte sie ihn wirklich aus tiefstem Herzen geliebt? Obwohl Mac die Antwort wusste, wollte sie sie sich nicht eingestehen und unterdrückte sie.
Und dann wurde ihr plötzlich klar, dass sie Harm von ihrer Trennung noch gar nichts erzählt hatte. Vielleicht – nein, mit größter Wahrscheinlichkeit war dies jetzt der ideale Zeitpunkt dafür. Doch sie wusste einfach nicht, wie sie beginnen sollte.
„Harm?" fragte sie vorsichtig. Als er sie kurz ansah und sie Gewissheit hatte, dass er ihr zuhörte, fuhr sie fort: „Um ehrlich zu sein, muss ich ihnen auch etwas sagen."Sie schluckte noch einmal und sagte dann: „Mic ist wieder in Australien."
Sie hatte die ganze Zeit auf den Boden geschaut, doch nun wollte sie wissen, wie er darauf reagierte und so blickte sie ihn an.
Harm verstand Mac allerdings falsch und fragte: „Und sie werden ihm folgen?"
Doch Mac schüttelte anders als erwartet den Kopf: „Nein. Wir haben uns ebenfalls gestern getrennt."
„Oh!"war alles, was Harm dazu sagen konnte.
Schweigend hingen beide ihren Gedanken nach. Dabei warfen sie sich immer wieder verstohlene Blicke zu. Als die Spannung fast nicht mehr auszuhalten war, griffen sie fast gleichzeitig nach ihren Sandwiches und begannen zu essen.
„Wie sieht es nun genau in ihrer Wohnung aus, Harm?"brach Mac das Schweigen.
Offensichtlich wollten beide nicht mehr über das andere Thema sprechen, den auch Harm ging sofort auf den neuen Gesprächsstoff ein: „Es wurde einiges zerstört. Fast alles, was zerbrechen konnte, ist zerbrochen. Die Schränke in der Küche haben sich geöffnet und das Geschirr ist fast vollständig kaputt. Liz wollte heute zu Ende aufräumen und heute Nachmittag werden wir dann einkaufen gehen. Es wird sicher einiges zusammenkommen. Naja. Aber alles in allem ist es nur ein Sachschaden und man kann froh sein, dass nicht noch mehr passiert ist."
Mac nickte: „Und wer regelt das Finanzielle?"
„Ich habe mich schon mit der Versicherung in Verbindung gesetzt und die meinte, dass ich erst einmal alle nötigen Gegenstände kaufen und die Rechnungen aufheben soll. Sie wird das dann mit meiner Nachbarin klären. Sie kennen das doch. Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. Wahrscheinlich werde ich ewig darauf warten, dass man mir den Schaden ersetzt."
„Wenn ich ihnen schon nicht beim aufräumen helfen konnte, dann kommen sie doch wenigstens heute Abend zu mir zum essen."
Harm lächelte: „Ich will ja nicht unhöflich sein, aber wenn sie kochen..."
„Dann bringen sie eben Pizza mit,"unterbrach ihn Mac, „und ich spendiere die Teller. Es wird sicher ein netter Abend und ich lerne ihre Cousine näher kennen."
Nach einer kurzen Pause meinte Harm: „Einverstanden."

2101 Z-Zeit (17.01 Uhr EDT)
Farragut Einkaufscenter
New Downtown, Washington D.C.

„Rede mit mir, Harmon. Was ist den nur heute passiert, das dich so aus der Fassung gebracht hat? Du bist sonst nie so schweigsam,"Liz wurde langsam ungeduldig.
Harm schaute sie von der Seite an, bevor er sagte: „Mac!"
„Du hast ihr also von der Trennung erzählt," schlussfolgerte Liz und er nickte. Als er wieder schwieg, fragte sie weiter nach: „Und was ist dann passiert?"
„Sie hat auch Schluss gemacht,"sagte er mit undeutlicher Stimme.
„Sie hat mit dir Schluss gemacht? Nein. Ihr wart doch nie zusammen." Völlig verwirrt starrte Liz ihn an.
„Sie hat ihre Verlobung zu Bugme gelöst," erklärte er schließlich.
„Bugme? Was ist den das für ein Name?"fragte Liz sofort, doch dann wurde ihr klar, dass für solche Details sicher nicht der richtige Zeitpunkt war. „Oh, entschuldige. Ich glaube nicht, dass das jetzt so wichtig ist für dich.
Verständnisvoll lächelte er sie an. Und dann klärte er sie auf: „Mic Brumby ist heute morgen nach Australien zurückgekehrt."
„Verstehe. Das ist Macs Ex-Verlobter?!"Er nickte und Liz fuhr fort: „Und du weißt jetzt nicht, wie du dich ihr gegenüber verhalten sollst."
Sie waren in der Zwischenzeit in dem Haushaltswarengeschäft angelangt und gingen durch die Reihen, in denen sie die verschiedensten Geschirrmuster betrachten, während sie weitersprachen.
„Es war schon vorher etwas angespannt zwischen uns, aber jetzt ist alles anders. Und dann war da ja auch noch die Verlobungsfeier."
Überrascht schaute sie ihn an. Was war da vorgefallen? Dieses Ereignis hatte er bis jetzt noch mit keinem Wort erwähnt. „Was ist da passiert?"
„Wir haben uns ausgesprochen und dann haben wir uns geküsst."
„Ein Kuss unter Freunden?"wollte sie wissen, obwohl sie die Antwort eigentlich schon wusste. Sein Verhalten allein sagte schon mehr als tausend Worte.
Trotzdem war sie ein wenig geschockt, als er die Wahrheit aussprach: „Eher ein sehr leidenschaftlicher Kuss."
Liz schaute ihn verblüfft an: „Ihr habt euch richtig geküsst – auf ihrer Verlobungsfeier und dann hat sich nichts zwischen euch geändert!?"
„Naja,"meinte er achselzuckend und man merkte, wie unwohl er sich dabei fühlte. „Wir haben es verdrängt, schließlich wollte sie heiraten. Und zwar nicht mich."
„Jetzt steht diese Sache nicht mehr zwischen euch und du fragst dich, was wird – was sie von dir erwartet – was sie will."
„So im etwa. Und was soll ich jetzt machen?"Er blickte sie hilfesuchend an.
Liz wusste nicht, was sie jetzt auf die schnelle antworten sollte. Schließlich hatte sie selbst erst wenige Erfahrungen gesammelt und diese waren nicht gerade glücklich. Was sollte sie ihm also sagen? Was hätte sie sich als Rat gewünscht? Was hatte ihr bei Max gefehlt? „Rede mit ihr und frage sie, wie sie die ganze Sache sieht."Genau. Vielleicht wäre alles anders geworden, wenn sie nur miteinander geredet hätten.
Liz wurde wieder aus ihren Gedanken gerissen, als Harm fortfuhr: „Ich meine, sie hat gerade erst eine Beziehung hinter sich, ich glaube nicht, dass sie gleich wieder was festes will und mir wäre alles andere zu wenig. Dann lieber gleich nur Freundschaft."
Liz hielt ihn fest und zwang ihn sie anzusehen: „Also zuerst einmal seid ihr mehr als nur Freunde und deshalb ist es verständlich, dass du dir Sorgen machst und dass du keine Affäre willst. Dementsprechend kannst du unmöglich diese Entscheidung allein treffen. Sprich mit ihr. Findet heraus, was ihr beide wollt. Nur so kannst du eine Lösung finden. Und jetzt mach dich nicht verrückt und konzentriere dich."
Harm nahm sie kurz in den Arm: „Danke. Du hast ja Recht, aber ich weiß einfach nicht, wie ich das machen soll."
„Am besten bleibe ich einfach zu Hause. Dann könnt ihr nachher sprechen."
Resolut schüttelte er den Kopf: „Bestimmt nicht. Sie hat dich ausdrücklich mit eingeladen und ich kann dich unmöglich verhungern lassen."
„Aber hattest du nicht mal gesagt, dass sie eine schreckliche Köchin ist."
Harm lachte: „Deshalb bringen wir ja auch Pizza mit."

2359 Z-Zeit (19.59 Uhr EDT)
Apartment "The Washington 2812"
Georgetown, Washington D.C.

Mac öffnete lächelnd die Tür: „Harmon Rabb jr. ist pünktlich. Ich bin geschockt."
Harm lächelte ebenfalls: „Ich hätte schwören können, dass es schon nach acht ist."
„Nein,"Mac schüttelte den Kopf, „es ist jetzt genau um. Sie waren sogar etwas zu früh. Wie soll ich denn damit umgehen? Jetzt kann ich sie nie mehr damit aufziehen, dass sie immer zu spät kommen."
„Schieben sie es einfach auf Liz."
Erst da fiel ihr Blick auf die zweite wartende Person, die die beiden Offiziere grinsend beobachtete und ihr wurde bewusst, dass sie noch immer auf dem Flur standen.
Ihrer einladenden Handbewegung folgend traten Harm und Liz ein. Während Liz noch ihre Jacke ablegte, ging Harm bereits in ein angrenzendes Zimmer. Mac war in einem anderen Raum verschwunden, doch man hörte noch ihre Stimmen: „Zu meinem Bestürzen muss ich leider zugeben, dass ich damit gerechnet habe, dass sie etwas später kommen und deshalb ist der Tisch noch nicht gedeckt."
„Nicht so schlimm. Ich bringe alles mit. Räumen sie nur den Tisch ab."
Liz ging durch das Vorzimmer und schaute in den Raum, in dem Mac verschwunden war. Im Wohnzimmer stand ein großer Tisch, der mit Akten belegt war. Nun versuchte Mac sie so gut es ging zu stapeln und dann auf einem Regal unterzubringen, was sich auf Grund der Menge sehr schwierig gestaltete.
Dann ging sie weiter und kam in die Küche, in der Harm einige Schubladen und Schränke öffnete und einige Dinge herausnahm. Liz bemerkte schnell, dass er sich sehr gut auskannte, denn er brauchte nicht lang und schon hatte er alles gefunden. Dann verteilte er noch die Pizzen auf die Teller und als er sich umdrehte und Liz entdeckte, bat er sie, ihm beim tragen zu helfen.
Als sie gemeinsam das Wohnzimmer betraten, erkannte man es nicht wieder. Die Akten waren verschwunden und auch von den einzelnen Papieren, die vorher den Boden geziert hatten, war nichts mehr zu sehen. Stattdessen standen auf dem Tisch zwei Kerzen, die Mac eben anzündete. Harm verteilte die Teller und legte das Besteck dazu. Dann stellte er die Gläser ab und fragte: „Und was wollt ihr trinken?"
Mac schüttelte den Kopf: „Harm, ich bin hier der Gastgeber. Das ist meine Frage."
„Sie haben schon großzügigerweise die Teller bereitgestellt, da kann ich doch die Getränkebestellung übernehmen,"wehrte Harm ab.
Mac gab sich geschlagen: „Ich habe Orangensaft im Kühlschrank."
„Das klingt gut,"stimmte Liz zu.
„Also Orangensaft für die Damen?"fragte er noch einmal nach.
Als beide nickten, drehte er sich um und kam einige Sekunden später mit dem Saft und einer Flasche Mineralwasser zurück.
Das Essen verlief recht ruhig, da Harm und Mac nicht genau wussten, was sie sagen sollten und sich befangen fühlten.
Liz bemerkte natürlich die Blicke, die sich die beiden immer wieder zuwarfen und deshalb schlug sie vor den Abwasch zu übernehmen, da sie hoffte, dass sie ihre Differenzen beilegen würden, wenn sie allein waren. Somit stellte Liz die Teller zusammen und ging dann in die Küche. Harm hatte zwar angeboten ihr zu helfen, aber sie hatte ablehnt.
Harm und Mac wussten allerdings beide nicht, was sie sagen sollten und vor allem wie sie anfangen sollten und so blieben sie still.
Es war Mac, die das Schweigen letztendlich doch brach: „So kann das doch nicht den ganzen Abend weitergehen. Wir haben sogar schon Liz verschreckt."
„Ich weiß. Verdrängen ist dieses Mal keine Lösung."
„Weil es nicht geht. Diese Gedanken sind da und wir können sie nicht einfach abschütteln,"erklärte Mac und Harm nickte. „Lass mir ein bisschen Zeit, Harm. Ich habe gerade erst eine Beziehung beendet und ich bin total durcheinander."
„Das verstehe ich. Mir geht es doch nicht anders,"stimmte er sofort zu.
„Wir können also weiterhin Freunde sein, ohne dass ständig etwas zwischen uns steht?"Mac blickte ihn fragend an. Und als er lächelnd nickte, atmete sie erleichtert aus. Danach lächelte auch sie.
Genau in diesem Moment betrat Liz wieder das Zimmer und sie bemerkte erfreut, dass sich die Lage entspannt hatte.

0248 Z-Zeit (22.48 Uhr EDT)
Apartment "The Washington 2812"
Georgetown, Washington D.C.

Nachdem Harm und Mac ihr Beziehungsgespräch erst einmal vertagt hatten, ging alles besser. Auf einmal konnten sie wieder ausgelassen miteinander scherzen und davon machten sie auch ausgiebig Gebrauch. Sie neckten sich gegenseitig und dadurch lernte Liz die beiden immer besser kennen. Sie wurde natürlich auch mit in das Gespräch einbezogen und wie sich herausstellte, teilte sie meist Macs Standpunkt. Deshalb gab Harm sich stets beleidigt, obwohl er insgeheim froh war, dass sich die beiden so gut verstanden.
Harm merkte, dass es immer später wurde und so erklärte er plötzlich: „Wir sollten jetzt auch langsam gehen. Es ist spät!"
„Ach, seit wann gehen sie so zeitig ins Bett, Commander. Es ist doch erst 22.49 Uhr und da wollen sie wirklich schon gehen?"gab Mac zurück.
„Wie machen sie das immer?" Liz konnte ihre Verwunderung nicht mehr verbergen.
Mac und Harm schauten sie überrascht an. Doch dann schimmerte ihnen, wovon Liz sprach und Harm setzte zu einer Erklärung an: „Tja, das ist ihr Geheimnis."
„Aber, ich meine, sie können die Zeit angeben, ohne auch nur einen Blick auf eine Uhr zu werfen. Dabei möchte ich anmerken, dass es hier gar keine Uhren gibt."
„Ich brauche ja auch keine. Ich habe mich,"stimmte Mac zu.
„So eine Art innere Uhr also."Und dann schaute Liz sie plötzlich wissend an: „Jetzt erinnere ich mich. Harmon hat es erwähnt, aber ich dachte es wäre ein Scherz."
„Und dann hast du es so schnell wieder vergessen?"erkundigte sich Mac, die dachte, dass Harm es ihr am vorhergehenden Abend erzählt hatte.
Doch Liz verteidigte sich: „Naja. Das ist jetzt bereits einige Jahre her!"
Mac blickte zuerst Liz überrascht an, bevor sie ihren Blick Harm zuwandte, der seinerseits ertappt aussah und gleichzeitig Liz finster anschaute: „Sie haben ihr also schon vor Jahren von mir erzählt."
„Ich musste ihr doch mein Leid klagen," versuchte Harm es herunterzuspielen. „Schließlich musste ich eine neue Kollegin einarbeiten, die auch noch ein Marine war und mich jeden Tag mit einer neuen Eigenschaft überraschte."Da wurde Harm bewusst, dass diese Aussage nicht gerade dazu beitrug, die anderen glauben zu machen, dass alles ganz harmlos sei.
Er wollte etwas ergänzen, als er von Mac unterbrochen wurde: „Danke. Das ist wohl das netteste, was sie jemals über unser Kennenlernen gesagt haben."

Kurze Zeit später brachen sie dann doch auf. Liz bedankte sich immer wieder für den netten Abend, als ihr klar wurde, wie sie sich revanchieren konnte: „Mac, haben sie morgen eigentlich schon etwas vor?"wollte sie wissen.
„Wieso? Nichts besonderes. Ich wollte das Wochenende zum Aufräumen nutzen."
Liz schüttelte den Kopf: „Das kann warten. Harmon will mir morgen die Stadt zeigen und ich dachte, dass sie uns vielleicht begleiten. Zu dritt wird es sicher noch witziger und wir können uns gleich für die Gastfreundschaft bedanken. Was sagen sie?"
„Ich weiß nicht. Ich kann mir vorstellen, dass sie lieber allein wären. Schließlich haben sie sich lange nicht gesehen. Harm?" fragend blickte sie ihn an.
Doch er winkte ab: „Keine Ausreden, Marine. Ich würde mich freuen und sie haben Liz gehört. Damit ist das beschlossene Sache. Wir holen sie gegen 9 Uhr ab."
Alle schauten sich kurz an, um eine Spur von Zweifel in den Augen der anderen zu entdecken, doch als sie nichts fanden, waren sie beruhigt.
Glücklich verabschiedeten sich Harm und Liz und machten sich auf den Heimweg.