A/N: Ich habe so das dumpfe Gefühl, diese "Review-Geschichte" fängt schonwieder an. Wir sollten 30 haben, können aber bloß 28 lesen. Hmpf! Da muß ich dann wohl wieder eine E-Mail schreiben...
Wie dem auch sei: Ich habe mich angestrengt und kann das nächste Kapitel sogar schon heute veröffentlichen! Lobt mich! * lol *
Vicky23 und Morwen89, ihr seid einfach phantastisch! Danke! (Ich vermisse allerdings Hummel und Sara ein wenig. Seid ihr noch da...?)
Okay, ich will euch nicht länger auf die Folter spannen. Viel Spaß! I.

15. Kapitel

Cathea wusste genau, was diese ganze Aktion sollte. Sie hatte bemerkt, dass sich der König und Legolas in einer anderen, wunderschönen Sprache unterhalten hatten, bei der es sich höchstwahrscheinlich um Elbisch gehandelt hatte. Und sie hatte auch die Bemerkungen der beiden Hobbits aufgefangen. Sie besaß genug Verstand um zu erkennen, was das bedeutete. Natürlich hatte der König keine Geheimnisse vor seinen Freunden und es konnte auch nicht die Macht der Gewohnheit gewesen sein, die ihn zu dieser Sprache verleitet hatte, denn wenn dies geschah, wechselte er mit Legolas nur wenige Worte und führte kein langes Gespräch – das hatte sie schon beobachten können. Und sie war ein guter Beobachter. Nein, in dem Gespräch musste es um sie oder Ciscara gegangen sein und da Elessar Ciscara noch brauchte, und nur sie mit den beiden Männern gehen musste, war es wohl eindeutig, dass sie Hauptthema des Gesprächs gewesen war.
Sie wurde weggebracht – ganz eindeutig. Die beiden Männer, die sie begleiteten, brauchten ganz gewiss nicht ihre Hilfe, um ein paar Lebensmittel zu besorgen. Sie brachten sie irgendwohin, von wo aus sie ihnen nicht mehr folgen konnte, da war sie sich sicher. Und sie verspürte eine enorme Wut, die sich besonders gegen den Elben richtete.
So selten sie Elben in ihrem Leben zu Gesicht bekommen hatte – sie hatte sie immer angehimmelt. Sie waren so mystisch, so ungewöhnlich schön und gleichzeitig so klug und stark – und so unerreichbar. Wie hatte sie sich gewünscht, ihnen einmal näher zu sein oder gar einmal ein Abenteuer Seite an Seite mit ihnen zu bestehen. Doch nun zerschlugen sich all ihre Träume.
‚Prinz' Legolas von Düsterwald benahm sich in ihren Augen überhaupt nicht wie ein Prinz, zumindest nicht so, wie man es sich von einem Prinzen erhoffte. Es war nicht so, dass er sie bisher schlecht behandelt hatte – er hatte sie ja sogar vor dem sicheren Tod bewahrt – aber er verhielt sich ihr gegenüber ein wenig arrogant und herablassend und ließ sie damit deutlich spüren, dass er sie irgendwie als unbequeme Last empfand. So war es gewiss auch seine Idee gewesen, sie jetzt fortzubringen, bevor sie Düsterwald erreicht hatte – schließlich war er auch an den König herangetreten. Und das war nicht fair. Sie hatte sich ja noch gar nicht beweisen können. Der Kampf im Dorf konnte nicht zählen – der war zu überraschend gekommen. Sie brauchte halt eine Warmlaufphase und mehr Übung und so gut wie ein Hobbit kämpfte sie allemal. Und die nahmen sie ja auch weiterhin mit. Es war wirklich nicht fair.
Sie hatte schon ein paar Mal überlegt ihr Pferd zu wenden und einfach zu verschwinden, aber den Gedanken hatte sie schnell wieder verworfen. Elben waren bekanntlich sehr gute und schnelle Reiter. Legolas würde sie im Nu wieder eingeholt haben und Heermeister Boromir war lange nicht so freundlich und verständnisvoll wie ihr König. Nein, nein, besser war es abzuwarten, wohin man sie brachte und vielleicht von dort aus zu entkommen.
Also ritt Cathea brav hinter ihren Begleitern her und schluckte ihre Wut und ihren Kummer hinunter. Umso überraschter war sie, als Legolas sein Pferd plötzlich ruckartig anhielt. Es war direkt sichtbar, wie sich all seine Sinne, seine gesamte Wahrnehmung auf irgendetwas für sie Unsichtbares einstellten. Seine schönen Augen schienen sich auf einen Punkt außerhalb ihres Wahrnehmungsfeldes zu richten. Für ein paar Sekunden schien der Elb fast zu erstarren, dann warf er sein Pferd plötzlich herum, rief ihnen ein "Wir müssen zurück!" zu und ließ sein Pferd in einen schnellen Trab fallen. Eine schnellere Gangart schien in dem Dickicht des Waldes nicht möglich.
Cathea hatte Probleme dem Elben zu folgen, denn ihr Pferd war bei Weitem nicht so wendig wie seines. Aber, dass Heermeister Boromir hinter ihr blieb, beruhigte sie etwas; so konnte sie wohl kaum verloren gehen. Dennoch hatte sie Angst. Sie waren bestimmt schon eine Stunde unterwegs gewesen und nach dem Ausdruck in Legolas' Augen zu urteilen, war die Bedrohung nicht allzu weit entfernt. Nun gut, ein Elb nahm Gefahren schon auf etliche Entfernung wahr, aber auch Elessar und die anderen waren weitergezogen und bereits weit weg und wer wusste schon, wie schnell ihre Feinde waren. Sie hoffte nur, dass der Orientierungssinn des Elben genauso ausgeprägt war wie all seine anderen Sinne, sodass sie den Weg zurück möglichst schnell fanden. Wenn sie schon kämpfen musste, dann lieber mit einer großen Anzahl von Freunden hinter sich. Zu ihrem Entsetzen hielt Legolas erneut sein Pferd an, spähte konzentriert in den Wald und schlug dann eine andere Richtung ein.

"Das ist nicht gut", hörte sie Boromir hinter sich murmeln und er musste die Vorahnungen des Elben ja kennen.

Irgendwie begann sich langsam alles in Catheas Innerem zusammenzuschnüren und ihr Herz schraubte sich auf eine nicht ganz angebrachte Geschwindigkeit. Ein dumpfes Gefühl in ihrem Innern sagte ihr, dass sie in große Schwierigkeiten geraten würden, wenn nicht bald ein Wunder geschah. Zu ihrer Beruhigung verlangsamte Legolas nach einer Weile das Tempo wieder. Sein Blick war zwar immer noch konzentriert, aber die Anspannung war ein wenig von ihm abgefallen.

"Waren sie sehr nah?" wagte jetzt auch Boromir zu fragen.

"Ich weiß es nicht genau", gab Legolas zu. "So präzise ist unsere übersinnliche Wahrnehmung nicht. Ich weiß nur, dass sie in diesem Wald sind und dass es sich um mehrere Gruppen handelt. Ich verspürte die Gefahr aus zwei Richtungen."

"Sind sie hinter uns her?" Boromir war anzumerken, dass er unter Hochspannung stand. Seine Hand ruhte schon die ganze Zeit auf dem Knauf seines Schwertes. "Wissen sie, dass wir uns getrennt haben?"

"Das glaube ich nicht", erwiderte der Elb. "Sie werden unsere Spuren entdeckt haben, als wir noch alle zusammen waren."

"Sie wollten uns einkreisen!" entfuhr es Boromir voller Verachtung. "Teufelspack!"

"Es sind nie allzu viele. Einen direkten Angriff können sie nicht wagen", erklärte Legolas und es klang fast so, als wolle er ihre Feinde entschuldigen.

"Dann ist es ein Vorteil, dass wir sie entdeckt haben", meinte Boromir. "Wir müssen nur schnell genug Aragorn erreichen, dann können wir sie mit ihren eigenen Mitteln schlagen." Er trabte an ihn heran und sah ihn auffordernd an. "Wir sollten uns beeilen!"

"Einen Gegner, den man nicht einschätzen kann, sollte man auf gar keinen Fall unterschätzen", gab der Elb zurück. "Wir müssen sehr vorsichtig sein. Ich weiß nicht genau, wo sie sind. Und sie bewegen sich schnell."

"Fühlst du denn noch ihre Gegenwart?" fragte Boromir ungeduldig.

"Ja", war zu Catheas Entsetzen die Antwort. "Nicht so stark wie zuvor, aber das kann sich ganz plötzlich ändern. Wenn wir uns zu sehr beeilen, könnten wir ihnen direkt in die Arme laufen."

"Aber so holt uns die andere Gruppe ein."

"Das ist nicht gesagt und sie müssten dazu wissen, wo wir sind."

"Das werden sie, sobald sie auf unsere Spuren stoßen."

Für einen Moment wusste keiner von beiden etwas zu erwidern, doch schließlich meinte Boromir: "Ich weiß, unsere Lage ist mehr als verzwickt, aber mich hat die Erfahrung gelehrt, dass es in einer solchen Situation das Beste ist, nicht lange nachzudenken, sondern einfach zu tun, was nötig ist. Und hier heißt das für mich: Wir müssen zu Aragorn durchbrechen – ganz gleich, was passiert. Wir brauchen ihn und er braucht uns."

Legolas überlegte einen Augenblick, dann nickte er. Cathea atmete tief durch. Das würde eine wilde Jagd werden.

****

Wild war gar kein Ausdruck. Es war vielmehr eine einzige Katastrophe. Ein Wald war ein gänzlich ungeeigneter Ort, um sein Pferd in einem halsbrecherischen Galopp vorwärts zu jagen. Die Bäume wuchsen so dicht, dass nur ein Ritt im Slalom möglich war, und das Unterholz war so tief, dass Cathea jeden Moment damit rechnete, auf ganz furchtbare Weise zu verunglücken. Zweige schlugen ihr entgegen und hinterließen brennende Kratzer in Gesicht und Armen und wenn sie im Galopp auf besonders dicht bewachsene Stellen des Waldes zustoben, schloss Cathea nur noch die Augen und betete. Lange wagte sie diese jedoch nicht geschlossen zu halten, denn sie hatte Angst, dass irgendwo aus einem Gebüsch ein Feind springen und sie vom Pferd reißen könnte. Wenn sie schon starb, dann wollte sie ihrem Mörder wenigstens ins Gesicht blicken.
Und dann passierte irgendetwas. Sie wusste nicht genau, was geschehen war, aber Boromirs Pferd stieg plötzlich und warf sich so ungeschickt zur Seite, dass sein Reiter zu Boden stürzte. Reflexartig griff Cathea heftig in die Zügel ihres Pferdes, um den Heermeister nicht umzureiten, mit dem Effekt, dass nun auch ihr Pferd stieg und sie ebenso gekonnt wie Boromir im Dreck landete. Der stand bereits wieder auf den Beinen und zog sein Schwert. Seine Augen suchten hektisch die Umgebung ab.
Cathea bemerkte, dass auch Legolas nicht mehr auf dem Pferd saß, sondern hinter Boromirs tänzelndem Tier, das er fest am Zügel hielt, Deckung gesucht hatte. Nein, er hatte keine Deckung gesucht. Mit Entsetzten stellte Cathea fest, dass er einen relativ kurzen, eigenartigen Pfeil aus dem Hals des Tieres zog. Sie wurden angegriffen – auch wenn der Gegner momentan nicht zu sehen war und versteckt blieb.
Cathea rappelte sich so schnell wie möglich auf und zog mit zittrigen Fingern ihr eigenes Schwert. Noch gaben die Pferde, die aus irgendeinem wunderlichen Grund bei ihnen blieben, ihnen genug Schutz. Doch dies würde gewiss nicht lange so bleiben. Legolas wandte sich zu ihnen um und gab Boromir ein kurzes Handzeichen. Der Krieger nickte.
"Los, such' dir einen Baum als Deckung!" raunte er ihr zu und brachte sich mit einer Geschicklichkeit und Schnelligkeit in Sicherheit, die Cathea ihm gar nicht zugetraut hätte. Mit wild klopfendem Herzen verbarg sie sich schnell hinter einer dicken Eiche. Vorsichtig lugte sie um sie herum, um zu beobachten, was nun geschah.

Auf irgendein lautloses Signal des Elben stieg der Schimmel plötzlich in die Höhe, um dann im wilden Galopp und gefolgt von den anderen Tieren davon zu preschen. Wie eine Katze sprang Legolas in die Deckung eines Baumes und verharrte dort in regloser Starre. Nein, völlig reglos blieb er nicht, denn Cathea konnte sehen, wie er einen Pfeil zog und den Bogen spannte.
Pfeile! Vielleicht war das auch für sie die bessere Möglichkeit sich zu verteidigen. Schließlich war sie im Bogenschießen immer recht gut gewesen. Cathea steckte vorsichtig ihr Schwert weg und kramte ihren Bogen und einen Pfeil hervor. Vielleicht hatte sie so eine bessere Chance zu überleben. Sie sah zu Boromor hinüber, der ebenso bewegungslos wie Legolas hinter seinem Baum stand und in Anspannung wartete. Wartete... worauf? Geräusche – natürlich! Was man nicht sehen konnte, konnte man vielleicht hören.
Cathea wollte gerade die Augen schließen, um sich besser auf ihr Gehör zu konzentrieren, als sie plötzlich eine Bewegung wahrnahm. Das Entsetzen ließ für einen Moment ihren Herzschlag aussetzen. Sie sah etwas – etwas, das sich in dem Schleichgang eines Raubtieres und immer wieder inne haltend auf Boromir zu bewegte. Das Wesen hob sich kaum von der Umgebung ab, in der es sich befand. Es war perfekt getarnt. Nur seine katzenhaften Bewegungen ließen es ab und zu sichtbar werden. Boromir schien es nicht zu bemerken. Entweder bewegte es sich mit einer solchen Geschicklichkeit durch das Unterholz, dass es kaum ein Geräusch verursachte oder der Heermeister war zu abgelenkt, da er den Angriff aus einer anderen Richtung erwartete und das Wesen noch zu weit entfernt war, als dass er es hören konnte. Tatsache war nur, dass er es wirklich nicht wahrnahm und das konnte ihn leicht sein Leben kosten, denn Cathea hatte etwas in den Händen des Geschöpfes entdeckt, das ihr gar nicht gefiel: Einen gespannten Bogen.
Sie hatte keine Zeit um zu zögern und was sie tat, tat sie nur, weil niemand anderes zur Hilfe eilen konnte. Als der Pfeil von ihrer Sehne schnellte, hob das fremde Wesen schon seinen Bogen. Der Pfeil traf es an der Schulter, zerbrach aber daran, ohne es ernsthaft verletzt zu haben. Doch Boromir war durch das Zischen des Pfeiles gewarnt und nahm seinen Kopf gerade in dem Moment zur Seite, als der feindlich Pfeil sein Ziel erreichte. Statt in Boromirs Auge, drang das Geschoss nun tief in die Rinde des Baumes. Für einen Moment sah der Krieger so aus, als wolle er vor Wut in den Pfeil beißen. "Das mochte ich schon damals nicht!" hörte Cathea ihn zischen und dann stürzte er sich mit einem wütenden Grollen auf den nun für ihn sichtbaren Feind.
Der M'aru war nicht schnell genug, um noch einen Pfeil abzuschießen, denn im nächsten Moment fiel sein Körper kopflos in sich zusammen. Und plötzlich kam Bewegung in den Wald. Der Feind schien überall zu sein. Cathea kam nicht dazu sie zu zählen, denn ganz in ihrer Nähe stürzte eine Gestalt aus den Büschen, in einer Hand eine Art Schwert schwingend. Cathea blieb nichts anderes übrig als zur Seite zu springen, und die Wucht des Hiebes trieb die Klinge tief in den Baum – zu tief, denn ihr Angreifer hatte nun Probleme sie wieder herauszuziehen. Dafür stürmte schon der nächste M'aru auf sie zu, eine riesige Axt über dem Kopf schwingend. Irgendetwas zischte dicht an Cathea vorbei und ihr Gegner landete mit einem Pfeil im Auge rückwärts im Laub. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer ihr nun schon zum zweitenmal das Leben gerettet hatte, und sie hatte auch keine Zeit dazu, denn ihrem anderen ‚Freund' war es gelungen, sein Schwert zu befreien.
‚Pfeil – Auge' ging es ihr durch den Kopf, als ihr Gegner weit ausholte, und sie stach zu. Nur eine leichte Bewegung zur Seite bewahrte sie davor, unter seinem schweren Körper begraben zu werden. Geistesgegenwärtig ergriff sie das Schwert des Toten. Es war besser als ihres und so nahe, wie die Angreifer waren, machte es wenig Sinn, noch weiter mit Pfeilen zu schießen. Sie war nicht so schnell und treffsicher wie Legolas, der einen Feind nach dem anderen niederschoss. Aber auch er zog schließlich zwei lange Klingen, um sich effektiver wehren zu können.

"Cathea!" rief Boromir ihr zu und streckte einen weiteren Gegner mit einem kraftvollen Hieb nieder. "Hinter dir!"

Sie warf sich herum und riss mit ihrem eigenen Schwung das Schwert hoch. Ihr Angreifer war noch nicht nahe genug heran, sonst hätte der Hieb ihn garantiert getötet, doch er fuhr ihm stattdessen nur tief in die Seite. Cathea erwartete nun, dass der M'aru sie angriff, aber er starrte nur voller Entsetzen auf das Schwert in ihrer Hand – ein Schwert seines Volkes. Er ließ seine Waffe fallen, presste seine Hände gegen die blutende Wunde, warf sich dann herum und rannte davon.
Cathea wandte sich atemlos um. Der Kampf war fast vorüber. Boromir stach noch einen Angreifer nieder, dann wurde es still um sie herum. Der Feind war geflohen. Völlig erschöpft ging Cathea auf die beiden Männer zu – und dann passierte es. Sie hörte wieder dieses Zischen und sah von irgendwoher ein Geschoss direkt auf Boromir zusteuern. Es vergingen nur Sekunden. Cathea stieß einen Schrei aus, während Legolas mit einem Arm Boromir zur Seite stieß und sich selber duckte. Doch der Pfeil streifte noch seine Schulter, ehe er in einen Baum drang. Fast zeitgleich wirbelten Legolas' Klinge und Boromirs Schwert durch die Luft und nagelten den letzten Angreifer an dem Baum fest, vor dem er stand. Sein Körper zuckte noch einen Moment, dann erschlaffte er.

"Er hat dich erwischt", stellte Boromir besorgt fest, als er sich zu seinem Freund umwandte.

"Sie werden wiederkommen", meinte Legolas, ohne auf ihn einzugehen.

Er lief zu dem Baum und zog sein Kurzschwert und Boromirs Waffe aus dem Toten, sodass dieser langsam zu Boden rutschte. Dann kam er mit ernstem Gesichtsausdruck zu ihnen zurück und drückte Boromir sein Schwert in die Hand.

"Wir müssen verschwinden", sagte er und stieß einen eigenartigen Pfiff aus. "Ich hoffe nur, dass eure Pferde nicht allzu weit weggelaufen sind."

"Legolas!" Boromir packte den Elben am Arm und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. "Du sagtest doch, die Pfeile wären vergiftet!"

"Nicht alle", klärte Legolas ihn ruhig auf, aber sein Blick flackerte.

"Und wenn dieser es war?"

"Es ist nur eine oberflächliche Verletzung." Der Elb atmete tief durch. "Wir dürfen nicht noch länger hier bleiben. Wenn er wirklich vergiftet war, waren es die anderen auch und dann ist es so und so zu spät."

Boromir runzelte die Stirn. Sein Blick wanderte prüfend über Legolas Körper und verfinsterte sich. Erst in diesem Moment entdeckte auch Cathea die Verletzung an der Seite des Elben, aus der immer noch das kurze Ende eines Pfeils ragte. Er hatte den Pfeil in der Hektik des Kampfes wohl abgebrochen, um nicht dadurch behindert zu werden.

"Wann ist das passiert?" fragte Boromir leise und steckte sein Schwert weg.

"Als ich dein Pferd herumgerissen habe", antwortete Legolas nüchtern. "Es kam noch ein weiterer Pfeil."

Boromir schüttelte resigniert den Kopf.

"Warum hast du nichts gesagt?"

Er schien gar nicht mit einer Antwort zu rechnen, denn er packte das Ende des Pfeils und zog es mit einem Ruck heraus. Legolas gab einen unterdrückten Schmerzenslaut von sich, blieb aber tapfer stehen und ließ nur eine Hand auf der Wunde ruhen.

"Gut, lasst uns gehen", meinte Boromir und warf die blutige Spitze des Pfeils verächtlich in ein Gebüsch. "Jetzt haben wir es noch eiliger zu Aragorn zu stoßen."

Wortlos liefen sie los. Cathea sah sich unsicher um. Wenn der Feind noch in der Nähe war, mussten sie mehr als vorsichtig sein. Sie konnte die Anspannung ihrer Weggefährten fast körperlich fühlen und besonders bei Boromir eine große Nervosität, die wohl auf seine Sorge um Legolas zurückzuführen war. Er behielt sowohl die Umgebung als auch seinen Freund im Auge und auch Cathea konnte es nicht verhindern, dass sie immer wieder einen ängstlichen Blick auf den Elben warf. Sie betete innerlich, dass die Pfeile nicht vergiftet waren oder dass der Elb ganz einfach gegen dieses Gift immun war, doch sie musste bald feststellen, dass ihre Gebete nicht erhört wurden.
Zuerst war es nur ein kurzes Stolpern, das sich unauffällig in seine Bewegungen einschlich. Bei jedem anderen Wesen wäre das nicht weiter verwunderlich gewesen, schließlich lag ein kräftezehrender Kampf hinter ihnen; für einen Elben jedoch war es ein Signal, dass etwas nicht stimmte. Boromir hatte es wohl auch registriert, denn sein Gesichtsausdruck wurde noch verkniffener, als er es in Stresssituationen sonst war.
Cathea fragte sich, was wohl in Legolas vorging, denn er musste es schon viel eher gespürt haben. Nach außen hin sichtbar wurden die Auswirkungen eines Giftes meist erst später – der wahre Kampf tobte im Inneren des Körpers. Doch im Gesicht des Elben zeigte sich keine Regung. Er wirkte konzentriert und wachsam. Bis auf das leichte Stolpern, das ihm jetzt immer häufiger unterlief, war ihm nichts anzumerken. Vielleicht war das Gift ja gar nicht so stark, wie sie es alle angenommen hatten, oder der Elb nur besonders widerstandsfähig und es geschah nicht viel mehr, als dass Legolas ein paar Mal stolperte. Sie wagte es kaum zu hoffen. Wieder stieß Legolas diesen merkwürdigen Pfiff aus.

"Meinst du er ist wirklich noch irgendwo in der Nähe?" fragte Boromir atemlos.

Legolas nickte angestrengt.

"Er weiß, dass wir ihn brauchen."

Sprechen und laufen – das war wohl zuviel. Das nächste Straucheln brachte Legolas dem Erdboden näher, als es ihm lieb war. Nur durch Boromirs schnelle Reaktion entging er dem schmerzhaften Zusammenstoß mit einem Baum. Doch die beiden dachten gar nicht daran, aus diesem Grund anzuhalten. Boromir zog den Elben, gestützt durch einen seiner Arme, einfach mit sich. Der hatte nun sichtliche Schwierigkeiten, das Tempo, mit dem er sich zuvor fortbewegt hatte, wiederzufinden. Seine Bewegungen wurden plumper, ungeschickter, fast unkoordiniert – und ganz allmählich wurden sie alle dadurch langsamer.
Ein lautes Krachen aus dem Dickicht ließ Cathea heftig zusammenfahren. Boromir griff nach seinem Schwert, ohne den in seinen Armen jetzt mehr oder weniger hängenden Legolas loszulassen. Zu ihrer aller Erleichterung war es nur der Schimmel des Elben, der mit einem freudigen Brummeln auf sie zukam.

"Dem Himmel sei Dank!" rief Boromir erfreut aus. "Das ist unsere Rettung!"

"Die anderen sind nicht bei ihm", stellte Legolas erschöpft fest.

"Das ist doch egal."

Boromir wollte sich nicht aus seinem Enthusiasmus reißen lassen.

"Wir können nicht zu dritt auf einem Pferd reiten", warf Legolas ein.

"Das werden wir auch nicht."

Boromir trat mit ihm zusammen an das Pferd heran. Cathea wusste sofort, was er vorhatte, und ergriff schnell die Zügel des Tieres, damit es sich nicht wegbewegen konnte.

"Wir setzten dich auf seinen Rücken – dann sind wir schneller."

"Nicht schnell genug."

"Was soll das heißen?"

"Sie kommen", sagte Legolas nur und schon machte Catheas Magen eine unangenehme Umdrehung. Noch einen solchen Kampf würden sie nicht überleben.

"Wieviel Zeit bleibt uns?" fragte Boromir angespannt.

Seine Gedanken schienen sich zu überschlagen.

"Nicht viel – vielleicht eine viertel Stunde," war die deprimierende Antwort.

"Gut - dann wirst du zu Aragorn reiten", sagte er und machte Anstalten, Legolas auf das Pferd zu helfen.

Doch der Elb sträubte sich und schob den Krieger ein Stück von sich weg. Irgendwie hatte er sich wieder ein wenig erholt und war in der Lage alleine zu stehen.

"Du musst reiten!" sagte er mit Nachdruck. "Ich werde mich nicht lange genug oben halten können. Das Gift lähmt meine Glieder."

"Dann nehme ich dich mit!" stieß Boromir fast verärgert aus. "Du brauchst Hilfe!"

"Du wärst zu langsam. Aragorn ist nicht mehr weit von uns entfernt. Hol' ihn hierher!"

Boromir sah seinen Freund voller Sorge an, doch dann nickte er. Es gab keine andere Möglichkeit. Wortlos schwang er sich auf den nervös tänzelnden Schimmel. Als Legolas eine Hand auf die Stirn des Tieres legte, beruhigte es sich sofort wieder.

"Du kannst dich auf Olórin verlassen", brachte der Elb müde hervor. "Er weiß, dass es jetzt auf ihn ankommt und wird dich auf dem schnellsten Weg zu Aragorn bringen."

Wieder nickte Boromir, dann sah er Cathea an.

"Versteckt euch! Einen Kampf überlebt ihr nicht. Ich bin bald wieder da."

Damit zog er den Schimmel herum und preschte davon.

Cathea atmete tief durch. Sie trug jetzt die Verantwortung für sie beide. Sie sah Legolas an, der immer noch aufrecht aber schwer atmend neben ihr stand. Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet und er war ungewöhnlich bleich.

"Du musst nicht bei mir bleiben", sagte er und blickte sie nun ebenfalls an. "Es wäre besser, wenn du weiterläufst. So kannst du dich vielleicht retten."

Hätte der Elb nicht so furchtbar elend ausgesehen, wäre sie bei dieser Bemerkung wahrscheinlich in die Luft gegangen. Sie war doch kein mieser Feigling und überließ ihre Kameraden dem sicheren Tod!

"Wir verstecken uns", sagte sie fest und trat an ihn heran. "Kannst du laufen?"

Legolas brachte ein schwaches Lächeln zustande.

"Ich kann es versuchen."

Sie ergriff wortlos seine Hand und legte sich seinen Arm um die Schultern.

"Das ist doch schon mal ein Anfang", sagte sie und schenkte nun auch ihm ein halbes Lächeln.

Die ersten Schritte fielen dem Elben sichtlich schwer und auch Cathea hatte Probleme gerade zu laufen, weil ein Teil von seinem Gewicht auf ihren Schultern lastete. Legolas war schon schwächer, als sie angenommen hatte. Aber er bemühte sich wirklich, ihr das Vorwärtskommen nicht allzu sehr zu erschweren. Nach einer Weile hatte sie den Bogen raus und kam einigermaßen schnell voran. Es hatte doch etwas für sich, nicht ganz so zart gebaut zu sein. Doch nirgendwo konnte sie ein geeignetes Versteck ausmachen, das sie beide verbergen konnte. Da waren überall nur Bäume, Büsche und Laub – und dicke Wurzeln, die das Gelände uneben machten. Und der Elb wurde immer schwerer. Sie spürte, dass der Griff, mit dem er sich an ihrer Schulter festhielt, nachließ und packte schnell sein Handgelenk, bevor er ihr entgleiten konnte. Mit ihrer anderen Hand griff sie fester um seine Taille und versuchte ihn so etwas mehr aufzurichten, aber es gelang ihr nicht richtig. Ein Versteck musste her – so schnell wie möglich!

"Lass... mich hier", brachte Legolas leise, unter schweren Atemzügen hervor. "Ich... verliere die Kontrolle... über meinen Körper... Du kannst mich nicht tragen..."

Sie schüttelte verbissen den Kopf und schleppte sich mit ihm taumelnd weiter vorwärts.

"Du wirst... sterben... Sie werden dich töten...", warnte er sie schwach. "Sie... sie kommen..."

Catheas Herz klopfte schmerzhaft in ihrer Brust. Sie sah ihn bewusst nicht an. Sie wollte diesen drängenden Blick nicht sehen, den sie von der Seite spürte, weil sie Angst hatte, ihm und ihrer eigenen Angst, ihrem eigenen Bedürfnis, ihn abzuschütteln und davonzurennen, schließlich doch nachzugeben. Tapfer zu sein, war in solcher Situation die reinste Qual und eigentlich hatte sie schon fast genug von diesem Abenteuer.
Ihr Blick suchte erneut hektisch die Umgebung ab und schließlich entdeckte sie etwas, das ihr Herz einen kleinen, freudigen Sprung machen ließ. Sie befanden sich am Fuße eines kleinen Hügels, der über und über mit Laub bedeckt und von Bäumen und Büschen bewachsen war. Und weiter oben verbarg sich unter dem Laub, umgeben von einigen dieser Büsche und den knorrigen Wurzeln zweier gewaltiger Bäume, ein größerer Felsen.

"Da rüber!" stieß sie hervor und setzte sie beide wieder in Bewegung.

Es kostete sie große Mühe und viel Kraft, den etwas steilen Hang mit der Last des Elben zu erklimmen, aber es lohnte sich. Der Felsen verlief schräg nach oben und bildetet so eine relativ große Kuhle zwischen seinem oberen Verlauf und den großen Wurzeln des Baumes, der neben ihm wuchs. Sie versuchte sich vorsichtig hinzuknien, um dann Legolas langsam loszulassen, aber irgendwie verlor sie das Gleichgewicht und sie stürzten gemeinsam vornüber in die Kuhle und schmerzhaft gegen den Felsen. Sie biss die Zähne zusammen und versuchte, ihre und seine Gliedmaßen auseinander zu sortieren und schließlich saß sie eingequetscht in der Kuhle, den fast völlig erschlafften Elben halbwegs in ihren Armen haltend.

"Sie kommen...", konnte sie ihn flüstern hören, "... sie kommen..."

Cathea wusste nicht, in wie weit Legolas noch in der Lage war, ihre Feinde tatsächlich wahrzunehmen, oder ob es eher Fieberträume waren, hervorgerufen durch das Gift. Sie konnte die unnatürliche Wärme seines Körpers selbst durch seine und ihre Kleider spüren. Er brauchte dringend die Hilfe eines Heilers – und sie brauchten Verstärkung, wenn der Feind tatsächlich näherrückte.
Sie beugte sich ein wenig vor, griff um Legolas herum und schob Laub zu ihnen heran, buddelte sich und den Elben halbwegs in die vermodernden Blätter ein. Dann kramte sie hektisch ihren Bogen hinter ihrem Rücken hervor. Legolas sagte etwas, doch sie konnte es nicht verstehen. Sie brachte ihr Ohr in die Nähe seines Mundes.

"Nimm... meinen Bogen. Die Pfeile sind... stabiler", stieß er zwischen ein paar schweren Atemzügen hervor.

Sie nickte. Er hatte recht. Wenn sie entdeckt wurden, waren seine elbischen Waffen bessere Verteidigungsmittel.
Sie löste den Riemen, der den Pfeilköcher an Legolas' Körper hielt und zog ihn und den Bogen unter ihm hervor.
Er hatte ohnehin schon unangenehm in ihren Bauch gedrückt. Sie legte den Köcher neben sich und nahm den langen, schönen Bogen sowie einen Pfeil in ihre Hand. Dann ließ sie sich, Legolas fest in den Armen haltend, zur Seite nieder und hoffte, somit für den Feind möglichst unsichtbar zu werden.

******************************************************************************

A/N: Jenna, nochmal vielen, VIELEN Dank für dieses: "Für einen Moment sah der Krieger so aus, als wolle er vor Wut in den Pfeil beißen." Es ist einfach großartig! * lol *
Wie immer sind Lob und Tadel herzlich willkommen. I.