A/N: Halli, hallo! Ich hoffe, ihr hattet die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Wir machen wirklich so schnell es geht!
Vielen, vielen Dank für die lieben Reviews! Wir freuen uns wirklich immer fast tot darüber. Danke! Ihn seid die liebsten Leser der Welt. :) I.
19. Kapitel
Es waren aufgebrachte Rufe, die Aragorn aus seinem leichten Schlaf weckten. Jemand rief seinen Namen. Aragorn besaß genug Selbstbeherrschung, um von seinem Schlafplatz hochzufahren und sofort hellwach zu sein. Er erfasste die Situation mit einem Blick. Legolas war aufgewacht. Nur gab es einen gewaltigen Unterschied zwischen einem völlig kraftlosen, weggetretenen Elben, der sein Fieber überwunden hatte, und einem Elben, der einen Teil seiner Kraft und seiner Wahrnehmung, aber nicht die volle Kontrolle über seinen eigenen Körper zurückgewonnen hatte. So schwach und ruhig Legolas in der Nacht gewesen war – in diesem Moment war er ein völlig anderer. Und die beiden Hobbits, die wohl bis soeben noch über seinen Schlaf gewacht hatte, waren mit der Situation restlos überfordert.
Der Elb hatte irgendwie seinen Schlafplatz verlassen können, denn er taumelte gerade gegen einen Baum, der in seiner Nähe stand. Sein Blick wirkte gehetzt und versuchte angestrengt seine Umgebung zu erfassen, während die Hobbits sich ihm vorsichtig näherten. Merry redete beruhigend auf ihn ein, während Pippin sich immer wieder hilfesuchend nach Aragorn umsah.
"Merry! Pippin! Bedrängt ihn nicht!" rief Aragorn ihnen zu und stand auf.
Der Elb wich den herannahenden Hobbits aus und stolperte auf den Schlafplatz von Boromir, der glücklicherweise durch den Tumult erwacht war und ihm so rechtzeitig ausweichen konnte. Dennoch konnte sich Legolas nicht mehr auf den Beinen halten und stürzte. Seine wiedergewonnenen Reflexe bewahrten ihn davor, schmerzhaft in Boromirs sorgsam zusammengestellten Waffen zu landen. Er fing sich mit den Händen ab und rollte sich zur Seite, sodass er sofort wieder in eine sitzende Position kam. Schwer atmend, mit Panik im Blick, schob er sich an dem Baum hoch, an dem Boromirs Gepäck lehnte.
"Oh, oh", brachte Aragorn leise hervor, denn Legolas Hand stieß an das Schwert Boromirs.
Der Elb besaß zwar noch nicht besonders viel Kraft, aber mit dem Ansporn der Angst, die ihm im Nacken saß, reichte es aus, um das Schwert zu heben und schützend vor sich zu halten. Merry zog den erstaunten Pippin, der in der Nähe des Elben stand, mit einem Ruck zurück.
"Aber wir sind doch seine Freunde", stieß Pippin verletzt hervor.
"Nichts ist unberechenbarer als ein wildgewordener Elb", brummte Boromir grimmig und versuchte sich ihm vorsichtig von der Seite zu nähern. Das Schwert sauste zischend durch die Luft und zielte nun auf Boromirs Hals. Legolas stieß irgendetwas atemlos hervor und Boromir machte einen großen Schritt zurück.
"Ich verstehe dich nicht."
"Er sagte: Bleib wo du bist", übersetzte Aragorn für ihn und trat nun seinerseits näher an den Elben heran.
"Senda, Legolas", sprach er ihn auf Elbisch an. ~ Hier gibt es keine Feinde. Du kannst das Schwert wieder weglegen.~
Der Klang seiner eigenen Sprache schien Eindruck auf den Elben zu machen, doch sein Misstrauen stand ihm noch deutlich ins Gesicht geschrieben. Sein Gehör schien den Klang von vertrauten Stimmen noch nicht so ganz zu erfassen, genauso wie seine Augen die Freunde nicht wirklich erkennen konnten. Dennoch fiel es dem Elben anscheinend furchtbar schwer, seinen Sinnen, die ihm vorgaukelten irgendwelche Monster vor sich zu haben, nicht zu trauen. Sie hatten ihn sonst nie betrogen. Doch Aragorn wollte sich nicht davon aufhalten lassen und wagte sich noch näher an seinen Freund heran, in der Hoffnung ihm so das Erkennen leichter zu machen. Sofort zielte das Schwert auf seine Brust.
~ Ich weiß, es fällt dir schwer irgendjemanden von uns zu identifizieren,~ fuhr Aragorn ungerührt fort und schüttelte kurz den Kopf, als auch Boromir wieder näher kommen wollte, wohl um den Elben zu überwältigen.
~Aber du musst uns vertrauen.~
Legolas' Augen wurden zu schmalen Schlitzen, als er sie zusammenkniff, um angestrengt zu erfassen, wer da mit ihm sprach. Aber schließlich schüttelte er nur verzweifelt den Kopf.
~ Vertrau mir,~ sagte Aragorn sanft. ~ Du kennst mich schon so lange. Lass dich nicht von deinen fehlgeleiteten Sinnen irritieren. Heute Nacht hast du gefühlt, dass du in Sicherheit bist. Und so ist es immer noch.~
Das Schwert zitterte in Legolas' Händen und dann senkte es sich langsam.
"Aragorn?"
Es war mehr eine Frage als eine Feststellung und große Unsicherheit schwang in Legolas' Stimme mit.
~ Ja, mein Freund,~ erwiderte Aragorn mit einem erleichterten Lächeln und nahm dem Elb vorsichtig das Schwert aus der Hand.
Der ließ es ohne weitere Gegenwehr geschehen. Die Erschöpfung forderte ihr Tribut. Mit vor Anstrengung zitternden Beinen sank Legolas langsam an dem Baum herab, der ihm vorher so viel Halt gegeben hatte. Aragorn erfasste schnell seinen Arm, um ihn zu stützen, und ließ sich mit ihm nieder. Der Elb atmete schwer und wirkte für einen Moment so abwesend wie zuvor in der Nacht, doch dann klärte sich sein Blick wieder. Nur das Zittern blieb. Es war mittlerweile auf seinen ganzen Körper übergegangen – ein Zeichen völliger Entkräftung.
"Pippin, bring mir seine Decke!" warf Aragorn dem Hobbit über die Schulter zu und dieser reagierte sofort.
Es dauerte nur wenige Sekunden und Aragorn konnte seinen erschöpften elbischen Freund sorgsam in seine Decke wickeln.
"Was hat er ihm wohl gesagt?" hörte Aragorn Pippin hinter seinem Rücken fragen.
"Dass er nichts zu essen kriegt, wenn er nicht artig ist", kam von Merry prompt die Antwort.
Pippin musste seinen Freund wohl mit einem sehr eigenartigen Ausdruck ansehen, denn der fuhr plötzlich auf: "Was weiß ich?! Ich kann kein Elbisch!"
Aragorn schmunzelte in sich hinein, widmete dann aber Legolas wieder seine volle Aufmerksamkeit. Er legte prüfend eine Hand auf dessen verschwitzte Stirn und musste feststellen, dass das Fieber noch nicht völlig verschwunden war. Er zog seine Hand zurück und umfasste Legolas Schultern, so dass dieser gezwungen war ihn anzusehen.
"Kannst du verstehen, was ich sage?"
Der Elb schloss für einen Moment müde die Augen, sah ihn dann aber wieder an und nickte halbwegs.
"Aber nicht alles," hakte Aragorn nach und wieder war ein Nicken die Antwort. "Kannst du etwas sehen?"
~ Nur Umrisse,~ brachte Legolas unter Anstrengung hervor. ~ Dunkle Gestalten. Aber es wird besser...~
"Was sagt er?" ertönte wieder Pippins Stimme von hinten und machte Aragorn erst mit seiner Bemerkung darauf aufmerksam, dass sein Freund immer noch nur Elbisch sprach. Ein weiteres Zeichen dafür, dass es ihm noch nicht so gut ging, wie Aragorn gehofft hatte.
"Er sieht und hört nicht richtig", erklärte Aragorn für die anderen. "Und er ist noch sehr schwach."
Dem Elben fielen schon wieder die Augen zu und Aragorn richtete sich nachdenklich auf.
"Aber er ist gerade gelaufen", entgegnete Pippin.
"Na, Laufen konnte man das ja nun wirklich nicht nennen", warf Merry ein. "Das macht ja Sams Kleiner besser!"
"Das ist wahr", stimmte Sam ihm stolz zu.
Pippin ließ sich von dem Gerede der anderen nicht beirren.
"Er wollte uns angreifen!"
"Entschuldige, aber selbst ich hätte es geschafft ihn zu überwältigen", erwiderte Merry großspurig.
"Ach, ja?"
"Ja."
"Ich dachte, ein Hobbit könnte nie einen Elben erledigen!"
"Einen kranken schon."
"Und warum hast dann nicht du das ganze beendet?"
"Das wollte ich Legolas nicht antun. Aragorn ist sanfter als ich."
"Merry! Pippin!" brachte Aragorn die beiden Streithähne zur Ruhe. Ihm war klar geworden, worauf Pippin hinaus gewollt hatte. "Legolas wird auf jeden Fall gesund," erklärte er und die Erleichterung, die sich in den Augen des Hobbits zeigte, bestätigte seine Vermutung. "Die Frage ist nur, ob wir ihn transportieren können."
"Wir sollten es riskieren", mischte sich Boromir ein. "Wir haben schon zu lange an ein und demselben Ort verweilt."
Aragorn dachte angestrengt nach und sah sich dann nach einer anderen Person um, deren Meinung ihm sehr wichtig geworden war. Ciscara besaß von allen anderen noch das meiste medizinische Wissen. Und obwohl er wusste, dass Boromir recht hatte, wollte er trotzdem wissen, was sie zu dieser Sache zu sagen hatte. Sie stand, wie er geahnt hatte ganz in seiner Nähe und wirkte überrascht und verunsichert, als er sie ansah. Dennoch brauchte er seine Frage nicht auszusprechen.
"Ich... äh... denke, wir sollten es versuchen", sagte sie. "Ich weiß zwar nicht viel über Elben, aber ich würde es selbst mit einem Menschen in einem solchen Zustand riskieren. Der Transport auf einer Trage wird ihm nicht allzu viel abverlangen. Und wenn es Probleme gibt, können wir immer noch anhalten. Wenigstens haben wir dann unseren Lagerplatz gewechselt."
Aragorn nickte. Eigentlich waren es genau die Argumente, die er hatte hören wollen, aber so ganz wohl fühlte er sich dennoch nicht. Legolas sah so blass und schwach aus. Er war nur noch ein Hauch von dem Elben, der er sonst war. Alles, was an Bewegung für ihn über ein Aufrichten und Wiederhinlegen hinaus ging, kam Aragorn wie eine furchtbare Zumutung vor. Aber es ging wirklich nicht anders.
Eine große Hand legte sich auf seine Schulter und dann vernahm er die beruhigende Stimme Boromirs: "Er bekommt seine Zeit zur Erholung. Wir haben das Reich der Waldelben fast erreicht."
"Ja, ich weiß."
Aragorn atmete tief durch und straffte die Schultern.
"Dann sollten wir uns fertig machen."
Er wollte sich zu seinem Schlafplatz begeben, doch irgendjemand zupfte ihm zaghaft am Ärmel. Er sah verwundert auf Pippin hinab.
"Könnten wir vielleicht vorher ein kleines Frühstück...?"
Pippin sprach nicht weiter, sondern sah ihn nur mit großen hungrigen Augen und einem schüchternen Lächeln fragend an.
"Auf dem Weg, Pippin", erwiderte Aragorn ruhig. "Nicht vorher."
Der Blick des Hobbits nahm einen flehendlichen Ausdruck an.
"Ein klitzekleines...?"
"Äpfel kann man auch auf dem Rücken eines Ponys essen."
Aragorn tat es wirklich leid, aber das war sein letztes Wort.
************************************************************************
Cathea fühlte sich hundeelend, als sie ihre Reise zum Reich der Elben fortsetzten. Sie hatte furchtbare Kopfschmerzen, war völlig übermüdet und jeder einzelne Muskel ihres Körpers schmerzte. Auf einer Decke am Boden zu liegen und ständig geweckt zu werden, war wohl nicht gerade die ideale Art, um sich von den Strapazen ihres alptraumhaften Erlebnisses zu erholen. Ein Lichtblick dieses Tages war jedoch gewesen, ihr Pferd unter den anderen Tieren zu entdecken. Sie liebte diese Stute wirklich und hätte es kaum ertragen können sie zu verlieren. Und die Unbequemlichkeiten eines Rittes zu zweit auf einem Pferd hätten ihr gewiss den Rest gegeben.
Sie rieb sich müde die brennenden Augen, wie sie es schon so oft getan hatte, seit sie unterwegs waren, und sah dann zu Boromir hinüber, der neben ihr aufrecht im Sattel saß, aber mit seinen Gedanken eindeutig woanders war. Sie beide bildeten das Schlusslicht des kleinen Trosses, der sich etwas angespannt und so leise wie möglich durch den Wald bewegte. Boromir bemerkte ihren Blick und sah sie fragend an.
"Liegt dir etwas auf dem Herzen?" erkundigte er sich.
"Wie lange wird es noch dauern, bis wir das Reich der Elben erreicht haben?" fragte sie und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie sich nach einer Pause sehnte.
Boromir überlegte einen Moment.
"Wir kommen ganz gut voran", meinte er. "Ich denke, in ungefähr zwei Stunden werden wir die Grenze des Elbengebietes erreicht haben."
"Zwei Stunden?"
Dieses Mal klang ihre Stimme doch ein wenig wehleidig und Boromirs Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln.
"Du hast einen starken Willen und mehr Kraft, als man dir ansieht", sagte er. "Das stehst du gewiss noch durch."
"Ja - wenn ich mich zu Legolas auf die Trage legen darf", gab Cathea wenig überzeugt zurück.
Boromir musste lachen.
"Kein Sorge, wenn du vom Pferd kippen solltest, fang ich dich auf."
"Wie tröstlich", erwiderte sie, musste nun aber auch schmunzeln.
Sie war wirklich albern. Den anderen ging es auch nicht besser als ihr und niemand maulte herum. Sie sollte sich lieber ein Beispiel an König Elessar nehmen. Der war, soweit sie informiert war, die ganze Nacht aufgeblieben, um über seinen Freund zu wachen – nun ja, fast. Pippin hatte erzählt, er und Merry hätten ihn in den frühen Morgenstunden wecken müssen, als Legolas durchgedreht war. Aber ein paar Minuten Schlaf waren dem tapferen Mann wirklich zu gönnen. Und nun saß er wieder aufrecht im Sattel und führte zusammen mit Ciscara, die Legolas' Schimmel ritt, die Gruppe an. Natürlich waren auch ihm die Strapazen der letzten Nacht anzusehen, aber dennoch wirkte er konzentriert und entschlossen, jeden aus dem Weg zu fegen, der sich ihnen auch nur ansatzweise in den Weg stellte. Und er jammerte nicht, obwohl er die große Verantwortung übernommen hatte, sie alle sicher in das Reich der Waldelben zu bringen.
"Meint Ihr, wir werden noch einmal Probleme bekommen?" fragte Cathea, nachdem sie eine Zeit lang geschwiegen hatte und sah Boromir wieder an.
"Ich hoffe nicht", gab dieser mit einem leisen Seufzer zurück. "Legolas gibt im Moment eine hervorragende Zielscheibe ab. So praktisch diese Trage für den Transport ist, so hinderlich ist sie im Kampf. Außerdem sind wir alle sehr angeschlagen und uns fehlt ein guter Bogenschütze, um den Feind auf Abstand zu halten."
Cathea wusste, dass Boromir sie nicht hatte verletzen wollen, aber diese Bemerkung versetzte ihr doch einen kleinen Stich. Auch ihm schien aufzufallen, dass das, was er gesagt hatte, einen unangenehmen Beigeschmack für Cathea haben musste, denn er setzte schnell hinzu: "Ich meine, du hast dich in diesem schrecklichen Kampf wirklich bewehrt, aber Legolas...Ich kenne sonst niemanden, der so schnell und treffsicher ist, wie er."
"Jaja", winkte Cathea verständnisvoll ab, "ich verstehe schon, was Ihr meint. Und ich muss wirklich noch viel lernen."
"Was den Schwertkampf angeht, gewiss", entgegnete der große Mann, "aber mit deinen Fertigkeiten, was den Umgang mit dem Bogen angeht, hast du mich wirklich überrascht." Er machte eine kurze, nachdenkliche Pause und fuhr schließlich ernst fort: "Ich übertreibe wohl nicht, wenn ich sage, dass du mir das Leben gerettet hast. Wenn der Pfeil mich nicht getötet hätte – das Gift hätte es bestimmt."
Cathea konnte ihm nicht länger in die Augen sehen. Sie musste wohl puterrot angelaufen sein, denn ihr Wangen waren plötzlich kochend heiß. Sie wollte nicht, dass sich ein Mann, der so weit über ihr stand, bei ihr bedankte und schon gar nicht für eine Sache, die wahrscheinlich mehr mit Glück zu tun hatte, als mit wirklichen kriegerischen Fähigkeiten. Sie war nun mal kein besonders erfahrener Krieger und irgendwie schien ihr das Lob plötzlich so ungerechtfertigt. Sie wusste gar nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Glücklicherweise kam Pippin ihr ungewollt zur Hilfe.
"Au!" rief der Hobbit, der mit seinem Pony vor ihnen ritt, in die Stille hinein.
Merry, den nur eine Hand breit von ihm trennte, schüttelte verständnislos den Kopf.
"Das kommt davon. Wie kann man auch beim Reiten einen Apfel schälen!"
"Ist ja nur angeritzt", grummelte Pippin und schüttelte kurz seine Hand, um dann wieder mit seiner Arbeit fortzufahren.
"Ich verstehe so und so nicht, warum du das machst", kritisierte Merry weiter. "Beiß doch einfach rein, wie bei den anderen Äpfeln auch, die du in dich hineingestopft hast. Wieso musst du den jetzt plötzlich schälen und zerschneiden? Die Stücke werden dir alle runterfallen!"
"Daß du kein Verständnis dafür hast, ist mir klar", brummte Pippin zurück. "Du denkst immer nur an dich."
"Besser als immer nur ans Essen zu denken." Merry überlegte einen Moment. "Was soll das überhaupt heißen, ich denke nur an mich?"
"Dass ich das hier nicht für mich mache."
Aus Pippins Blick sprach ein gewisser Stolz. In Merrys Gehirn begann es zu arbeiten, das war deutlich zu sehen. Dann erhellte sich sein Gesicht.
"Du hast dich an das erinnert, was uns Aragorn vor nicht allzu langer Zeit gesagt hat. Aber es hätte doch auch gereicht, wenn du Ciscara den Apfel einfach so gegeben hättest", meinte er.
Pippin machte mittlerweile einen sehr genervten Eindruck. Die kritischen Bemerkungen Merrys machten ihn nervös, sodass ihm tatsächlich ein Stück des fertig geschnittenen Apfels aus den Händen glitt.
"Na, toll!" fuhr er Merry an.
"Ich hab' gesagt, dass das passiert", brachte der ungerührt hervor. "Jetzt bekommt sie schon ein Stück weniger. Ich frage mich, wie viele davon überhaupt noch bei ihr ankommen werden."
"Bei ihm", verbesserte Pippin und versuchte angestrengt, die restlichen Stücke des Apfels in einer Hand unterzubringen, um mit der anderen wieder die Zügel seines Ponys zu ergreifen.
"Ihr!" gab Merry stirnrunzelnd zurück.
"Ihm!" blieb Pippin hart.
"Ihr!"
"Ihm!"
"Ihr!"
"Oh, bitte!!" stieß Boromir genervt hervor. "Könnt ihr das lassen?! Das macht einen ja völlig kribbelig!"
"Siehst du, Merry, Besserwisser können sich ganz schnell unbeliebt machen", meinte Pippin und versuchte, seinen Freund hochmütig anzusehen. Doch im nächsten Moment tat es ihm schon wieder leid und er setzte schnell hinzu: "Was nicht heißt, dass ich dich für einen halte."
"Was dann?" erwiderte Merry eindeutig gekränkt.
"Es heißt... äh... dass auch du dich mal irren kannst", erklärte Pippin. "Du bist bloß immer so überzeugt von dir."
Merry sah seinen Freund etwas zerknirscht an. Schließlich meinte er mit einem Blick auf die Apfelstücken in Pippins Hand: "Willst du das nicht endlich loswerden? Sie werden schon ganz braun."
"Oh, ja", brachte Pippin irritiert hervor und trieb sein Pony vorwärts, sodass es sich zwischen Sams Pony und die Trage schob, auf der Legolas lag. Es schien so, als ob der Elb schlief, aber Cathea war sich ziemlich sicher, dass er sich nur ausruhte und einfach zu schwach war, um seine Augen längere Zeit geöffnet zu lassen. Sie hatte bemerkt, wie Legolas einmal während des Streitgesprächs zwischen den Hobbits die Lider geöffnet hatte, um die Ursache für den Krach auszumachen.
"Ach, du willst Legolas füttern", erkannte Merrry endlich. "Ähm, ihm etwas zu essen geben", verbesserte er sich noch schnell.
Pippin nickte stolz, ohne ihn anzusehen, und beugte sich ein wenig hinunter. Der Höhenunterschied zwischen ihm und der Trage war nicht allzu gewaltig, sodass es dem Hobbit gar nicht schwer fiel, Legolas an der Schulter zu berühren.
Cathea hatte sich nicht getäuscht – der Elb war sofort wach, zuckte einen Moment ein wenig vor Pippin zurück, beruhigte sich aber schnell wieder.
"Pippin", stellte er mit kratziger Stimme fest und tatsächlich erschien ein kaum merkliches Lächeln auf seinen Lippen.
"Er erkennt mich!" rief Pippin freudig aus und hatte sofort die Aufmerksamkeit der ganzen Gruppe. Selbst Aragorn und Ciscara wandten sich interessiert um. "Du erkennst mich", erklärte er voller Freude auch noch mal dem Elben und lachte glücklich. "Hier, ich hab' etwas für dich. Mach' aaaaah!"
Er streckte Legolas ein Stück Apfel entgegen und blinzelte ihn erwartungsvoll an, doch der Elb runzelte nur irritiert die Stirn. Leichte Enttäuschung zeigte sich auf dem Gesicht des Hobbits.
"Oh, du hast keinen Hunger..."
"Er erkennt es nicht", behauptete Merry. "Nur weil er dich einigermaßen sehen kann, heißt das noch lange nicht, dass er erkennt, was du in deiner Hand hältst."
"Oh, ja!" Pippin beugte sich noch weiter vor und wäre beinahe aus dem Sattel gerutscht, hätte Sam ihn nicht blitzschnell an der Jacke gepackt und zurückgezogen.
"Pippin hat dir einen Apfel kleingeschnitten", kam ihm nun auch Frodo zur Hilfe, der auf der anderen Seite der Trage ritt. "Er meint, du musst unbedingt was essen", erklärte er dem Elb.
Legolas schien ihn zu verstehen, denn erneut erschien diese halbe Lächeln auf seinen Lippen und er öffnete matt eine Hand. Voller Genuss legte Pippin ihm ein Stück Apfel in die Hand und beobachtete begeistert, wie der Elb es tatsächlich verspeiste. Er aß zwar nur sehr langsam und mühselig, aber es war schön, dass er wenigstens etwas herunterbrachte.
"Und einen Happen für den lieben Pippin", murmelte der Hobbit und reichte ihm das nächste Stück.
Legolas brachte ein leises Lachen zustande und nahm ihm das Dargebotene ab.
"Eines für Sam", fuhr Pippin fort.
Doch dieses Mal hob Legolas abwehrend die Hand und schüttelte den Kopf.
"Schon satt?!" Pippin sah ihn ungläubig an. "Das waren nur zwei Stück. Ich hab' mitgezählt."
"Nach drei wärst du ja auch in Schwierigkeiten gekommen", merkte Merry mit einem frechen Grinsen an und Pippin warf ihm einen bösen Blick zu.
"Lass ihn", wandte sich Aragorn an Pippin. "Es ist die Anstrengung. Wenn er erst mal wieder zu Kräften gekommen ist, wirst du mehr brauchen als nur einen Apfel, um ihn satt zu bekommen."
Der Hobbit betrachtete das letzte Stück Apfel in seiner Hand nachdenklich und schob es sich dann schließlich selbst in den Mund. "Aber wenn wir erst mal bei den Waldelben und in Sicherheit sind, bekommst du das Frühstück deines Lebens", sagte er fröhlich schmatzend zu Legolas.
Doch der Elb hatte schon längst wieder die Augen geschlossen und schien dieses Mal wirklich eingeschlafen zu sein.
"Frühstück?" wiederholte Cathea. "Boromir sagte, wir werden wahrscheinlich erst in zwei Stunden da sein. Das wäre dann später Nachmittag."
"Ja", stimmte Pippin ihr zu. Er hatte sein Pony angehalten, um nun auf fast gleicher Höhe mit ihnen zu reiten. "Das wäre dann das Zweitfrühstück. Theoretisch könnten wir das Mittagessen gleich hinzunehmen."
"Wenn wir noch genügend Vorräte haben", meinte Merry, der sich ebenfalls in ihre Nähe begeben hatte. "Sonst müssen wir damit warten, bis wir das Gebirge von Düsterwald erreicht haben."
"Warten?!" Pippin sah seinen Freund entsetzt an. "Noch länger kann ich nicht warten! Dann falle ich tot vom Pferd!"
"Jetzt übertreibst du aber", mahnte Merry ihn. "Eine kleine Diät wird dir nicht schaden."
"Wie meinst du das?" Pippin runzelte verärgert die Stirn.
"Nun ja", brachte Merry mit einem schiefen Grinsen hervor, " ich meine nur, dass man dir ein kleinwenig ansieht, dass du schon längere Zeit kein Abenteuer mehr durchstehen musstest."
"Ich bin ein stattlicher Hobbit!" erklärte Pippin mit fester Stimme und wurde in seinem Sattel gleich ein wenig größer. "Kein Gramm zu viel oder zu wenig!"
Merry zuckte die Schultern.
"Wenn du meinst... Aber einen wirklich stattlichen Hobbit... also, ein wirkliches Prachtexemplar von Hobbit gibt es in dieser Gruppe nur einmal. Und das bist nicht du."
Pippin legte den Kopf schräg und dachte einen Moment nach.
"Okay, Frodo hat vielleicht schönere Augen als ich und volleres Haar, aber sonst..."
"Von Frodo rede ich doch gar nicht", meinte Merry und sah kurz zu seinem anderen Freund hinüber.
Der tat so, als hätte er nichts von dem Gespräch mitbekommen, doch Frodos Körperhaltung sagte Cathea, dass er kurz davor war, vor Lachen zusammenzubrechen.
"Von wem dann?" fragte Pippin irritiert und beugte sich etwas vor, um flüsternd fortzufahren: "Sam ist doch wohl ein wenig mehr als stattlich."
Merry schüttelte ungläubig den Kopf.
"Sag' mal, hast du Tomaten auf den Augen? Wem fliegen denn die Herzen der Hobbitfrauen zu, hä?"
"Ja, wem außer Frodo?" gab Pippin unschuldig zurück.
Merry wollte voller Entrüstung etwas erwidern, doch er kam nicht mehr dazu, denn plötzlich war er gezwungen, sein Pony hart am Zügel herumzuziehen, um nicht mit Frodos Tier zusammenzustoßen. Der Troß war unvermittelt zum Halten gekommen, da Aragorn und Ciscara ihre Pferde plötzlich durchpariert hatten. Angespannt starrten sie nach vorne auf den Weg und neben sich ins Dickicht und niemand wagte es, jetzt noch ein Wort zu sagen. Irgendetwas war schon wieder nicht in Ordnung. Es breitete sich eine Nervosität unter ihnen aus, die sogar den müden Elben wieder erwachen ließ.
Cathea richtet sich in ihrem Sattel auf, um vielleicht erkennen zu können, was den König so aufgeschreckt hatte, aber die Anordnung der Gruppe machte ihr eine freie Sicht auf das, was vor ihnen lag, unmöglich. Aber es lag etwas in der Luft, das konnte Cathea nun auch langsam spüren.
"Tod und Verderben", hörte sie Legolas leise ihre Empfindungen aussprechen.
Die vier Hobbits, die seine Trage eigentlich begleiteten und somit für seinen Schutz sorgten, brachte sich sofort wieder in Position und zogen ihre Schwerter. Auch Cathea griff nach einem der Pfeile, die sie in Legolas' Köcher mit sich trug. Als auch Aragorn sein Schwert zog, legte sie den Pfeil in Legolas' Bogen ein und spannte ihn.
"Boromir!" stieß der König hervor, ohne sich umzudrehen, und der Krieger drängte sich sofort an den anderen vorbei, um zu seinem Freund aufzuschließen.
Boromir übernahm es, die Gegend im Auge zu behalten, während Aragorn sich zu den anderen umwandte.
"Ihr bleibt hier! Macht euch darauf gefasst, dass wir vielleicht angegriffen werden. Cathea, schieß auf alles, was sich bewegt. Wenn ihr den Feind ausmachen könnt, versucht euch zusammen mit Legolas ins Dickicht zu bewegen – dort seid ihr geschützter."
Er sah wieder Boromir an und nickte ihm zu. Die beiden Männer setzten sich fast gleichzeitig in Bewegung und ritten kampfbereit vorwärts. Cathea hielt vor Anspannung die Luft an, als sie hinter der Biegung des Weges verschwanden. Sie konnte nicht vermeiden, dass ihre Hand zitterte, als sie den Bogen hob und zielte. Sie wusste zwar nicht genau worauf, aber sie wollte einfach so kampfbereit wie möglich sein.
"Öhm", vernahm sie Pippins leise Stimme vor sich. "Könntest du vielleicht ein Stückchen von meinem Kopf weg zielen?"
Cathea lächelte verlegen und platzierte sich etwas anders. Sie bemerkte, dass Frodo und Sam etliche Probleme hatten, Legolas, der sich unbedingt aufrichten wollte, auf seinem Platz und ruhig zu halten. Doch schließlich hatte der Elb nicht mehr die Kraft, um gegen den Druck von Sams und Frodos Händen anzukämpfen. Er blieb resigniert liegen und atmete tief durch.
"Es ist bestimmt nichts Schlimmes", sprach Cathea sich und den anderen Mut zu. "Sie kommen bestimmt gleich wieder und sagen, dass alles nur ein Irrtum war."
"Und wenn sie nicht wiederkommen?" fragte Pippin ängstlich und schluckte so laut, dass sogar Cathea es hören konnte.
"Sie kommen wieder", mischte sich nun auch Ciscara mit fester Stimme ein.
"Ja, das sagst du jetzt so einfach..."
"Nein, nein, ich meine, sie kommen wieder", meinte sie mit einem kleinen, erleichterten Lächeln. "Jetzt."
Und tatsächlich kehrten in diesem Augenblick Aragorn und Boromir wieder zurück. Auch sie machten einen erleichterten Eindruck, jedoch war ihre Anspannung noch nicht ganz verflogen.
"Das müsst ihr euch ansehen!" rief Boromir ihnen zu und Aragorn machte eine auffordernde Handbewegung ihnen zu folgen.
Cathea steckte Pfeil und Bogen wieder weg und ritt dann ihren Freunden hinterher, die sich augenblicklich in Bewegung gesetzt hatten. Die Aufregung ließ ihr Herz schneller klopfen, als sie eigentlich wollte, während sie der Biegung des Weges folgten. Der Anblick, der sich ihnen bot, verursachte in Cathea Entsetzen und Schadenfreude zugleich. Es war nicht zu übersehen, dass hier ein Kampf stattgefunden hatte. Überall auf dem Weg und im Dickicht des Waldes lagen Leichen und ein leichter Verwesungsgeruch erfüllte die Luft. Der Kampf musste schon eine paar Tage her sein, aber es war eindeutig zu erkennen, dass die M'aru hier eine große Niederlage erlitten hatten. Die Körper der Toten waren gespickt von Pfeilen, die mit denen, die Cathea jetzt bei sich trug, große Ähnlichkeiten hatten – Legolas' Pfeile – Elbenpfeile.
Boromir beugte sich zu einer der Leichen hinunter, die durch etliche Pfeile an einen Baum genagelt worden war, und zog einen von ihnen heraus, um ihn dann Legolas zu bringen.
"Ich habe das Gefühl, dein Volk wird langsam wirklich wütend", grinste er, als dem Elben den Pfeil reichte. Legolas drehte ihn nachdenklich zwischen den Fingern und sah Boromir dann fragend an. Das Lächeln des Kriegers verschwand. "Drei", gab er mit großen Bedauern in der Stimme zu. "Sie hatten nicht die Zeit, sie zu bestatten."
Legolas nickte nur traurig. "Wir sollten weiterziehen", brachte er leise hervor.
Keiner sprach mehr ein Wort als sie langsam ihren Weg fortsetzten, die Umgebung angestrengt im Auge behaltend. Auch wenn an dieser Stelle nur tote Feinde lagen und der Verlust der Elben gering erschien, so war die Gefahr, die von diesen Kreaturen ausging, noch immer allgegenwärtig. Und wer wusste schon, wie viele Tote es bei den Elben wirklich gegeben hatte. Das Gift des Feindes wirkte langsam. Viele konnten auch später in den heimischen Lagern gestorben sein.
Catheas Blick ruhte auf Legolas, der abwesend auf den Pfeil in seiner Hand starrte. Er sah schlecht aus mit dem so bleichen Gesicht und den dunklen Ringen unter den Augen, aber irgendwo in seinem Inneren war plötzlich der Lebensfunke und Kampfgeist erwacht, der den Elben ihre besondere Ausstrahlung verlieh – das konnte Cathea irgendwie spüren und sie musste unwillkürlich Lächeln. Legolas würde bald wieder gesund sein. War das nicht im Moment das Wichtigste? Jedenfalls für sie, denn wenn sie das Gebirge Düsterwalds erreicht hatten, war ihr Abenteuer ganz bestimmt vorbei. Und was gab es Schöneres als den guten Ausgang eines furchtbar misslungenen Abenteuers? Nein, Cathea konnte zufrieden sein, wenn sie noch miterlebte, wie sich Legolas erholte und sie konnte wirklich behaupten, dass sie dazu beigetragen hatte, ihn zu retten.
Dennoch verschwand Catheas Lächeln recht schnell wieder, denn sie fühlte sich nicht wirklich glücklich. Wenn sie ehrlich war, wollte sie nicht, dass alles vorbei war, wenn sie das Gebirge erreichten. Sie hatte alle hier so lieb gewonnen, dass sie sich am liebsten gar nicht mehr von ihnen trennen wollte. Und der Gedanke daran machte sie im Grunde ihres Herzens furchtbar traurig. Einziger Trost war für sie, dass sie ihren Heimweg wahrscheinlich nicht allein antreten musste. Ciscara musste schließlich auch zurück. Jedoch war sie sich dessen nicht völlig sicher. Sie hatte die Blicke bemerkt, die Aragorn der jungen Frau manchmal zuwarf, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Und auch Ciscara schien ein scheues Interesse an ihm zu haben, versteckt hinter dem Bewusstsein, dass dieser attraktive Mann ihr König und somit für sie unerreichbar war. Cathea musste zugeben, dass diese Beobachtung sie ein wenig nervös machte, aber sie wollte nicht weiter darüber nachdenken. Wie hieß es doch so schön? Nur nicht die Hoffnung verlieren – auch wenn das, was sie im Unterbewussten hoffte, bestimmt nicht in Erfüllung gehen würde.
****************************************************************************************
A/N: So. Wir hoffen wie immer, daß es euch gefallen hat. Schreibt ein paar Zeilen, wenn ihr Zeit habt. :) I.
@Vicky23: Wo bist Du??? * sich Sorgen macht *
