"Frauen und Pferde brauchen eine feste Hand."

(von mir erfundenes Sprichwort aus Rohan ;) )

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Manchmal, aber nur manchmal...

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An jenem Tag hatte ich das Gefühl, einfach nicht mehr weiter zu können.

Ich stand vor der Goldenen Halle, spürte den rauen Wind im Gesicht und sah die schweren dunklen Wolken heranziehen. Es würde Regen geben.

Und ich wünschte mir, auch so weinen zu können wie der Himmel und nicht immerzu und vor allen nur stark und heiter und aufrecht und zuversichtlich sein zu müssen.

Nie durfte ich mir einen einzigen Augenblick der Schwäche erlauben; immer musste ich die Zähne zusammenbeißen und ausgeglichen und ruhig erscheinen, wenn ich manchmal hätte weinen und schreien mögen, weil ich keine Hoffnung mehr sah.

Auf keinen Lichtschein am Horizont.

*****

Dieser Tag nun war besonders schlimm gewesen.

Beim Frühstück war Onkel Theoden zweimal der Löffel aus der Hand gefallen und als ich ihn zum dritten Mal aufgehoben und ihm wieder gereicht hatte, war der König nicht mehr fähig gewesen, ihn festzuhalten.

Ich hätte vor Verzweiflung am liebsten laut geschrien, und es kostete mich unendliche Mühe, bei diesem Anblick die Tränen zurückzuhalten. Aber ich schrie nicht und ich weinte nicht, sondern biss die Zähne fest aufeinander wie schon so oft; und ich schloss die Finger meines Onkels um den Löffel und meine Finger um seine, und führte ihm die Hand zum Mund, wie einem kleinen Kind, das das Essen erst lernen muss.

Und ich lächelte ihn an und tat so, als wäre das gar nichts.

Von nun an würde ich mit meinem Onkel allein speisen, um ihm einen letzten Rest von Würde zu bewahren.

Keinem in Edoras wollte ich zumuten, mit anzusehen, dass man den König füttern musste.

„Allein mit meinem Onkel" hieß freilich: allein mit meinem Onkel und seinem treuen Berater mit der Schlangenzunge. Und da mein Onkel schon lange nicht mehr an Tischgesprächen teilgenommen hatte, war es in Wirklichkeit ebenso schlimm, als hätte ich nur mit Grima essen müssen.

Wahrscheinlich sogar noch schlimmer, überlegte ich, denn so hätte ich einfach mein Essen hinuntergeschlungen und ihm die kalte Schulter gezeigt, während ich jetzt, um die Form zu wahren, Konversation betreiben und auch noch zuversichtlich erscheinen musste, was meines Onkels Gesundheit betraf.

Und ich wusste, seine kalten Schlangenaugen würden meine Verzweiflung sehen, wie gut ich sie auch zu verbergen suchte; und er würde sich daran weiden, dass ich wusste, dass er es wusste.

Und ich konnte nichts dagegen tun.

*****

Wenn wenigstens Éomer noch bei mir gewesen wäre!

Nicht dass ich so dumm war, zu glauben, dass er irgendetwas hätte ändern können; und doch wäre es tröstlich gewesen, jemanden an meiner Seite zu wissen, der das Gleiche empfand und das Gleiche litt...

Aber er war fort, verbannt, und ich wusste nicht, wann und ob ich ihn überhaupt je wiedersehen würde.

Ich verbot mir jegliche Gedanken an die Zukunft, denn allein schon die Gegenwart war schwer genug zu ertragen.

Und doch kamen solche Gedanken ganz von selbst, wenn ich meinem Onkel von den alten Helden vorsang und mich dabei fragte, ob man wohl je wieder Lieder über ruhmreiche Taten der Rohirrim dichten würde.

Noch vor einem Jahr war ich manchmal, wenn ich es gar nicht mehr aushielt, in der Halle eingesperrt zu sein, ausgeritten und hatte meine Sorgen für einen Nachmittag lang unter dem freien Himmel vergessen können; aber das wagte ich nun nicht mehr, denn es schien mir unverantwortlich, den König längere Zeit alleinzulassen. Außerdem hatte ich bemerkt, dass die Leute es nicht gern sahen, wenn ich die Stadt -und sei es noch so kurz- verließ, als hätten sie Angst, ich könnte nicht wiederkommen und sie seien dann ihrer letzten Hoffnung beraubt.

So blieb ich also, und musste meine Sorgen allein tragen und vor allen verbergen, um eine Hoffnung aufrechtzuerhalten, die ich nicht mehr hatte.

Was erwarteten die Leute eigentlich, fragte ich mich manchmal. Warteten sie darauf, dass eines schönen Tages ein Zauberer oder ein paar sagenhafte Helden in Edoras auftauchen, den König heilen, Schlangenzunge in seine Schranken weisen und das Land vor Saruman retten würden? Ich selbst konnte an ein so schönes Märchen nicht glauben; aber wenn es meinem Volk nur erleichterte, den Weg in den Untergang zu ertragen, wollte ich ihnen den Glauben daran nicht nehmen.

Doch ich, ich hatte nichts mehr; kein Märchen, das mich tröstete, niemanden, der mir meine Sorgen und Verzweiflung für auch nur eine halbe Stunde von den Schultern nehmen konnte oder vor dem ich wenigstens nicht so tun musste, als ginge es mir gut; als sei ich stark, und heiter, und aufrecht, und zuversichtlich.

Ich wagte nicht einmal mehr heimlich zu weinen, wie ich es früher manchmal getan hatte. Einerseits, weil ich fürchtete, dass mich jemand hören könnte; aber noch mehr, weil ich, wenn ich einmal damit anfinge, vielleicht nicht mehr aufhören könnte.

*****

So stand ich also und erwartete den Regen, um wenigstens zuzusehen, wie der Himmel für mich weinte, weil ich es selbst nicht konnte; da kam mir ein Gedanke, der zunächst so abwegig schien, dass ich ihn sofort wieder beiseite schieben wollte. Aber er hakte sich fest, und je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich es zumindest versuchen musste.

Ich musste es versuchen, jetzt. Sofort. Ich musste gehen und es versuchen, weil mich das letzte bisschen Mut sonst verlassen würde und es das einzige war, das mir noch einfiel; und wie armselig und verachtenswert dieser Weg auch schien, ich war am Ende und konnte nicht mehr und es hatte geholfen, als ich noch ein Kind war.

Jedesmal war danach alles wieder in Ordnung gewesen. Jedesmal hatte er alles wieder ins Lot gerückt.

Ich würde den Sattler um Hilfe bitten.//

Fortsetzung folgt!

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