Ali -knuddel- danke für dein Review und es freut mich, dass du meinen Stil magst. Beruht ja auf Gegenseitigkeit -gg-
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POV Erestor
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Vergangenheit
Lange ist es her, dass ich ihn gespürt habe. Lange ist die Zeit vergangen, da er mich wärmte – seine Seele die meine umfing, im Arm hielt und liebkoste.
Gegangen.
Gefallen im großen Krieg. Er hatte sein Leben gegeben für all die anderen und nicht wenige waren gerettet.
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Ein Monster, erschaffen mit den Feuern Melkors.
Ein Dämon der Macht.
Ein Valaraukar – ein Balrog.
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Solch riesiges menschenähnliches Ungeheuer mit feuriger Mähne und Feuer schnaubenden Nüstern, es schien sich in einer dunklen Schattenwolke zu bewegen. Seine Glieder, in denen er eine Feuerpeitsche schwang, hatten die Kraft, sich wie Schlangen um seinen Feind – oder vielmehr seine Opfer – zu schlingen.
Von den Kreaturen Melkors haben nur noch Drachen eine größere Macht. Aber auch jener Balrog war in der Lage, mir das Liebste zu rauben, was mein Leben je besessen hatte.
Ein Grollen ging durch den Fels. Der Boden vibrierte uns unter den Füßen. Man glaubte fast, das Gestein wollte sich öffnen und uns verschlingen, als plötzlich er sich uns entgegen stellte – uns in jener Zeit den Weg in die Freiheit versperrte.
Er fiel über uns her, als wir nach dem Fall Gondolins durch die Berge des Echoriath flüchteten. Verschloss Turgon, Idril, Earendil und all den anderen Überlebenden dort den Pass des Cirith Toronath und eilte uns nach, um die Fliehenden zu verschlingen oder einfach wahllos zu töten.
In seiner Peitsche schwang ein Regen aus Flammen auf uns nieder, sengte uns die Haut und trieb uns an den Abgrund. Panisch rannten wir um unser Leben, versuchten Frauen und Kinder in den Nischen des Berges in Sicherheit zu bringen.
Wehklage und Jammer...noch heute höre ich die Hilferufe der Eldar, noch heute sehe ich vor meinem geistigen Auge, wie sie auseinander stoben. Ich fühle den Schmerz fast körperlich, wie die Körper der Rettungslosen durch die Hitze verglühen und zu schwarzer Asche zerfallen...
Doch dann kam ‚er'. Glorfindel.
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Ich erinnere mich, als wäre es gestern erst gewesen, dass er plötzlich vor uns stand. Hervor getreten aus der Menge zog er sein Schwert und stellte sich in seiner sichtbaren Unterlegenheit dem Valaraukar in den Weg.
Nun war ‚er' es, der zurück drängte.
Jener Ritter in goldener Rüstung und mit dem Emblem seines Hauses. In dicken Locken wehte das Haar um sein Haupt, als er – sein geliebtes Schwert in Händen – auf ihn einschlug.
Auch ich habe geschrieen, als er es tat. Mein Geist, meine Wünsche und Sehnsüchte. Alle schlugen mit ihm und versuchten zu retten, was verloren schien.
Doch im Gegensatz zu seiner Waffe waren die meinen nichtig. Zu gering gegen einen Balrog.
Sie beschützten nicht den, dem sie galten und so sah ich zu, wie Glorfindel ein Monster töten konnte und ein Monster meinen Liebsten tötete.
Zusammen stürzten sie in die Tiefe. Beide aus Feuer, doch war es ihm nicht eigen. Er verglühte fast und zerschellte auf dem Grund der Schlucht.
Seinen gebrochenen Körper fand man. Reste eines Lebens, einer geliebten Seele, die doch nicht mehr war.
Ausgehaucht im letzten Atemzug und nur noch die tote Hülle.
Ob er an mich dachte, als Mandos Ruf zu stark wurde? Ob mein Name der letzte war, den seine roten Lippen mit der Ewigkeit der Winde verwebten?
Ein Schock für uns alle – frei zu sein, gerettet zu sein.
Und doch war ich nicht gerettet. Im Gegenteil, ich war verloren von diesem Moment an.
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Eine elbische Seele schwindet, so ihr die Äquivalenz genommen wird.
Sie driftet davon in den Äonen und zerbricht an den harten Klippen der Realität.
Genauso driftete die meine davon und wollte zerbrechen, doch ein Traum noch in der selben Nacht, in der der Kummer über mit zusammenschlug, hielt mich auf. Mahnte mich zu warten.
Mein goldener Ritter stand vor mir. Er blickte mich an, bewachte meinen Schlaf, und doch war ich wach.
Liebevoll war sein Blick, doch gebrochen und so fern.
„Warte auf mich, mein Liebster"wisperte eine Stimme wieder und wieder.
„Und was, wenn ich ewig warte? Wenn du nie zu mir zurückkehrst? Mahnst du mich, dir in einem anderen Kampf zu folgen? Damit mein leeres Leben für andere gehen kann?"
Er lachte, lächelte und ich misste schon da den lieblichen Klang.
„Ein letzter Kuss, ich bitte dich. Lass mich dich noch einmal fühlen..." bettelte mein Geist und versuchte nach ihm zu greifen. Doch da war er schon fort.
Mit einem Schrei erwachte ich. So wie ich stets schreiend erwache, wenn du im Traume stirbst. Aber nie mehr wieder hast du mit mir gesprochen. Nie mehr mich angesehen. Bist immer nur... gefallen.
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Doch dann, weit über ein Zeitalter später, kamst du mich erneut besuchen in meinem Schlaf.
Unerwartet und so voller Leidenschaft, dass es sich anfühlte, als lägest du neben mir, als könnte ich deinen Duft riechen.
Ich wollte mich umdrehen, dich ansehen und in deinen so unbeschreiblich blauen Augen versinken. Wollte deine Lippen kosten – eine Geste, die ich in der langen Zeit jedem versagte.
Aber da bemerkte ich, dass es nur ein Trugbild war, das aus Verlangen und Sehnsucht erstand. Und gleichzeitig wusste ich, dass es nicht ohne Grund erschien, dass ich nur suchen musste.
Sollte ich auch nur eine letzte dieser Wunderblumen finden. Wunderblumen, weil sie wie dein Haar leuchteten, so zerbrechlich wie deine Körper waren und gleichzeitig so standhaft wie deine Seele, dein Geist.
„Held der Jahrhunderte, wo bist du?"Frage ich und Tränen rinnen mir heiß über die Wangen.
Ich habe lange keine mehr vergossen – unnötig, weil sie nicht helfen, so dachte ich.
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Doch nun wispert der Wind dein Lied. Eine Sage für die Jungen und ich weiß, dass sie wahr ist. Und ich erhebe mich, folge den zartgoldenen Blütenblättern, die jene Böe mit sich trug. Folge ihnen hinaus in den Wald, bis weit hinter die Gärten und Wasserfälle.
Ich sehe ein Licht vor mir und spüre, dass hier die Nacht silberne Tränen weint. Als fielen Sterne, so klein wie Wassertropfen und verfingen sich in einem Netz aus Helligkeit.
Versteckt hinter einem Baum, der nicht einmal annähernd so alt ist wie ich, beobachte ich das Schauspiel, als eine Gestalt aus der Düsternis geboren wird.
Ich staune, betrachte das schöne Bild, das der Schatten wirft. Groß, kräftig.
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Dann...
Langes goldgelbes Haar ähnlich dem reifen Weizen des Feldes. Lockig wie die Ranken des Efeus, die sich in die Balustraden der Gartenpavillons flechten, so umweht es das erhobene Haupt und seine Augen richten sich zum Himmel.
Nun bestaunt er seinen Körper, umfasst seine Brust, betastet seinen Bauch. Als sei er verwundert, hier in fester Form zu stehen. Sein Kopf neigt sich, mustert die Umgebung.
Flüchtig streift er mein Versteck.
Zu flüchtig um mich zu entdecken, zu erkennen.
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Aber ich, ‚ich' habe ‚ihn' erkannt. Nur ein einziger Augenblick und ich werde mit der strahlenden Sterne bewusst, die als Augen sein Gesicht schmücken. Werde mir bewusst, welch leuchtendes Blau ihnen innewohnt.
Fast erstarre ich, als ich begreife.
Kein Traum schickte mich, sondern ‚du'. Du in deiner Ahnung und du in deiner Liebe.
‚Glorfindel!' will ich schreien und meine Gedanken tun es auch. Doch nicht ein einziger Laut durchbricht meine Lippen.
Ganz langsam, still und vorsichtig nähere ich mich ihm, begreife und kann doch nicht daran glauben.
Da dreht er sich um.
„Glorfindel! ...Chimäre des Todes."Flüstere ich, als zwei Tränen meine Augen verlassen.
Erkennt er mich? Ist er es denn wirklich? Ich trete näher, hebe meine Hand an sein Kinn.
„Warst tot in meinen Armen. Bist du zurückgekommen? Oder narrst du mich?"
Er wirkt erstaunt. Kennt er sich nicht? Aber die Erscheinung...
„Glorfindel..." Ahmt er nach und ich zucke zurück. „Glorfindel..."und er wendet sich ab.
Ich muss ihn kosten, fühlen ob real ist, was mir sonst nur die Erinnerung zeigt. Vorsichtig, nur ein Hauch des Windes in seiner Intensität, nähern sich ihm meine Lippen und zaghaft fühle ich.
Es ist, als würde sich mein Leben in diesem kurzen Moment neu erfinden – als würde ich auferstehen und nicht er.
Das gleiche sanfte Prickeln wie einst im Reich der alten Herrscher. Der gleiche intensive Blick, kurz bevor er die Augen schließt und ich sehe es.
Ich sehe die Liebe im Erkennen – mich erkennen.
„Erestor. Melleth nîn"haucht er, als wir uns lösen und silbern glänzen Tränen in seinen Augen. Untermalen den Reiz des Sommerhimmels, den ich in ihnen stets erkannte und deuten auf das tobende tiefblaue Meer, wenn einmal die Lust von ihnen Besitz ergreift.
„Estel nîn. Melethron nîn."Bringe ich hervor, als ich meine Arme um ihn schlinge. Halten werde ich dich, mein Liebster. Dir zeigen, was du nie hättest vergessen dürfen.
Und er lächelt, schmiegt seine Wange an die meine.
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Noch einmal weht der Wind.
Ich danke ihm im Stillen. Er hat mich hergeführt. Her zu dir.
Und ein letztes Mal erheben sich die goldenen Blütenblätter.
Wie im Rausch umschmeicheln sie uns, geben sie uns eine Hülle aus Licht.
Wie ein Segen für die Liebe, meine Liebe – unsere Liebe.
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