Schicksal
Harry, Ron und Hermine sprachen nicht so viel wie sonst miteinander, während der Zug durch das Land ratterte. Hermine fragte ein paar Mal nach der Uhrzeit, während sie und Ron aus dem Fenster starrten. Harry jedoch sah auf seine Füße ohne sie wirklich zu sehen. Er dachte an das Gespräch mit Dumbledore, in dem der Schulleiter ihm, Harry, gesagt hatte, dass er Zeuge der Prophezeiung gewesen sei. Und, dass es in dieser hieß, dass nur Harry Voldemort töten könne und umgekehrt. Dass Harry eines Tages Opfer oder Mörder sein würde. Harry hatte Ron und Hermine nichts davon erzählt. Noch nicht. Er hatte es damals einfach nicht über sich gebracht, wo sie doch gerade den Schock überwunden hatten den Todessern entkommen zu sein und glücklich waren, schnell wieder zu genesen. Er spielte mit dem Gedanken es ihnen jetzt zu sagen, wo sie alleine waren, wo sie noch keinen Stress wegen der Schule hatten, wo Ron und Hermine in Ruhe das verarbeiten konnten, was Harry ihnen zu sagen hatte. „Ähm", setzte Harry an und Ron und Hermine drehten sich vom Fenster weg und sahen ihn an. „Ich muss euch noch was erzählen", sagte Harry. Ron und Hermine warfen sich einen kurzen Blick zu. Dann sahen sie wieder Harry an. Der sah den beiden in die Augen. Hermines waren weit geöffnet und ihr Mund stand ein wenig offen. Ron hingegen hatte die Brauen hochgezogen, und in seinem Blick lag etwas aufgeregtes. „Ist es etwas wegen Sirius?", fragte Hermine im Flüsterton. „Nein", sagte Harry und wusste nicht recht wie er anfangen sollte. Er konnte schließlich nicht mit der Tür ins Haus fallen. Harry konnte sich schon ausmalen, wie beide reagieren würden. Hermine würde beide Hände vor den Mund schlagen und nichts sagen. Ron würde... was würde Ron wohl tun? Harry konnte es sich doch nicht wirklich vorstellen. Er kannte seine Freunde gut, aber dies war eine Situation, der man nicht alle Tage durchlebte. „Ich habe nach dieser Nacht... im Ministerium, mit Dumbledore gesprochen, und da hat er mir gesa-" Doch weiter kam Harry nicht, denn die Abteiltür ging auf. Ginny, Neville und Luna kamen hinein. „Stören wir?", fragte Ginny. „Nein, nein, setzt euch", sagte Harry und war froh darüber, dass sie gekommen waren, denn jetzt konnte er sich noch überlegen, wie er Ron und Hermine all das beibrachte, was Dumbledore ihm damals gesagt hatte. Alle die damals mit in der Mysteriumsabteilung dabei waren, befanden sich nun in dem Abteil. Doch niemand sprach auch nur ein Wort darüber und Harry war dankbar dafür. Er meinte zu bemerken, dass Neville sich etwas verändert hatte. Er war jetzt viel selbstbewusster und nicht mehr so leicht einzuschüchtern. Das zeigte sich, als Malfoy, Crabbe und Goyle in das Abteil gestürmt kamen. „Seht mal", sagte Malfoy in seinem üblichen spöttischen Ton, „Die Verlierertruppe!"„Ich würde nicht sagen, dass wir Verlierer sind, Malfoy", erwiderte Harry kühl, „Immerhin saß dein Vater doch in Askaban, oder nicht?"Malfoy lief rot an. „Pass auf was du sagst, Potter. Du weißt wir haben immer noch eine offene Rechnung."Crabbe und Goyle schlossen die Tür. „Und da gerade niemand hier draußen zu sein scheint..."Malfoys Hand glitt in seine Umhangtasche, während er gehässig grinste. Doch Neville stand auf und hatte seinen Zauberstab schon gezückt. „Wenn du Harry oder den anderen auch nur ein Haar krümmst, dann...", sagte Neville selbstsicher. „Was, dann? Willst du mich dann mit deinen schlotternden Knien verdreschen?", sagte Malfoy spöttisch und wackelte mit den Knien. Crabbe und Goyle lachten, was Malfoys Grinsen noch ein bisschen breiter werden ließ. Neville schien zu brodeln vor Zorn. Dann schrie er „Stupor" und Malfoy kippte hinten über. Crabbe und Goyle machten noch dümmere Gesichter als sonst, schnappten sich den bewusstlosen Malfoy und verschwanden. „ Neville, das war richtig gut!", lobte Harry ihn. „Nein", gab Ron zurück, „Das war erste Sahne, Neville!" Neville lief hochrot an und grinste verlegen.
Die drei bleiben noch eine ganze Weile und so hatte Harry keine Gelegenheit, Ron und Hermine über sein Schicksal aufzuklären. Während Harry meist schweigend ihren Unterhaltungen lauschte, fiel ihm auf, dass Ron auffällig oft zu Hermine hinüber sah, wenn sie es nicht bemerkte. Er grinste innerlich und konnte sich nun schon denken, was Ron ihm hatte sagen wollen, wenn Hermine nicht dabei war. Es war nicht schwer erkennbar, dass Ron sich in Hermine verknallt hatte. Harry blickte zur Tür, an der Cho gerade vorbei ging. Ihre Augen trafen die Harrys für einen Moment, dann drehte sie ihr Gesicht weg. Hinter ihr kam Michael Corner zum Vorschein. Harry spürte im Gegensatz zu dem Augenblick, wo er erfahren hatte, dass Cho und Michael zusammen waren, einen leichten Stich der Eifersucht. Warum befand er sich immer noch in ihrer Nähe, wenn sie doch Schluss gemacht hatten? Harry hatte bis jetzt immer gedacht, dass wenn jemand Schluss gemacht hatte, er dem anderen aus dem Weg gehen wollte. So war Cho zumindest immer mit ihm umgesprungen (auch, wenn sie nie richtig zusammen gewesen waren, damit Cho hätte Schluss machen können!). Harry schreckte zusammen als sein Name fiel. „Was ist mit mir?", fragte er und blickte immer noch auf Cho, die auf dem Gang in eine Art Stau geraten war und somit weiterhin vor der Abteiltür der sechs stand. „Was läuft eigentlich zwischen dir und ihr?", wollte Ginny wissen. Harry fragte sich allmählich, warum ihn das ständig jemand fragte. Es fing an zu nerven! „Nichts", sagte er wahrheitsgetreu. „Nun ja, 'nichts' ist nun wirklich nicht ganz richtig, Harry", sagte Hermine korrigierend, „Immerhin trefft ihr euch wieder!"„Ach ja, hatte ich ganz vergessen", sagte Harry und tatsächlich war es ihm entfallen. Auf dem Gang löste sich die Aufstauung der Schüler, Cho ging weiter und verschwand. Harry seufzte. „Aus diesem Mädchen kann man nicht schlau werden", sagte Ron mürrisch, „Erst heult sie Harry ständig die Hucke voll und faselt nur irgendetwas von Cedric, dann ist sie mit diesem Idiot von Corner abgezogen-", Ginny räusperte sich vernehmlich und offensichtlich beleidigt, „- und jetzt kommt sie wieder angekrochen. Das ist doch irgendwie- autsch!", schrie er auf. Hermine hatte ihm hart gegen das Schienbein getreten. Harry jedoch gab Ron stillschweigend Recht. Auch wenn Ron eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen, was Cho da abzog war autsch. Er wurde ausgetauscht wie es ihr gerade passte. Wie ein Kleidungsstück, das man zurück in den Schrank hing, weil es nicht zu dem Anlass passte, zu dem man geladen war. Harry mochte Cho, doch so richtig sicher war er sich nicht, dass es ihr auch immer noch – oder überhaupt einmal- so ging. Harry verfiel wieder in seine Überlegung, ob das, was Ron gesagt hatte- also, dass Cho Harry nur mochte, weil er bei Cedrics Tod dabei gewesen war- wirklich stimmte. Wieder einmal unterbrach Hermine ihn dabei. „Sag mal, Harry, wann treffen ihr euch eigentlich?", sagte sie hastig. „Hermine!", sagte Harry genervt, „Wie oft willst du mich das noch fragen?!"„Tut mir Leid!", sagte sie verlegen, „Ich bin halt vergesslich!"Ron sah sie ungläubig an. „Hermine, du kannst 'Eine Geschichte von Hogwarts' und unsere sämtlichen Schulbücher auswendig und da behauptest du, du wärst vergesslich?"„Hornochse!", giftete Hermine ihn an. „Ziege!", fauchte Ron zurück. „Schneckenspucker!" „Besserwisserin!"„Kennt ihr eigentlich das Sprichwort 'Was sich neckt, das liebt sich'?", sagte Harry mit dem Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht. „Bist du noch ganz dicht?", schrieen beide gleichzeitig Harry an, während sie rot anliefen und Ginny, Neville, Luna und Harry anfingen zu lachen. Eine laute Stimme schallte wie immer durch den Zug und verkündete, dass sie in zehn Minuten in Hogwarts wären. Neville, Ginny und Luna gingen. Es wäre jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt für Harry gewesen, es Ron und Hermine zu sagen, wenn sie nicht viel zu beschäftigt damit gewesen wären, sich ihre Umhänge anzuziehen und ihren ganzen anderen Krempel zusammenzusuchen. Aber wenn er es ihnen jetzt nicht erzählen konnte, wann hatte er das nächste Mal Gelegenheit dazu? „Ich wollte euch doch noch was sagen", setzte Harry an. Doch in diesem Moment stoppte der Zug. „Los, komm schon Harry, dann bekommen wir vielleicht 'ne Kutsche für uns."Sie stiegen aus und Harry sah wieder die Thestrale, die vor die Kutschen gespannt waren. „Was starrst du denn so auf... Ach ja, hab ich ganz vergessen, du siehst ja die Viecher! Ich bin ja schon ein bisschen neugierig wie sie aussehen", sagte Ron. „Sie sind keine Viecher. Und ich rate dir lieber neugierig zu bleiben. Ich weiß nicht, den Tod sehen, das ist doch...", sagte Hermine und verstummte sofort, denn diesmal war es Ron, der ihr einen Tritt verpasste. Sie schlug sich die Hand vor den Mund. Beide sahen Harry an. „Würdet ihr bitte aufhören so viel Rücksicht auf mich zu nehmen, das macht das nur noch schlimmer, was ihr zu verhindern versucht", sagte Harry und seufzte erneut. „Los lasst uns einsteigen!"
Als sie an dem Eichenportal ankamen, fing es an zu regnen. Sie gingen schnell hinein und suchten sich in der Großen Halle einen Platz am Gryffindor – Tisch. Der fast kopflose Nick saß ihnen gegenüber. „Ach Harry, wolltest du uns nicht noch was sagen?", fragte Hermine. „Nicht jetzt, hier sind zu viele Leute", murmelte Harry ihr zu. Und gerade als er geendet hatte, tippte ihm jemand auf die Schulter. Es war Professor McGonagall. „Potter, der Schulleiter möchte sie sprechen.", sagte sie. „Ich hab nichts gemacht!", sagte Harry instinktiv. Er war letztes Jahr so daran gewöhnt gewesen, dass er für alles verantwortlich gemacht wurde. „Das sagt auch keiner, Potter", gab sie zurück und rümpfte die Nase, „Es hat persönliche Gründe"Sie ging ihm voraus. „Na das is ja noch schlimmer!", murmelte Harry Ron zu der daraufhin kicherte, ihm einen Klaps auf die Schulter gab und sagte: „Du bist Du-weißt-schon-wem mehrere Male entkommen, da wirst du das auch noch schaffen, Alter!"„Nun beeilen sie sich Potter", rief McGonagall. Harry stand auf und ging ihr hinterher. Als sie vor Dumbledores Büro standen, sagte Professor McGonagall „Zuckerfederkiel"und schon kam die Wendeltreppe zum Vorschein und schlängelte sich nach oben. Harry stellte sich darauf und als er an der Tür war klopfte Harry an.
Dumbledore bat ihn herein. „Harry, wie schön dich gesund und munter wieder zu sehen!", sagte Dumbledore und lächelte. „Setz dich doch". „Gut", sagte Harry und tat wie ihm geheißen. „Harry ich wollte dich nur fragen wie es dir geht", sagte Dumbledore und faltete seine Hände auf der Schreibtischplatte. Harry war verdutzt. Deshalb holte Dumbledore ihn zu sich in sein Büro? „Gut", sagte Harry noch einmal. Dumbledores verblüffend blaue Augen bohrten sich in die Harrys. Er fühlte sich dabei wie geröntgt und sah deshalb woanders hin. „Harry, hast du Ron und Hermine von unserem Gespräch erzählt?"„Nein, noch nicht, der passende Augenblick war noch nicht da", sagte Harry und kam sich bei diesem Satz irgendwie bescheuert vor. Der passende Augenblick war noch nicht da.... „Also hast du vor es ihnen zu erzählen?", fragte Dumbledore und Harry blickte wieder in seine Augen. „Ja, ich dachte sie sollten es erfahren... oder nicht?"Jetzt war Harry verwirrter als er zuvor schon war. „Die Entscheidung liegt bei dir, aber sag mir mal eines Harry. Wie behandeln sie dich im Augenblick?" „Sie springen im Moment sehr vorsichtig mit mir um, wenn sie das meinen", sagte Harry, „Die beiden versuchen ständig mich aufzuheitern und daran zu hindern nachzudenken und überhaupt... an Sirius zu denken"„Und wie findest du das Harry?", fragte Dumbledore mit seiner ruhigen Art. „Nun ja, es ist ein wenig nervig", gab Harry zu. „Und was glaubst du werden sie tun, wenn du ihnen erzählst, dass du Voldemort eines Tages töten musst oder umgekehrt?"„Ich hab mir schon überlegt wie sie darauf reagieren werde,..."„ Nein, nein, Harry du verstehst mich falsch. Wie glaubst du werden sie mit dir umgehen wenn sie das wissen?"„Nun ich weiß nicht so genau", sagte Harry und verfiel ins grübeln, „Wahrscheinlich noch behutsamer, als sie es jetzt schon tun. Vielleicht darf ich dann nicht mal mehr atmen..." Dumbledore lachte. „Wie gesagt, Harry es ist deine Entscheidung, aber überleg es dir. Und nun bin ich schon fast am verhungern. Ich finde wir sollten runter gehen Harry, damit das Loch in meinem Magen gefüllt wird."Er und Harry standen auf und gingen aus dem Büro. Unterwegs sprach niemand ein Wort. Dann ging Dumbledore zum Lehrertisch an der Stirnseite der Halle und Harry ging zurück zu Ron und Hermine. „Und, was wollte er nun?", fragte Ron. „Genau das was ich befürchtet hatte! Was persönliches", sagte Harry und wieder kicherte Ron. „Du hast die Auswahl verpasst", fügte er hinzu. „Na ja, ich werd's schon überleben, oder?"„Denk ich auch", gab Ron zurück und in der Halle wurde es sehr leise. Dumbledore war aufgestanden.
Während Dumbledore vorne seine übliche Rede hielt, hörte Harry nicht hin sondern überlegte, was er tun sollte. Sollte er es Ron und Hermine erzählen, oder besser nicht? Das machte Harry den ganzen Abend über zu schaffen. Auf dem Weg zum Gryffindor-Turm hatte er seine Entscheidung getroffen. Harry war froh, dass alle Gryffindors sofort hoch in die Schlafsäle gingen. „Hermine, Ron. Wartet kurz, ja?", sagte Harry, worauf seine Freunde ihn verwirrt ansahen. Als Harry keine Türen mehr hören konnte, die zugingen, erzählte er den beiden, deren Münder immer weiter offen standen, je mehr Harry erzählte, alles aus dem Gespräch mit Dumbledore vor über zwei Monaten. Als Harry geendet hatte, sagten sie nichts, sondern starrten nur in den Gemeinschaftsraum. „Harry", sagte Ron dann endlich, „Ist da wirklich so?"Was für eine blöde Frage, dachte sich Harry. „Glaubst du er denkt sich so was aus? Er heißt doch nicht Malfoy!", sagte Hermine mit zittriger Stimme. „Ich geh jetzt schlafen", fügt sie hinzu und verschwand. „Harry lass uns auch gehen, ja? Ich bin völlig schockie... ich meine kaputt", sagte Ron und Harry und er erhoben sich und gingen in ihren Schlafsaal. Ihre Koffer standen wie üblich schon für sie bereit. Ron und Harry zogen sich stumm die Pyjamas an und legten sich in ihre Betten. „Nacht", sagte Ron stumpf. „Nacht", antwortete Harry. Dann drehte er sich auf die Seite und war sich nun doch nicht mehr so sicher, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte.
