Ein geheimnisvolles Tal

Gimli saß an einer langen Tafel inmitten von fröhlichen und schwatzenden Elben und Menschen. Ohne jegliches Misstrauen hatten sie den Zwerg in ihrer Runde aufgenommen. Er wurde von dem Mädchen namens Odine gegen Vormittag geweckt und seine Wunde neu verbunden. Gleichzeitig brachte sie warmes Wasser und frische Kleidung. Die braune Hose und das ockerfarbene lange Hemd waren mit einer groben und robusten Naht gefertigt worden, die ein typisches Anzeichen für die Arbeit von Zwergen waren. In dem breiten Gürtel war eine Kunstvoll geschmiedete Schnalle eingearbeitet worden. Lebten hier etwa auch Zwerge?

Kaum, dass er durch die Tür seines Zimmers trat, begrüßte man Gimli von allen Seiten und führte ihn zu einer großen Tafel, wo gerade ein Imbiss aufgetischt wurde. Der Zwerg schwieg vor sich hin, als er seinen Eintopf regelrecht verschlang. Sein Blick schweifte interessiert in die Runde. Es war schon erstaunlich, dass zwischen diesen Völkern ein so harmonisches Miteinander herrschte. Gimli schrak auf, als etwas mit voller Wucht gegen seinen Stuhl krachte. Erstaunt sah er auf zwei Elbenkinder, die sich mit Schmerzverzogenen Gesichtern das Hinterteil rieben. Es war das erste Mal, dass er Kinder dieser Gattung sah. Sie schienen kaum älter als acht Jahre zu sein und waren, wie die meisten Elben hier, dunkelhaarig und hatten tief grüne Augen, die ihn neugierig anblitzten.

"Entschuldigung bitte", mit hochrotem Kopf sahen sie Gimli beschämt an. "Hallo! Wer seid ihr denn?" "Ich bin Algar und das ist mein Zwillingsbruder Saramin", stellten sie sich vor. Gimli war erstaunt, als er die beiden Jungen von Kopf bis Fuß musterte. Lebensfreude und Energie platzten förmlich aus ihnen hinaus und nichts erinnerte ihn an die ruhige, ausgeglichene Art seines Freundes. Ebenso schienen die Beiden keinerlei Furcht vor ihm zu haben, auch wenn er ein Zwerg war. "Wie oft habe ich euch beiden schon gesagt, dass ihr mein Haus nicht niederreißen sollt!" Die Jungen zuckten bei diesem strengen und herrischen Ton zusammen. "Tut uns leid, Großvater", antworteten beide gleichzeitig, doch sie schafften es nicht ganz, das schelmische Grinsen zu unterdrücken. Gimli sah zu dem Elben hoch, der jetzt direkt neben ihm stand. Er hatte blondes Haar und seltsam hell blaue Augen, bei denen man meinen musste, dass diese Einem direkt in die Seele blicken konnten, wenn der Elb Einen zulange ansah. Das kantiges ernstes Gesicht und eine ebenso stolze Körperhaltung ließen ihn fast schon majestätisch wirken. Es gab keinen Zweifel, wer dieser Elb war!

"Verschwindet nach draußen!" befahl er lachend und ein beinah zärtlicher Ausdruck flackerte in seinen Augen auf, als die beiden Zwillinge kreischend aus der Tür stürmten. Seine blass blauen Augen hatten Ähnlichkeit mit denen von Eleya, genauso wie sein ganzes Auftreten. Konnte es sein? "Kinder!" Kopfschüttelnd nahm er auf dem Stuhl neben dem Zwerg Platz. "Mein Name ist Geritor und ich hoffe es gefällt euch in meinem Haus", er streckte Gimli zur Begrüßung die Hand entgegen. "Aber ja vielen Dank. Gimli Gloins Sohn. Zu ihren Diensten", war das Einzige was er hervorbringen konnte. "Nicht so steif. Meine Tochter hat mir erzählt, dass ihr mit einem Elben befreundet seid. Das ist heutzutage recht ungewöhnlich", plauderte Geritor neugierig. "Legolas und ich waren beide Teil der Ringgemeinschaft." "Oh ich weiß, davon habe ich gehört und wie wurdet ihr von seiner Familie empfangen?" hakte der Elb weiter "Thranduil war in solchen Dingen schon immer recht altmodisch." Gimli konnte seine Ungeduld nicht mehr zügeln. "Entschuldigt, aber ich habe Legolas begleitet um mit euch über eine äußerst dringende Sache zu sprechen, die keinen Aufschub mehr dulden kann und das ist gewiss nicht mein Ansehen bei den Elben."

Der Zwerg konnte beim besten Willen nicht verstehen, wie dieser angeblich so große Elb aus dem Düsterwald nicht einen Funken Interesse an ihrer Mission zeigte, wenn er sie doch bereits schon hatte suchen lassen. "Ich weiß sehr wohl, wie es um den Düsterwald steht und glaube ja nicht, dass ich hier einfach so tatenlos herum sitze und abwarte!" Gimli fuhr zusammen als Geritor schlagartig aufsprang und ihn wütend anfauchte. Es war ihm schon fast unheimlich, als wenn er jeden einzelnen Gedanken von ihm hätte hören können. Die kaum zähmbare Wut in den jetzt grau scheinenden Augen brachte ihn zu der Überzeugung, dass es im Moment wohl besser sein würde, lieber nichts weiter zu sagen. Doch hinter dieser Wut wurden immer deutlicher Angst und Verzweifelung sichtbar. "Beruhige dich Vater", Eleya, die die Szene aus dem Hintergrund verfolgt hatte, versuchte vergebens ihren Vater zu besänftigen.

"Beruhigen Eleya? Thranduil wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach schon als Geisel gestellt haben um sein Volk zu schützen. Was bedeuten würde, dass der Palast dann auch bereits von Kardel eingenommen wurde." Geritors Ton hatte sich etwas gesänftigt, doch er funkelte seine Tochter immer noch bedrohlich an. Gimlis Überraschung wich langsam. Noch vor ein paar Momenten hatte Geritor ausgelassen mit ihm geplaudert und jetzt sah er aus, als wenn er jemanden töten wollte. Eleya schien die Auserwählte zu sein und für des Zwerges Meinung, stand sie ein bisschen zu nahe bei ihm, doch sie lächelte nur mitfühlend. "Ich weiß doch genau, was grade in dir vorgeht Vater" sanft strich sie über seine Schulter "Doch Thranduil ist zäh, genau wie du". Brummend zog der Elb seine Tochter an sich und schloss sie fest in seine Arme. Sein Gesicht vergrub er beinahe in ihren offen fallenden Locken und eine lange Zeit, bewegte Geritor nicht einen Muskel. Die Hand seiner Tochter strich nur sanft über seinen Rücken und selbst der Zwerg konnte sehen, wie groß das Leid des Elben war. Nur widerstrebend löste er sich aus der Umarmung Eleyas. Seine Augen waren noch geschlossen, als er ein paar Mal tief Luft holte.

"Bitte Verzeiht mein Benehmen", wandte er sich an Gimli "Wir tun alles andere als abwarten. Mein ältester Sohn Togelar und ich haben schon begonnen ein Heer aufzustellen und in zwei Tagen werden wir Abmarschbereit sein." "Ich habe Legolas noch niemals so leiden sehen und ich kann es kaum ertragen", Gimli hatte den Drang sich entschuldigen zu müssen und bei diesen Worten nahm das Gesicht des Zwerges einen traurigen Ausdruck an "Euer Freund müsste jeden Moment eintreffen und am Mittag werden wir zusammen Rat halten und eine Lösung suchen. Bis dahin werde ich auch hoffentlich neue Post bekommen haben." Geritor lächelte nun wieder leicht. "Ihr habt übrigens eine äußerst sture Tochter", Gimli drehte sich grinsend zu Eleya " Doch ich möchte mich für eure Hilfe auf dem Berg bedanken. Das habe ich bis jetzt kläglich versäumt." Die Antwort der jungen Elbe war ein Nicken und ihre Augen strahlten eine Wärme aus, die dem Zwerg beide Knie weich werden ließ.

"Wo wir grade beim Thema stur sind, warum hast du gestern Nacht keinen Boten zu Aryalon geschickt, sondern bist selbst geritten?" "Ich wollte mich selbst davon überzeugen, dass es allen gut geht", Eleya sah ihren Vater etwas zögernd an. Geritor sah ihr prüfend in die Augen, schien ihr aber nicht ganz zu glauben. "Ich denke ich sollte mal nach den zwei Rackern schauen, die haben doch bestimmt schon wieder etwas ausgeheckt und das heißt ja meistens nichts Gutes", noch während sie lächelte, machte sie kehrt und stürmte auf die Treppe zu, die in die untere Halle führte. Geritor hob eine Augenbraue. Seit wann stellte sich seine Tochter so bereitwillig zur Verfügung, um auf die Zwillinge zu achten?
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Legolas saß auf einem der braun-roten Elbenpferde, die man in diesem Tal ritt. Seit langem hatte er nicht mehr so gut geschlafen, denn Hoffnung war wieder in ihm erwacht. Aryalon meinte, dass sie innerhalb einer Stunde sein Heim erreichen müssten und Geritor dort bereits auf sie warten würde. Seine Gedanken schwankten immer wieder zu Eleya. Würde sie auch da sein? Warum nur kamen ihm ihre blassen grünen Augen so bekannt vor? Sie ritten an einer kleinen Stadt vorbei auf deren Straßen sie Menschen, Elben und Hobbits tummeln sahen. Aragorn stutzte, als er eine Zwergenfrau mit zwei kleinen Kindern an der Hand auf den Marktplatz zuschlendern sah. "Wie kommen den Zwerge und sogar Hobbits hierher?" "Normaler Weise verlasst ihr doch noch nicht mal gerne euer Dorf, selbst um Verwandte zu besuchen", er wandte sich in Richtung der beiden Hobbits, doch die waren bereits von den Pferden gesprungen und spurteten auf einen Stand mit warmen Brezeln zu. Belag konnte es einfach nicht fassen. Vor kaum einer Stunde haben sie ein reichliches Frühstück zu sich genommen und Faithea hatte den beiden Hobbits sogar noch lachend eine kleine Wegzehrung zugesteckt. Soweit er mitbekommen hatte, war diese kaum dass das Haus aus ihrer Sichtweite war, schon vertilgt worden.

Es war einfach unmöglich, dass die beiden schon wieder Hunger haben konnten! "Ein großer Teil hat schon vor Generationen hier gelebt und niemals Anstallten gemacht, um diesen Ort zu verlassen. Andere waren einst Reisende. Wir haben ihnen Unterkunft und Erholung angeboten und viele von ihnen haben sich entschlossen für immer zu bleiben", erklärte Aryalon ruhig. "Und wer nicht bleiben wollte?" Belag sah den Elben skeptisch an "Es heißt, dass niemand jemals lebend von diesem Berg heruntergekommen sei." "Wir haben sie durch die Grotten gehen lassen", Aryalon zuckte wie selbstverständlich mit den Schultern. "Ihr lasst diese armen Wesen in die Tiefe stürzen oder verhungern?" Belag lauerte argwöhnisch auf seinem Pferd und seine Hand legte sich locker auf sein Schwert. Am Vorabend wurde ihm geschildert, dass es nur zwei Wege durch die Grotten gab. Zum eine die Schlucht oder ein Labyrinth von Gängen ohne die Chance einen Ausgang zu finden. Welchen Weg man ihnen auch gezeigt hatte, man schickte sie in den sicheren Tod. Anstatt ihm zu antworten, prustete der Elb auf einmal los. "Ich finde nicht, dass meine Frage so witzig war, oder habe ich etwas verpasst?" knurrte Belag.

"Das ergibt doch keinen Sinn, warum sollten wir sie dann erst Beherbergen?" der Elb versuchte verzweifelt sein Lachen zu unterdrücken, was ihm jedoch nicht wirklich gelang. Aragorn der bereits verstanden hatte, rettete den Elben, bevor Belag überbrodelte und dazu fehlte nicht mehr viel. "Er wollte damit sagen, dass sie alle durch die Grotten zurück geschickt haben, damit niemand den Weg zurück finden oder gezwungen werden könnte ihn zu verraten." Aryalon nickte zustimmend, während er sich eine letzte Träne aus dem Augenwinkel wischte. "Selbstverständlich kennen wir noch einige andere Methoden diese Höhlen zu verlassen. Wie sollte es den sonst möglich sein, dass meine Schwester euren Zwergenfreund retten konnte? "Doch es gibt keine Erzählungen. Weder von diesem Tal noch von seinen Bewohnern", Legolas der nun langsam auch Interesse an dieser Diskussion fand, sah fragend in Richtung der Berge hinter ihm "Im Düsterwald versuchen wir auch kaum etwas nach draußen klingen zu lassen, doch über das, was hinter diesen Bergen liegt, gibt es kaum mehr als Geschichten von alten Weibern."

"Sie haben uns ihr Wort gegeben", sagt Aryalon schlicht. Verdutze Gesichter waren auf ihn gerichtet. Der Elb war sich durchaus bewusst, dass es in vielen Gegenden kaum noch etwas bedeutete, jemanden sein Wort zu geben. "Wir haben euch auch was zum Knabbern zwischendurch mitgebracht", stolz hielt Merry einen gefüllten Beutel unter Aragorns Nase, während Pippin von Meradeth schon wieder vor sich auf das Pferd gezogen wurde. "Wir müssen weiter es ist bald Mittag", drängte Aryalon und sah den Hobbit auffordernd an. "Ist ja schon gut", Merry stieg wieder vor Belag, der fassungslos den Kopf schüttelte, als eine weitere Brezel in dessen Mund verschwand.

"Meradeth siehst du das auch?" Legolas stellte erstaunt fest, das vereinzelte Eichen und Buchen hier wuchsen, je weiter man sie führte. "Im ganzen Tal habe ich noch nicht einen Baum dieser beiden Arten gesehen und je weiter wir reiten, desto zahlreicher werden sie. Das ist seltsam", Meradeth warf einen fragenden Blick in Aryalons Richtung. "Mein Vater hat Samen aus dem Düsterwald mitgebracht und sie hier gepflanzt. Er sagt immer, dass man zu jeder Zeit ein kleines Stück Heimat bei sich haben sollte." Zwölf paar Augen waren wie erstarrt auf den Elben gerichtet. Warum fiel Legolas das erst jetzt auf? Seine stolze Haltung, sein eckiges Gesicht und diese durchbohrenden Blicke, mit denen er ihn von Zeit zu Zeit betrachtete! Er hatte Geritor nur wenige Jahre gekannt und das war schon beinahe dreitausend Jahre her, doch es war nicht im Geringstem leugbar. "Mein älterer Bruder Togelar ist Herr über dieses Tal und hat bereits zusammen mit Vater alles Erforderliche geplant und vorbereitet, was sie zu eurer Unterstützung benötigen." Aryalon wusste genau, dass diese Frage Legolas schon beschäftigte, seit sie die Grotten verlassen hatten. "Danke" Zu mehr war der Prinz nicht in der Lage zu sprechen. Man konnte jedoch deutlich sehen, dass eine schwere Last von seinen Schultern fiel.