Hoffnung stirbt nicht
Lautlos schlossen sich die Torbögen hinter ihnen und Dunkelheit kam über sie herein. Von den unzähligen Lampen an den Wänden war höchstens alle fünfzig Fuß eine angezündet worden. Doch konnte Eleya überall an den Wänden und Säulen kunstvoll in den Stein geschlagene Motive aus dem Waldleben erkennen, wovon ein großer Teil Vögel waren. Geritor hatte ihr erzählt, dass Waldelben schon immer diese Geschöpfe besonders ihn ihr Herz geschlossen hatten. In allen Lebensarten und jedweder Vielfältigkeit hatte man sie verewigt und die Elbe konnte nicht eine Gattung nennen, die vergessen worden war. Aber auch alle anderen Tiere und Bäume des Waldes, welche teilweise in hölzernen Schnitzereien gefertigt waren, konnte sie erkennen.
Es machte beinahe den Anschein, als wenn sie versuchen wollten aus den Bildern zu entfliehen, so lebensecht und detailgetreu waren diese Arbeiten.
Unzählige Gänge führte man die Drei entlang und es war deutlich zu merken, dass es konstant in die tieferen Regionen des Palastes ging. Es war ihnen sehr wohl klar, dass der Kerker ihr Ziel darstellte. Schlagartig hörten die kunstvoll verzierten Wände und Decken auf und kalter schlicht geschlagener Stein folgte. Die Gänge wurden enger und kein Tageslicht, welches sich bis dahin immer durch die Frischluftschächte seinen Weg gesucht hatte, drang mehr zu ihnen hinunter.
Eine lange Reihe von dicken Bohlentüren, aus denen klagende und stöhnende Klänge hallten, erstreckte sich plötzlich vor ihnen.
"Sperrt die beiden Männer dort mit zu", brach Kardel das eisige Schweigen und deutete auf eine der Türen. Der Hauptmann, welcher inzwischen wieder zu ihnen gestoßen war, schloss das schwere Holz auf und ließ Meradeth und Feladrion hineinbringen. Eleya musste schlucken, als sie an den Handgelenken angekettet wurden. Über zwanzig weitere Gefangene zählte sie, die in der gleichen Prozedur eng aneinander gedrängt an die Wänden gebunden waren. Da viel zu viele Seelen in die Zelle zusammen gepfercht standen, war es ihnen nicht mehr möglich sich zu strecken, ohne jemand anderen zu berühren.
Ein letzter mit Trotz gefüllter Blick von Meradeth traf sie und ließ in ihrem Herzen wieder Hoffnung aufkeimen, bevor die Tür wieder geschlossen wurde.
"Und was ist mit ihr, Herr?" fragte dann der Hauptmann, als er noch einmal persönlich nachgeprüft hatte, ob das Schloss auch ordentlich verriegelt worden war.
"Wir möchten ja nicht, dass sich unser hoher Besuch über unsere Unhöflichkeit beschwert, nicht wahr!" das bösartige Grinsen war wieder auf die Züge des Tyrannen getreten.
"Euer Wunsch den König zu sehen soll erfüllt werden, Mylady", spottete er und stieß sie in Richtung einer noch tieferen Ebene. Vor ihr lag absolute Dunkelheit und panische Angst stieg in Eleya hoch und überflutete sie.
"Haltet sie doch fest", schrie der Hauptmann. Es war ihr gelungen sich durch Tritte und Bisse loszureißen. Doch die Orks reagierten sofort und es brach ein stechender Schmerz durch ihre Schultern und den Rücken. Die Elbe glaubte ihre Arme würden gleich brechen, so brutal wurden sie ihr nach hinten verdreht. Daraufhin erstarb ein großer Teil ihrer Gegenwehr. Sie musste einsehen, dass es im Moment keinerlei Fluchtmöglichkeit für sie gab.
Thranduil erwachte aus seinem leichten Dämmerschlaf, doch um ihn herum fand er nichts weiter als Dunkelheit. Trotz allem konnte er die kalten Wände spüren, deren Feuchtigkeit sich immer weiter in den Stoff seiner Kleider, aber was noch schlimmer war, in seinen Körper hineinsog. Dem König war schon lange nicht mehr so kalt gewesen und selbst das bisschen Stroh, das man ihm zugedacht hatte, brachte ihm nicht die geringste Bequemlichkeit. Er fragte sich einmal mehr, wie lange er schon hinter dieser dicken Bohlentür saß, denn seitdem er sich Kardel gestellt hatte, war nicht das geringste Tageslicht zu ihm gedrungen. Es war unmöglich zu sagen, wie viele Tage schon vergangen waren, doch es kam ihm länger vor, als die letzten dreitausend Jahre.
Ein lautes Poltern und Gezeter war in den oberen Hallen zu hören und unzählige Wachen liefen hektisch durch die Gänge. Thranduil konnte alleine sechs Orks zählen, die sich in der Nähe seiner Zelle postierten. Etwas musste geschehen sein, alle hatten ihre Waffen griffbereit und ihre Anspannung war deutlich zu spüren. Die Schritte, welche er vernahm wusste er nur zu gut zu deuten.
"Hey Thranduil hier ist jemand, der unbedingt mit dir sprechen möchte!" lachte Kardel höhnisch durch die kleine mit Eisenstäben besetzte Öffnung der Tür.
Das Schloss klickte leise und er stieß mit einem brutalen Tritt gegen die Tür. Der König musste blinzeln, als drei der Wachen mit Fackeln in seine Zelle traten und zwei weitere Orks eine rebellierende und um sich tretende Gestalt mit sich zogen.
Dem König stockte der Atem, als lange blonde Locken und ein spitzes Ohr sichtbar wurden.
Die Frau, die sie äußerst unsanft versuchten zu bändigen, war unleugbar reiner elbischer Natur. Ihre Angst und der doch gleichzeitig auftretende Mut erinnerten ihn sehr an jemanden. Konnte es sein?
"Der gute alte Geritor hat sie dir persönlich zur Unterhaltung geschickt", der zuvorkommende Unterton, welcher sich in Kardels Stimme mischte, war alles andere als glaubwürdig.
Thranduils Herz blieb für einen Moment stehen, als er die Worte vernahm. Doch er durfte es nicht zeigen. Er wusste wohl, dass Kardel sich diese Schwäche einmal zunutze machen würde, um ihn weiter unter Druck zu setzten. Außerdem konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sein Freund so etwas auch nur in Erwägung gezogen hätte. Es sei denn, es wäre etwas Unvorhersehbares vorgefallen.
Die beiden Wachen warfen die junge immer noch zappelnde Elbe mit voller Wucht gegen die steinerne Mauer. Ein dumpfer Aufschlag ihres Kopfes war zu hören und gleichzeitig versagte schlagartig ihre Gegenwehr. Eleya hatte das Bewusstsein verloren und ihr lebloser Körper rutschte an der Wand hinunter auf den Boden.
Höhnisch lachend, aber ohne ein weiteres Wort verließen Kardel und die Orks die Zelle, aber der König konnte noch die Anweisung verstehen, dass man eine Lampe sollte brennen lassen.
Die Stimmen wurden leiser und entfernten sich offensichtlich sehr rasch zurück in die oberen Ebenen.
Unter großen Schmerzen schleppte sich Thranduil zu dem Mädchen, das noch immer unverändert auf den Steinen lag. Behutsam drehte er sie um und bettete sie in seine Arme. Man schien ihr nichts angetan zu haben, denn er fand außer ein paar Abschürfungen keinerlei Brüche oder sonstige ernsthafte Verwundungen. Nur über ihren rechten Unterarm zog sich eine tiefe Schramme, doch diese war bereits gut versorgt worden und alle Anzeichen verrieten ihm, dass es sich dabei um die Handschrift seiner Gattin handelte.
Das zarte Gesicht, in das er blickte und die sanft geschwungenen Wangenknochen waren das deutliche Erbe Maleynas, doch eine Wildheit war in ihre Zügen gemischt, wie man sie gewöhnlich nur im Düsterwald fand.
Die junge Frau regte sich ein wenig und es schien, als wenn sie wieder aus ihrer Ohnmacht erwachte. Anfangs flatterten ihre Lieder noch und ein kurzer Blick in die Augen des Königs ließ sie aufstrahlen.
"Legolas", formten kaum hörbar ihre Lippen und Thranduil stutzte erstaunt. Doch dann erwachte sie schlagartig und musterte ihn kritisch. Sanfte hell grüne Augen, in die der König bisher nur einmal in seinem Leben geblickt hatte, sahen prüfend in seinen Blick und wanderten über seine Gesichtszüge.
Die Elbe erstarrte. Selbst wenn Kardel nicht seinen Namen ausgesprochen hätte, gäbe es keinen Zweifel, wer er war.
Seine Augen waren dieselben, wie die des Prinzen, lediglich ein bis zwei Nuancen heller. Bei dem markanten und eckigen Gesicht, konnte er nicht leugnen, dass Legolas sein Sohn war, auch wenn sich bei diesem die weichen Züge seiner Frau dazu gemischt hatten. An den Seiten seines langen blonden Haars hatten sich die ersten silbernen Strähnen abgezeichnet, die sein hohes Alter verrieten.
"Was ist geschehen Eleya?" wollte Thranduil wissen und half ihr sich auf zu setzten. Sie sah ihn überrascht und ratlos an, antwortete aber nicht.
Er lächelte leicht und wie ihm auffiel, war es wohl das erste Mal seitdem er sich gestellt hatte.
"Eine solche Schönheit würde ich doch niemals vergessen, auch wenn ihr damals noch sehr jung wart, Mylady", erklärte Thranduil so galant, wie es nur ein äußerst hoher Edelmann konnte.
Röte stieg in Eleyas Wangen auf und einen Moment wandte sie ihren Blick verlegen ab. Doch wiederum zum Erstaunen des Königs schüttelte sie nur den Kopf und fing an zu lachen. Jetzt verstand sie, was ihren Vater und den König immer so eng verbunden hatte. Es war dasselbe Holz, aus dem sie geschnitzt worden waren, denn seine Art, seine Gestik und seine Aussprache ähnelte sehr der ihres Vaters.
"Ja, ihr habt Recht. Ich bin Geritors Tochter und wir werden einen Weg finden, euch zu befreien, auch wenn ich noch nicht weiß wie!"
Bei dem dunklen blau von Legolas Augen schwor sie es sich diesen Weg zu finden.
^^^^^^^^
Nachdem sich die Haupttore des Palastes geschlossen hatten, gaben schlagartig alle Orks ihre Verteidigungshaltung auf und zogen sich ohne jeden weiteren Zwischenfall zurück.
Fassungslosigkeit stand in allen Gesichtern, denn keiner der Elben konnte sich erklären, wie ihr gesamtes Vorhaben so kläglich misslingen konnte.
Celeborn und Elrond begannen eine laute und unschöne Auseinandersetzung. Während der Herr von Bruchtal der Meinung war, dass lediglich Odines Geschrei Schuld gewesen sei, war Celeborn davon überzeugt, dass sie schon längst erwartet worden waren.
Der Rückweg ins Lager gestaltete sich als alles andere als angenehm. Die eine Hälfte versteckte ihre Verzweiflung und Wut hinter einem eisigen Schweigen und die andere ließ sich in ihrem Zorn vollkommen gehen.
Legolas hatte sich nach den endlos scheinenden Streitereien und Schuldzuweisungen ohne jegliches Kommentar an sein kleines Wasserloch zurückgezogen. Er brauchte Abstand und wollte einfach nur weg von den anderen.
Die Sonne verschwand schon langsam hinter den Bäumen und eine wunderbare Pracht färbte den Horizont. Doch wie niemals zuvor, schien dieser dem Prinzen so grau und trostlos wie heute. Er konnte es kaum glauben, dass er an diesem Ort noch am gleichen Vormittag das glücklichste Wesen unter dem gesamten Himmel Mittelerdes gewesen war und jetzt saß er in einem Haufen voller Scherben. Es war wirklich geschehen, seine schlimmsten Befürchtungen waren eingetreten.
Er schreckte aus seinem apathischen Zustand hoch, den er eigentlich seit der späten Mittagsstunde nicht Willens war, wieder abzulegen. Geritor war lautlos zu ihm getreten und ließ sich auf den Boden direkt neben dem Prinzen nieder.
Legolas sah ihn schweigend an, wandte aber seinen Blick erneut in Richtung Westen. Es verging eine ganze Weile, bis er sich endlich dazu durchrang zu sprechen.
"Wenn ich vielleicht.?" doch Geritor unterbrach ihn, indem er eine Hand auf seine linke Schulter legte und kaum sichtbar leicht den Kopf schüttelte.
"Nein, rede dir das erst gar nicht ein, hörst du!" der Elb zerquetschte zur Unterstreichung seiner Worte noch mit der Hand beinahe die Schulter des Prinzen.
"Jeder einzelne von uns war sich des hohen Risikos bewusst, das wir eingehen mussten. Meine Tochter ebenfalls", sprach Geritor ruhig aber sehr ernst "Nicht wahr Legolas!"
"Ja, ich weiß. Aber noch immer habe ich Eleyas Blick vor Augen, als man sie ins Innere des Palastes gezerrt hat", wie schon am Morgen zog sich dieses unsichtbare Seil um seine Kehle und hinderte ihn am Atmen.
"Auch wenn dieser Blick nicht im Entferntesten mehr mir galt, so war ich trotz allem noch in der Lage zu erkennen, was er bedeutete und das war gewiss kein Abschied."
Geritor wartete geduldig auf eine Antwort des jungen Elben. Je länger er dem Prinzen ins Gesicht sah, desto mehr musste er feststellen, dass wohl sein zukünftiger Schwiegersohn gerade neben ihm saß. Es erfüllte sein Herz mit Stolz und Zufriedenheit, doch auch gleichzeitig mit großem Kummer. Seine Tochter war leider nicht in seinen Armen, sondern in der Hand dieses Tyrannen. Geritor machte sich große Vorwürfe, dass er sich gezeigt hatte. Vielleicht wäre es besser gewesen, es nicht zu tun, denn dann hätte Kardel nicht so schnell ihre Abstammung herausgefunden. Er würde sich hüten Eleya etwas vor dem Ablauf des Ultimatums anzutun, soviel wusste Geritor. Doch es war bereits fast ein halber Tag verstrichen, ohne dass auch nur ein vernünftiger Satz im Lager gesprochen worden war.
Wut entfachte sich in ihm, denn er war zwar gerne bereit, seine Tochter an den Düsterwald und diesen Elben neben ihm zu verlieren, doch niemals an diesen Tyrannen. Jedes Wagnis würde er eingehen, um sie aus der Gewalt seines alten Feindes zu befreien. So einfach war das Ganze jedoch nicht, denn Legolas dachte genauso in diesem Punkt und würde ihn mit Garantie keines Falls alleine gehen lassen. Doch er durfte das Leben von Thranduils Thronfolger und zugleich einzigem Kind nicht aufs Spiel setzen.
"Geritor", sagte Legolas nach einer ganzen Weile leise. Eine Spur von Unsicherheit blitzte kurz in seinen Augen auf, als er den Blick hob.
Etwas in Geritor erschauderte, als er in das entschlossene Gesicht des Prinzen sah. Er kannte diesen Gesichtsausdruck. Es war schon eine lange Zeit her und damals war es er selbst gewesen, der Maleynas Vater gegenüber saß.
"Ich habe keinen Zweifel, dass Eleya einen Ausweg finden wird und ich werde soweit es in meiner Macht steht, alles tun um ihr dabei zu helfen" Legolas stockte kurz und atmete noch einmal tief ein "Doch wenn ich wieder in der Lage bin sie in meinen Armen zu halten, werde ich nicht bereit sein, sie jemals wieder daraus zu entlassen. Ebenso wenig werde ich sie wieder ohne weiteres in euer Tal..."
"Legolas!", Geritor ließ den Prinzen erneut nicht aussprechen und wurde noch ernster, seine gräulich scheinenden Augen verrieten es.
"Ich weiß sehr wohl, dass dein Platz hier ist und Eleyas ist es auch. Der Düsterwald ist schon immer ihre wahre Heimat gewesen!"
Der Prinz musterte die Miene seines Gegenübers genau und war sich nicht im Geringsten sicher, dass das gut war, was sich dahinter verbarg. Die ganze Zeit haderte er schon mit sich und stellte sich die Frage, ob es der richtige Moment war mit Eleyas Vater zu sprechen.
"Geritor, ich...", er musste schlucken und die grauen Augen, die ihn noch immer prüfend ansahen, entspannten sich und wurden weich.
"Ich weiß, mein Junge. Ich habe Augen", kam nur mit einem breiten Grinsen zurück. Zumindest in dieser Sache war Geritor sehr dankbar für den Weg des Schicksals und irgendetwas sagte ihm, dass auch der Rest sich wieder zum Guten wenden würde. Er hatte schon des Öfteren lernen müssen, dass das Leben manchmal seltsame Wege ging.
Lautlos schlossen sich die Torbögen hinter ihnen und Dunkelheit kam über sie herein. Von den unzähligen Lampen an den Wänden war höchstens alle fünfzig Fuß eine angezündet worden. Doch konnte Eleya überall an den Wänden und Säulen kunstvoll in den Stein geschlagene Motive aus dem Waldleben erkennen, wovon ein großer Teil Vögel waren. Geritor hatte ihr erzählt, dass Waldelben schon immer diese Geschöpfe besonders ihn ihr Herz geschlossen hatten. In allen Lebensarten und jedweder Vielfältigkeit hatte man sie verewigt und die Elbe konnte nicht eine Gattung nennen, die vergessen worden war. Aber auch alle anderen Tiere und Bäume des Waldes, welche teilweise in hölzernen Schnitzereien gefertigt waren, konnte sie erkennen.
Es machte beinahe den Anschein, als wenn sie versuchen wollten aus den Bildern zu entfliehen, so lebensecht und detailgetreu waren diese Arbeiten.
Unzählige Gänge führte man die Drei entlang und es war deutlich zu merken, dass es konstant in die tieferen Regionen des Palastes ging. Es war ihnen sehr wohl klar, dass der Kerker ihr Ziel darstellte. Schlagartig hörten die kunstvoll verzierten Wände und Decken auf und kalter schlicht geschlagener Stein folgte. Die Gänge wurden enger und kein Tageslicht, welches sich bis dahin immer durch die Frischluftschächte seinen Weg gesucht hatte, drang mehr zu ihnen hinunter.
Eine lange Reihe von dicken Bohlentüren, aus denen klagende und stöhnende Klänge hallten, erstreckte sich plötzlich vor ihnen.
"Sperrt die beiden Männer dort mit zu", brach Kardel das eisige Schweigen und deutete auf eine der Türen. Der Hauptmann, welcher inzwischen wieder zu ihnen gestoßen war, schloss das schwere Holz auf und ließ Meradeth und Feladrion hineinbringen. Eleya musste schlucken, als sie an den Handgelenken angekettet wurden. Über zwanzig weitere Gefangene zählte sie, die in der gleichen Prozedur eng aneinander gedrängt an die Wänden gebunden waren. Da viel zu viele Seelen in die Zelle zusammen gepfercht standen, war es ihnen nicht mehr möglich sich zu strecken, ohne jemand anderen zu berühren.
Ein letzter mit Trotz gefüllter Blick von Meradeth traf sie und ließ in ihrem Herzen wieder Hoffnung aufkeimen, bevor die Tür wieder geschlossen wurde.
"Und was ist mit ihr, Herr?" fragte dann der Hauptmann, als er noch einmal persönlich nachgeprüft hatte, ob das Schloss auch ordentlich verriegelt worden war.
"Wir möchten ja nicht, dass sich unser hoher Besuch über unsere Unhöflichkeit beschwert, nicht wahr!" das bösartige Grinsen war wieder auf die Züge des Tyrannen getreten.
"Euer Wunsch den König zu sehen soll erfüllt werden, Mylady", spottete er und stieß sie in Richtung einer noch tieferen Ebene. Vor ihr lag absolute Dunkelheit und panische Angst stieg in Eleya hoch und überflutete sie.
"Haltet sie doch fest", schrie der Hauptmann. Es war ihr gelungen sich durch Tritte und Bisse loszureißen. Doch die Orks reagierten sofort und es brach ein stechender Schmerz durch ihre Schultern und den Rücken. Die Elbe glaubte ihre Arme würden gleich brechen, so brutal wurden sie ihr nach hinten verdreht. Daraufhin erstarb ein großer Teil ihrer Gegenwehr. Sie musste einsehen, dass es im Moment keinerlei Fluchtmöglichkeit für sie gab.
Thranduil erwachte aus seinem leichten Dämmerschlaf, doch um ihn herum fand er nichts weiter als Dunkelheit. Trotz allem konnte er die kalten Wände spüren, deren Feuchtigkeit sich immer weiter in den Stoff seiner Kleider, aber was noch schlimmer war, in seinen Körper hineinsog. Dem König war schon lange nicht mehr so kalt gewesen und selbst das bisschen Stroh, das man ihm zugedacht hatte, brachte ihm nicht die geringste Bequemlichkeit. Er fragte sich einmal mehr, wie lange er schon hinter dieser dicken Bohlentür saß, denn seitdem er sich Kardel gestellt hatte, war nicht das geringste Tageslicht zu ihm gedrungen. Es war unmöglich zu sagen, wie viele Tage schon vergangen waren, doch es kam ihm länger vor, als die letzten dreitausend Jahre.
Ein lautes Poltern und Gezeter war in den oberen Hallen zu hören und unzählige Wachen liefen hektisch durch die Gänge. Thranduil konnte alleine sechs Orks zählen, die sich in der Nähe seiner Zelle postierten. Etwas musste geschehen sein, alle hatten ihre Waffen griffbereit und ihre Anspannung war deutlich zu spüren. Die Schritte, welche er vernahm wusste er nur zu gut zu deuten.
"Hey Thranduil hier ist jemand, der unbedingt mit dir sprechen möchte!" lachte Kardel höhnisch durch die kleine mit Eisenstäben besetzte Öffnung der Tür.
Das Schloss klickte leise und er stieß mit einem brutalen Tritt gegen die Tür. Der König musste blinzeln, als drei der Wachen mit Fackeln in seine Zelle traten und zwei weitere Orks eine rebellierende und um sich tretende Gestalt mit sich zogen.
Dem König stockte der Atem, als lange blonde Locken und ein spitzes Ohr sichtbar wurden.
Die Frau, die sie äußerst unsanft versuchten zu bändigen, war unleugbar reiner elbischer Natur. Ihre Angst und der doch gleichzeitig auftretende Mut erinnerten ihn sehr an jemanden. Konnte es sein?
"Der gute alte Geritor hat sie dir persönlich zur Unterhaltung geschickt", der zuvorkommende Unterton, welcher sich in Kardels Stimme mischte, war alles andere als glaubwürdig.
Thranduils Herz blieb für einen Moment stehen, als er die Worte vernahm. Doch er durfte es nicht zeigen. Er wusste wohl, dass Kardel sich diese Schwäche einmal zunutze machen würde, um ihn weiter unter Druck zu setzten. Außerdem konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sein Freund so etwas auch nur in Erwägung gezogen hätte. Es sei denn, es wäre etwas Unvorhersehbares vorgefallen.
Die beiden Wachen warfen die junge immer noch zappelnde Elbe mit voller Wucht gegen die steinerne Mauer. Ein dumpfer Aufschlag ihres Kopfes war zu hören und gleichzeitig versagte schlagartig ihre Gegenwehr. Eleya hatte das Bewusstsein verloren und ihr lebloser Körper rutschte an der Wand hinunter auf den Boden.
Höhnisch lachend, aber ohne ein weiteres Wort verließen Kardel und die Orks die Zelle, aber der König konnte noch die Anweisung verstehen, dass man eine Lampe sollte brennen lassen.
Die Stimmen wurden leiser und entfernten sich offensichtlich sehr rasch zurück in die oberen Ebenen.
Unter großen Schmerzen schleppte sich Thranduil zu dem Mädchen, das noch immer unverändert auf den Steinen lag. Behutsam drehte er sie um und bettete sie in seine Arme. Man schien ihr nichts angetan zu haben, denn er fand außer ein paar Abschürfungen keinerlei Brüche oder sonstige ernsthafte Verwundungen. Nur über ihren rechten Unterarm zog sich eine tiefe Schramme, doch diese war bereits gut versorgt worden und alle Anzeichen verrieten ihm, dass es sich dabei um die Handschrift seiner Gattin handelte.
Das zarte Gesicht, in das er blickte und die sanft geschwungenen Wangenknochen waren das deutliche Erbe Maleynas, doch eine Wildheit war in ihre Zügen gemischt, wie man sie gewöhnlich nur im Düsterwald fand.
Die junge Frau regte sich ein wenig und es schien, als wenn sie wieder aus ihrer Ohnmacht erwachte. Anfangs flatterten ihre Lieder noch und ein kurzer Blick in die Augen des Königs ließ sie aufstrahlen.
"Legolas", formten kaum hörbar ihre Lippen und Thranduil stutzte erstaunt. Doch dann erwachte sie schlagartig und musterte ihn kritisch. Sanfte hell grüne Augen, in die der König bisher nur einmal in seinem Leben geblickt hatte, sahen prüfend in seinen Blick und wanderten über seine Gesichtszüge.
Die Elbe erstarrte. Selbst wenn Kardel nicht seinen Namen ausgesprochen hätte, gäbe es keinen Zweifel, wer er war.
Seine Augen waren dieselben, wie die des Prinzen, lediglich ein bis zwei Nuancen heller. Bei dem markanten und eckigen Gesicht, konnte er nicht leugnen, dass Legolas sein Sohn war, auch wenn sich bei diesem die weichen Züge seiner Frau dazu gemischt hatten. An den Seiten seines langen blonden Haars hatten sich die ersten silbernen Strähnen abgezeichnet, die sein hohes Alter verrieten.
"Was ist geschehen Eleya?" wollte Thranduil wissen und half ihr sich auf zu setzten. Sie sah ihn überrascht und ratlos an, antwortete aber nicht.
Er lächelte leicht und wie ihm auffiel, war es wohl das erste Mal seitdem er sich gestellt hatte.
"Eine solche Schönheit würde ich doch niemals vergessen, auch wenn ihr damals noch sehr jung wart, Mylady", erklärte Thranduil so galant, wie es nur ein äußerst hoher Edelmann konnte.
Röte stieg in Eleyas Wangen auf und einen Moment wandte sie ihren Blick verlegen ab. Doch wiederum zum Erstaunen des Königs schüttelte sie nur den Kopf und fing an zu lachen. Jetzt verstand sie, was ihren Vater und den König immer so eng verbunden hatte. Es war dasselbe Holz, aus dem sie geschnitzt worden waren, denn seine Art, seine Gestik und seine Aussprache ähnelte sehr der ihres Vaters.
"Ja, ihr habt Recht. Ich bin Geritors Tochter und wir werden einen Weg finden, euch zu befreien, auch wenn ich noch nicht weiß wie!"
Bei dem dunklen blau von Legolas Augen schwor sie es sich diesen Weg zu finden.
^^^^^^^^
Nachdem sich die Haupttore des Palastes geschlossen hatten, gaben schlagartig alle Orks ihre Verteidigungshaltung auf und zogen sich ohne jeden weiteren Zwischenfall zurück.
Fassungslosigkeit stand in allen Gesichtern, denn keiner der Elben konnte sich erklären, wie ihr gesamtes Vorhaben so kläglich misslingen konnte.
Celeborn und Elrond begannen eine laute und unschöne Auseinandersetzung. Während der Herr von Bruchtal der Meinung war, dass lediglich Odines Geschrei Schuld gewesen sei, war Celeborn davon überzeugt, dass sie schon längst erwartet worden waren.
Der Rückweg ins Lager gestaltete sich als alles andere als angenehm. Die eine Hälfte versteckte ihre Verzweiflung und Wut hinter einem eisigen Schweigen und die andere ließ sich in ihrem Zorn vollkommen gehen.
Legolas hatte sich nach den endlos scheinenden Streitereien und Schuldzuweisungen ohne jegliches Kommentar an sein kleines Wasserloch zurückgezogen. Er brauchte Abstand und wollte einfach nur weg von den anderen.
Die Sonne verschwand schon langsam hinter den Bäumen und eine wunderbare Pracht färbte den Horizont. Doch wie niemals zuvor, schien dieser dem Prinzen so grau und trostlos wie heute. Er konnte es kaum glauben, dass er an diesem Ort noch am gleichen Vormittag das glücklichste Wesen unter dem gesamten Himmel Mittelerdes gewesen war und jetzt saß er in einem Haufen voller Scherben. Es war wirklich geschehen, seine schlimmsten Befürchtungen waren eingetreten.
Er schreckte aus seinem apathischen Zustand hoch, den er eigentlich seit der späten Mittagsstunde nicht Willens war, wieder abzulegen. Geritor war lautlos zu ihm getreten und ließ sich auf den Boden direkt neben dem Prinzen nieder.
Legolas sah ihn schweigend an, wandte aber seinen Blick erneut in Richtung Westen. Es verging eine ganze Weile, bis er sich endlich dazu durchrang zu sprechen.
"Wenn ich vielleicht.?" doch Geritor unterbrach ihn, indem er eine Hand auf seine linke Schulter legte und kaum sichtbar leicht den Kopf schüttelte.
"Nein, rede dir das erst gar nicht ein, hörst du!" der Elb zerquetschte zur Unterstreichung seiner Worte noch mit der Hand beinahe die Schulter des Prinzen.
"Jeder einzelne von uns war sich des hohen Risikos bewusst, das wir eingehen mussten. Meine Tochter ebenfalls", sprach Geritor ruhig aber sehr ernst "Nicht wahr Legolas!"
"Ja, ich weiß. Aber noch immer habe ich Eleyas Blick vor Augen, als man sie ins Innere des Palastes gezerrt hat", wie schon am Morgen zog sich dieses unsichtbare Seil um seine Kehle und hinderte ihn am Atmen.
"Auch wenn dieser Blick nicht im Entferntesten mehr mir galt, so war ich trotz allem noch in der Lage zu erkennen, was er bedeutete und das war gewiss kein Abschied."
Geritor wartete geduldig auf eine Antwort des jungen Elben. Je länger er dem Prinzen ins Gesicht sah, desto mehr musste er feststellen, dass wohl sein zukünftiger Schwiegersohn gerade neben ihm saß. Es erfüllte sein Herz mit Stolz und Zufriedenheit, doch auch gleichzeitig mit großem Kummer. Seine Tochter war leider nicht in seinen Armen, sondern in der Hand dieses Tyrannen. Geritor machte sich große Vorwürfe, dass er sich gezeigt hatte. Vielleicht wäre es besser gewesen, es nicht zu tun, denn dann hätte Kardel nicht so schnell ihre Abstammung herausgefunden. Er würde sich hüten Eleya etwas vor dem Ablauf des Ultimatums anzutun, soviel wusste Geritor. Doch es war bereits fast ein halber Tag verstrichen, ohne dass auch nur ein vernünftiger Satz im Lager gesprochen worden war.
Wut entfachte sich in ihm, denn er war zwar gerne bereit, seine Tochter an den Düsterwald und diesen Elben neben ihm zu verlieren, doch niemals an diesen Tyrannen. Jedes Wagnis würde er eingehen, um sie aus der Gewalt seines alten Feindes zu befreien. So einfach war das Ganze jedoch nicht, denn Legolas dachte genauso in diesem Punkt und würde ihn mit Garantie keines Falls alleine gehen lassen. Doch er durfte das Leben von Thranduils Thronfolger und zugleich einzigem Kind nicht aufs Spiel setzen.
"Geritor", sagte Legolas nach einer ganzen Weile leise. Eine Spur von Unsicherheit blitzte kurz in seinen Augen auf, als er den Blick hob.
Etwas in Geritor erschauderte, als er in das entschlossene Gesicht des Prinzen sah. Er kannte diesen Gesichtsausdruck. Es war schon eine lange Zeit her und damals war es er selbst gewesen, der Maleynas Vater gegenüber saß.
"Ich habe keinen Zweifel, dass Eleya einen Ausweg finden wird und ich werde soweit es in meiner Macht steht, alles tun um ihr dabei zu helfen" Legolas stockte kurz und atmete noch einmal tief ein "Doch wenn ich wieder in der Lage bin sie in meinen Armen zu halten, werde ich nicht bereit sein, sie jemals wieder daraus zu entlassen. Ebenso wenig werde ich sie wieder ohne weiteres in euer Tal..."
"Legolas!", Geritor ließ den Prinzen erneut nicht aussprechen und wurde noch ernster, seine gräulich scheinenden Augen verrieten es.
"Ich weiß sehr wohl, dass dein Platz hier ist und Eleyas ist es auch. Der Düsterwald ist schon immer ihre wahre Heimat gewesen!"
Der Prinz musterte die Miene seines Gegenübers genau und war sich nicht im Geringsten sicher, dass das gut war, was sich dahinter verbarg. Die ganze Zeit haderte er schon mit sich und stellte sich die Frage, ob es der richtige Moment war mit Eleyas Vater zu sprechen.
"Geritor, ich...", er musste schlucken und die grauen Augen, die ihn noch immer prüfend ansahen, entspannten sich und wurden weich.
"Ich weiß, mein Junge. Ich habe Augen", kam nur mit einem breiten Grinsen zurück. Zumindest in dieser Sache war Geritor sehr dankbar für den Weg des Schicksals und irgendetwas sagte ihm, dass auch der Rest sich wieder zum Guten wenden würde. Er hatte schon des Öfteren lernen müssen, dass das Leben manchmal seltsame Wege ging.
