Verwirrende Zweifel
Auch nach der Zerstörung der Brücke war es noch ein gutes Stück Arbeit bis die letzten Orks erschlagen worden waren. Die wenigen, die es geschafft hatten zu fliehen wurden auf Legolas Befehl hin verfolgt und in den dunklen Teil des Waldes getrieben, wo jemand, der sich in diesen Wäldern nicht auskannte kaum eine Chance hatte, je wieder hinaus zu finden. Niemand würde sie jemals wieder sehen.
Der Plan des Prinzen war erfolgreich gewesen. Sie hatten durch ihr Handeln mindestens einen ganzen Tag gewonnen und konnten in dieser Zeit mit dem Eintreffen von Geritors Truppen rechnen. Somit würden sie in der Überzahl sein und könnten einen direkten Angriff wagen. Bedauerlicherweise gab es jedoch einen schwarzen Fleck in diesem Bild, denn Eleya und Gimli hatten es nicht mehr rechtzeitig geschafft, an das rettende Ufer zu gelangen und saßen mit dem Feind zusammen fest.
Da weder Legolas noch Geritor Ruhe fanden, beschlossen sie sich zu verstecken und zu beobachten, was im Palast geschehen würde. Aragorn und selbst Meradeth, der sichtlich erschöpft war, ließen sich nicht abhalten an ihrer Seite zu bleiben.
Alle lagen gut verschanzt in einem Graben und hatten sich bestmöglich unter dem ersten Laub, das von den Bäumen fiel, versteckt. Von dort konnte man das gesamte Haupttor zu allen Seiten überblicken und auch einen Teil des Inneren sehen, da niemand sich in dem Durcheinander die Mühe gemacht hatte, die Tore wieder zu verschließen.
Es durfte kaum eine Stunde sein, die sie da wachten, als aus einem der Lüftungsschächte, welcher direkt über der ehemaligen Brücke lag, etwas hervorquoll. Ein silberner und meisterlich geschlagener Helm kam zum Vorschein und dann ein grobes schlichtes Kettenhemd.
Der Prinz zog heftig die Luft ein, als er die Kleidung seines zwergischen Freundes erkannte. Doch es blieb ihm keinerlei Zeit darüber nachzudenken, denn eine zwei Person wurde sichtbar. Es war eindeutig Eleyas Kleid, was Legolas da sah, aber ihre blonden Locken fehlten und sie schien äußerst unförmig geworden zu sein. Die Erinnerung an den schlanken Körper in seinen Armen, ließ ihn zweifeln, an dem was dort zu geschehen zu schien.
Es waren nur wenige Sekunden, in denen sie die zwei Wesen während ihres Fallens erblicken konnten, denn sobald sie die Wasseroberfläche auch nur berührten, begruben die Massen sie auch schon.
Sprachlos starrten alle vier auf den jetzt wieder ruhig fließenden Fluss und fragten sich, ob es die Wahrheit war, welche sie gerade gesehen zu haben meinten. Geritor wollte es einfach nicht glauben, was sich da soeben vor seinen Augen abgespielt hatte. Seine Tochter und Gimli waren in den Fluss gesprungen und in die Tiefen gezogen worden. Er kannte jedoch seinen Spross zu gut, freiwillig hätte Eleya niemals so einfach aufgegeben. Seine Augen schweiften zu Legolas. Der Prinz schien es gespürt zu haben, denn er drehte sich, ohne dass auch nur ein Wort ausgesprochen wurde in seine Richtung. "Sie lebt!" durch Legolas Gesicht zog sich Verzweiflung, aber nicht die geringste Spur von Trauer. Auf den fragenden Ausdruck von ihrem Vater hin, lächelte er nur kurz sanft auf "Ich kann es spüren."
"Legolas hat recht", mischte sich jetzt auch Aragorn ein, der im Gegensatz zu den beiden Elben mit keinen Gefühlen, gleich von welcher Art, kämpfen musste und von daher viel objektiver auf den Sturz geachtete hatte.
"Was oder wer da auch immer in die Tiefen gezogen wurde, es hätte niemals Eleya sein können. Das Wesen hatte bestimmt den dreifachen Umfang, wie die Elbe und für Gimli war der Kleinere viel zu schmächtig."
Geritors Schultern hoben sich schlagartig bei dieser Aussage "Es war ein Trick! Sie haben versucht Kardel und seine Truppen zumindest für einen Augenblick zu täuschen und Zeit zu gewinnen. Sie suchen bereits nach einem anderen Ausweg."
Legolas hörte ihm ab diesem Moment nicht mehr zu, denn er grübelte über die Möglichkeit nach, dass ausgerechnet Gimli Geheimnis ihre Rettung sein könnte. Doch so beharrlich wie der Zwerg schwieg, würde das nicht ganz so einfach werden. Aber immerhin hatte er Eleya in sein Herz geschlossen, was ihm bestimmt in so einem Moment wieder aufgrummeln ließ. Legolas Mundwinkel zuckten bei diesem Gedanken verräterisch. "Was meinst du dazu Meradeth?"
Der dunkelhaarige Elb gab ihm erst eine Antwort, als Legolas seinen Oberarm berührte. Vor seinem inneren Auge spielte sich immer wieder die Szene ab, wo er Eleya den Rat mit der Strömung gegeben hatte. Bestimmt würde sie einen Weg suchen, um zu der kleinen Bucht zu gelangen.
Er hatte immer, wenn es ihm möglich war, an ihrer Seite gestanden und versucht sie zu beschützen, doch Geritors Tochter war raffiniert und gewitzt genug um sich auch ohne fremde Hilfe durchzuschlagen. Vor allem aber war sie nicht ganz alleine. Auch wenn es ein Zwerg war, Gimli würde sie nicht verlassen.
"Wir können nur warten, doch hier ist der falsche Platz! Ich kann mich irren, aber wenn Eleya mir auch nur ansatzweise zugehört hat, weiß ich ungefähr wo wir suchen müssen, wenn es für sie einen Weg gibt zu entkommen." Noch im gleichen Atemzug sprang er aus seinem Versteck hinaus und rannte flussabwärts in der Nähe des Ufers entlang.
Seine drei Gefährten tauschen zwar verwunderte Blicke aus, folgten Meradeth aber voller Vertrauen. Auch wenn dieser ihnen nicht mit einem Deut eine Erklärung gegeben hatte, so wusste er stets genau was er tat.
^^^^^^
Erschöpft sanken Eleya und Gimli das Geländer entlang auf den Boden. Es war schwerer gewesen, als sie erwartet hatten, die beiden Orks aus dem Luftschacht zu werfen. Denn dieser war etwas höher als der Kopf der Elbe. Doch die beiden hatten es zusammen gemeistert und hofften, dass ihr Vorhaben gelungen war.
"Und was machen wir jetzt?" fragend blickten die hell grünen Augen Gimli an. Sie bemerkte den innerlichen Zwiespalt des Zwerges und wusste, dass es nun an der Zeit für ihn war sich zu entscheiden. Um ihnen beiden eine erneute Flucht zu ermöglichen, musste er sein Geheimnis offenbaren, welches er am Totenbett seines Vaters geschworen hatte zu schützen.
Eleya senkte ihren Blick, um ihn nicht weiter zu beeinflussen. Sie würde seine Wahl akzeptieren und nicht ein Vorwurf oder jegliches Kommentar würde ihre Lippen verlassen. Abrupt sprang Gimli mit einem Knurren auf und sah sie funkelt an.
"Wie lange willst du dich denn noch ausruhen? Wir Zwerge brauchen keine Ruhe, da musst du dich schon zusammenreißen", grinste er und wandte sich um und lief die Treppen des Balkons hinunter. Die Elbe lächelte ihm dankbar zu und folgte ihm eiligst.
Gimli rannte zielsicher durch die Flügeltür des Thronsaals und seitlich durch die große Vorhalle. Sie standen bald darauf in dem Küchentrakt und der Zwerg deutete Eleya in die Richtung, der tief unter der Erde liegenden Kellergewölbe. Beide jedoch blieben schlagartig stehen und starrten erschrocken auf, als sie die dunkle Sprache der Orks vernahmen.
"Das kann nicht sein! Wir müssten noch unter Thranduils Schutz stehen", flüsterte sie Gimli leise ins Ohr. Lediglich ein Achselzucken war ihre Antwort, da ihre Feinde immer näher auf sie zukamen.
Bevor sie die Möglichkeit hatten sich zu überlegen, wie sie aus dem Schlammassel wieder heraus kommen konnten, stand auch schon Kardels Hauptmann knurrend vor ihnen.
"Wo wart ihr? Das wird noch Folgen für euch haben!" schnauzte dieser die Beiden an und gab Gimli einen äußerst unsanften Tritt, während die Elbe sich die lederne Kopfbedeckung unauffällig soweit ins mit Dreck verschmierte Gesicht zog, dass man kaum noch einen Schatten erkennen konnte. Doch zu ihrer Beider Glück war das momentane Interesse des Anführers nicht weiter ihnen zu gegolten, denn er drehte sich weg und stampfte wütend den Gang hinunter.
Da ihnen nichts anderes übrig blieb, schlossen sie sich dem Trupp an, hielten sich aber ohne ein Wort zu sprechen am hinteren Ende auf. Gimli gefiel das gar nicht, denn genau in dieser Richtung, lag ihr einziger Ausweg. Eleya war in der Lage einige Wortfetzen aufzufangen die sich wie "tot" und "unsinnig zu suchen" anhörten und atmete erleichtert auf, da man zumindest teilweise ihren Köder geschluckt hatte.
Sie blieben stehen und einige aus der Truppe bogen nach rechts in einen Gang ab, wo sich einer der vielen Kellerräume befand, während der andere Teil geduldig wartete. Diese Prozedur hatten sie bis jetzt bei jeder Abzweigung und jedem Raum gemacht, der auf ihrem Weg lag. Das war gar nicht gut, denn je länger sie stehen blieben, desto größer wurde die Gefahr, dass man sie entdeckte. Es war bis zu diesem Augenblick mehr Glück als Verstand der Beiden gewesen, dass kein einziger genauer von ihnen Notiz nahm. Eleya wurde Zunehmens unruhiger und hatte Mühe auf Dauer ihr Gesicht vor den anderen zu verbergen.
"Da ist niemand", knurrte der Hauptmann, welcher wieder zurückgekehrt war und gab den Befehl weiterzugehen. Doch anstatt ihm zu folgen verzögerte Gimli seinen und der Elbe Schritt und zog sie schließlich keinen Widerspruch duldend mit sich in genau den gerade inspizierten Gang hinein. Sie drückten sich an die Wand und horchten lange den Orks hinterher, aber niemandem schien es aufzufallen, dass zwei ihrer Leute fehlten.
Es war keine schlechte Überlegung sich dort zu verstecken, wo man bereits nach ihnen gesucht hatte, das musste Eleya zugeben, doch es war noch immer kein Weg, der sie aus dem Palast bringen sollte zu sehen.
Plötzlich fand sich die Elbe in riesigen Kellern und Lagerungsräumen wieder, in denen unzählbare Fässer waren. Man hätte sicherlich die Vorräte für ein halbes Jahr in all diesen Verwinkelungen verstauen können. In den steinernen Boden war eine Falltür aus dickem Eichenholz eingesetzt worden und an der danebenliegenden Wand befand sich eine Art Flaschenzug, wie man ihn gewöhnlich bei einem Fallgatter benutzte, doch nirgendwo konnte sie eins erspähen. Unter ihren Füssen konnte sie allerdings deutlich die Kraft vom rasch fließenden Wasser spüren, was auf einen unterirdischen Quell deutete. Es konnte aber keines Falls der Waldfluss sein, denn dafür hatten sie sich schon viel zu weit vom Eingang entfernt. Eleya wandte sich zu einer der nahe liegenden Nischen und der Anblick, der sich ihr darin bot war reine Verwüstung.
Ursprünglich schienen die Fässer gefüllt gewesen zu sein mit allem was das Herz begehrt, doch jetzt lagen sie wirr verstreut auf dem Boden und schimmelnde Apfelreste und Reste von ranziger Butter waren noch an ihren Rändern zu sehen. Jedes Einzelne war rücksichtslos geplündert worden und teilweise einfach nur ausgekippt, wenn es den Orks wohl nicht zugesagt hatte. Eleya hielt sich angewidert die Hand vor den Mund, als sie mehrere heraus gerissene Knochen von Hirschen und Rehen entdeckte, die schon einen üblen Verwesungsgeruch angenommen hatten.
Gimli hingegen schien das Durcheinander gerade Mal zur Kenntnis genommen zu haben und ging mit kritischem Blick durch den Raum, als wenn er etwas suchte.
"Kann ich dir irgendwie helfen?" vorsichtig trat sie auf den Zwerg zu, wollte aber nicht das Gefühl verbreiten, zuviel wissen zu wollen. Gimli drehte sich zu ihr herum und lächelte sanft. Er war dankbar für ihre Zurückhaltung und nun auch restlos bereit ihr zu vertrauen. Doch gerade als er anfangen wollte ihr zu erklären, was sein Plan war, hörte er leise Schritte auf sie zu kommen.
Auch die Elbe horchte auf und wurde nach wenigen Momenten kreide bleich. Eleya kannte diese Art zu gehen genau und sah sich und den Zwerg schon eingeschlossen in der Falle sitzen.
Lange braune Haare und blitzende blaue Augen schielten vorsichtig um die Ecke, gaben aber nicht einen Laut von sich. Langsam schlich sich das Wesen zu ihnen hinter die Wand, verweilte aber mit einigem Abstand.
Erst in diesem Moment erkannte Gimli Odine, wusste aber beim besten Willen nicht, ob erleichtert oder erschrocken sein sollte. Auch ihm war natürlich nicht die Szene mit ihr und Kardel entgangen und je länger das Mädchen sich so seltsam an die Wand presste, umso unruhiger wurde er.
Das edle dunkelrote Gewand, das der Zwerg noch am Vortag an ihr gesehen hatte, hing nur noch in Fetzen herunter und an ihrem Hals konnte er Blutergüsse erkennen, die bis über die Schulter hinaus zu laufen schienen. Das Gewicht lagerte hauptsächlich auf dem rechten Fuß und ihr Gesichtsausdruck war leer. "Ich habe gewusst, dass du es bist!"
Ihr Blick jedoch lag unentwegt auf Eleyas Gesicht, die sie ihrerseits mit kritischen und prüfenden Augen musterte. Beide sprachen lange nicht ein Wort, zumindest kam es dem Zwerg so vor. Die beiden Frauen schienen sich mit ihrer Willenstärke, wie zwei Kriegerinnen zu Beginn eines Einzelkampfes zu messen.
Das Mädchen senkte schließlich ihren Blick und ihre Augen wurden glasig, während sich in den Lidern schon die ersten Tränen sammelten. "Warum?" war die schlichte Frage, mit welcher die Elbe die angespannte Luft endlich zerschnitt.
Nur sehr langsam hob Odine wieder ihren Blick, konnte aber nichts weiter tun als schwer zu schlucken. Doch dann schloss sie für eine Sekunde die Augen und atmete tief ein "Ich möchte dich bitten, mir zu vergeben." Ein Flehen stand in dem Gesicht des Mädchens geschrieben, doch Eleya zeigte darauf keinerlei Reaktion. Daraufhin nahm Odine allen Mut zusammen, denn sie wusste wohl, dass ihrer Freundin das Herz blutete.
"Er war so galant und zuvorkommend. Noch niemals zuvor in meinem Leben, hat sich ein Mann so aufmerksam um mich gekümmert und jeden Wunsch hat er mir von den Augen abgelesen." Sie biss sich bei ihren Worten auf die Lippen und Tränen fielen offen über ihr Gesicht, als sich diese mit den letzten Erinnerungen an diesen Tyrann vermischten. "Ich konnte und wollte es einfach nicht glauben, dass es eine Maske war, die er aufgelegt hatte. Bis zu dem Moment, da für euren Fluchtversuch Alarm gegeben wurde."
Erneut zeigte die Elbe keine Regung, bis sie plötzlich tief ausatmete und ihre Schultern herab sanken. Geritor hatte ihr schon des Öfteren erzählt, dass es so einige dunkle Elben gab, die das Wissen und die Erfahrung, welche sie in den Jahrtausenden gesammelt hatten, nicht zur Weißheit einsetzten. Odine war Opfer eines solchen Vergehens geworden. Kardel hatte geschickt ihre Wüsche und Träume freigelegt und diese gegen ihre Freundin verwendet.
"Es ist weder die rechte Zeit und noch der Ort solche Dinge zu besprechen", unterbrach Gimli sie aufbrausend, denn es würde bestimmt nicht mehr lange dauern, bis die Orks ihnen auf die Schliche kamen.
Eleya gab ihm vollkommen Recht, dass man die Zwiespältigkeit zwischen Odine und ihr später klären sollte. Doch konnte man ihr noch Vertrauen? Vielleicht war sie ja auch ein Köder. Es spielte im Moment keine große Rolle, denn wenn ihnen nicht bald was einfallen würde, waren sie sowieso verloren.
Der Zwerg öffnete die schwere Falltür und starrte wie vom Blitz getroffen durch die Öffnung. Die Strömung, die unter ihm durchpeitschte, war wesentlich schneller und gefährlicher, als er erwatet hatte. Es würde hart werden, sich nicht von ihr unter Wasser ziehen zu lassen. Er könnte sich niemals dort hinunter stürzen! Gimlis Herz wurde schwer, da seine einzigen Gedanken erneut seiner Frau und seinem ungeborenen Kind galten.
Die beiden Frauen traten neben ihn und die Elbe kannte jetzt das Geheimnis, doch niemand würde je ein Wort von ihr erfahren, das war sie Gimli schuldig.
"Ein Stück weiter ist ein Fallgitter, das in der Regel geschlossen ist. Wenn wir eine Möglichkeit finden es offen zu halten, hätten wir eine Chance", erklärte er und sah Eleya mit prüfendem Blick an. Ein leichtes Nicken war seine Antwort und der Zwerg wusste, dass ihr Versprechen für die Ewigkeit galt.
Die Konstruktion des Flaschenzugs verhinderte, dass man es einfach festklemmen konnte. So war es stets sicher, dass sobald der Griff losgelassen würde, das Gitter zurück in die Tiefe stürzte. Da es von der anderen Seite nicht zu öffnen war, wurde somit jeder Zeit gewährleistet, dass dieser Zugang verschlossen blieb.
Einer von ihnen würde sich opfern müssen!
Auch nach der Zerstörung der Brücke war es noch ein gutes Stück Arbeit bis die letzten Orks erschlagen worden waren. Die wenigen, die es geschafft hatten zu fliehen wurden auf Legolas Befehl hin verfolgt und in den dunklen Teil des Waldes getrieben, wo jemand, der sich in diesen Wäldern nicht auskannte kaum eine Chance hatte, je wieder hinaus zu finden. Niemand würde sie jemals wieder sehen.
Der Plan des Prinzen war erfolgreich gewesen. Sie hatten durch ihr Handeln mindestens einen ganzen Tag gewonnen und konnten in dieser Zeit mit dem Eintreffen von Geritors Truppen rechnen. Somit würden sie in der Überzahl sein und könnten einen direkten Angriff wagen. Bedauerlicherweise gab es jedoch einen schwarzen Fleck in diesem Bild, denn Eleya und Gimli hatten es nicht mehr rechtzeitig geschafft, an das rettende Ufer zu gelangen und saßen mit dem Feind zusammen fest.
Da weder Legolas noch Geritor Ruhe fanden, beschlossen sie sich zu verstecken und zu beobachten, was im Palast geschehen würde. Aragorn und selbst Meradeth, der sichtlich erschöpft war, ließen sich nicht abhalten an ihrer Seite zu bleiben.
Alle lagen gut verschanzt in einem Graben und hatten sich bestmöglich unter dem ersten Laub, das von den Bäumen fiel, versteckt. Von dort konnte man das gesamte Haupttor zu allen Seiten überblicken und auch einen Teil des Inneren sehen, da niemand sich in dem Durcheinander die Mühe gemacht hatte, die Tore wieder zu verschließen.
Es durfte kaum eine Stunde sein, die sie da wachten, als aus einem der Lüftungsschächte, welcher direkt über der ehemaligen Brücke lag, etwas hervorquoll. Ein silberner und meisterlich geschlagener Helm kam zum Vorschein und dann ein grobes schlichtes Kettenhemd.
Der Prinz zog heftig die Luft ein, als er die Kleidung seines zwergischen Freundes erkannte. Doch es blieb ihm keinerlei Zeit darüber nachzudenken, denn eine zwei Person wurde sichtbar. Es war eindeutig Eleyas Kleid, was Legolas da sah, aber ihre blonden Locken fehlten und sie schien äußerst unförmig geworden zu sein. Die Erinnerung an den schlanken Körper in seinen Armen, ließ ihn zweifeln, an dem was dort zu geschehen zu schien.
Es waren nur wenige Sekunden, in denen sie die zwei Wesen während ihres Fallens erblicken konnten, denn sobald sie die Wasseroberfläche auch nur berührten, begruben die Massen sie auch schon.
Sprachlos starrten alle vier auf den jetzt wieder ruhig fließenden Fluss und fragten sich, ob es die Wahrheit war, welche sie gerade gesehen zu haben meinten. Geritor wollte es einfach nicht glauben, was sich da soeben vor seinen Augen abgespielt hatte. Seine Tochter und Gimli waren in den Fluss gesprungen und in die Tiefen gezogen worden. Er kannte jedoch seinen Spross zu gut, freiwillig hätte Eleya niemals so einfach aufgegeben. Seine Augen schweiften zu Legolas. Der Prinz schien es gespürt zu haben, denn er drehte sich, ohne dass auch nur ein Wort ausgesprochen wurde in seine Richtung. "Sie lebt!" durch Legolas Gesicht zog sich Verzweiflung, aber nicht die geringste Spur von Trauer. Auf den fragenden Ausdruck von ihrem Vater hin, lächelte er nur kurz sanft auf "Ich kann es spüren."
"Legolas hat recht", mischte sich jetzt auch Aragorn ein, der im Gegensatz zu den beiden Elben mit keinen Gefühlen, gleich von welcher Art, kämpfen musste und von daher viel objektiver auf den Sturz geachtete hatte.
"Was oder wer da auch immer in die Tiefen gezogen wurde, es hätte niemals Eleya sein können. Das Wesen hatte bestimmt den dreifachen Umfang, wie die Elbe und für Gimli war der Kleinere viel zu schmächtig."
Geritors Schultern hoben sich schlagartig bei dieser Aussage "Es war ein Trick! Sie haben versucht Kardel und seine Truppen zumindest für einen Augenblick zu täuschen und Zeit zu gewinnen. Sie suchen bereits nach einem anderen Ausweg."
Legolas hörte ihm ab diesem Moment nicht mehr zu, denn er grübelte über die Möglichkeit nach, dass ausgerechnet Gimli Geheimnis ihre Rettung sein könnte. Doch so beharrlich wie der Zwerg schwieg, würde das nicht ganz so einfach werden. Aber immerhin hatte er Eleya in sein Herz geschlossen, was ihm bestimmt in so einem Moment wieder aufgrummeln ließ. Legolas Mundwinkel zuckten bei diesem Gedanken verräterisch. "Was meinst du dazu Meradeth?"
Der dunkelhaarige Elb gab ihm erst eine Antwort, als Legolas seinen Oberarm berührte. Vor seinem inneren Auge spielte sich immer wieder die Szene ab, wo er Eleya den Rat mit der Strömung gegeben hatte. Bestimmt würde sie einen Weg suchen, um zu der kleinen Bucht zu gelangen.
Er hatte immer, wenn es ihm möglich war, an ihrer Seite gestanden und versucht sie zu beschützen, doch Geritors Tochter war raffiniert und gewitzt genug um sich auch ohne fremde Hilfe durchzuschlagen. Vor allem aber war sie nicht ganz alleine. Auch wenn es ein Zwerg war, Gimli würde sie nicht verlassen.
"Wir können nur warten, doch hier ist der falsche Platz! Ich kann mich irren, aber wenn Eleya mir auch nur ansatzweise zugehört hat, weiß ich ungefähr wo wir suchen müssen, wenn es für sie einen Weg gibt zu entkommen." Noch im gleichen Atemzug sprang er aus seinem Versteck hinaus und rannte flussabwärts in der Nähe des Ufers entlang.
Seine drei Gefährten tauschen zwar verwunderte Blicke aus, folgten Meradeth aber voller Vertrauen. Auch wenn dieser ihnen nicht mit einem Deut eine Erklärung gegeben hatte, so wusste er stets genau was er tat.
^^^^^^
Erschöpft sanken Eleya und Gimli das Geländer entlang auf den Boden. Es war schwerer gewesen, als sie erwartet hatten, die beiden Orks aus dem Luftschacht zu werfen. Denn dieser war etwas höher als der Kopf der Elbe. Doch die beiden hatten es zusammen gemeistert und hofften, dass ihr Vorhaben gelungen war.
"Und was machen wir jetzt?" fragend blickten die hell grünen Augen Gimli an. Sie bemerkte den innerlichen Zwiespalt des Zwerges und wusste, dass es nun an der Zeit für ihn war sich zu entscheiden. Um ihnen beiden eine erneute Flucht zu ermöglichen, musste er sein Geheimnis offenbaren, welches er am Totenbett seines Vaters geschworen hatte zu schützen.
Eleya senkte ihren Blick, um ihn nicht weiter zu beeinflussen. Sie würde seine Wahl akzeptieren und nicht ein Vorwurf oder jegliches Kommentar würde ihre Lippen verlassen. Abrupt sprang Gimli mit einem Knurren auf und sah sie funkelt an.
"Wie lange willst du dich denn noch ausruhen? Wir Zwerge brauchen keine Ruhe, da musst du dich schon zusammenreißen", grinste er und wandte sich um und lief die Treppen des Balkons hinunter. Die Elbe lächelte ihm dankbar zu und folgte ihm eiligst.
Gimli rannte zielsicher durch die Flügeltür des Thronsaals und seitlich durch die große Vorhalle. Sie standen bald darauf in dem Küchentrakt und der Zwerg deutete Eleya in die Richtung, der tief unter der Erde liegenden Kellergewölbe. Beide jedoch blieben schlagartig stehen und starrten erschrocken auf, als sie die dunkle Sprache der Orks vernahmen.
"Das kann nicht sein! Wir müssten noch unter Thranduils Schutz stehen", flüsterte sie Gimli leise ins Ohr. Lediglich ein Achselzucken war ihre Antwort, da ihre Feinde immer näher auf sie zukamen.
Bevor sie die Möglichkeit hatten sich zu überlegen, wie sie aus dem Schlammassel wieder heraus kommen konnten, stand auch schon Kardels Hauptmann knurrend vor ihnen.
"Wo wart ihr? Das wird noch Folgen für euch haben!" schnauzte dieser die Beiden an und gab Gimli einen äußerst unsanften Tritt, während die Elbe sich die lederne Kopfbedeckung unauffällig soweit ins mit Dreck verschmierte Gesicht zog, dass man kaum noch einen Schatten erkennen konnte. Doch zu ihrer Beider Glück war das momentane Interesse des Anführers nicht weiter ihnen zu gegolten, denn er drehte sich weg und stampfte wütend den Gang hinunter.
Da ihnen nichts anderes übrig blieb, schlossen sie sich dem Trupp an, hielten sich aber ohne ein Wort zu sprechen am hinteren Ende auf. Gimli gefiel das gar nicht, denn genau in dieser Richtung, lag ihr einziger Ausweg. Eleya war in der Lage einige Wortfetzen aufzufangen die sich wie "tot" und "unsinnig zu suchen" anhörten und atmete erleichtert auf, da man zumindest teilweise ihren Köder geschluckt hatte.
Sie blieben stehen und einige aus der Truppe bogen nach rechts in einen Gang ab, wo sich einer der vielen Kellerräume befand, während der andere Teil geduldig wartete. Diese Prozedur hatten sie bis jetzt bei jeder Abzweigung und jedem Raum gemacht, der auf ihrem Weg lag. Das war gar nicht gut, denn je länger sie stehen blieben, desto größer wurde die Gefahr, dass man sie entdeckte. Es war bis zu diesem Augenblick mehr Glück als Verstand der Beiden gewesen, dass kein einziger genauer von ihnen Notiz nahm. Eleya wurde Zunehmens unruhiger und hatte Mühe auf Dauer ihr Gesicht vor den anderen zu verbergen.
"Da ist niemand", knurrte der Hauptmann, welcher wieder zurückgekehrt war und gab den Befehl weiterzugehen. Doch anstatt ihm zu folgen verzögerte Gimli seinen und der Elbe Schritt und zog sie schließlich keinen Widerspruch duldend mit sich in genau den gerade inspizierten Gang hinein. Sie drückten sich an die Wand und horchten lange den Orks hinterher, aber niemandem schien es aufzufallen, dass zwei ihrer Leute fehlten.
Es war keine schlechte Überlegung sich dort zu verstecken, wo man bereits nach ihnen gesucht hatte, das musste Eleya zugeben, doch es war noch immer kein Weg, der sie aus dem Palast bringen sollte zu sehen.
Plötzlich fand sich die Elbe in riesigen Kellern und Lagerungsräumen wieder, in denen unzählbare Fässer waren. Man hätte sicherlich die Vorräte für ein halbes Jahr in all diesen Verwinkelungen verstauen können. In den steinernen Boden war eine Falltür aus dickem Eichenholz eingesetzt worden und an der danebenliegenden Wand befand sich eine Art Flaschenzug, wie man ihn gewöhnlich bei einem Fallgatter benutzte, doch nirgendwo konnte sie eins erspähen. Unter ihren Füssen konnte sie allerdings deutlich die Kraft vom rasch fließenden Wasser spüren, was auf einen unterirdischen Quell deutete. Es konnte aber keines Falls der Waldfluss sein, denn dafür hatten sie sich schon viel zu weit vom Eingang entfernt. Eleya wandte sich zu einer der nahe liegenden Nischen und der Anblick, der sich ihr darin bot war reine Verwüstung.
Ursprünglich schienen die Fässer gefüllt gewesen zu sein mit allem was das Herz begehrt, doch jetzt lagen sie wirr verstreut auf dem Boden und schimmelnde Apfelreste und Reste von ranziger Butter waren noch an ihren Rändern zu sehen. Jedes Einzelne war rücksichtslos geplündert worden und teilweise einfach nur ausgekippt, wenn es den Orks wohl nicht zugesagt hatte. Eleya hielt sich angewidert die Hand vor den Mund, als sie mehrere heraus gerissene Knochen von Hirschen und Rehen entdeckte, die schon einen üblen Verwesungsgeruch angenommen hatten.
Gimli hingegen schien das Durcheinander gerade Mal zur Kenntnis genommen zu haben und ging mit kritischem Blick durch den Raum, als wenn er etwas suchte.
"Kann ich dir irgendwie helfen?" vorsichtig trat sie auf den Zwerg zu, wollte aber nicht das Gefühl verbreiten, zuviel wissen zu wollen. Gimli drehte sich zu ihr herum und lächelte sanft. Er war dankbar für ihre Zurückhaltung und nun auch restlos bereit ihr zu vertrauen. Doch gerade als er anfangen wollte ihr zu erklären, was sein Plan war, hörte er leise Schritte auf sie zu kommen.
Auch die Elbe horchte auf und wurde nach wenigen Momenten kreide bleich. Eleya kannte diese Art zu gehen genau und sah sich und den Zwerg schon eingeschlossen in der Falle sitzen.
Lange braune Haare und blitzende blaue Augen schielten vorsichtig um die Ecke, gaben aber nicht einen Laut von sich. Langsam schlich sich das Wesen zu ihnen hinter die Wand, verweilte aber mit einigem Abstand.
Erst in diesem Moment erkannte Gimli Odine, wusste aber beim besten Willen nicht, ob erleichtert oder erschrocken sein sollte. Auch ihm war natürlich nicht die Szene mit ihr und Kardel entgangen und je länger das Mädchen sich so seltsam an die Wand presste, umso unruhiger wurde er.
Das edle dunkelrote Gewand, das der Zwerg noch am Vortag an ihr gesehen hatte, hing nur noch in Fetzen herunter und an ihrem Hals konnte er Blutergüsse erkennen, die bis über die Schulter hinaus zu laufen schienen. Das Gewicht lagerte hauptsächlich auf dem rechten Fuß und ihr Gesichtsausdruck war leer. "Ich habe gewusst, dass du es bist!"
Ihr Blick jedoch lag unentwegt auf Eleyas Gesicht, die sie ihrerseits mit kritischen und prüfenden Augen musterte. Beide sprachen lange nicht ein Wort, zumindest kam es dem Zwerg so vor. Die beiden Frauen schienen sich mit ihrer Willenstärke, wie zwei Kriegerinnen zu Beginn eines Einzelkampfes zu messen.
Das Mädchen senkte schließlich ihren Blick und ihre Augen wurden glasig, während sich in den Lidern schon die ersten Tränen sammelten. "Warum?" war die schlichte Frage, mit welcher die Elbe die angespannte Luft endlich zerschnitt.
Nur sehr langsam hob Odine wieder ihren Blick, konnte aber nichts weiter tun als schwer zu schlucken. Doch dann schloss sie für eine Sekunde die Augen und atmete tief ein "Ich möchte dich bitten, mir zu vergeben." Ein Flehen stand in dem Gesicht des Mädchens geschrieben, doch Eleya zeigte darauf keinerlei Reaktion. Daraufhin nahm Odine allen Mut zusammen, denn sie wusste wohl, dass ihrer Freundin das Herz blutete.
"Er war so galant und zuvorkommend. Noch niemals zuvor in meinem Leben, hat sich ein Mann so aufmerksam um mich gekümmert und jeden Wunsch hat er mir von den Augen abgelesen." Sie biss sich bei ihren Worten auf die Lippen und Tränen fielen offen über ihr Gesicht, als sich diese mit den letzten Erinnerungen an diesen Tyrann vermischten. "Ich konnte und wollte es einfach nicht glauben, dass es eine Maske war, die er aufgelegt hatte. Bis zu dem Moment, da für euren Fluchtversuch Alarm gegeben wurde."
Erneut zeigte die Elbe keine Regung, bis sie plötzlich tief ausatmete und ihre Schultern herab sanken. Geritor hatte ihr schon des Öfteren erzählt, dass es so einige dunkle Elben gab, die das Wissen und die Erfahrung, welche sie in den Jahrtausenden gesammelt hatten, nicht zur Weißheit einsetzten. Odine war Opfer eines solchen Vergehens geworden. Kardel hatte geschickt ihre Wüsche und Träume freigelegt und diese gegen ihre Freundin verwendet.
"Es ist weder die rechte Zeit und noch der Ort solche Dinge zu besprechen", unterbrach Gimli sie aufbrausend, denn es würde bestimmt nicht mehr lange dauern, bis die Orks ihnen auf die Schliche kamen.
Eleya gab ihm vollkommen Recht, dass man die Zwiespältigkeit zwischen Odine und ihr später klären sollte. Doch konnte man ihr noch Vertrauen? Vielleicht war sie ja auch ein Köder. Es spielte im Moment keine große Rolle, denn wenn ihnen nicht bald was einfallen würde, waren sie sowieso verloren.
Der Zwerg öffnete die schwere Falltür und starrte wie vom Blitz getroffen durch die Öffnung. Die Strömung, die unter ihm durchpeitschte, war wesentlich schneller und gefährlicher, als er erwatet hatte. Es würde hart werden, sich nicht von ihr unter Wasser ziehen zu lassen. Er könnte sich niemals dort hinunter stürzen! Gimlis Herz wurde schwer, da seine einzigen Gedanken erneut seiner Frau und seinem ungeborenen Kind galten.
Die beiden Frauen traten neben ihn und die Elbe kannte jetzt das Geheimnis, doch niemand würde je ein Wort von ihr erfahren, das war sie Gimli schuldig.
"Ein Stück weiter ist ein Fallgitter, das in der Regel geschlossen ist. Wenn wir eine Möglichkeit finden es offen zu halten, hätten wir eine Chance", erklärte er und sah Eleya mit prüfendem Blick an. Ein leichtes Nicken war seine Antwort und der Zwerg wusste, dass ihr Versprechen für die Ewigkeit galt.
Die Konstruktion des Flaschenzugs verhinderte, dass man es einfach festklemmen konnte. So war es stets sicher, dass sobald der Griff losgelassen würde, das Gitter zurück in die Tiefe stürzte. Da es von der anderen Seite nicht zu öffnen war, wurde somit jeder Zeit gewährleistet, dass dieser Zugang verschlossen blieb.
Einer von ihnen würde sich opfern müssen!
