Gnädiges Schicksal
Ein Grummeln ertönte hinter Meradeth und abrupt schnellte er zurück zu der Mulde, von der er gerade kam. Sein Herz hatte begonnen zu rasen, als er plötzlich voller Hoffnung in den kleinen Abgrund blickte.
Da waren blonde Locken! Sie waren mit Schlamm verschmiert, doch es mussten einfach Eleyas sein! "Aragorn", schrie der Elb wie von Sinnen und verlor vor lauter Aufregung das Gleichgewicht und rutschte gute drei Meter hinab.
Ein wohl bekanntes Brummen ertönte unter ihm und schnellstens sprang er zur Seite. "Ich kann es nicht glauben, Gimli! Du alter Dickschädel von einem Zwerg", vor Freude hätte Meradeth am liebsten geschrieen, als er auch noch ein wunderschönes weibliches Gesicht mit spitzen elbischen Ohren von Laub freilegte. Doch im gleichen Atemzug versiegte seine Euphorie schlagartig wieder, als er ihre kalkweiße Haut und die bläulichen Lippen bemerkte und das Blut, welches auch in ihrem Haar schon verhärtet war.
"Hilf ihr! Ein Pfeil hat sich durch ihre Schulter gebohrt", bat der Zwerg Meradeth. Gimli rappelte sich zwar ausgelaugt, aber ansonsten unversehrt auf die Knie.
Aragorn, der mittlerweile zu ihnen herabgestiegen war, beugte sich über die Elbe und begann vorsichtig das Lederwams zu lösen und das Hemd ein Stück herabzuziehen. Eleyas Körper war kalt wie Eis und noch immer rührte sich nicht ein Muskel in ihr. Er zog seinen Unhang von den Schultern und deckte sie bestmöglich zu, während der Elb wie auf Kommando das Gleiche tat und den seinigen Gimli überließ.
Schnell machte der König sich ein grobes Bild von dem Zustand des Mädchens vor ihm und Sorge schlich sich in seine Züge.
"Ich brauche Athelas", wies er den Elben an und ohne jeglichen Widerspruch machte sich Meradeth auf die Suche, während der König den Stab des Pfeils abzuschneiden begann. Eleyas Lider begannen zu flattern und hell grüne Augen blickten sich erschrocken um, doch als sie den Zwerg entdeckte, wurde sie wieder etwas ruhiger. Erst dann nahm sie Aragorn wahr und suchte offensichtlich nach noch jemanden.
"Legolas", der König konnte es mehr von ihren Lippen ablesen, als dass er es hören konnte, doch er wusste genau, bei wem ihre Gedanken waren. Ein lauter Pfiff erhallte durch den Wald, bevor er sich wieder der Frau zuwandte.
"Er wird gleich bei dir sein" versuchte er das vor Kälte bibbernde Wesen unter sich zu besänftigen und ein zaghaftes Lächeln zog sich über ihren Mund. Sanft strich der König über ihre Stirn und begutachtete die Pfeilspitze, die er zwischen seinen Fingern hin und her rollte.
"Sie hat Glück, sie ist nicht vergiftet worden", sagte Aragorn schließlich zu Gimli, der wie ein Wachhund neben der Elbe saß und bereit war sie gegen jegliche Gefahr zu verteidigen.
"Du musst sie festhalten, während ich den Pfeil hinaus ziehe", wies er den Zwerg an, doch der starrte nur verstört auf Eleya und schüttelte panisch seinen Kopf. "Ich soll ihr noch mehr Schmerzen bereiten?" unschlüssig sah er seinen langjährigen Freund an und fühlte wie sich ein Kloß in seinem Hals zu entwickeln begann. Es war notwendig, aber ihm fehlte einfach die Kraft dazu.
Aragorn verstand den Zwerg und legte ihm verständnisvoll eine Hand auf seine Schulter. "Es ist nicht viel, aber um diese Jahreszeit ist es schwer große Mengen auf einmal zu finden", Meradeth stürmte in diesem Moment den Hang hinunter und kniete sich wieder zu ihnen.
"Halte sie!" ohne auf eine Antwort des Elben zu warten, nahm der König die Pflanze an sich und drückte Eleya mit dem Gesicht an Meradeths Brust. Dieser verstand und bettete den Kopf der Frau mit der einen Hand fest unter seinen Hals und mit der anderen umfasste er mittig ihren Rücken, während sie ihre jetzt auch noch vor Angst zitternden Arme um ihn presste.
Legolas wusste genau, von wem dieser Pfiff ausgestoßen worden war und stürmte zusammen mit Geritor in Richtung des Flussufers, aber ihm blieb beinahe das Herz stehen, als er die blonden Locken seiner Geliebten in den Armen seines besten Freundes fand.
Tiefe Erleichterung erfüllte ihn, aber auch große Wut und Zorn. Noch niemals in seinem Leben hatte den Prinzen eine solche Gefühlswelle überrollt, die sich ausschließlich gegen Meradeth richtete.
Geritor schien ebenfalls von seiner Last befreit zu werden und beobachtete schmunzelnd das versteinerte Gesicht des jungen Elben neben sich. Es war Eifersucht, die aus den dunkel blauen Augen sprach, die nicht erkennen wollten, was es gerade wirklich auf sich hatte.
Er hielt den Prinzen zurück als dieser gerade nach unten springen wollte und deutete auf den Pfeil, der im Schlüsselbein seiner Tochter steckte "Aragorn hat eine weise Entscheidung getroffen, denn keiner von uns beiden wäre in der Lage jetzt so emotionslos zu sein!"
Erst jetzt klarte der Blick von Legolas auf und er hielt den Atem an, da ein schmerzerfüllter Schrei von Eleya ertönte, als der König vorsichtig und doch mit einem Ruck den Pfeil aus ihrem Fleisch zog.
Meradeth bemerkte, dass sein Freund ihn genausten beobachtete und alles andere als Begeisterung auf seinem Gesicht zu lesen war. Innerlich musste er fast anfangen zu lachen, denn noch niemals zuvor hatte Legolas solche Regungen gezeigt.
"Nun komm endlich!" rief er dem Prinzen entgegen, denn Eleya würde sich in seinen Armen mit Garantie wesentlich besser erholen, als in seinen eigenen.
Nur zögernd nahm Legolas neben ihm Platz und ein Erschaudern schlich sich durch seinen Körper, als Meradeth das kalte und wimmernde Geschöpf an seine Brust legte. Er öffnete geschickt seinen Umhang mit einer Hand und warf ihn seiner Geliebten noch zusätzlich über, dann drückte er sie mit aller Kraft, die er besaß an sich und vergrub seufzend sein Gesicht in ihrer Halsbeuge.
Eleya tat diese Wärme anscheinend mehr als gut, da langsam wieder etwas Farbe in sie zurückkehrte. Sie schmiegte sich ohne jede Hemmung an den Prinzen, der kurz seine Augen öffnete, um Geritors Reaktion zu sehen. Es war nicht so ganz das eigentlich zurückhaltende und höfliche Verhalten, das Thranduil ihm gelehrt hatte, aber in diesem Moment war es ihm einerlei.
Eleyas Vater blickte ihn unentwegt kritisch an, doch ein leichtes Schmunzeln lag in seinen Mundwinkeln. Es war jedoch für Geritor härter als erwartet erkennen zu müssen, dass Eleya ihn nicht mehr als Hauptansprechpartner ansah. Allerdings ließ er seines Freundes Sohn gerne den Vortritt.
"Erdrück sie nicht, Elb", grinste Gimli, der schon wieder ganz lebendig wirkte und Legolas freundschaftlich in die Schulter knuffte.
"Vielen Dank", waren die einzigen Worte, die Legolas zu ihm sagte, doch der Zwerg verstand genau, was er alles damit meinte.
"Halt sie still, ich muss noch den Verband anlegen", kommandierte Aragorn, welcher in der Zwischenzeit ihre Wunde versorgt hatte und schon Stoff in Streifen riss. Der Prinz nickte und gleich darauf zuckte Eleya erneut schmerzerfüllt zusammen.
"Wir sollten uns beeilen und zusehen, dass wir ins Lager kommen", Geritor durchforstete mit seinen Augen prüfend die Umgebung und wurde langsam ungeduldig. Legolas ging in die Knie und wollte gerade einen Arm unter Eleyas Beine schieben, als sie sich stur von ihm löste.
"Ich kann alleine gehen", murrte sie und stellte sich auf ihre Füße. Schwindel überkam sie jedoch und die Elbe lief Gefahr umzukippen, doch der Prinz hob sie noch bevor etwas dergleichen geschehen konnte in seine Arme.
"Halt dich lieber fest", keinen Widerspruch duldend setzte er sich in Bewegung und hauchte ihr noch einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Verengte hell grüne Augen funkelten Legolas kurz an, doch dann legte Eleya ihre Arme um seinen Hals und fing an sich zu entspannen.
Geritor, der alles aus direkter Nähe beobachtet hatte, lächelte nur kopfschüttelnd über seine Tochter und strich ihr sanft mit der Hand durch ihr Haar. Es war seltsam zu sehen, dass dieses Kind von einem Sturkopf so einfach nachgab. Dann begab er sich zu Gimli, um sich berichten zu lassen, was ihnen in der Zwischenzeit geschehen war. Er musste wissen, wie es mit seiner sterblichen Ziehtochter stand.
Meradeth hingegen schloss zu Legolas auf und ging schweigend ein Stück neben ihm her. Er hasste es, wenn unausgesprochene Worte zwischen ihnen lagen. Ein schuldiger Ausdruck lag auf dem Gesicht des Prinzen.
"Entschuldige, dass ich dachte! Entschuldige, dass ich das jemals dachte." Der dunkelhaarige Elb jedoch grinste nur breit und seufzte übertrieben laut, als er seine Augen etwas verdrehte.
^^^^^^
Legolas betrat mit Meradeth und Geritor einen kleinen Vorplatz des Lagers, denn seine Kundschafter hatten ihnen berichtet, dass Aryalon und seine Truppen nicht mehr weit entfernt seien.
Eleya war in seiner Mutter Obhut und da die Königin jedes männliche Wesen aus ihrer Hütte gejagt hatte, beschloss man den Verbündeten entgegen zu reiten. Gimli wollte lieber zu seiner Frau Myra, denn er war schon viel zu lange fort gewesen und hatte ihr Kummer bereitet. Da es nur noch wenige Tage dauern konnte bis ihr Nachwuchs eintreffen würde, war er der Überzeugung, dass etwas Ruhe ihr besser tun würde.
Sie bewegten sich mit einer kleinen Eskorte in einer sicheren Entfernung zum Ufer flussaufwärts durch ein Tal von alten, knöchrigen Bäumen, die ineinander verwinkelt und verschnörkelt waren. Es wäre unmöglich gewesen diesen Wirrwarr zu entwickeln, weshalb viele Fremde diesen Teil Düsterwaldes mieden, da er ihnen dunkel und beängstigend schien. Dann kamen sie auf eine große abfallende Ebene, so dass sie einen hervorragenden Blick auf den Horizont besaßen.
Kaum noch zehn Meilen trennten sie von ihren Verbündeten und ein genauerer Blick wurde den Dreien nun gestattet. Die Truppen trugen edle elbische Rüstungen und stolz hielten sie das Banner ihres Herren Togelars, Geritors ältesten Sohns.
Aryalon, seine Frau Parwne und Belag ritten mit in der ersten Reihe und Legolas staunte nicht schlecht, als er meinte zwei kleine und wild zappelnde Gestalten zu erblicken, die vor ihnen auf dem Sattel saßen. Es waren die beiden süßen Gauner, welche Legolas schon auf seiner Reise kennen lernen durfte.
"Meine Schwiegertochter ist ganz genau von dem selben Schlag wie die meisten Frauen in meinem Tal!" erklärte ihm Geritor seine unausgesprochene Frage und lächelte ihn anzüglich an, denn offensichtlich war der ältere Elb nicht im Geringsten überrascht "Parwne würde nicht von der Seite ihres Mannes weichen, da müsste es schon an ein Wunder grenzen!"
"Großvater, Großvater!" für das kleine elbische Zwillingspaar gab es kein Halten mehr, kaum dass man zueinander gefunden hatte und gleichzeitig stürzten sie von ihrer Eltern Pferde und rannten kreischend auf sie zu.
Lachend ging Geritor in die Knie und hielt seine Arme weit auf, um seine Enkel dann herzlich an sich zu drücken. Aryalon stieg ebenfalls ab und ging mit prüfendem Blick auf seinen Vater und den Prinzen zu.
"Seid Willkommen im Düsterwald", begrüßte Legolas seine Gäste und war mehr als dankbar über ihre schnelle Ankunft.
"Ich habe gehört, dass es euch gelungen ist König Thranduil zu befreien, doch was geschah mit meiner Schwester?"
"Eleya ist es mit Gimlis Hilfe die Flucht gelungen und sie befindet sich jetzt in der Obhut von Melyanna, doch du kannst erst später zu ihr, denn sie ruht noch", Geritor wusste um die Sorgen, die sie Aryalon immer um den Unruhegeist der Familie machte und versuchte ihm bestmöglich wieder zu beruhigen.
Belag ließ sich währenddessen schwerfällig von seinem Pferd fallen und reckte sich ausgiebig, um seinem geschundenen Kreuz etwas Abhilfe zu schaffen. "Und warum machen hier dann alle so ernste Gesichter, etwas stimmt doch nicht!" Legolas bemühte sich ernsthaft nicht zu lachen, als er den missmutigen und kritischen Unterton des sich wohl niemals ändernden Menschen hörte.
Der Mann aus der Seestadt hatte seine Arme in die fleischigen Hüften gestemmt und seine hellbraunen Haare fielen verknotet und wie es ihnen gefiel auf seine Schultern. "Elben, ihr seid schon ein seltsames Volk", knurrte er den Prinzen an und seine grauen Augen funkelten.
Legolas schaute nach unten, als etwas an seiner Tunika herumzupfte. Saramin schien noch immer von dem blonden Elben angetan zu sein und schaute ihn mit bittenden großen dunkelgrünen Augen an "Darf ich wieder mit dir reiten?" Der Blick des Kindes flog schnell schuldbewusst zu seiner Mutter, die eine Hand über das Gesicht gelegt hatte und seufzend den Kopf schüttelte.
"Es wäre mir eine Ehre", meinte der Prinz galant und auf Parwnes Nicken hin, hob er den strahlenden Jungen auf sein Pferd.
"Kommt", Geritor stieg ebenfalls auf "Ich möchte euch endlich meinen alten Freund Thranduil vorstellen!"
Der Rückritt verlief ohne große Vorkommnisse, bis auf die Tatsache, dass Legolas das Gefühl bekam Löcher würden sich durch seinen Unterleib bohren, bei den vielen Fragen, die Saramin an ihn hatte.
"Und warum trägst du dann keine Krone, wenn du hier zu Hause bist und der Sohn des Königs?" als er keine Antwort darauf bekam, hakte der Junge noch einmal unnachgiebig hinterher "Hast du etwa keine?"
Verdutzt sah Legolas auf das neugierige Wesen vor sich hinunter und konnte nur über diese Beharrlichkeit staunen "Doch ich besitze etwas dergleichen, aber das ist es nicht, was deinen Rang ausmacht! Reicht dir das als Erklärung?" Saramin nickte und dachte über die Worte des Prinzen nach und schwieg, bis sie das Lager erreichten. Worüber Legolas auch nicht undankbar war.
Kaum, dass man von den Pferden abgestiegen war, liefen die Zwillinge jubelnd umher, da sie nun nicht mehr ruhig sitzen mussten und sich endlich wieder austoben konnten.
An der Tür zu Melyannas Hütte packte Aryalon seine beiden Racker aber am Kragen und funkelte sie bitter ernst an "Benehmt euch!" war alles, was er sagen brauchte. Alger und Saramin verstanden sofort und in dem Bruchteil einer Sekunde nahmen sie Haltung an. Thranduil hatte die vielen Schritte schon gehört und war sehr neugierig darauf endlich Geritors Familie kennen zu lernen.
"Was habe ich gesagt!" konnte er eine flüsternde männliche Stimme hören "Ihr seht doch, dass eure Tante noch schläft." Dann guckten zwei große grüne Augenpaare am Rand der Tür vorbei und kamen nur sehr zaghaft näher.
Der Blick des Königs wurde weich, wie lange hatte er schon keine Kinder seiner Gattung in den letzten Jahren im Düsterwald gesehen? Er hoffte ja noch immer auf seinen Sohn, der hatte bisher aber noch keinerlei ernste Anstalten in diese Richtung gemacht.
Während Geritor alle nach einander vorstellte, hielt sich Legolas hingegen etwas abseits an der Tür, von wo aus er einen direkten Blick auf das bezaubernde blond gelockte Wesen im Nachbarzimmer besaß.
Seine Mutter hatte Eleya eines ihrer Unterkleider übergezogen und die abscheuliche Garderobe der Orks verbrannt. Das Haar und die Haut waren frisch gewaschen und mehrere Decken lagen über ihr um die Kälte aus ihrem Körper zu vertreiben. In tiefen friedlichen Träumen schlummerte sie dahin und fast nichts erinnerte noch an den schlechten Zustand in dem sie sich befand, als er sie in die Hütte getragen hatte.
Saramin war neben den Prinzen getreten und beobachtete offensichtlich seine Züge während dessen ganze Aufmerksamkeit seiner Tante galt. "Du magst Eleya, nicht wahr?" die Frage war so laut und deutlich, dass jeder sie hören konnte und sich zu Legolas herumdrehte, um gespannt auf seine Antwort zu warten.
Thranduil hatte seinen Sohn seit dem er in das Zimmer getreten war, nicht aus den Augen gelassen und so langsam passten die Bilder zusammen. Eleya, wie sie ihn mit Legolas verwechselt hat und dabei verträumt wurde und der sehnsüchtige Blick des Prinzen, wenn er meinte unbeobachtet zu sein, aber noch mehr seitdem diese Elbe in seiner Nähe war. Umso interessierter war der König über die kommende Äußerung seines Sohnes. Legolas sah ihm kurz in die Augen und lächelte dann zärtlich auf.
Er wusste, dass es nichts bringen würde die Wahrheit zu verschleiern, oder es gar zu leugnen. Warum sollte er es auch? "Ja, Saramin! Ich mag sie sogar sehr", sanft glitten seine Augen noch einmal zu Eleya, dann legten sie sich in Richtung von Thranduil fest, als erwartete er eine Antwort. Mit einem für die anderen unsichtbaren Nicken und zusprechendem Lächeln zeigte der König ihm, dass er äußerst glücklich darüber war.
Ein Grummeln ertönte hinter Meradeth und abrupt schnellte er zurück zu der Mulde, von der er gerade kam. Sein Herz hatte begonnen zu rasen, als er plötzlich voller Hoffnung in den kleinen Abgrund blickte.
Da waren blonde Locken! Sie waren mit Schlamm verschmiert, doch es mussten einfach Eleyas sein! "Aragorn", schrie der Elb wie von Sinnen und verlor vor lauter Aufregung das Gleichgewicht und rutschte gute drei Meter hinab.
Ein wohl bekanntes Brummen ertönte unter ihm und schnellstens sprang er zur Seite. "Ich kann es nicht glauben, Gimli! Du alter Dickschädel von einem Zwerg", vor Freude hätte Meradeth am liebsten geschrieen, als er auch noch ein wunderschönes weibliches Gesicht mit spitzen elbischen Ohren von Laub freilegte. Doch im gleichen Atemzug versiegte seine Euphorie schlagartig wieder, als er ihre kalkweiße Haut und die bläulichen Lippen bemerkte und das Blut, welches auch in ihrem Haar schon verhärtet war.
"Hilf ihr! Ein Pfeil hat sich durch ihre Schulter gebohrt", bat der Zwerg Meradeth. Gimli rappelte sich zwar ausgelaugt, aber ansonsten unversehrt auf die Knie.
Aragorn, der mittlerweile zu ihnen herabgestiegen war, beugte sich über die Elbe und begann vorsichtig das Lederwams zu lösen und das Hemd ein Stück herabzuziehen. Eleyas Körper war kalt wie Eis und noch immer rührte sich nicht ein Muskel in ihr. Er zog seinen Unhang von den Schultern und deckte sie bestmöglich zu, während der Elb wie auf Kommando das Gleiche tat und den seinigen Gimli überließ.
Schnell machte der König sich ein grobes Bild von dem Zustand des Mädchens vor ihm und Sorge schlich sich in seine Züge.
"Ich brauche Athelas", wies er den Elben an und ohne jeglichen Widerspruch machte sich Meradeth auf die Suche, während der König den Stab des Pfeils abzuschneiden begann. Eleyas Lider begannen zu flattern und hell grüne Augen blickten sich erschrocken um, doch als sie den Zwerg entdeckte, wurde sie wieder etwas ruhiger. Erst dann nahm sie Aragorn wahr und suchte offensichtlich nach noch jemanden.
"Legolas", der König konnte es mehr von ihren Lippen ablesen, als dass er es hören konnte, doch er wusste genau, bei wem ihre Gedanken waren. Ein lauter Pfiff erhallte durch den Wald, bevor er sich wieder der Frau zuwandte.
"Er wird gleich bei dir sein" versuchte er das vor Kälte bibbernde Wesen unter sich zu besänftigen und ein zaghaftes Lächeln zog sich über ihren Mund. Sanft strich der König über ihre Stirn und begutachtete die Pfeilspitze, die er zwischen seinen Fingern hin und her rollte.
"Sie hat Glück, sie ist nicht vergiftet worden", sagte Aragorn schließlich zu Gimli, der wie ein Wachhund neben der Elbe saß und bereit war sie gegen jegliche Gefahr zu verteidigen.
"Du musst sie festhalten, während ich den Pfeil hinaus ziehe", wies er den Zwerg an, doch der starrte nur verstört auf Eleya und schüttelte panisch seinen Kopf. "Ich soll ihr noch mehr Schmerzen bereiten?" unschlüssig sah er seinen langjährigen Freund an und fühlte wie sich ein Kloß in seinem Hals zu entwickeln begann. Es war notwendig, aber ihm fehlte einfach die Kraft dazu.
Aragorn verstand den Zwerg und legte ihm verständnisvoll eine Hand auf seine Schulter. "Es ist nicht viel, aber um diese Jahreszeit ist es schwer große Mengen auf einmal zu finden", Meradeth stürmte in diesem Moment den Hang hinunter und kniete sich wieder zu ihnen.
"Halte sie!" ohne auf eine Antwort des Elben zu warten, nahm der König die Pflanze an sich und drückte Eleya mit dem Gesicht an Meradeths Brust. Dieser verstand und bettete den Kopf der Frau mit der einen Hand fest unter seinen Hals und mit der anderen umfasste er mittig ihren Rücken, während sie ihre jetzt auch noch vor Angst zitternden Arme um ihn presste.
Legolas wusste genau, von wem dieser Pfiff ausgestoßen worden war und stürmte zusammen mit Geritor in Richtung des Flussufers, aber ihm blieb beinahe das Herz stehen, als er die blonden Locken seiner Geliebten in den Armen seines besten Freundes fand.
Tiefe Erleichterung erfüllte ihn, aber auch große Wut und Zorn. Noch niemals in seinem Leben hatte den Prinzen eine solche Gefühlswelle überrollt, die sich ausschließlich gegen Meradeth richtete.
Geritor schien ebenfalls von seiner Last befreit zu werden und beobachtete schmunzelnd das versteinerte Gesicht des jungen Elben neben sich. Es war Eifersucht, die aus den dunkel blauen Augen sprach, die nicht erkennen wollten, was es gerade wirklich auf sich hatte.
Er hielt den Prinzen zurück als dieser gerade nach unten springen wollte und deutete auf den Pfeil, der im Schlüsselbein seiner Tochter steckte "Aragorn hat eine weise Entscheidung getroffen, denn keiner von uns beiden wäre in der Lage jetzt so emotionslos zu sein!"
Erst jetzt klarte der Blick von Legolas auf und er hielt den Atem an, da ein schmerzerfüllter Schrei von Eleya ertönte, als der König vorsichtig und doch mit einem Ruck den Pfeil aus ihrem Fleisch zog.
Meradeth bemerkte, dass sein Freund ihn genausten beobachtete und alles andere als Begeisterung auf seinem Gesicht zu lesen war. Innerlich musste er fast anfangen zu lachen, denn noch niemals zuvor hatte Legolas solche Regungen gezeigt.
"Nun komm endlich!" rief er dem Prinzen entgegen, denn Eleya würde sich in seinen Armen mit Garantie wesentlich besser erholen, als in seinen eigenen.
Nur zögernd nahm Legolas neben ihm Platz und ein Erschaudern schlich sich durch seinen Körper, als Meradeth das kalte und wimmernde Geschöpf an seine Brust legte. Er öffnete geschickt seinen Umhang mit einer Hand und warf ihn seiner Geliebten noch zusätzlich über, dann drückte er sie mit aller Kraft, die er besaß an sich und vergrub seufzend sein Gesicht in ihrer Halsbeuge.
Eleya tat diese Wärme anscheinend mehr als gut, da langsam wieder etwas Farbe in sie zurückkehrte. Sie schmiegte sich ohne jede Hemmung an den Prinzen, der kurz seine Augen öffnete, um Geritors Reaktion zu sehen. Es war nicht so ganz das eigentlich zurückhaltende und höfliche Verhalten, das Thranduil ihm gelehrt hatte, aber in diesem Moment war es ihm einerlei.
Eleyas Vater blickte ihn unentwegt kritisch an, doch ein leichtes Schmunzeln lag in seinen Mundwinkeln. Es war jedoch für Geritor härter als erwartet erkennen zu müssen, dass Eleya ihn nicht mehr als Hauptansprechpartner ansah. Allerdings ließ er seines Freundes Sohn gerne den Vortritt.
"Erdrück sie nicht, Elb", grinste Gimli, der schon wieder ganz lebendig wirkte und Legolas freundschaftlich in die Schulter knuffte.
"Vielen Dank", waren die einzigen Worte, die Legolas zu ihm sagte, doch der Zwerg verstand genau, was er alles damit meinte.
"Halt sie still, ich muss noch den Verband anlegen", kommandierte Aragorn, welcher in der Zwischenzeit ihre Wunde versorgt hatte und schon Stoff in Streifen riss. Der Prinz nickte und gleich darauf zuckte Eleya erneut schmerzerfüllt zusammen.
"Wir sollten uns beeilen und zusehen, dass wir ins Lager kommen", Geritor durchforstete mit seinen Augen prüfend die Umgebung und wurde langsam ungeduldig. Legolas ging in die Knie und wollte gerade einen Arm unter Eleyas Beine schieben, als sie sich stur von ihm löste.
"Ich kann alleine gehen", murrte sie und stellte sich auf ihre Füße. Schwindel überkam sie jedoch und die Elbe lief Gefahr umzukippen, doch der Prinz hob sie noch bevor etwas dergleichen geschehen konnte in seine Arme.
"Halt dich lieber fest", keinen Widerspruch duldend setzte er sich in Bewegung und hauchte ihr noch einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Verengte hell grüne Augen funkelten Legolas kurz an, doch dann legte Eleya ihre Arme um seinen Hals und fing an sich zu entspannen.
Geritor, der alles aus direkter Nähe beobachtet hatte, lächelte nur kopfschüttelnd über seine Tochter und strich ihr sanft mit der Hand durch ihr Haar. Es war seltsam zu sehen, dass dieses Kind von einem Sturkopf so einfach nachgab. Dann begab er sich zu Gimli, um sich berichten zu lassen, was ihnen in der Zwischenzeit geschehen war. Er musste wissen, wie es mit seiner sterblichen Ziehtochter stand.
Meradeth hingegen schloss zu Legolas auf und ging schweigend ein Stück neben ihm her. Er hasste es, wenn unausgesprochene Worte zwischen ihnen lagen. Ein schuldiger Ausdruck lag auf dem Gesicht des Prinzen.
"Entschuldige, dass ich dachte! Entschuldige, dass ich das jemals dachte." Der dunkelhaarige Elb jedoch grinste nur breit und seufzte übertrieben laut, als er seine Augen etwas verdrehte.
^^^^^^
Legolas betrat mit Meradeth und Geritor einen kleinen Vorplatz des Lagers, denn seine Kundschafter hatten ihnen berichtet, dass Aryalon und seine Truppen nicht mehr weit entfernt seien.
Eleya war in seiner Mutter Obhut und da die Königin jedes männliche Wesen aus ihrer Hütte gejagt hatte, beschloss man den Verbündeten entgegen zu reiten. Gimli wollte lieber zu seiner Frau Myra, denn er war schon viel zu lange fort gewesen und hatte ihr Kummer bereitet. Da es nur noch wenige Tage dauern konnte bis ihr Nachwuchs eintreffen würde, war er der Überzeugung, dass etwas Ruhe ihr besser tun würde.
Sie bewegten sich mit einer kleinen Eskorte in einer sicheren Entfernung zum Ufer flussaufwärts durch ein Tal von alten, knöchrigen Bäumen, die ineinander verwinkelt und verschnörkelt waren. Es wäre unmöglich gewesen diesen Wirrwarr zu entwickeln, weshalb viele Fremde diesen Teil Düsterwaldes mieden, da er ihnen dunkel und beängstigend schien. Dann kamen sie auf eine große abfallende Ebene, so dass sie einen hervorragenden Blick auf den Horizont besaßen.
Kaum noch zehn Meilen trennten sie von ihren Verbündeten und ein genauerer Blick wurde den Dreien nun gestattet. Die Truppen trugen edle elbische Rüstungen und stolz hielten sie das Banner ihres Herren Togelars, Geritors ältesten Sohns.
Aryalon, seine Frau Parwne und Belag ritten mit in der ersten Reihe und Legolas staunte nicht schlecht, als er meinte zwei kleine und wild zappelnde Gestalten zu erblicken, die vor ihnen auf dem Sattel saßen. Es waren die beiden süßen Gauner, welche Legolas schon auf seiner Reise kennen lernen durfte.
"Meine Schwiegertochter ist ganz genau von dem selben Schlag wie die meisten Frauen in meinem Tal!" erklärte ihm Geritor seine unausgesprochene Frage und lächelte ihn anzüglich an, denn offensichtlich war der ältere Elb nicht im Geringsten überrascht "Parwne würde nicht von der Seite ihres Mannes weichen, da müsste es schon an ein Wunder grenzen!"
"Großvater, Großvater!" für das kleine elbische Zwillingspaar gab es kein Halten mehr, kaum dass man zueinander gefunden hatte und gleichzeitig stürzten sie von ihrer Eltern Pferde und rannten kreischend auf sie zu.
Lachend ging Geritor in die Knie und hielt seine Arme weit auf, um seine Enkel dann herzlich an sich zu drücken. Aryalon stieg ebenfalls ab und ging mit prüfendem Blick auf seinen Vater und den Prinzen zu.
"Seid Willkommen im Düsterwald", begrüßte Legolas seine Gäste und war mehr als dankbar über ihre schnelle Ankunft.
"Ich habe gehört, dass es euch gelungen ist König Thranduil zu befreien, doch was geschah mit meiner Schwester?"
"Eleya ist es mit Gimlis Hilfe die Flucht gelungen und sie befindet sich jetzt in der Obhut von Melyanna, doch du kannst erst später zu ihr, denn sie ruht noch", Geritor wusste um die Sorgen, die sie Aryalon immer um den Unruhegeist der Familie machte und versuchte ihm bestmöglich wieder zu beruhigen.
Belag ließ sich währenddessen schwerfällig von seinem Pferd fallen und reckte sich ausgiebig, um seinem geschundenen Kreuz etwas Abhilfe zu schaffen. "Und warum machen hier dann alle so ernste Gesichter, etwas stimmt doch nicht!" Legolas bemühte sich ernsthaft nicht zu lachen, als er den missmutigen und kritischen Unterton des sich wohl niemals ändernden Menschen hörte.
Der Mann aus der Seestadt hatte seine Arme in die fleischigen Hüften gestemmt und seine hellbraunen Haare fielen verknotet und wie es ihnen gefiel auf seine Schultern. "Elben, ihr seid schon ein seltsames Volk", knurrte er den Prinzen an und seine grauen Augen funkelten.
Legolas schaute nach unten, als etwas an seiner Tunika herumzupfte. Saramin schien noch immer von dem blonden Elben angetan zu sein und schaute ihn mit bittenden großen dunkelgrünen Augen an "Darf ich wieder mit dir reiten?" Der Blick des Kindes flog schnell schuldbewusst zu seiner Mutter, die eine Hand über das Gesicht gelegt hatte und seufzend den Kopf schüttelte.
"Es wäre mir eine Ehre", meinte der Prinz galant und auf Parwnes Nicken hin, hob er den strahlenden Jungen auf sein Pferd.
"Kommt", Geritor stieg ebenfalls auf "Ich möchte euch endlich meinen alten Freund Thranduil vorstellen!"
Der Rückritt verlief ohne große Vorkommnisse, bis auf die Tatsache, dass Legolas das Gefühl bekam Löcher würden sich durch seinen Unterleib bohren, bei den vielen Fragen, die Saramin an ihn hatte.
"Und warum trägst du dann keine Krone, wenn du hier zu Hause bist und der Sohn des Königs?" als er keine Antwort darauf bekam, hakte der Junge noch einmal unnachgiebig hinterher "Hast du etwa keine?"
Verdutzt sah Legolas auf das neugierige Wesen vor sich hinunter und konnte nur über diese Beharrlichkeit staunen "Doch ich besitze etwas dergleichen, aber das ist es nicht, was deinen Rang ausmacht! Reicht dir das als Erklärung?" Saramin nickte und dachte über die Worte des Prinzen nach und schwieg, bis sie das Lager erreichten. Worüber Legolas auch nicht undankbar war.
Kaum, dass man von den Pferden abgestiegen war, liefen die Zwillinge jubelnd umher, da sie nun nicht mehr ruhig sitzen mussten und sich endlich wieder austoben konnten.
An der Tür zu Melyannas Hütte packte Aryalon seine beiden Racker aber am Kragen und funkelte sie bitter ernst an "Benehmt euch!" war alles, was er sagen brauchte. Alger und Saramin verstanden sofort und in dem Bruchteil einer Sekunde nahmen sie Haltung an. Thranduil hatte die vielen Schritte schon gehört und war sehr neugierig darauf endlich Geritors Familie kennen zu lernen.
"Was habe ich gesagt!" konnte er eine flüsternde männliche Stimme hören "Ihr seht doch, dass eure Tante noch schläft." Dann guckten zwei große grüne Augenpaare am Rand der Tür vorbei und kamen nur sehr zaghaft näher.
Der Blick des Königs wurde weich, wie lange hatte er schon keine Kinder seiner Gattung in den letzten Jahren im Düsterwald gesehen? Er hoffte ja noch immer auf seinen Sohn, der hatte bisher aber noch keinerlei ernste Anstalten in diese Richtung gemacht.
Während Geritor alle nach einander vorstellte, hielt sich Legolas hingegen etwas abseits an der Tür, von wo aus er einen direkten Blick auf das bezaubernde blond gelockte Wesen im Nachbarzimmer besaß.
Seine Mutter hatte Eleya eines ihrer Unterkleider übergezogen und die abscheuliche Garderobe der Orks verbrannt. Das Haar und die Haut waren frisch gewaschen und mehrere Decken lagen über ihr um die Kälte aus ihrem Körper zu vertreiben. In tiefen friedlichen Träumen schlummerte sie dahin und fast nichts erinnerte noch an den schlechten Zustand in dem sie sich befand, als er sie in die Hütte getragen hatte.
Saramin war neben den Prinzen getreten und beobachtete offensichtlich seine Züge während dessen ganze Aufmerksamkeit seiner Tante galt. "Du magst Eleya, nicht wahr?" die Frage war so laut und deutlich, dass jeder sie hören konnte und sich zu Legolas herumdrehte, um gespannt auf seine Antwort zu warten.
Thranduil hatte seinen Sohn seit dem er in das Zimmer getreten war, nicht aus den Augen gelassen und so langsam passten die Bilder zusammen. Eleya, wie sie ihn mit Legolas verwechselt hat und dabei verträumt wurde und der sehnsüchtige Blick des Prinzen, wenn er meinte unbeobachtet zu sein, aber noch mehr seitdem diese Elbe in seiner Nähe war. Umso interessierter war der König über die kommende Äußerung seines Sohnes. Legolas sah ihm kurz in die Augen und lächelte dann zärtlich auf.
Er wusste, dass es nichts bringen würde die Wahrheit zu verschleiern, oder es gar zu leugnen. Warum sollte er es auch? "Ja, Saramin! Ich mag sie sogar sehr", sanft glitten seine Augen noch einmal zu Eleya, dann legten sie sich in Richtung von Thranduil fest, als erwartete er eine Antwort. Mit einem für die anderen unsichtbaren Nicken und zusprechendem Lächeln zeigte der König ihm, dass er äußerst glücklich darüber war.
