Dunkle Schatten

Eleya lag umschlungen von zwei starken Armen, die nur zu deutlich erkennen ließen, dass sie niemals wieder eine Chance haben würde aus ihnen zu entfliehen. Doch das war nicht im Geringsten einer ihrer Wünsche, im Gegenteil. Ihr Umhang umwickelte sie und spendete wohltuende Wärme.

Legolas gleichmäßiger Atem glitt über ihren Hals und wohlige Schauer liefen über ihren Rücken. Seine warme Haut und der Schlag seines Herzens halfen ihr, die Geschehnisse der letzten Tage zu verarbeiten und zu akzeptieren, dass sie Odine wohl niemals wieder sehen würde.

Der Blick des Prinzen lag bei den Sternen am Horizont, seine Gedanken hingegen lagen in der Zukunft. Wie würde es seiner Heimat ergehen, wenn es ihnen nicht gelang Kardel und die Orks wieder zu vertreiben? Alle Schönheiten der Natur und des Lebens, welche sich in den letzten Jahrtausenden hier unter elbischem Einfluss angesiedelt hatten, würden versiegen und mit der Zeit für immer verschwinden.

Sein Vater war zwar auf dem Weg der Besserung, doch es würde noch lange dauern, bis er sich vollends wieder erholt hätte. Das bedeutete, dass es seine Aufgabe war den Düsterwald wieder zu dem zu machen, was er bis vor kurzer Zeit noch gewesen war. Ein freies, unabhängiges Reich und nicht so ein demütigender Anblick wie jetzt.

Ein Pfeifen und die Huftritte zweier Pferde schreckten ihn aus seinen Gedanken auf, doch er entspannte sich sofort wieder. Nur einer kannte dieses Zeichen und das war Meradeth. Legolas gab eine dementsprechende Antwort, zeigte sich aber nicht. Nur ein leises Lachen war zu hören und der Reiter entfernte sich wieder, ließ jedoch das zweite Pferd da.

Zärtlich strich er Eleya über ihre Wange "Man vermisst uns bereits", flüsterte er und hellgrüne Augen sahen ihn traurige an. Die Elbe wusste, dass sie sich jetzt wieder trennen mussten, denn der Racheangriff von Kardel stand in nächster Zeit bevor. Der Prinz zog sie noch ein letztes Mal an sich und gab ihr einen Kuss, in den er alle seine Gefühle und Hoffnungen legte.

Schweigend erhoben sie sich und richteten wieder ihre Garderobe. Eleya hatte so einige Mühe den Knoten ihrer Schärpe zumindest annähernd so kunstvoll zu binden, wie es Faithea getan hatte. Letztendlich beließ sie es bei einem der halbherzigen Versuche und zog einfach ihren Umhang weit über ihre Schultern.

Legolas Grinsen entging ihr natürlich nicht und sie knuffte ihn neckend in die Seite. Das weiße Pferd wartete geduldig, bis das Paar auf es zukam und der Prinz seine Geliebte auf den Rücken des Tieres hob. Er selbst nahm hinter ihr Platz und führte sie zurück zur Feier.

Von weitem hörten sie schon Unmengen von Stimmen, was ungewöhnlich war, denn es war bereits tief in der Nacht und der letzte Tag war für die meisten sicherlich recht anstrengend gewesen. Fragend sahen sie sich einander an, doch dann kam Eleya in Erinnerung, dass die zwei Hobbits die Aufgabe der Zwillinge für einen kurzen Zeitraum übernommen hatten. Die beiden, aber vor allem Pippin, konnten bekanntlich ihren Mund nicht halten und jeder Elb und die Menschen, welche die Sitten ihres Volkes kannten, würden sehr schnell die Einzelheiten deuten können.

"Man vermisst uns nicht, sondern erwartet uns wohl eher!" gab sie zu, doch Legolas zuckte nur gelassen seine Schultern. Es hätte sowieso jedermann erfahren, sobald er auf Geritor zutreten würde.

Schweigen trat bei dem Volk auf dem Festplatz ein, als die Beiden in Reichweite kamen und alle blickten zwischen dem Paar, sowie dem König und seinem besten Freund gespannt hin und her. Erst jetzt verkrampfte sich der Prinz und stieg aber nach außen hin völlig ruhig von seinem Pferd ab und half anschließend Eleya.

Als sie beide auf ihre Eltern zugingen verzog Legolas keine Mine, aber Thranduil konnte mehr als deutlich die Nervosität hinter seiner Fassade sehen und Zufriedenheit zog in ihm auf, als er erkannte, dass er mit seiner Ahnung recht gehab hatte. Melyanna griff nach dem Arm ihres Gatten und ließ ihren Sohn nicht einen Moment aus den Augen.

Geritor versteifte sich, als Legolas vor ihn trat und einen Moment zögerte, als wolle er sich die richtigen Worte zurechtlegen. "Ich bitte Euch um die Hand von Eleya", war das einzige, was der Prinz dann zu ihrem Vater sagen konnte und er hielt seinem folgenden Blick eisern Stand.

Schließlich ging Geritor schweigend auf seine Tochter zu und strich bedächtig über die silberne Kette, an welcher das königliche Amulett von Legolas hing. In seinen Augen mischten sich Freude und Trauer und trotz, dass die Hobbits ihm etwas Zeit verschafft hatten sich darauf vorzubereiten, fehlten ihm die Worte.

"Du hast dich entschieden?" es war mehr eine Feststellung als eine Frage und er nahm gleichzeitig ihre rechte Hand in die seine. Mit der anderen griff er nach der von Legolas und vereinte sie mit derer seiner Tochter, anschließend legte sich seine eigene über die verschlungenen Finger und auch Geritor gab somit seinen Segen zu dieser Verbindung. Thranduil trat vor und vollzog anmutig das gleiche Ritual und verband somit das Schicksal seines einzigen Sohnes mit dem von Eleya.

Sämtliche Elben und einzelne Menschen wie Aragorn, die verstanden, was gerade geschehen war, verbeugten sich vor ihrem Thronprinzen, denn diese Nacht würde als etwas besonderes in ihrer Erinnerung bleiben. Bedauernswerter Weise überragten dunkle Schatten von der anderen Seite des Flusses dieses bedeutsame Ereignis.

Immer deutlicher konnte man das Getrampel der feindlichen Truppen, die immer näher kamen, hören, was zur Folge hatte, dass es nicht mehr lange bis zur großen Schlacht dauern würde.

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Wehmütig blickte Eleya zu ihrem Vater auf, als ihr beim Morgengrauen offenbart wurde, dass sie die Verteidigung der Frauen, Kinder und Verwundeten mit übernehmen sollte und nicht mit ihm und ihrem Bruder in die Schlacht zog.

Man hatte beschlossen, dass der beste Schutz für die Wehrloseren in einer Höhle in den Bergen sei, die die Zwerge vorgeschlagen hatten. Ebenso war sich Legolas mit den anderen hohen Kriegsherren einig geworden, dass das Schattenvolk des Drachenberges ihnen den besten Schutz in dieser steinigen und schwierigen Umgebung geben würde. Lediglich Geritor und sein Sohn und einige wenige von ihnen sollten an Legolas Seite reiten.

"Du bist noch immer nicht bei vollen Kräften", unterstützte der Prinz Geritor und strich sanft über ihre Wange. "Zu dem kommt noch, dass das Schicksal bereits zweimal gnädig zu mir war und dich mir zurückgegeben hat und ich möchte nicht ein drittes Mal um seine Gunst bitten", fügte er noch leise hinzu und sah ihr fast schon flehend in die Augen.

Zögerlich nickte Eleya langsam und ging ohne ein weiteres Wort aus der Runde. Als die Tür der kleinen Hütte hinter ihr verschlossen war, füllten sich ihre Augen mit Tränen, denn unendliche Angst umschloss ihr Herz wie eine Hand.

Natürlich hatten Legolas und ihr Vater recht damit, dass sie noch nicht in der Lage war wieder mit vollem Einsatz zu kämpfen, aber noch schlimmer war es aus der Entfernung zusehen zu müssen, wie ihre Familie und die, die sie liebte sich großer Gefahr aussetzten.

Die Tür öffnete sich leise und Parwne trat herein. Ohne auch nur ein Wort zu verlieren, nahm sie ihre Schwägerin in die Arme. Für sie war es keine Entscheidung gewesen, auf welcher Seite sie den Waldelben half, da ihre zwei Söhne in ihrer Obhut waren. "Wie kann ein Morgen soviel Gutes und gleichzeitig Schlechtes zu Tage bringen?" fragte Eleya, nachdem sie sich wieder etwas beruhigt hatte.

Traurig verzog die dunkelhaarige Elbe das Gesicht und meinte schließlich "Wir sollten dankbar für die glücklichen Stunden sein, die man uns gewährt hat." Die grünen Augen blitzten auf und ein leichtes Lächeln zog sich über das Gesicht Eleyas. Dann begann sie sich umzugkleiden und sich genau wie Parwne in den grauen Stoff zu hüllen, der sie zu einer des Schattenvolks werden ließ.

Schmunzelnd nahm die dunkelhaarige Elbe den nur einfach und nicht ordentlich gebundenen Knoten an ihrer Schärpe zur Kenntnis, ließ sich aber nichts anmerken. Das schlichte graue Kleid ging ihr nur bis zu den Knöcheln und an den Seiten war es bis in Kniehöhe geschlitzt, was der Elbe mehr Bewegungsfreiheit als bei einem ihrer normalen Röcke gab, die sie zweifellos auch bei den Angriffen und Kletterpartien brauchte. Es war fließend geschnitten, lediglich ein breiter Gürtel lag um ihre Hüften.

Ihre Waffen, die man ihr aus der Heimat mitgebracht hatte, waren die gleichen, die sie beim ersten Zusammentreffen am Fuß des Drachenberges trug, lediglich ihre zwei Messer nahm sie zusätzlich mit. Handschuhe und Umhang vervollständigten das Bild.

"Bist du bereit?" Parwne öffnete die Tür und gemeinsam gingen sie zurück. Jedoch schon ein ganzes Stück bevor sie den Festplatz, auf dem sich mittlerweile alle die versammelt hatten, welche sich in den Zwergen -Höhlen verstecken sollten, erreichten, wurden sie unfreiwillig Zeugen einer Auseinandersetzung.

Legolas schien eine abschließende Besprechung mit seinem Vater, Geritor, sowie Elrond und Celeborn einberufen zu haben. "Wir laufen direkt in eine Falle", fauchte Thranduil den Herren Bruchtals an und wäre am liebsten aus der Haut gefahren "Lange Jahre habe ich mit Kardel hier im Düsterwald zusammen gelebt und bin wohl besser als ihr in der Lage einzuschätzen, wie er denkt."

"Unsere Kundschafter haben aber doch eindeutig beobachtet, dass er ein Drittel seiner Truppen wieder abberufen hat, da er anscheinend noch anderswo Verstärkung braucht", argumentierte Celeborn. "Man verfolgte sie sogar noch ein gutes Stück und sie sind in Richtung Osten gegangen."

Geritor versuchte seinen Freund wieder zu beschwichtigen, doch das war bei diesem sturen und dickköpfigen Kerl nicht immer eine einfache Aufgabe.

"Kardel würde niemals leichtfertig seine Truppen abrücken lassen und auch ich glaube, dass wir sie wieder sehen werden", stimmte er seinem König zu. Was Geritor allerdings an meisten beunruhigte, war dass sie es wohl erst bemerken würden, wenn es bereits zu spät sein würde. Der Pfad den Kardel die Orks gehen ließ, würde in einem großen Umweg wieder zurück zum Einsamen Berg führen und wenn sich seine Vorahnung bewahrheiten würde, wären sie ohne Rückendeckung.

Bis man in diesem Fall eigene Truppen postiert hätte, würde es bereits zu Ende sein, bevor es überhaupt angefangen hätte und um vorsorglich diesen Pfad zu sichern, gab es nicht genug Männer. Es blieb nur zu hoffen, dass nicht so kommen würde.

Blind ohne ein Wort zu sprechen, verstanden sich die zwei Freunde und in Legolas ernstem Gesicht konnte man lesen, dass auch er um diese Gefahr wusste. Eleya und Parwne war jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen und sie konnten für den Bruchteil einer Sekunde den Blick ihres Familienoberhaupts auf sich spüren. Daraufhin zogen sie sich zurück, denn alles was jetzt noch besprochen wurde, würde keine bessere Kunde sein.

"Haben wir eine Chance dies heil zu überstehen?" Eleya flüsterte kaum hörbar und die Angst in ihrer Stimme war nicht überhörbar.

"Ja, die haben wir immer! Bei dem Angriff der Orks auf unser Tal vor siebenhundert Jahren dachten wir auch, dass das Ende gekommen sei und dann hat deine kleine Schwester Kareyna diesen brillanten Einfall mit dem Täuschungsmanöver gehabt", Parwne hatte nicht vergessen, welche schweren Stunden für Geritors Familie daraufhin gefolgt waren. Die jüngste Tochter lag im Sterben und Maleyna beschloss, dem Schicksal dies nicht zu gewähren. Darum verließ sie zusammen mit Kareyna ihren Gatten und die Hochebenen, wo sie einst geboren wurde, um in den Westen zu gehen.

Es war damals ein großes Rätsel, warum Geritor seine Frau nicht begleitet hatte. Doch außer dem Wissen, dass Geritor zu gegebenen Versprechen stand und eines dieser noch nicht eingelöst war, blieb sein verhalten bis zum heutigen Tage ein Geheimnis, welches nicht mal seine Kinder kannten. Eleya wirkte sehr nachdenklich, aber bei weitem nicht mehr so betrübt, wie noch vor ein paar Minuten.

Auf dem Festplatz der vorherigen Nacht erinnerte nichts mehr daran, dass man versucht hatte hier einige wenige Stunden zum Abschalten und Erholen zu verbringen. Alle die waren versammelt, welche sich auf den Weg in die schützenden Zwergen Höhlen machen sollten. Männer verabschiedeten sich von ihren Familien, doch am meisten fiel ihr Aryalon mit seinen Zwillingen auf. Zum ersten Mal sah Eleya wie Traurigkeit und Schmerz ihre sonst so unbezwingbare Energie überschatteten und beide sich, wie als würden sie ihren Vater niemals wieder sehen dürfen, an ihn klammerten.

Dann stach Orpheus, welcher ebenfalls ein Berater des Königs war, wie sie erfahren hatte, der blonden Elbe in die Augen. Er erholte sich nur recht langsam von der Folterung Kardels und war nicht in der Lage ein Schwert zu führen. Ehrfürchtig nickte dieser Eleya zu, da sie es gewesen war, welche seiner Bitte entsprochen hatte und Thranduil aus seinem dunklen Kerker befreit hatte.

Sie lächelte sanft zurück, da die Dankbarkeit nicht zu übersehen war, doch sie fühlte sich nicht wie jemand, der seinen König gerettet hatte. Zu viele Gedanken und Geschehnisse schwebten ihr noch durch den Kopf, letztlich auch die vergangene Nacht.

"Ist alles in Ordnung?" ihr Vater war neben sie getreten und blickte sie prüfend an. Eleya konnte nur nicken und als Geritor die aufflackernde Angst in ihren Augen aufsteigen sah, drückte er sie an sich.

"Alles wird gut, das verspreche ich dir!" und er erntete zumindest ein kleines Lächeln. Dann wandte sich Eleyas Blick zur Seite an der Legolas stand und Geritor entließ sie mit einem sanften Kuss auf die Stirn.

Etwas zögerlich ging sie auf den Prinzen zu, denn der Moment des Abschiedes war da und erneut hatte man ihnen nur wenig Zeit miteinander gegönnt.

"Kopf hoch", flüsterte Legolas so, dass nur sie es mitbekam und bettete seine Geliebte fest in seine Arme, aber auch ihm gelang es nicht, seine Unruhe ganz zu unterdrücken. Eleya schmiegte sich an seine Brust und versuchte alles in sich aufzunehmen. Die Art und Weise, mit der Legolas ihr Geborgenheit schenkte, sowie Vertrauen in die Zukunft.

Sein Lächeln, ließ sie ihren Mut wieder finden und der sanfte Kuss unterstrich diesen Zuspruch nur noch. Zum ersten Mal war der Prinz bereit, allen umherstehenden Augen zu gestatten, sein neu gefundenes Glück mit anzusehen.

Für Aragorn war es schon ein seltsamer Anblick seinen sonst so kühlen Freund so gefühlvoll zu sehen. Wärme entfachte sich in dem Menschen, da die Bilder seiner eigenen Liebe von Arwen wieder in ihm aufstiegen.

Nur widerwillig löste sich Legolas von Eleya und ging ein paar Schritte zurück, hielt jedoch bis zum letzten Moment ihre Hand. Ihre Finger rutschen von den seinen und der Ausdruck in seinen dunkelblauen Augen sagte mehr, als jegliches Wort es gekonnt hätte.

Eine große Hand legte sich vorsichtig auf ihren Rücken und Thranduil trat neben die Elbe. "Darf ich Euch begleiten?" mit Erstaunen blickte Eleya den König an, sie hatte nicht glauben können, dass ihr Vater ihn wirklich hatte überzeugen können nicht mit in den Kampf zu ziehen. Seine Verletzungen waren viel zu schwerwiegend, als dass dies ein vernünftiger Gedanke war, doch hatte sich seine Halsstarrigkeit und Sturheit selbst in den Kerkern des Palastes nicht brechen lassen. Eleya nickte Thranduil zu und konnte nur erahnen, welche Überwindung ihn diese Entscheidung gekostet haben musste.