Gemeinsame Zukunft
Geritor ging langsam neben Thranduil in Richtung der kleinen Lichtung, welche auch für ihn selber große Bedeutung hatte. Vor knapp drei Jahrtausenden war ein ähnlicher Schatten über den Düsterwald hereingebrochen und hatte dem Reich großen Schaden zugeführt. Doch an diesem Ort fand man stets wieder Hoffnung.
Drei Wochen waren seit der Schlacht vergangen und mit gemeinsamen Kräften arbeitete man daran zumindest erstmal für die Dauer dieses Winters Unterkünfte für die Bevölkerung des Düsterwaldes zu bauen, denn der erste Frost war bereits eingetreten.
Niemand hatte auch nur die geringsten Anstallten gemacht abreisen zu wollen, ohne vorher vollends seine Hilfe angeboten zu haben. Nicht einmal das Volk aus dem Osthochland, obwohl es auf seinem Rückweg in die Heimat einen hohen Pass bezwingen musste, bei dem es immer wahrscheinlicher wurde, dass bald die ersten Schneestürme begannen.
Keiner der beiden Elben hatte in den letzten langen Jahren einen solchen Zusammenhalt innerhalb ihrer Gattung erlebt. Eigentlich waren sie daran gewöhnt gewesen abgeschottet ihr eigenes Leben zu führen und nur durch Botengänge Neuigkeiten zu erfahren.
Thranduil erfüllte es mit Stolz sehen zu dürfen, wie man sich wieder näher kam, doch war es nicht sein Verdienst. Melyanna hatte energischst darauf bestanden, dass ihr Gemahl sich erstmal schonen sollte um so seinen Wunden die Chance zu geben gänzlich zu heilen. So lagen weiterhin sämtliche Entscheidungen und alle Verantwortung in den Händen seines Sohnes, dem er höchstens noch als Berater beistand.
Legolas hatte ihn gebeten, Eleya noch in diesem Winter heiraten zu dürfen, solange noch das Schattenvolk und alle anderen Freunde anwesend waren. Nur zu gerne gestattete der König diesen Wunsch, denn er wusste, dass es keinerlei Unterschied machen würde, ob es jetzt oder erst in Jahren geschah. In diesen Dingen war ihm sein Sohn schon immer sehr ähnlich gewesen und es erfüllte Thranduil mit Freude sehen zu dürfen, dass Legolas seinen Platz gefunden hatte und nun an der Seite seiner baldigen Frau im Düsterwald bleiben wollte. Die Zeit seiner Abendteuerlust und des Fernweh, welches ihm seine Mutter vermacht hatte, war vorbei.
Auch Geritor hatte zugestimmt, da so nun auch sein letztes Versprechen gegenüber seiner Frau beglichen wurde und er auch sonst keinen Grund sah, warum die sofortige Vermählung nicht stattfinden sollte.
Gemeinsam traten sie in ihren besten Gewändern unter dem Rauschen der letzten Blätter durch die Baumreihen, welche an der der kleinen Lichtung wuchsen.
Dem König entlockte der Anblick der grünen Ebene, die direkt an einem steilen Abhang lag, auch jetzt noch jedes Mal ein Schmunzeln. Es war einer der höchsten Punkt im nördlichen Düsterwald und ließ einen weit über die Kronen der Bäume blicken. Hier gab es schon immer unzählige kleine Höhlen, meist nicht größer als für drei Mann geeignet, in denen man sich aber gut nicht gewollten Blicken entziehen konnte. Hier war schon immer Legolas Lieblingsplatz gewesen, sei es wenn er Zeit zum Nachdenken, oder einfach nur etwas Abstand brauchte.
Brummend bahnte sich Thranduil seinen Weg durch den bereits dunklen Wald. Die Sonne war schon vor einer Stunde untergegangen, doch sein Sohn war wie des Öfteren nicht pünktlich nach Hause gekommen. Der König wusste, dass es nicht aus Absicht geschah, meist saß Legolas einfach mit seinem fast gleichaltrigen dunkelhaarigen Freund vor einem kleinen Feuer und war vertieft in Geschichten, welche sie aus allerlei Ländern hörten und nicht müde wurden, sie sich immer und immer wieder zu erzählen.
„Wie gerne würde ich das einmal sehen", es war die Stimme seines Sohnes, welche er vernahm; in ihr ein Ausdruck von Sehnsucht und Fernweh.
Thranduil wurde schwer ums Herz, denn wie sehr wünschte er sich, dass Legolas sich mehr seiner Heimat zuwenden würde, doch gleichzeitig drängten sich ihm die Worte Geritors auch auf, welcher den König schon so einige Male darauf hingewiesen hatten, dass sein Sohn selbst noch am Anfang seiner Jugend stand.
Legolas musste seine eigenen Erfahrungen machen, seien es gute oder auch schlechte und das ohne die Unterstützung eines Vaters, dem es noch zu schwer fiel, zu akzeptieren, dass die Kindheit zur Vergangenheit geworden war.
„Ich glaube nicht, dass es alles nur Geschichten sind", aus Meradeth sprach die Stimme der Neugierde, welche die Beiden beflügelte und nicht wie bei Thranduil schon zum größten Teil der Vernunft und Logik gewichen war. Mit hochgezogenen Augenbrauen und kopfschüttelnd vernahm er das Versprechen seines Sohnes einmal zusammen an diesen fernen Ort zu reisen und sich selbst zu überzeugen, was nun der Wahrheit entsprach.
Wortlos näherte sich Thranduil dem kleinen Feuer und hörte noch eine Weile den begeisterten und euphorischen Vorstellungen der beiden Jungen zu. „Meint ihr nicht, dass es langsam Zeit wird", Legolas erschrak und schnellte hektisch herum, als er die ruhige und beinahe gelassene Stimme seines Vaters hörte. Der König musste sich ein Lachen verkneifen, als der den ertappten Blick zu Meradeth mitbekam. Es fiel ihm schwer, seine ernste Mine aufrecht zu halten, da er solche Abende selber kannte, wenn man gemütlich zusammen saß.
Legolas nuschelte etwas, das sich nach einer Entschuldung anhörte und begann sogleich das Feuer zu löschen, während Meradeth die Decken und Überreste des kleinen Mahles in einen Beutel einpackte. „Soviel ich weiß, solltest auch du bei Sonnenuntergang nicht mehr alleine unterwegs sein, nicht wahr! Und schon gar nicht so weit draußen", die strengen Worte ließen auch den jungen Prinzen zusammenzucken, obwohl sie eigentlich für seinen Freund bestimmt waren. Legolas wusste nur zu gut, welche Unterhaltung ihm noch bevor stand, wenn sie den Palast erreicht hatten.
Schelmisch lächelnd ging Thranduil auf dem Heimweg hinter den Beiden her, welche plötzlich seltsam schweigsam geworden waren. Es würde die Zeit kommen, seinen Sohn ziehen zu lassen, doch noch war es nicht so weit. Erst sollte Legolas Jugend verstreichen und das würde noch mehrere Jahrzehnte dauern.
Geritor blieb am Rand der Lichtung stehen, um auf die Ankunft seiner Tochter zu warten, während Thranduil am Rande der unzähligen Elben vorbei ging, weiter in Richtung seines Sohnes. Es gab kaum jemanden, der nicht gekommen war, selbst ein paar Zwerge waren anwesend.
Neben Gimli und seiner Frau und zur Überraschung des Königs, vermochte er noch Norin, den schon grauhaarigen Zwerg, welcher sich bei ihrem Hinterhalt gegen die Urukais bedingungslos auf die Seite der Elben gestellt hatte zu erblicken. Aragorn und die beiden Hobbits standen bei ihnen und unerwartet viele Menschen aus der Seestadt waren ebenfalls gekommen.
Legolas war edel, aber doch schlicht gekleidet, da er es auch jetzt noch nicht angemessen fand sich anders zu zeigen. Allerdings sollte ihm das auch sehr gelegen kommen. Der König musste schmunzeln, da er die Ablehnung des Prinzen gegen all zu glamouröses Auftreten kannte, was er aber nur all zu gut verstand.
Noch stand er zusammen mit Meradeth etwas abseits und schien äußerlich sehr ruhig zu sein. Doch auf die Fragen oder Zusprüche, mit welchen sein Freund auf ihn einredete, konnte sich der Prinz offensichtlich nur ein gequältes zucken der Mundwinkel abringen.
Als Celeborn seinen Verwandten erblickte, begab dieser sich ein Stück weiter zum Abhang, welcher eine einmalige Aussicht über den Düsterwald bot. Die Ehre, das Schicksal zwischen Legolas und Eleya vollends zu verbinden, galt den Fürsten, da er der älteste anwesende Elb bei diesen Feierlichkeiten war.
Es war in den Nächten zuvor der erste Schnee gefallen, welcher sich jetzt wie ein dünner Flaum über die Gipfel der Bäume gelegt hatte. Der frühe Wintereinbruch war ein Bote, dass eine strenge Kälte folgen würde und das Legolas mit der Wahl, sich zunächst für die kommenden Monate zu rüsten die rechte Entscheidung getroffen hatte.
In dem langsam abnehmenden Licht strahlte das Reich des Düsterwaldes Frieden und Harmonie aus. Nichts erinnerte mehr an die katastrophalen Zustände, welche nur zu geringem Teilen abzubauen gelungen war.
Jeder war sich dieser Täuschung bewusst, was jedoch mehr ein innerer Ansporn war, anstatt Mutlosigkeit zu verbreiten. Die Sonne war schon weit in Richtung Westen gewandert und es würde nicht mehr lange dauern bis diese begann am Horizont zu verschwinden.
Thranduil trat neben seinen Sohn und legte eine Hand auf dessen Schulter. „Bereit für einen neuen Anfang?"Legolas zuckte leicht zusammen, zwar hatte er den König wohl kommen hören, nur diese Worte klangen seltsam, so wie er sie ausgesprochen hatte. Hektisch drehte er sich um und blickt ernst in die hellblauen Augen seines Vaters, aber alles was er fand, war Stolz und Zuversicht.
Dem Prinzen schossen plötzlich verwirrende Gedanken durch den Kopf, da er meinte einen merkwürdig klingenden Unterton in der Stimme Thranduils gehört zu haben. Doch rief er sich auch sogleich wieder zur Ruhe, da er beim besten Willen jetzt nicht gebrauchen konnte, noch weitere Fragen und Gefühle verarbeiten zu müssen. Sicherlich war das nur eine Auswirkung seiner Nervosität und Anspannung wegen der großen Veränderung, welche sich jetzt in seinem Leben ereignen sollte.
„Legolas, ist alles in Ordnung?"der blonde Elb fuhr hoch, als ihn jemand an den Armen fasste und diese etwas unsanft schüttelte. Meradeth versuchte nicht einmal sein Schmunzeln zu unterdrücken, denn sein Freund hatte ihn noch niemals etwas wirklich verheimlichen können.
Der Prinz blickte an die Stelle, wo bis vor ein paar Sekunden sein Vater noch gestanden hatte, doch dieser war bereits leicht außerhalb an den Rand der Gäste getreten und wartete mit sehr verschlossenem Blick, obgleich seine Augen lebendig schienen und die gesamte Umgebung musterten.
„Es ist Zeit", Legolas mochte am liebsten los murren, als er das Grinsen in Meradeths Zügen sah und zusammen mit ihm auf Celeborn zuging. Dabei entging ihm nicht der kurze suchende Blick seines dunkelhaarigen Freundes in die Menge, welcher bei einer Gruppe der Elben aus dem Osthochland hängen blieb und ein kaum sichtbares Lächeln hervorzuzaubern vermochte.
„Vater", Geritor erschrak aus seinen Gedanken und dreht sich hektisch um, nur um in die leicht belustigten hellgrünen Augen zu blicken. Eleya war an der Seite Melyannas gekommen, welche den fehlenden Platz ihrer Mutter eingenommen hatte. Der Elb musterte seine Tochter quälend langsam und ein stolzes Lächeln zog sich durch sein Gesicht.
Eleya war gekleidet in einem weiß silbernen schlichten Kleid, welches bis kurz über ihre Füße reichte. Anstatt eines Umhanges umhüllte sie ein am Oberkörper eng anliegender Mantel, welcher der Elbe auf der Vorderseite, bis über die Knie reichte und hinten oval noch ein Stück weiter auslief. Dieser war gut drei bis vier Nuancen dunkeler als das Kleid und seine Ränder waren mit feinen silbernen Ranken bestickt. Das blonde Haar hatte Melyanna nur in feinen Strähnen nach hinten gebunden und feine, kaum mehr als ein Haar größere Fäden waren darin verflochten. Sie waren aus Silber und Mytril gefertigt worden und sponnen sich wie ein hauchdünnes Netz unregelmäßig bis über die Stirn.
„Ist alles in Ordnung?"erst die leise Stimme Eleyas, welche ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken konnte, riss ihn aus seiner Trance. Geritors Blick wanderte für einen Moment zu Melyanna, denn er hatte den Kopfschmuck wohl wieder erkannt. Vor Jahrtausenden wurde er schon einmal getragen und zwar auch von einer zukünftigen Königin.
Er reichte seiner Tochter seinen rechten Arm und blickte an den Mengen vorbei, wo Legolas und Celeborn bereits auf sie warteten. Zu seiner Überraschung versetzte dem Elben das Bewusstsein, den letzten Wunsch seiner Frau jetzt zu vollenden, ein Stich im Herzen. Geritor liebte sein Leben in Mittelerde, doch seine Malyena konnte er nur wieder sehen, wenn der Elb in den Westen gehen würde und alles in seinem Inneren schrie förmlich danach sie wieder in seinen Armen halten zu dürfen.
Doch in diesem Moment galt es lediglich Eleya in die Hände von Legolas zu geben. Langsam und etwas mitleidig führte Geritor seine Tochter auf die Lichtung in Richtung des Prinzen, welcher noch immer nach außen gelassen und unbeeindruckt wirkte. Lediglich ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen und seine Augen blieben fest auf Eleya gerichtet, bis diese kurz vor ihm stand.
Mit einem angedeuteten Nicken entließ der Elb seine Tochter und trat ein paar Schritte zurück. Melyanna war währenddessen neben ihren Gatten getreten und ließ jede noch so geringe Bewegung ihres Sohnes nicht einen Moment aus den Augen.
Kein Wort war in den Moment zu hören, als Eleya ihre Hand in die von Legolas angebotene legte und zusammen mit den Prinzen auf Celeborn zuschritt.
Vorsichtig musterte Eleya ihren Verlobten von der Seite. Über einem silbernen Hemd trug der Prinz eine in hellem grün gefertigte Tunika auf die das Wappen der Königsfamilie gestickt worden war. Eine graue Hose, Lederstiefel und ein dunkler, fast bis auf den Boden reichender Umhang vervollständigten das Bild.
Legolas hob sich von seinem Volk ab und doch auch wieder nicht. Jeder vermochte zu erkennen, dass er ein Teil von ihnen und dem Düsterwald war und nichts weiter wollte, als in diesen Reihen zu leben.
Der Fürst aus Lorien begann einige Ferse in Quenya zu sprechen, welche selbst für das Volk der Elben die Bezeichnung alt verdienten. Es wurde angenommen, dass man diese Texte schon im Ersten Zeitalter bei dem Schließen eines Bundes verwendet hatte. Doch selbst die am längsten in Mittelerde wandelnden Erstgeborenen vermochten nicht mit Gewissheit zu sagen, woher sie genau stammten.
Die Finger der Elbe lagen während der gesamten Zeremonie weiterhin in denen von Legolas und sie blickte in die dunkelblauen Augen, welche sie ebenfalls gefangen nahmen. Beide waren sich des bedeutenden Schrittes bewusst, den sie gerade gingen und nichts würde mehr die Vertrautheit, welche sich zwischen den Beiden entwickelt hatte, zerstören können. Celeborn griff nach einem langen schmalen Banner welches mit den Emblemen des Düsterwaldes verziert war. Sobald es um die verschlungenen Hände gewickelt wurde, vermochte nichts mehr den Bund anzuzweifeln, oder gar wieder aufzuheben. Anmutig schritt der Fürst näher auf das Paar zu.
„Wartet", der laute und durchdringende Ruf ließ Celeborn innehalten und erstaunt suchte der Elb nach dem Gesicht, das zu der Stimme gehörte. Doch genau genommen war das unnötig, da er diese nur bestens kannte.
Thranduil trat mit steinernem Blick vor und ging auf seinen Sohn zu, das verstohlene Gemurmel hinter sich ignorierend. Nach einem kurzen Zögern blickte der König des Düsterwaldes Eleya mit durchdringendem Ernst an.
„Ich habe meine Meinung in Bezug auf euren Bund geändert", die junge Elbe erschrak über den ungewohnten und harten Ton in seiner Stimme, welcher nur zu deutlich erkennen ließ, dass Thranduil keinen Widerspruch von ihr duldete. Zudem kam noch, dass er sie noch niemals so förmlich angeredet hatte, nicht einmal als er seine Zusage zu der Verlobung gegeben hatte.
„Ich musste erkennen, dass ich nicht Willens bin, Euch den Prinzen des Düsterwalds und meinen Thronerben zum Gatten zu geben!"
Geritor ging langsam neben Thranduil in Richtung der kleinen Lichtung, welche auch für ihn selber große Bedeutung hatte. Vor knapp drei Jahrtausenden war ein ähnlicher Schatten über den Düsterwald hereingebrochen und hatte dem Reich großen Schaden zugeführt. Doch an diesem Ort fand man stets wieder Hoffnung.
Drei Wochen waren seit der Schlacht vergangen und mit gemeinsamen Kräften arbeitete man daran zumindest erstmal für die Dauer dieses Winters Unterkünfte für die Bevölkerung des Düsterwaldes zu bauen, denn der erste Frost war bereits eingetreten.
Niemand hatte auch nur die geringsten Anstallten gemacht abreisen zu wollen, ohne vorher vollends seine Hilfe angeboten zu haben. Nicht einmal das Volk aus dem Osthochland, obwohl es auf seinem Rückweg in die Heimat einen hohen Pass bezwingen musste, bei dem es immer wahrscheinlicher wurde, dass bald die ersten Schneestürme begannen.
Keiner der beiden Elben hatte in den letzten langen Jahren einen solchen Zusammenhalt innerhalb ihrer Gattung erlebt. Eigentlich waren sie daran gewöhnt gewesen abgeschottet ihr eigenes Leben zu führen und nur durch Botengänge Neuigkeiten zu erfahren.
Thranduil erfüllte es mit Stolz sehen zu dürfen, wie man sich wieder näher kam, doch war es nicht sein Verdienst. Melyanna hatte energischst darauf bestanden, dass ihr Gemahl sich erstmal schonen sollte um so seinen Wunden die Chance zu geben gänzlich zu heilen. So lagen weiterhin sämtliche Entscheidungen und alle Verantwortung in den Händen seines Sohnes, dem er höchstens noch als Berater beistand.
Legolas hatte ihn gebeten, Eleya noch in diesem Winter heiraten zu dürfen, solange noch das Schattenvolk und alle anderen Freunde anwesend waren. Nur zu gerne gestattete der König diesen Wunsch, denn er wusste, dass es keinerlei Unterschied machen würde, ob es jetzt oder erst in Jahren geschah. In diesen Dingen war ihm sein Sohn schon immer sehr ähnlich gewesen und es erfüllte Thranduil mit Freude sehen zu dürfen, dass Legolas seinen Platz gefunden hatte und nun an der Seite seiner baldigen Frau im Düsterwald bleiben wollte. Die Zeit seiner Abendteuerlust und des Fernweh, welches ihm seine Mutter vermacht hatte, war vorbei.
Auch Geritor hatte zugestimmt, da so nun auch sein letztes Versprechen gegenüber seiner Frau beglichen wurde und er auch sonst keinen Grund sah, warum die sofortige Vermählung nicht stattfinden sollte.
Gemeinsam traten sie in ihren besten Gewändern unter dem Rauschen der letzten Blätter durch die Baumreihen, welche an der der kleinen Lichtung wuchsen.
Dem König entlockte der Anblick der grünen Ebene, die direkt an einem steilen Abhang lag, auch jetzt noch jedes Mal ein Schmunzeln. Es war einer der höchsten Punkt im nördlichen Düsterwald und ließ einen weit über die Kronen der Bäume blicken. Hier gab es schon immer unzählige kleine Höhlen, meist nicht größer als für drei Mann geeignet, in denen man sich aber gut nicht gewollten Blicken entziehen konnte. Hier war schon immer Legolas Lieblingsplatz gewesen, sei es wenn er Zeit zum Nachdenken, oder einfach nur etwas Abstand brauchte.
Brummend bahnte sich Thranduil seinen Weg durch den bereits dunklen Wald. Die Sonne war schon vor einer Stunde untergegangen, doch sein Sohn war wie des Öfteren nicht pünktlich nach Hause gekommen. Der König wusste, dass es nicht aus Absicht geschah, meist saß Legolas einfach mit seinem fast gleichaltrigen dunkelhaarigen Freund vor einem kleinen Feuer und war vertieft in Geschichten, welche sie aus allerlei Ländern hörten und nicht müde wurden, sie sich immer und immer wieder zu erzählen.
„Wie gerne würde ich das einmal sehen", es war die Stimme seines Sohnes, welche er vernahm; in ihr ein Ausdruck von Sehnsucht und Fernweh.
Thranduil wurde schwer ums Herz, denn wie sehr wünschte er sich, dass Legolas sich mehr seiner Heimat zuwenden würde, doch gleichzeitig drängten sich ihm die Worte Geritors auch auf, welcher den König schon so einige Male darauf hingewiesen hatten, dass sein Sohn selbst noch am Anfang seiner Jugend stand.
Legolas musste seine eigenen Erfahrungen machen, seien es gute oder auch schlechte und das ohne die Unterstützung eines Vaters, dem es noch zu schwer fiel, zu akzeptieren, dass die Kindheit zur Vergangenheit geworden war.
„Ich glaube nicht, dass es alles nur Geschichten sind", aus Meradeth sprach die Stimme der Neugierde, welche die Beiden beflügelte und nicht wie bei Thranduil schon zum größten Teil der Vernunft und Logik gewichen war. Mit hochgezogenen Augenbrauen und kopfschüttelnd vernahm er das Versprechen seines Sohnes einmal zusammen an diesen fernen Ort zu reisen und sich selbst zu überzeugen, was nun der Wahrheit entsprach.
Wortlos näherte sich Thranduil dem kleinen Feuer und hörte noch eine Weile den begeisterten und euphorischen Vorstellungen der beiden Jungen zu. „Meint ihr nicht, dass es langsam Zeit wird", Legolas erschrak und schnellte hektisch herum, als er die ruhige und beinahe gelassene Stimme seines Vaters hörte. Der König musste sich ein Lachen verkneifen, als der den ertappten Blick zu Meradeth mitbekam. Es fiel ihm schwer, seine ernste Mine aufrecht zu halten, da er solche Abende selber kannte, wenn man gemütlich zusammen saß.
Legolas nuschelte etwas, das sich nach einer Entschuldung anhörte und begann sogleich das Feuer zu löschen, während Meradeth die Decken und Überreste des kleinen Mahles in einen Beutel einpackte. „Soviel ich weiß, solltest auch du bei Sonnenuntergang nicht mehr alleine unterwegs sein, nicht wahr! Und schon gar nicht so weit draußen", die strengen Worte ließen auch den jungen Prinzen zusammenzucken, obwohl sie eigentlich für seinen Freund bestimmt waren. Legolas wusste nur zu gut, welche Unterhaltung ihm noch bevor stand, wenn sie den Palast erreicht hatten.
Schelmisch lächelnd ging Thranduil auf dem Heimweg hinter den Beiden her, welche plötzlich seltsam schweigsam geworden waren. Es würde die Zeit kommen, seinen Sohn ziehen zu lassen, doch noch war es nicht so weit. Erst sollte Legolas Jugend verstreichen und das würde noch mehrere Jahrzehnte dauern.
Geritor blieb am Rand der Lichtung stehen, um auf die Ankunft seiner Tochter zu warten, während Thranduil am Rande der unzähligen Elben vorbei ging, weiter in Richtung seines Sohnes. Es gab kaum jemanden, der nicht gekommen war, selbst ein paar Zwerge waren anwesend.
Neben Gimli und seiner Frau und zur Überraschung des Königs, vermochte er noch Norin, den schon grauhaarigen Zwerg, welcher sich bei ihrem Hinterhalt gegen die Urukais bedingungslos auf die Seite der Elben gestellt hatte zu erblicken. Aragorn und die beiden Hobbits standen bei ihnen und unerwartet viele Menschen aus der Seestadt waren ebenfalls gekommen.
Legolas war edel, aber doch schlicht gekleidet, da er es auch jetzt noch nicht angemessen fand sich anders zu zeigen. Allerdings sollte ihm das auch sehr gelegen kommen. Der König musste schmunzeln, da er die Ablehnung des Prinzen gegen all zu glamouröses Auftreten kannte, was er aber nur all zu gut verstand.
Noch stand er zusammen mit Meradeth etwas abseits und schien äußerlich sehr ruhig zu sein. Doch auf die Fragen oder Zusprüche, mit welchen sein Freund auf ihn einredete, konnte sich der Prinz offensichtlich nur ein gequältes zucken der Mundwinkel abringen.
Als Celeborn seinen Verwandten erblickte, begab dieser sich ein Stück weiter zum Abhang, welcher eine einmalige Aussicht über den Düsterwald bot. Die Ehre, das Schicksal zwischen Legolas und Eleya vollends zu verbinden, galt den Fürsten, da er der älteste anwesende Elb bei diesen Feierlichkeiten war.
Es war in den Nächten zuvor der erste Schnee gefallen, welcher sich jetzt wie ein dünner Flaum über die Gipfel der Bäume gelegt hatte. Der frühe Wintereinbruch war ein Bote, dass eine strenge Kälte folgen würde und das Legolas mit der Wahl, sich zunächst für die kommenden Monate zu rüsten die rechte Entscheidung getroffen hatte.
In dem langsam abnehmenden Licht strahlte das Reich des Düsterwaldes Frieden und Harmonie aus. Nichts erinnerte mehr an die katastrophalen Zustände, welche nur zu geringem Teilen abzubauen gelungen war.
Jeder war sich dieser Täuschung bewusst, was jedoch mehr ein innerer Ansporn war, anstatt Mutlosigkeit zu verbreiten. Die Sonne war schon weit in Richtung Westen gewandert und es würde nicht mehr lange dauern bis diese begann am Horizont zu verschwinden.
Thranduil trat neben seinen Sohn und legte eine Hand auf dessen Schulter. „Bereit für einen neuen Anfang?"Legolas zuckte leicht zusammen, zwar hatte er den König wohl kommen hören, nur diese Worte klangen seltsam, so wie er sie ausgesprochen hatte. Hektisch drehte er sich um und blickt ernst in die hellblauen Augen seines Vaters, aber alles was er fand, war Stolz und Zuversicht.
Dem Prinzen schossen plötzlich verwirrende Gedanken durch den Kopf, da er meinte einen merkwürdig klingenden Unterton in der Stimme Thranduils gehört zu haben. Doch rief er sich auch sogleich wieder zur Ruhe, da er beim besten Willen jetzt nicht gebrauchen konnte, noch weitere Fragen und Gefühle verarbeiten zu müssen. Sicherlich war das nur eine Auswirkung seiner Nervosität und Anspannung wegen der großen Veränderung, welche sich jetzt in seinem Leben ereignen sollte.
„Legolas, ist alles in Ordnung?"der blonde Elb fuhr hoch, als ihn jemand an den Armen fasste und diese etwas unsanft schüttelte. Meradeth versuchte nicht einmal sein Schmunzeln zu unterdrücken, denn sein Freund hatte ihn noch niemals etwas wirklich verheimlichen können.
Der Prinz blickte an die Stelle, wo bis vor ein paar Sekunden sein Vater noch gestanden hatte, doch dieser war bereits leicht außerhalb an den Rand der Gäste getreten und wartete mit sehr verschlossenem Blick, obgleich seine Augen lebendig schienen und die gesamte Umgebung musterten.
„Es ist Zeit", Legolas mochte am liebsten los murren, als er das Grinsen in Meradeths Zügen sah und zusammen mit ihm auf Celeborn zuging. Dabei entging ihm nicht der kurze suchende Blick seines dunkelhaarigen Freundes in die Menge, welcher bei einer Gruppe der Elben aus dem Osthochland hängen blieb und ein kaum sichtbares Lächeln hervorzuzaubern vermochte.
„Vater", Geritor erschrak aus seinen Gedanken und dreht sich hektisch um, nur um in die leicht belustigten hellgrünen Augen zu blicken. Eleya war an der Seite Melyannas gekommen, welche den fehlenden Platz ihrer Mutter eingenommen hatte. Der Elb musterte seine Tochter quälend langsam und ein stolzes Lächeln zog sich durch sein Gesicht.
Eleya war gekleidet in einem weiß silbernen schlichten Kleid, welches bis kurz über ihre Füße reichte. Anstatt eines Umhanges umhüllte sie ein am Oberkörper eng anliegender Mantel, welcher der Elbe auf der Vorderseite, bis über die Knie reichte und hinten oval noch ein Stück weiter auslief. Dieser war gut drei bis vier Nuancen dunkeler als das Kleid und seine Ränder waren mit feinen silbernen Ranken bestickt. Das blonde Haar hatte Melyanna nur in feinen Strähnen nach hinten gebunden und feine, kaum mehr als ein Haar größere Fäden waren darin verflochten. Sie waren aus Silber und Mytril gefertigt worden und sponnen sich wie ein hauchdünnes Netz unregelmäßig bis über die Stirn.
„Ist alles in Ordnung?"erst die leise Stimme Eleyas, welche ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken konnte, riss ihn aus seiner Trance. Geritors Blick wanderte für einen Moment zu Melyanna, denn er hatte den Kopfschmuck wohl wieder erkannt. Vor Jahrtausenden wurde er schon einmal getragen und zwar auch von einer zukünftigen Königin.
Er reichte seiner Tochter seinen rechten Arm und blickte an den Mengen vorbei, wo Legolas und Celeborn bereits auf sie warteten. Zu seiner Überraschung versetzte dem Elben das Bewusstsein, den letzten Wunsch seiner Frau jetzt zu vollenden, ein Stich im Herzen. Geritor liebte sein Leben in Mittelerde, doch seine Malyena konnte er nur wieder sehen, wenn der Elb in den Westen gehen würde und alles in seinem Inneren schrie förmlich danach sie wieder in seinen Armen halten zu dürfen.
Doch in diesem Moment galt es lediglich Eleya in die Hände von Legolas zu geben. Langsam und etwas mitleidig führte Geritor seine Tochter auf die Lichtung in Richtung des Prinzen, welcher noch immer nach außen gelassen und unbeeindruckt wirkte. Lediglich ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen und seine Augen blieben fest auf Eleya gerichtet, bis diese kurz vor ihm stand.
Mit einem angedeuteten Nicken entließ der Elb seine Tochter und trat ein paar Schritte zurück. Melyanna war währenddessen neben ihren Gatten getreten und ließ jede noch so geringe Bewegung ihres Sohnes nicht einen Moment aus den Augen.
Kein Wort war in den Moment zu hören, als Eleya ihre Hand in die von Legolas angebotene legte und zusammen mit den Prinzen auf Celeborn zuschritt.
Vorsichtig musterte Eleya ihren Verlobten von der Seite. Über einem silbernen Hemd trug der Prinz eine in hellem grün gefertigte Tunika auf die das Wappen der Königsfamilie gestickt worden war. Eine graue Hose, Lederstiefel und ein dunkler, fast bis auf den Boden reichender Umhang vervollständigten das Bild.
Legolas hob sich von seinem Volk ab und doch auch wieder nicht. Jeder vermochte zu erkennen, dass er ein Teil von ihnen und dem Düsterwald war und nichts weiter wollte, als in diesen Reihen zu leben.
Der Fürst aus Lorien begann einige Ferse in Quenya zu sprechen, welche selbst für das Volk der Elben die Bezeichnung alt verdienten. Es wurde angenommen, dass man diese Texte schon im Ersten Zeitalter bei dem Schließen eines Bundes verwendet hatte. Doch selbst die am längsten in Mittelerde wandelnden Erstgeborenen vermochten nicht mit Gewissheit zu sagen, woher sie genau stammten.
Die Finger der Elbe lagen während der gesamten Zeremonie weiterhin in denen von Legolas und sie blickte in die dunkelblauen Augen, welche sie ebenfalls gefangen nahmen. Beide waren sich des bedeutenden Schrittes bewusst, den sie gerade gingen und nichts würde mehr die Vertrautheit, welche sich zwischen den Beiden entwickelt hatte, zerstören können. Celeborn griff nach einem langen schmalen Banner welches mit den Emblemen des Düsterwaldes verziert war. Sobald es um die verschlungenen Hände gewickelt wurde, vermochte nichts mehr den Bund anzuzweifeln, oder gar wieder aufzuheben. Anmutig schritt der Fürst näher auf das Paar zu.
„Wartet", der laute und durchdringende Ruf ließ Celeborn innehalten und erstaunt suchte der Elb nach dem Gesicht, das zu der Stimme gehörte. Doch genau genommen war das unnötig, da er diese nur bestens kannte.
Thranduil trat mit steinernem Blick vor und ging auf seinen Sohn zu, das verstohlene Gemurmel hinter sich ignorierend. Nach einem kurzen Zögern blickte der König des Düsterwaldes Eleya mit durchdringendem Ernst an.
„Ich habe meine Meinung in Bezug auf euren Bund geändert", die junge Elbe erschrak über den ungewohnten und harten Ton in seiner Stimme, welcher nur zu deutlich erkennen ließ, dass Thranduil keinen Widerspruch von ihr duldete. Zudem kam noch, dass er sie noch niemals so förmlich angeredet hatte, nicht einmal als er seine Zusage zu der Verlobung gegeben hatte.
„Ich musste erkennen, dass ich nicht Willens bin, Euch den Prinzen des Düsterwalds und meinen Thronerben zum Gatten zu geben!"
