Disclaimer: siehe 1. Kapitel

Rating: könnt Ihr Euch aussuchen, kein R aber gruselig

A/N: Bis zum nächsten Kapitel könnte es etwas dauern, aber ich leg mich ins Zeug. Das wird dann Teil 1 des heißersehnten Elrond-Flashbacks

Machod - Legolas

Die Nacht war angebrochen. Ich streifte durch den Burggarten und genoß die Ruhe. Nur kurz hatte ich versucht zu schlafen, doch die Stimmen hatten mir keine Ruhe gelassen. Ihr Klang hatte sich verändert seit unserem Eintreffen in Machod. Sie schrien und kreischten nicht mehr, sondern formten einschmeichelnde Gesänge, die einem Wiegenlied gleichen. Doch diese Friedfertigkeit beunruhigte mich fast noch mehr.

Ich hatte wohl die finsteren Blicke Tenos und der anderen aus Sha'uris Volk bemerkt. Sie waren leicht unter den Machod auszumachen. Ihre dunklen Haare und schimmernden Augen stachen aus der Menge hervor. Sie verfolgten mich mit argwöhnigen Gesichtsausdruck. Nun, sie mochten ganz offensichtlich keine Elben.

Aragorn hatte vor Energie gesprüht. Er war vergnügt, fast sorglos und überspielte jede meiner Bemerkungen über seine überraschende Genesung. Ein Mensch konnte nicht so schnell gesunden. Selbst Elben, deren Körper weitaus widerstandsfähiger waren als die der Sterblichen, hätten sich - wenn überhaupt - nur sehr langsam von einer derartigen Verletzung erholt. Und hätten die zerschmetterte Schulter nie wieder mit einer solchen Geschmeidigkeit bewegen können.

Ein kalter Windhaut fuhr mir durch Glieder. Ich schritt langsam zur Burg zurück und tauchte ein in das Gewirr von Gängen und Korridoren. Die Erbauer hatten nicht nur an Ästhetik gespart sondern auch an Übersichtlichkeit. Ich bog mehrmals um dunkle Ecken bis ich mir eingestehen mußte die Orientierung verloren zu haben. Das Halbdunkel wirkte beängstigend trübe, selbst für meine elbischen Sinne. Die Luft fühlte sich irgendwie klebrig an. Ich lauschte in die Stille doch außer dem leisen Knistern der Fackeln und dem Tapsen kleiner Pfoten, die wohl zu Mäusen oder Ratten gehören mochten, vernahm ich nichts. Ich schauderte unwillkürlich.

Selbst die Stimmen in meinem Kopf verstummten kurz, um in einem lauten Kreischen wieder zu ertönen. Ich hob die Hand an die Stirn als könnte die Berührung das Brüllen vertreiben.

Die Fackeln verloschen. Sie erstickten förmlich in der dünnen Luft und auch mir fiel das Atmen immer schwerer. Ich tastete nach den Wänden und zog meine Hand sofort wieder zurück, als sie fand. Etwas hatte den Stein überzogen, klebriger als die Luft. Verwesungsgeruch lag in der Luft. Ich würgte.

Dann drängte sich etwas anderes in meine Gedanken. Ein einzelne Stimme, kaum wahrnehmbar zwischen dem ohrenbetäubenden Krächzen der tausend anderen. Dennoch gelang es mir mich auf diese einzelne Stimme zu richten.

Die schwieg. So beharrlich schwieg, daß ich ihr folgen konnte durch den Kosmos aus Lärm.

Benommen torkelte ich dem Schweigen hinterher. Meter um Meter kämpfte ich mich durch die Stimmen, die klebrige Luft, den Verwesungsgestank. Bis meine ausgestreckten Hände auf das Holz einer Tür trafen. Ich öffnete sie und kühle, saubere Luft strömte mir entgegen. Ich trat ein in den Raum, das Kreischen und den Gestank hinter mich lassend. Ich hörte ein Rascheln, als eine Kerze entzündet wurde: „Du hättest nicht nach Machod kommen dürfen, Legolas."

Sha'uri stand mitten im Zimmer. Sie sah mich aus stolzen Augen an: „Die Stimmen sind hier stark."

Ich nickte: „Weil Du hier bist." Meine Worte hingen zwischen uns in der Luft. Sie lächelte traurig: „Ja."

Ich verschränkte meine Arme, ließ die frische Luft in meine Lungen strömen. Sha'uri hatte die Kampfkleidung durch ein Kleid ersetzt, die Schrammen auf ihrer Haut waren Blässe gewichen, das wirre Haar war ordentlich gekämmt zu einem Knoten gesteckt. Eine Königin.

Sie schob herausfordernd das Kinn vor: „Worauf wartest Du? Wolltest Du mir nicht Deine Wut ins Gesicht schreien?"

Ich blickte sie fragend an. Woher konnte sie dies wissen?

Sie lächelte: „Keine Angst. Ich bin nicht fähig Deine Gedanken zu lesen, Legolas. Aber manches kann ich mir denken."

Ich schwieg.

Sie trat einen Schritt auf mich zu: „Ich wollte Dich nicht verletzen.", hauchte sie.

Ich versteifte mich: „Und warum hast Du es dann getan?"

„Weil ich nicht anders konnte."

„Nicht anders konnte?"

„Ja."

Sie war nun ganz nah bei mir und legte ein Hand auf meine verschränkten Oberarme. Ich stieß sie fort. Sie senkte den Blick, doch nicht aus Scham oder Reue. Sie schien auf einen Schlag zu warten. Doch dazu ließ ich mich nicht hinreißen.

„Die Stimmen verfolgen mich seit Du Bruchtal verlassen hast. Hast Du deshalb das Bett mit mir geteilt? Bieten Dir die Stimmen die Möglichkeit durch meine Augen zu sehen, meine Gedanken zu kontrollieren? Was?"

Sha'uri wanderte unschlüssig durch den Raum: „Nein, ich habe keine Kontrolle über sie und auch nicht über Dich."

Ich schoß durch den Raum und packte ihren Arm: „Und warum dann das alles. Um mich zu quälen? Weil ich ein Elb bin? Wo Ihr Elben doch so sehr haßt."

Sie starrte mir wütend in die Augen: „Glaubst Du wirklich, ich hätte mit Dir geschlafen wenn ich Dich hassen würde. Denkst Du wirklich, ich hätte nicht mehr Ehrgefühl?"

Ich drückte stärker zu, bohrte meine Fingernägel in ihr Fleisch: „Rück endlich mit der Sprache raus. Kein Ausflüchte mehr."

„Ich tat es für mein Volk.", sie riß sich aus meiner Umklammerung. „Der König stirbt. Und mit ihm Machod. Und wenn Machod stirbt, dann wird auch mein Volk untergehen."

Ich schüttelte verständnislos den Kopf: „Und?"

Ihre Augen leuchteten fast im Halbdunkel des Zimmers: „Ich brauchte Dich. Der König zeugte vor Jahren einen Thronfolger, doch seine Frau starb mit dem Kind im Kindbett. Ich trat an ihre Stelle. Doch der König ist nicht mehr fähig ein Kind zu zeugen. Doch er würde jedes Kind, das ich ihm gebäre als das seinige akzeptieren."

Ich starrte sie an, begriff langsam die Bedeutung ihrer Worte...

„Ich erwarte Dein Kind, Legolas."

Ich schüttelte den Kopf: „Und Du meinst, das glaube ich Dir. Du hättest Dein Bett ebenso mit einem Mann aus Deinem Volk teilen können."

Sie zuckte kaum merklich zusammen. Wieder begann sie im Raum auf und ab zu wandern. Minutenlang hallten ihre Schritte in der Stille wieder, bevor sie erneut sprach: „Nein, keiner aus meinem Volk. Das konnte ich nicht zulassen." es wirkte fast als spräche sie zu sich selbst. „Das hätte nur einen neuen Anfang bedeutet, kein Ende." Sie murmelte ein paar Worte in ihrer Sprache und mich fror bei diesem Anblick. Ihre Augen blickten wild umher, wie die eines gefangenen Tieres, das verzweifelt nach einem Fluchtweg sucht.

Unsicher trat ich einen Schritt auf sie zu: „Was willst Du damit sagen? Versteck Dich nicht hinter leeren Floskeln."

Sie sah auf, schaute mich aus grünen Augen an: „Die Stimmen. Es soll ein Ende haben. Ich ertrage sie nicht mehr. Glaubst Du wirklich, Du bist der einzige, der unter ihnen leidet..."

Ihre Knie gaben nach und sie fiel. Noch bevor sie auf dem harten Boden aufschlug, hielt ich sie fest, manövrierte sie zum Bett und setzte sie auf die Kante. Ich nahm mir einen Stuhl und setzte mich ruhig: „Du sprichst noch immer in Rätseln."

Sie wich meinem Blick aus: „Die Stimmen verfolgen Dich seit Wochen, Legolas. Und Du wärst beinahe an ihnen zerbrochen. Mich begleiten sie seit ich denken kann. Nie hatte ich Ruhe vor ihnen."

Ich sah wie sie die Fäuste ballte, ihre Muskeln sich spannten, sprungbereit, wie zum Angriff: „Ich wollte nicht das mein Kind dieses Erbe weiterträgt. Auch unter ihnen leidet wie unzählige vor ihm. Deshalb keiner aus meinem Volk. Ich habe die Hoffnung, das ein Kind von elbischen Blut nicht erreichbar für sie ist, aber stark genug mein Volk vorm Untergang zu bewahren."

Ich sah ihre Angst, das leichte Zittern ihrer Lippen: „Wer sind diese Stimmen, Sha'uri? Wo liegt ihr Ursprung? Sie können doch nicht einfach aus dem Nichts auftauchen."

Sie lächelte mit starrem Blick: „Es ist meine Mutter und ihre Mutter und deren Mutter. Tausend Generationen, meiner Sippe. Erinnerst Du Dich noch wie ich Dir in Bruchtal sagte, daß jedes Wort, das in meinem Leben gesprochen, noch die weitnächste Generation kennen würde?"

Ich nickte.

„Damit meinte ich keine mündlichen Überlieferungen. Ich meinte Erinnerungen. Ich kann mich an meine eigene Geburt erinnern, aus Sicht meiner Mutter. Ich trage die Erinnerungen von Tausend Seelen in mir. Und ihre Stimmen. Meine Erinnerungen reichen zurück, weit zurück."

Sie hielt inne. Sie war sichtlich erschöpft vom Erzählen. Ich musterte sie. Erinnerungen bis zum Anbeginn der Zeit. Eine Zeitspanne selbst für einen Elben kaum zu ermessen.

Sie atmete tief durch: „All diese verlorenen Seelen, jede beansprucht ein Stück meines Denkens, meines Selbst. Weil ich diejenige von ihnen bin, die lebt. Das was Du hörst ist nur ein sanfter Widerhall dessen, was mich seit ewige Zeiten begleitet. Es muß ein Ende haben. Wenn ich eines Tages sterbe, werden die Stimmen mit mir sterben und mein Kind wird kräftig genug sein, unser Volk zurück zu unsrer Heimat führen."

Das grün ihrer Augen funkelte, blendete mich fast. Sie hatte meine Fragen beantwortet bis auf eine: „Sha'uri, was bist Du?"

Und dann ließ sie die Maske fallen.

A/N: Ach was soll ich sagen, ich liebe Cliffhanger.