Note: Endlich ist das 2. Kapitel fertig. Von meinem Beta gelesen und mit Verbesserungsvorschlägen überschüttet. Nein, nein, so schlimm war es nicht, aber ich hoffe, es ist nicht zu verworren. Doch wer mich besser kennt, der weiß bereits, dass es ein schrecklicher Cliffhanger sein wird.
Tausend Dank auch an AlexW. Das gab ich nicht gewusst mit den Falken.
2. Kapitel
Der Nachmittag war kalt und dunstig. Der Geruch von Schnee lag in der Luft. Der typische frostige Begrüßungshauch, der einen Schneesturm ankündigte. Schon fielen die ersten zarten Flocken durch die kahlen Arme der mächtigen Bäume. Erst vereinzelt und schüchtern, als müssten sie den Weg hinunter erst suchen, doch dann im immer steterem Reigen.
Das entfernte Dröhnen der Trommeln drang durch die Stille und ließ Tristan erstarren. Sein Pferd stand ebenfalls still, als lausche es den fremden Klängen. Blaue Augen versuchten den Schleier aus Nebel und Schnee zu durchbohren. Umsonst. Der einsame Sucher fand kein Ziel, welches zu den dumpfen Tönen gepasst hätte. Keinen einzigen Sachsen sah er, nach denen er auf der Suche war.
Er richtete seinen Blick fort von den schweigenden Bäumen und schaute hinauf zum Himmel. Der wurde langsam dunkler und vereinzelt schauten bereits Sterne durch die dichten Wolken. Ein leiser Pfiff kam von seinen blau gefrorenen Lippen und doch schien er mühelos den Dunst zu durchdringen.
Die Sekunden vergingen, ohne dass der Reiter sich rührte. Es schien, als fürchte er, dass das leise Klingen seiner Rüstung oder ein Stampfen seines Pferdes übertönen könnte, worauf er so reglos wartete.
Dann, endlich durchzog der klagende Schrei eines Falken die Dämmerung. Er schallte durch sie hindurch wie die Nebelschwaden, die über die Erde krochen und alles bedeckten. Heimlich und unausweichlich.
Tristan hob geschmeidig den Arm als das Schlagen von Flügeln erklang, und der Vogel ließ sich mit einem letzten Flattern darauf nieder. Mit den Fingern, mit denen er sonst das Schwert so tödlich führte, strich er sanft über den Kopf des Tieres. Ihre Augen schienen sich zu treffen und sie blickten einander lange an.
„Was hast du von dort oben gesehen, mein Freund?"
Leise fing der Vogel an zu pfeifen. Kurze und lange Töne, mal schrill dann wieder sachte. Je mehr er erzählte, desto mehr runzelte sein Herr die Stirn. Er lauschte geduldig dem, was sein Gefährte ihm erzählte und anscheinend gefiel es ihm nicht. Selbst der graue Hengst hörte für einen Moment auf, unruhig mit dem Kopf zu schlagen. Das Schlagen der Trommeln machte ihn nervös, aber selbst er schien angestrengt zuzuhören.
„Dann sehen wir uns das einfach mal aus der Nähe an."
Ein letztes Mal fuhr Tristan sanft über die weichen Federn, bevor er seinen geflügelten Gefährten hoch in die Luft stieß: „Zeig uns den Weg!"
Ein schriller Schrei war die Antwort. Höher und höher flog er hinauf, bevor er den Weg Richtung Westen einschlug. Es war die selbe Richtung, aus der die Trommeln zu hören waren.
Tristan zögerte nicht einen Moment, ehe er seinem Grauen in die Flanken trat und dem vorgegebenen Weg folgte. Der schmale Weg führte vorbei an nicht enden wollenden Bäumen. Hinab in ein breites Flussbett, wo unter dicken Eisschollen ein schmales Rinnsaal dem Wetter trotzte, um unbeirrbar seines Weges zu gehen.
Dasselbe taten Pferd und Reiter. Gut über eine Stunde folgten sie dem Falken, ehe der plötzlich einen Bogen schlug und sich im dicken Geäst einer alten Eiche niederließ. Die Sicht wurde auch schlechter durch die heran brechende Nacht. Sogar die scharfen Augen des Falken konnten bald nichts mehr sehen.
Der Baum stand am Scheitelpunkt einer kleinen Lichtung, über der eine seltsame Stille lag. Alarmiert zügelte der Reiter sein Pferd. Etwas hatte ihn gestört, ohne dass er sagen konnte was es war. Tief sog er die kalte Luft ein, als wolle er wie sein Pferd die Witterung von dem aufnehmen, was sie noch nicht sehen konnten.
Die Nüstern des Grauschimmels bebten. Schaum tropfte aus seinem Maul, als es nervös auf der Trense kaute. Am liebsten wäre er Schritt um Schritt zurück gewichen, doch die starken Schenkel seines Reiters und der straff gehaltene Zügel hielten ihn fest im Griff.
Tristan versuchte durch die dicht fallenden Schneeflocken zu erfassen, was sich in den letzten Minuten geändert hatte. Er sah fast gar nichts mehr und doch wusste er plötzlich, was es war.
Es war still.
Zu still mit einem Mal. Wo eben noch der vereinzelte Gesang eines Vogels die Nacht und den Rhythmus der Trommeln durchbrochen hatte, war jetzt nichts mehr. Es schien, als hätte jegliches Leben sein Heil in der Flucht gesucht. Als wäre die Lichtung ein Ort, den man unbedingt meiden sollte. Nur das leise Knarren von Ästen und das Geräusch des Schnees, wenn er von den gefrorenen Ästen fiel, waren zu hören. Sogar die Trommeln hatten aufgehört zu schlagen.
Erneut zog Tristan die Luft durch die Nase und füllte seine Lungen mit der Eiseskälte. Ein merkwürdiger Geruch lag in der Luft. Man konnte ihn fast schmecken und er hinterließ ein pelziges Gefühl auf der Zunge. Wieder schlug der Schimmel nervös aus. Auch er hatte den Geruch vernommen und fand ihn ebenso widerlich wie sein Reiter.
Lauschend hob Tristan den Kopf. Er hörte keinen einzigen Laut von den Sachsen mehr.
Mit dieser Gewissheit trieb er sein Pferd vorwärts. Trotz Widerwillen folgte das Tier gehorsam seinem Befehl und trat mit ausgreifenden Schritten auf die Lichtung. Eine dichte Wolkenwand verdeckte jetzt die Sterne und ließen nicht den kleinsten Lichtschein hindurch. So tasteten sich die Beiden fast blind voran, nur dem immer schlimmer werdenden süßlichen Geruch folgend.
Ein wehklagender Schrei drang aus der Eiche. Er war so voller Trauer, dass Tristan ruckartig sein Pferd anhielt und den Kopf drehte, obwohl er nicht einmal richtig die Umrisse des Baumes ausmachen konnte. Wovor wollte ihn sein Gefährte warnen?
Der Falke wünschte unterdessen, dass er seinen Herren aufhalten könnte. Zu gern hätte er ihm das Leid erspart, welches er schon zuvor und nun von seinem hohen Aussichtspunkt sehen konnte.
Zögernd setzte sich der Graue wieder in Bewegung. Tastend setzte er seine Schritte. Das Geräusch der Hufe auf dem Boden änderte sich und übertrug sich auf das Verhalten des stolzen Tieres. Angewidert schnaubend stieg er in die Höhe, um dabei gleichzeitig einen Satz zur Seite zu machen. Nur mit Mühe konnte Tristan sich oben halten.
Beruhigende Worte und das Streicheln des Halses zeigten nicht die sonst übliche Wirkung, weshalb der Ritter sich gezwungen sah abzusteigen. Geschmeidig sprang er aus dem Sattel und landete breitbeinig auf dem Boden. Ein dumpfes, schmatzendes Geräusch erklang und der Untergrund fühlte sich seltsam schwammig an, als wäre der Frost aus der Erde gespült worden.
Die Zügel fest in der einen Hand, streichelte Tristan beruhigend den, trotz der Kälte schweißnassen Hals seines Hengstes. Langsam schloss er die Augen, in der Hoffnung danach besser sehen zu können.
Die Wolkendecke nutzte diesen Moment um aufzubrechen und die silbrigen Strahlen des aufgehenden Mondes auf die Lichtung zu schicken. Der Klang der Trommeln verhallte unhörbar in der Ferne. Fast schien es, als wollten der Wald und die hereinbrechende Nacht den einsamen Reiter verhöhnen, als dieser schließlich wieder aufschaute. So als wollten sie sagen, sieh her, was wir nur für dich bereit halten!
Selbst im nebligen Dunst des Mondes und den nun fast verblichenen Sonnenstrahlen konnte man alle Farbe aus Tristans Gesicht weichen sehen. Fassungslos trat er einen Schritt zurück.. Der Hengst nutzte den Augenblick der Unachtsamkeit und riss sich los. Panisch rannte er vor dem Schrecken davon, welchen Sie gefunden hatten.
Schnell ging Tristan weiter und wieder ertönte das schmatzende Geräusch, als sein Fuß den Boden berührte. Sein Blick war starr, als er ihn nach unten richtete. Der süßliche Geruch sprang ihn jetzt förmlich an, denn er ging von der nassen Erde aus. Er verursachte ihm Übelkeit und löste fast einen Würgereiz aus, als er sich wie ein Schleier über seine Atemwege legte. Selbst der frisch gefallene Schnee vermochte nichts dagegen ausrichten zu können. Die dicken Flocken schmolzen in einem Rinnsal aus fast schwarzen Rot dahin.
Der Erdboden schien noch warm zu sein.
Tristan richtete seinen Blick wieder voraus und sah nun, was den Frost vertrieben hatte. Es lag aufgebahrt vor seinen Augen und trieb ihm den Schock durch alle Glieder.
Es war der traurige Schrei des Falken, welcher ihn nach einer Ewigkeit aus seiner Lethargie riss. Ein gequälter Atemzug drang endlich fast schluchzend über seine Lippen.
Unfähig den Schrecken zu verstehen, stolperte er auf das zu, was seine Augen zwar sahen, aber sein Verstand nicht begreifen konnte.
Ein einst prachtvoller Rappe lag vor ihm. Der Kopf fehlte und der Körper lag in einer Lache aus langsam gefrierenden Blut. Es konnte noch nicht lange her sein, dass man ihm das angetan hatte.
Ohne das Tristan es wollte, traten ihm die Tränen in die Augen. Taumelnd lief er an dem toten Tier vorbei. Sein Knie streiften den verdreckten und blutverschmierten Sattel ohne das er sich dessen bewusst war. Seine Beine trugen ihn kaum noch, als er an die Stelle kam, welche die pure Grausamkeit der Tat präsentierte.
Der Kopf des Rappen saß aufrecht auf dem Boden. Wie zum Hohn hatte man ihn so gedreht, dass es auf seinen eigenen Körper schauen musste. Zwei Schwerter bohrten sich durch den Hals des Tieres und hielten es damit in dieser makabren Position. Wie ein körperlicher Schmerz traf es Tristan und ließ ihn stöhnend und in ohnmächtiger Wut auf die Knie sinken.
Längst hatte er erkannt, was ihm seine Tränen, der stürmische Abend und all das Blut verwehren wollten.
Er kannte den Sattel und das Zaumzeug. Er kannte auch das einst so prachtvolle Pferd, fast ebenso gut wie sein eigenes. Und er kannte die Zwillingsschwerter, hatten sie ihn doch schon viele Male mit ihren scharfen Schneiden vor dem sicheren Tod bewahrt.
Fast zögernd und mit zitternden Fingern berührte er einen der Griffe, als könne das Schwert ihm sagen, was hier passiert war. Seine Gedanken waren wie der Wirbelsturm und schrieen einen Namen immer und immer wieder ohne einen Laut hinaus in die Nacht.
Lancelot!
Als wollten die Wolken einen Mantel aus Schweigen über die Ungewissheit um den Verbleib von Arthurs tapferen Ritter legen, so ballten sie sich wieder dicht zusammen und ließen allen Schrecken in schwärzester Dunkelheit versinken.
Tbc
