Curriculum
03: Tanz
Tsukasa, normalerweise ein Ausbund an Ruhe und
Geduld, warf ihrer Zimmergenossin Wrecka einen missbilligenden Blick
zu. Das blauhaarige Mädchen wirbelte zwischen ihrem Schrank und
dem Bett hin und her, nahm ein Kleidungsstück heraus und warf es
auf die unordentlich gemachten Laken, wenn sie nicht zufrieden war.
"Hilf mir, Tsukasaaaaaaa! Ich habe nichts anzuziehen!"
"Was bist du überhaupt so aufgeregt? Es hat dich doch
noch gar keiner eingeladen!"
"Na und?! Ich muss für
Rick einfach umwerfend aussehen! So umwerfend, dass er sich gleich
Hals über Kopf in mich verliebt, jawohl!!"
"Du
spinnst doch."
Wrecka ging auf diese Bemerkung nicht weiter
ein, statt dessen kramte sie erneut in ihrem Schrank, schien aber
nicht fündig zu werden.
"Weißt du, mit wem Kizuna
hingeht?" fragte sie, während sie in die unergründlichen
Tiefen einer Schublade tauchte, in der vagen Hoffnung, das Kleid, das
sie suchte, in einem Anfall geistiger Umnachtung dort hineingestopft
zu haben.
"Nein. Warum? Ist das wichtig?"
"Tsukasa!
Wie kannst du da bloß so ruhig stehen und so eine bescheuerte
Frage stellen?! Natürlich ist das wichtig! Es geht hier
schließlich um eine Ver-ab-re-dung! Ich sage es dir - mit Zero!
Ich kann's nicht fassen!"
"Wieso nicht?"
"He!
Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Ich bin neidisch!"
"Weshalb?"
"Du treibst mich noch in den Wahnsinn!! Kriegst du
eigentlich irgendwas von dem mit, was um dich herum vorgeht?! Weil
der Kerl verdammt süß ist, deswegen!"
Tsukasa
zuckte gelangweilt die Achseln. Ihr gemessener Gesichtsausdruck
änderte sich kein bisschen. Offenbar spielte es für sie
tatsächlich keine Rolle.
"Du hast doch Rick."
"Und
was ist mit dir?! Er gefällt dir doch auch!"
"Sicher.
Aber das ist noch lange kein Grund, hysterisch zu
werden."
"Hysterisch! Wer ist denn hier hysterisch? Ich
wollte nur festhalten, dass ich nie gedacht hätte, dass Kizuna
endlich kapiert, was sie eigentlich für einen schnuckeligen
Partner hat! Für mich gibt es natürlich nur einen, und das
ist Rick! Schlag ihn dir aus dem Kopf, Tsukasa."
"Diese
Entscheidung solltest du besser ihm überlassen."
"Ach
Blödsinn! Wie denn? Er weiß doch nichts von meinen
Gefühlen! Er merkt es garantiert nicht, Männer merken nie
etwas!"
"Und wie willst du an seinen ganzen
Verehrerinnen vorbeikommen?"
"Da wird mir schon was
einfallen!"
"Und Roose?"
Wrecka förderte
einen mottenzerfressenen Pullover zu Tage, den sie angeekelt wegwarf
und einen Strumpf, von dem sie angenommen hatte, er sei während
der letzten Wäsche verloren-gegangen. Sie hielt in ihren
Bewegungen inne und starrte ihre Freundin verwirrt an.
"Was
hat Roose damit zu tun?"
"So. Du hast keine Ahnung. Und
MÄNNER merken nie etwas, wie?"
"Was meinst du?"
"Na
was schon."
"Hä?"
"Wrecka, du bist
blind, wirklich blind. Es ist doch offensichtlich."
"Was?"
"Ich
geb's auf...."
Hinter der Tür gegenüber, wo
die Nummern 87-89 hingen, führte eine strahlende Kizuna gerade
ihr Ballkleid vor. Es war rot, schulterfrei und betonte ihre Figur.
Um die Taille war eine weiße Schärpe gebunden, hinten
schmetterlingsartig geknüpft, was ihre Freundinnen besonders
hübsch fanden. Das Kleid besaß auch einen
Rückenausschnitt, was Saki zu dem Kommentar "Ein schöner
Rücken kann auch entzücken." veranlasste. Das Bild
wurde durch die langen weißen Handschuhe und die schlichte
goldene Halskette vervollkommnet.
"Du siehst wunderbar aus,
Kizuna" rief Ikhny begeistert, "Wie eine richtige Dame!"
"Vielen Dank." Ihre Wangen röteten sich und sie
lächelte glücklich.
"Ich meine das ganz ernst."
fuhr das Mädchen mit der Brille fort. "Aber Verliebtheit
ist immer noch der beste Schmuck für eine Frau. Da kann ich kaum
mithalten."
"Was heißt das schon wieder?"
mischte sich Saki ein. "Das stimmt nicht. Hiead werden erstens
die Augen aus dem Kopf fallen und zweitens die Kinnlade bis zum Boden
knallen (das müsst Ihr Euch mal bildlich vorstellen ), wenn
er dich sieht, da wette ich mit dir!"
Mit ihrem einfachen,
aber doch elegant geschnittenen Kleid, gehalten in dunklem Blau,
gegen das sich ihre perlengleiche Haut besonders reizvoll abhob, dem
zarten Schmuck und dem in weichen Wellen herabfallenden braunen Haar,
wirkte sie einfach umwerfend, jedenfalls aus der Sicht von Kizuna und
Saki. Ob Hiead derselben Meinung sein würde? Sie erinnerte sich,
wie schon einige Male zuvor, an das, was er heute nach dem Frühstück
zu ihr gesagt hatte, nachdem Rick wohlweislich das Weite gesucht
hatte - "...Er baggert dich bloß an, weil du hübsch
bist...." Er hatte sie wahrhaftig "hübsch"
genannt. Nervös senkte sie die Lider. Seltsam. Warum wurde ihr
plötzlich so warm ums Herz, wenn sie an ihren Partner dachte?
Um
sich abzulenken, wandte sie sich an das rothaarige Mädchen.
"Willst du wirklich allein zum Fest gehen?"
"Ja.
Ohne Clay wird es zwar nicht dasselbe sein, aber ich möchte
trotzdem versuchen, Spaß zu haben." Ursprünglich
hatte sie den Abend bei ihm verbringen wollen, damit er sich auf der
Krankenstation nicht so einsam fühlte, doch seit sie ihn geküsst
hatte, wagte sie es nicht mehr, ihm unter die Augen zu treten,
jedenfalls nicht am selben Tag.
"Schade, dass Clay dich
nicht zu Gesicht kriegt", schmunzelte die katzenohrige Lotsin
und zwinkerte Saki vergnügt zu. "Du siehst super aus,
ehrlich!"
Das Kleid, das sie ausgewählt hatte, war grün,
mit einem weit fallenden Rock und langen Ärmeln. Es schien
direkt aus einem Märchen zu stammen (also, es soll dem ähneln,
das Aurora in Disney's "Dornröschen" trägt -
herrje, hat jemand den Film gesehen? Na, behelft Euch ein bisschen
mit Eurer Fantasie, was Königliches eben!). Zudem trug sie ihr
Haar auch nicht zu zwei Zöpfen gebunden wie sonst, sondern es
fiel offen herab und umrahmte ihr Gesicht wie ein Umhang aus Seide.
"VERDAMMT!!!"
"Was war das?" wisperte
Ikhny, nachdem der Aufschrei verklungen war.
"Nichts
besonderes", entgegnete Kizuna nüchtern, "Das ist nur
Wrecka. Sie hat mal wieder nichts Passendes zum Anziehen."
Zero besuchte währenddessen Clay. Es wurmte ihn, dass
sein Freund nicht bei dem Fest dabei sein konnte und wollte vorher
noch einmal mit ihm sprechen.
"Wie fühlst du dich?
Besser?"
"Na klar, Dr. Croford ist eine gute Ärztin,
sie hat mich schnell wieder zusammengeflickt. Ich brauche nur ein
bisschen Ruhe, damit die Verletzungen ausheilen können,
besonders die Kopfwunde. Du gehst doch auf den Ball, oder?" Zero
nickte.
"Mit wem?"
"Äh....mit....Kizuna."
"Was,
echt? Ich gratuliere. Wurde ja auch langsam Zeit...."
"Wie?
Was? Was meinst du denn damit?"
"Na, denkst du, mir wäre
noch nicht aufgefallen, wie verträumt und gedankenverloren du
sie manchmal ansiehst?" Der Junge, der am Bettrand saß,
wurde über und über rot. Clay musste grinsen.
"Wenn
du so weitermachst, wird sich jede Tomate aus Scham vor dir
verstecken müssen. Kein Grund, verlegen zu werden. Alles völlig
normal."
"Erspar mir deine Ausführungen, sei so
gut. Übrigens....ich habe Ikhny getroffen. Sie hat mir
anvertraut, dass Saki ein wundervolles Kleid ausgesucht hätte,
gestern schon. Willst du mehr darüber wissen?"
"Wieso
sollte ich?" entgegnete Clay, konnte es aber nicht verhindern,
rosige Wangen zu bekommen. In blumigen Worten bemühte sich Zero
daraufhin, seinem Kameraden das Gewand näher zu beschreiben.
Seine Schilderung schien, wie er nach einer Weile erkannte,
eindringlich genug zu sein. Sein Gegenüber schwieg nämlich
bedeutsam, denn er sah seine Partnerin plötzlich vor sich, in
einem smaragdgrünen, wallenden Kleid, das rote Haar offen über
ihre elfenbeinfarbenen Schultern fallend....Er musste den Atem
anhalten bei der Vorstellung. Ihr Kuss drängte in seine
Gedanken. Warum hatte sie das getan? Sollte sie wirklich etwas für
ihn empfinden? Ausgerechnet ihn?
"Ach, Clay, noch
etwas....Ich weiß zwar, dass du erst übermorgen raus
darfst, aber....falls....und so....ich habe deinen Smoking aus dem
Schrank geholt und für dich bereitgelegt....wenn du Lust
hast....wir verstehen uns?"
Es blieb einen Moment still. Man
hätte eine Stecknadel fallen hören können.
"Ja,
Zero. Wir verstehen uns vollkommen."
Es war Abend
geworden. Die Schüler, Schülerinnen und das Lehrpersonal
von GOA fanden sich nach und nach alle in der Aula ein, die festlich
geschmückt worden war. Nachdem der Leiter der Akademie den Ball
eröffnet hatte, bezog eine Band auf der Bühne Aufstellung
und begann zu spielen. Dr. Croford verfolgte mit Genugtuung, wie sich
rasch viele Paare auf der Tanzfläche zusammenfanden. Neben ihr
stand Azuma, trotz schwarzem Anzug mit seiner unvermeidlichen Brille
erschienen. "Du hättest das Ding absetzen können. Hast
du Angst, anderenfalls nicht erkannt zu werden?"
"Unsinn!"
"Was
soll das dann? Na, auch egal - möchtest du tanzen?"
"Ich
habe zwei linke Füße, das weißt du genau, Rill!"
"Wer's glaubt. Komm schon, zier dich nicht, Hijikata! Los!"
Ohne auf seinen Protest zu achten, nahm sie ihn an der Hand und
schleifte ihn auf die Tanzfläche. Nach einiger Zeit meinte der
Ausbilder genervt: "Rill...."
"Ja? Was ist?"
"Du
bist doch die Dame, nicht wahr?"
"Selbstverständlich.
Was soll diese dumme Frage?"
"Ich bin der Herr. Also
führe ich, nicht du! Ist dir schon aufgefallen, dass uns alle so
komisch anschauen?"
"Eh? Oh - hoppla...."
Die
Musik setzte aus und die beiden Erwachsenen eilten an ihren Tisch.
Rioroute, der, Phil Phleira am Arm, gerade hereinkam, konnte sich ein
Grinsen nicht verbeißen. Auch seine Partnerin kicherte leise.
Hinter den beiden betraten Erts und Tune den Saal, dicht gefolgt von
Yu und seiner Schwester Kazuhi. Das Schlusslicht bildeten ein
angesäuerter Galew im Smoking und eine freudestrahlende Leena.
"Es steht dir super!"
"Von wegen! Ich sehe
einfach beschi...."
"GALEW!!!!"
"....bescheiden
aus." vollendete der Pilot der blauen Göttin verstimmt
seinen Satz. Er fand diese Klamotten einfach viel zu steif und
unangenehm, als dass er sich darin hätte wohlfühlen können.
Tune wagte ein schmales Lächeln und auch Erts wirkte sehr heiter
und gelöst. Selbst Yu, von Gareas insgeheim als "Mr.
Pokerface" betitelt, deutete ein Lächeln an. Und was Rio
betraf - der schwebte ohnehin in anderen Sphären! Er schnaufte
mürrisch durch die Nase und verzog gleich darauf das Gesicht,
weil Leena ihm auf den Fuß gestiegen war.
"Du amüsierst
dich jetzt gefälligst - oder tu so, als ob! Du verdirbst noch
allen die Laune!"
"Ist ja gut...."
Zero
stand vor Kizuna und musterte sie sprachlos von oben bis unten. Seine
Partnerin tat jedoch genau dasselbe, denn der elegante Anzug verlieh
ihm ein etwas reiferes Aussehen.
"Wunderschön."
erklärte er ehrlich.
"Du siehst heute Abend sehr gut
aus, Zero." erwiderte Kizuna und blickte verlegen zur Seite. Er
hielt ihr die Hand hin und fragte: "Würdest du mir diesen
Tanz schenken?" Das Licht der Lampen umspielte sein Antlitz und
zauberte ein helles Leuchten in seine Augen. Zögernd legte sie
ihre Hand in die seine. Sie hob den Blick und versank zum
wiederholten Male in den herrlichen Saphiren, die ihr entgegen
funkelten.
"Ja, sehr gern."
Hiead indessen, lehnte
am Panoramafenster (also, äh, haben die da eins? Na, in meiner
Story schon!) und betrachtete die glitzernden Sterne in dem schwarzen
Mantel des Alls. Obwohl er ursprünglich keine Lust gehabt hatte,
zum Ball zu gehen, hatte er sich dank Solares rasch dazu entschieden,
es doch zu tun. Nein, verdammt! Er - war - NICHT - eifersüchtig!!
Warum sollte er?! Seine schwächliche, ängstliche Partnerin,
die....die ihn immer wieder so ansah mit ihren warmen braunen Augen,
in denen er lesen konnte, dass sie ahnte, dass sich etwas hinter
seiner kalten, abweisenden Maske verbarg. Ihre Sanftheit und ihr
schüchternes Wesen, das einen den fast unwiderstehlichen Drang
verspüren ließ, sie beschützen zu wollen....
"ZUM
TEUFEL NOCH EINMAL, REISS DICH GEFÄLLIGST ZUSAMMEN, BAKA!!!!"
schalt er sich selbst in Gedanken. Sie bedeutete ihm gar nichts,
kümmerte ihn nicht im geringsten! Aber wieso hatte er dann....?!
"Hiead."
Er hörte Ikhny seinen Namen sagen und
wandte sich ihr zu. Wenngleich ihm weder die Augen aus dem Kopf noch
die Kinnlade bis zum Boden fielen, weiteten sie sich vor Erstaunen
und sein Mund öffnete sich leicht. Für den silberhaarigen
Anwärter war das bereits eine Menge.
"Guten Abend. Wie
findest du mich?"
"...."
"Ich wollte mir
eigentlich die Haare hochstecken, aber Saki meinte, so wäre es
hübscher."
"...."
"Das Kleid habe ich
von meiner Mutter geschenkt bekommen. Tut mir leid, dass es nicht
besonders ausgeschmückt ist, aber ich mag es lieber etwas
dezenter."
"...."
"Die Farbe ist vielleicht
einen Ton zu dunkel für mich, aber ich gefalle mir ausnahmsweise
einmal. Was meinst du?"
"...."
"Hiead? Hast
du mir überhaupt zugehört?"
Ikhny wartete ab,
sichtlich darüber verwundert, dass ihr Partner sich dermaßen
lange in Schweigen hüllte. Im Grunde war das zwar nichts
Ungewöhnliches, aber so reagierte er doch nicht, wenn man eine
Frage an ihn richtete?
".....Das Kleid....ist wirklich
hübsch. Du solltest es tragen."
"Aber - ich trage
es doch?"
"....Natürlich. Ich...."
"Ja?"
"....ich wollte nur...."
"Ein
Kompliment machen?"
Er nickte kaum merklich.
Eigenartigerweise schien es dem Mädchen, als ob er erröte.
Aus den Augenwinkeln verfolgte sie, wie Zero und Kizuna gerade
walzertanzend durch den Saal schwebten. Sie vollführte einen
höflichen Knicks.
"Was willst du?"
"Tanzen."
"Von mir aus." grollte er, ergriff ihre Hand und sie
reihten sich unter den Paaren auf der Tanzfläche ein. Als er
seinen Arm um ihre schlanke, anmutige Taille legte, schluckte er
unwillkürlich aus Nervosität. Sie war bezaubernd. "Streich
das!" befahl ihm sein Verstand, doch irgendetwas ganz tief in
ihm konnte dem nur beipflichten. Was geschah bloß mit ihm?!
Saki lächelte, als sie die beiden entdeckte und freute sich für
Ikhny. Sie saß alleine auf einem Stuhl nahe der Bühne und
unterhielt sich ein bisschen, indem sie die anderen beobachtete.
Überrascht stellte sie fest, dass dies eine sehr spannende Sache
sein konnte. Ein Seufzer entrang sich ihr. Auch wenn....ohne Clay war
es eine enttäuschende und langweilige Veranstaltung.
"Mein
schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit Ihr
anzutragen?" (grins Wer weiß, von wem das ist?)
Sie
drehte sich verblüfft zu demjenigen, der sie angeredet hatte. Er
trug einen vornehmen Anzug mit weißem Jackett und einer roten
Rose im Knopfloch. Er lächelte charmant.
Clay.
"Aber....was....was machst du denn hier? Du solltest
doch auf der Krankenstation sein!"
"Mach dir keine
Sorgen. Ich habe mit Schwester Yukine gesprochen. Sie hat mir
erlaubt, für ein paar Stunden zu verschwinden. Ich kann dich
doch nicht allein lassen."
"Aber...." Er hob ihr
Gesicht mit einem Finger an und betrachtete sie eingehend.
"Du
bist wunderschön, weißt du das?" Saki wurde feuerrot.
"Spinnst du?! Du schwindelst doch! Ich bin nicht...."
"Lass
uns tanzen." Dem Mädchen war es, als würde sie
träumen. Sie konnte es nicht fassen, dass er tatsächlich
wegen IHR gekommen war. Doch er war so wirklich und leibhaftig bei
ihr wie er es nur irgend sein konnte, und so beschloss sie, einfach
nur glücklich zu sein.
Wrecka, angetan mit einem
himmelblauen Kleid, das mit Pailletten bestickt war, näherte
sich mit wenig damenhaften Schritten ihrem großen Schwarm Rick,
der - wie sollte es auch anders sein - von einer Traube aus
weiblichen Personen umringt war. Sie schob sich in den Vordergrund
und strahlte ihn an. Er fuhr sich ein wenig verlegen durchs
Haar.
"Das ist mir jetzt peinlich. Habe ich dich nicht schon
mal gesehen?"
"Ja. In der Kantine."
"Ach,
ich erinnere mich. Wie heißt du?"
"Wrecka Toesing.
Freut mich, dich kennen zu lernen."
"Die Freude ist ganz
meinerseits."
"Wrecka!"
Anwärter 97 und
das Mädchen blickten zu einem erbosten Jungen mit grünen
Haaren, der mit verschränkten Armen dastand und äußerst
ungehalten wirkte. Ricks Instinkt erkannte sofort, dass er hier einem
anderen in die Quere kam und seine Sinne funkten ihm Alarmstufe Eins.
"Was ist denn? Du siehst doch, dass ich beschäftigt
bin!"
"Du hattest mir einen Tanz versprochen. Schon
vergessen?"
"Kennst du ihn, Wrecka-chan?"
"Wie?
Ach, das ist nur mein Partner." erklärte sie mit einer
wegwerfenden Handbewegung. Roose starrte sie an, als wäre sie
verrückt geworden. Sein Atem beschleunigte sich und seine Hände
ballten sich schmerzhaft zu Fäusten. Rick begriff, dass nicht ER
hier das Hauptproblem war, sondern Wrecka, die offensichtlich keine
Ahnung hatte von den Gefühlen ihres Partners. Die Bombe war kurz
vorm Explodieren.
",Nur' dein Partner?! NUR?!?! Ist das
alles?!"
".....Klar. Natürlich ist das alles."
erwiderte sie verständnislos und entschuldigte sich nachträglich
bei ihrem Angebeteten für Roose' mangelndes Benehmen.
"Ich
weiß gar nicht, was mit ihm los ist. Sonst ist er nicht so...."
Als er sich ruckartig umwandte und ihr den Rücken zudrehte,
bemerkte sie das leichte Zittern, das ihn durchlief.
"Ist
dir kalt?"
"...."
"Roose?"
"Ich
bin nicht so attraktiv wie Solares, das habe ich längst
kapiert....und ich bin auch nicht so super-selbstbewusst wie er.
Aber er ist einer von den Typen, die mit den Herzen spielen. Er
wird dich zum Weinen bringen."
"Wie kannst du das
behaupten? Du hast doch keinen Schimmer!"
"......Wrecka.
Ich sage es nur einmal. Wenn er dich Tränen vergießen
lässt....erwarte nicht, dass ich es sein werde, der sie
trocknet."
Sie sah ihm nach, wie er die Aula verließ.
Und sie hatte das unbestimmte Gefühl, als fiele eine
unüberwindliche Schlucht zwischen sie und ihn....Sie
fröstelte.
Yamagi hatte das Gespräch aus knapper
Entfernung verfolgt. Schritte erklangen hinter ihm, doch er
wusste bereits, um wen es sich handelte.
"Ich hatte
befürchtet, dass es soweit kommt."
"Echt?
Dafür, dass du so weitsichtig bist, verstehst du erstaunlich
wenig."
Tsukasa zuckte angesichts seiner harten Worte
zusammen. Weshalb war seine Laune bloß so miserabel? Schon
seit der Eröffnung des Festes verhielt er sich ihr gegenüber
abweisend und verachtend. Hatte sie ihn irgendwie verletzt? Aber
wann? Und wie?
"Das ist nicht nett. Du tust ja gerade
so, als wenn ich genau wie Wrecka die offenkundigsten Gefühle
einfach nicht erkennen würde. In dieser Beziehung bin ich
anders."
Yamagi nahm einen tiefen Schluck Partybowle und
setzte sein Glas langsam ab. Dann erhob er sich von seinem Platz
und sah Tsukasa, mit der er sich mittlerweile auf gleicher Höhe
befand, direkt in die Augen. Seine Lippen bebten.
"Nein.
In dieser Beziehung bist du genau wie sie."
Phil
Phleira schüttelte wild den Kopf. "Nein! Das geht
nicht!"
"Hä? Warum denn nicht? Okay, ein
jahrtausendealter Song, klar, aber schön ist er trotzdem.
Und absolut geeignet für romantische Stimmung!"
Rioroute sprang auf die Bühne und flüsterte dem
Bandleader etwas ins Ohr. Dieser nickte grinsend und steckte mit
seinen Leuten die Köpfe zusammen. "Aber....sollen wir
wirklich darauf tanzen?"
"Warum nicht? Fürchtest
du dich in meiner Nähe?" erkundigte er sich mit einem
zärtlichen Unterton in der Stimme und Phil Phleira wechselte
in Sekundenbruchteilen die Gesichtsfarbe und wurde rot wie ein
Klatschmohn. Die Musik setzte wieder ein - mit "Hungry Eyes"
(Yeah! Wer kennt Dirty Dancing? Ich liebe dieses Lied!).
I've
been meaning to tell you
I've got this feelin' that won't
subside
I look at you and I fantasize
You're mine
tonight
Now I've got you in my sights
Rio schloss seine
Partnerin fest in die Arme und tanzte wie noch nie zuvor. Die
junge Frau hatte den Eindruck, als sei ihre gesamte Umgebung
ausgelöscht worden. Es gab nur noch ihn, ihn und seinen
warmen Atem an ihrer Wange, den behutsamen Halt seiner Hände
und das liebevolle Strahlen seiner Augen. Yu und Kazuhi tauschten
einen vielsagenden Blick. Erts lächelte und Tune prostete
ihm mit einem Glas Sekt zu. Leena klatschte einmal begeistert.
Selbst Galew ließ sich zu einem "Peace"-Zeichen
herab, um seinen Freund zu beglückwünschen.
With
these hungry eyes
One look at you and I can't disguise
I've
got hungry eyes
I feel the magic between you and I
Kizuna
spürte Zeros unmittelbare Nähe und die geschmeidigen
Bewegungen seines Körpers. Er war ein guter Tänzer,
ohne Zweifel. Seine starken Arme führten sie sacht und
sicher, seine atemberaubenden Augen ließen nicht eine
Sekunde von ihr. All ihre Sinne waren wie losgelöst von
allem Wirklichen. Der Junge registrierte Einzelheiten an ihr, die
ihm vorher nie aufgefallen waren - den wundervollen Duft nach
Kirschblüten beispielsweise, die langen Wimpern oder die
schön gebogenen Brauen. Oder dass sie eine süße,
kecke Nase besaß.
"Kizuna...." flüsterte
er sanft, während er sie umschlungen hielt.
"Zero...."
I want to hold you so hear me out
I want to show you
what love's all about
Darlin' tonight
Now I've got you in
my sights
Clay wusste nichts mehr. Ihm schien es, als
hätten sich all sein Schulwissen, seine Bücher, seine
Studien, irgendwo im Nichts verloren. Sakis wohltuende Wärme
auf sich einströmen zu fühlen, ihren Blick auf sich
gerichtet und in das rubinfarbene Meer ihrer Augen einzutauchen,
all das entschädigte ihn für jedwede Anstrengung. Das
Mädchen drückte ihre Wange an seine Brust und lauschte
seinem Herzschlag und seinen regelmäßigen Atemzügen.
Von ihm ging unendlich viel Geborgenheit aus. Sie würde ihn
niemals mehr loslassen....
With these hungry eyes
One
look at you and I can't disguise
I've got hungry eyes
I
feel the magic between you and I
Hungry eyes
Now I've got
you in my sights
With those hungry eyes
Now did I take you
by surprise.
Hiead ließ Ikhny drehen. Es war wohl
das erste Mal in seinem Leben, dass er etwas empfand, das mit
Freude vergleichbar war. Egal, wie oft er sich einredete, nichts
für seine Partnerin übrig zu haben, wurde ihm immer
stärker bewusst, wie froh er war, wenn er sie lächeln
oder gar lachen sah, so wie heute. Sie beendete die Drehung und
er wollte sie wieder an sich ziehen, geriet aber aus dem Takt.
Das Ergebnis war, dass sie ihm direkt in die Arme fiel. Beide
rührten sich nicht, obwohl die Musik weiterspielte.
I
need you to see
This love was meant to be
Vorsichtig
hob sie den Kopf, nur, um festzustellen, dass sein Gesicht nur
noch ein paar Zentimeter von dem ihren entfernt war. Er starrte
sie an, als sähe er sie zum ersten Mal. Errötend senkte
sie die Lider und blickte zur Seite. "Verzeih...." bat
sie leise.
"Das macht nichts....Ikhny."
Ja. Er
sagte "Ikhny" - nicht "Allecto".
"Hiead...."
I've got hungry eyes
One look
at you and I can't disguise
I've got hungry eyes
I feel the
magic between you and I
Hungry eyes
Now I've got you in my
sights
With those hungry eyes
Did I take you by
surprise
Hungry eyes
Teela war nicht auf dem
Ball. Sie stattete - wieder einmal - den Göttinnen einen
Besuch ab. Ihr Blick ruhte auf dem Letzten Planeten, Zion.
"Bald
ist es soweit....bald."
Wer träumt, dem
wachsen Flügel.
Die nächste Folge heißt:
"Curriculum 04: Gefecht"
