Curriculum 07: Seelen

Der Victim öffnete sein überdimensionales Maul und schickte ein riesiges Geschoss ab. Kazuhi lief der Schweiß in Strömen von der Stirn.
"VORSICHT!!!"
Die Rote Göttin drehte sich blitzartig um, wich der Attacke aus und zog ihr Schwert. Im nächsten Augenblick, der nicht länger war als ein Herzschlag, wurde das Wesen in der Mitte durchtrennt. Blut spritzte in die Höhe und der Victim stieß in seinem Todeskampf einen letzten, verzweifelten Schrei aus. Yu keuchte. Die Kreatur hatte die Ingrid bzw. ihn zu Beginn der Konfrontation in die Schulter gebissen und eine tiefe Wunde zurückgelassen. Ein unerträglicher Schmerz wallte durch seinen gesamten Körper. Er war einer Ohnmacht sehr nahe. In einiger Entfernung steuerte ein weiterer Victim auf die Einheit zu. Seine Sinne verließen den Piloten.
"YU!! Hörst du nicht!! Feind auf neun Uhr!! Was ist los?! Antworte doch!! BRUDER!!!"
Plötzlich leuchteten die Augen der Göttin auf und es erschienen Pupillen darin. In einer fließenden, geschmeidigen Bewegung wurde der Angreifer vernichtet, bevor er auch nur daran denken konnte, sich zu verteidigen. Im Cockpit hatte jemand den dunkelhaarigen Yu von hinten umfasst. Sie war eine durchsichtige Erscheinung mit langem welligen Haar, das fast bis zu ihren Knöcheln reichte. Es schimmerte türkis, wie das Teelas. In ihre Stirn kringelten sich immer wieder einige vorwitzige Löckchen und ihre ebenso türkisfarbenen Augen blickten traurig und betrübt. Als der Befehl zum Rückzug gegeben wurde, konzentrierte sie sich und flog die Ingrid zur Station zurück. Kazuhi war außer sich, als ihr Bruder von Hilfskräften aus dem Mecha geholt werden musste. Rio und Phil Phleira sahen einander besorgt an und selbst Galew, sonst weniger empfindsam (jedenfalls nach außen hin), biss sich bestürzt auf die Lippen. Leena nahm ihn an der Hand und führte ihn von der Gefechtsbrücke hinter der Bahre her, auf der Yu lag. Sie wollte Kazuhi ein wenig trösten. Tune sagte gar nichts, sie verschwand mit einem teilnahmslosen Gesichtsausdruck. Phil Phleiras Hände krampften sich um die ihres Liebsten. Sie musste Tune irgendwie helfen! Aber wie sollte sie es bloß anfangen?
Erts seufzte. Sein Kamerad hätte sterben können, wenn seine Göttin ihn nicht gerettet hätte. Er musterte die Einheiten, jede einzelne der Reihe nach, auch die Reneighd Klein. Im Grunde wusste wohl niemand genau, welcher Natur das Geheimnis war, das die Ingrids umgab. In gewissem Sinne waren sie natürlich keine schlichten Maschinen, sie waren etwas Besonderes, waren lebendig - aber wie und auf welche Weise das erreicht wurde, vermochte er nicht zu sagen. Doch schon des Öfteren während eines Gefechts hatte er das Gefühl gehabt, unter dem Schutz einer....einer Seele zu stehen. War das möglich? Schließlich hatte auch er die Station verlassen, weiter vor sich hin grübelnd, wie die Angelegenheit mit seiner Lotsin wohl zu lösen sei, während Teela - wieder einmal - zurückgeblieben war. Sie saß hoch oben auf dem Schulterpanzer der Ernn Laties und betrachtete Zion, wie sie es stets tat, wenn sie über sich und ihre Existenz nachdachte.
"Du warst sehr tapfer, Megarah", erklärte sie und wandte sich an die Rote Göttin. "Ohne dich wäre er vermutlich gestorben."
Ein helles Licht ergoss sich in den Raum und ein leuchtender Strahl flog aus dem Mecha heraus und verwandelte sich vor der Augen der Top-Pilotin in eine junge Frau, die dennoch irgendwie alterslos wirkte.
"Ich bin gewiss nicht mutig, Teela. Mir fehlt die innere Stärke, über die du verfügst. Bist du es nicht allmählich leid, zu warten?"
"Welche Bedeutung hat die Zeit schon für mich? Dieser Körper mag zwei Jahre älter geworden sein, aber das ändert nichts daran, dass ich ihn nicht mehr lange haben werde. Wenn er endlich zum Piloten ernannt wird, werde ich an meinen vorherbestimmten Platz zurückkehren."
Ihr Blick fiel auf das Cockpit ihrer Ingrid.
"Er ist wie wir und doch anders. Er hat die größte Kraft, die ich je sah. Mit ihm können wir gewinnen. Ihm werde ich meine Aufgabe gerne überlassen. Und ich werde ihn unterstützen, so gut ich es nur irgend kann."
Eine zweite Lichtfigur, diesmal aus der Agui Keameia, erschien und manifestierte sich. Megarah lächelte liebevoll.
"Verzeihst du mir, Silfee?"
"Das war ausgesprochen gefährlich. Musst du mich immer so erschrecken? Ich habe doch nur eine große Schwester. Wenn der Atomic-Kern von Kallisto beschädigt wird, während du selbst kämpfst, könntest du verloren gehen! Eine Göttin ohne Seele ist nicht lebensfähig, sie würde unbrauchbar! Das weißt du doch!"
"Ja. Das weiß ich. Aber der Victim hätte Yu getötet, wenn ich nicht eingegriffen hätte. Unsere Aufgabe ist es, die Piloten zu beschützen. Ich habe nur getan, wofür ich geschaffen wurde."
"Wofür du umgebracht wurdest, meinst du wohl!" ertönte plötzlich eine energische Stimme, der zwar der singende Ton eines Geistes innewohnte, die aber dennoch kühl und entschieden klang.
"Elia!" bemerkte Teela und verschränkte die Arme. "Unser Schöpfer hat uns von Beginn an nicht im Unklaren darüber gelassen, warum wir wirklich geboren wurden. Du kannst ihm keine Vorwürfe machen. Ohne uns wären die Göttinnen nur leere Maschinen und den Victims extrem unterlegen. Unsere Körper waren ohnehin schwach und kränklich. Oder willst du andeuten, dass du Gareas nur widerwillig beschützt?" Elia wand sich.
"Nein. Natürlich nicht. Aber ich habe den Eindruck, er zeigt sich zu wenig besorgt."
"Das ist nicht wahr. Er ist selbst sehr krank. Und er fragt mich immer, ob ich angesichts meiner Konstitution noch kämpfen kann."
"Kannst du?"
Teela nickte Megarah zu, die sie mit besorgtem Gesicht betrachtete. Sie war die Älteste, und obwohl sie eigentlich nur Silfees große Schwester war, zeigte sie sich allen "Goddess-Spirits" gegenüber fürsorglich und behütend.
"Ja. Außerdem wird es nicht mehr lange dauern, bis er meine Nachfolge antreten wird. Dann hat mein Warten ein Ende und ich werde wieder eins sein mit Ernn Laties." Sie schwieg einen Moment, als wäge sie ihre folgenden Worte gut ab.
"Wie geht es Helteage?"
"Sie ist immer noch traurig. Aber ich glaube, sie leidet jetzt weniger darunter, dass sie Ernests Tod nicht verhindern konnte, als unter Tunes Schmerz und ihrer Verzweiflung. Davon abgesehen scheint sie einen Narren an Erts gefressen zu haben." antwortete Elia ein wenig ungehalten. Alle wussten, dass Helteage um ihren Piloten getrauert hatte, doch dass Tune sich nun derartig in ihrem Leid verlor, traf sie ebenso schwer. Jedoch, die Sache mit Erts....
"Du bist doch nicht etwa neidisch?" grinste Silfee breit, wofür sie einen niederschmetternden Blick erntete.
"Selbstverständlich nicht! Aber Erts ist ein achtsamer und vorsichtiger Pilot und nicht so ein Haudrauf wie Galew! Auf diese Weise bliebe mir zumindest eine Menge Ärger erspart!"
"Ich wusste, du magst ihn, deinen Piloten!"
"MEINEN?! Hast du mich nicht verstanden, Sil-chan?"

Unterdessen schlug man sich auf GOA mit dem Schulalltag herum. Kizuna hatte Wrecka gerade eine vernichtende Mitteilung überbracht. Das blauhaarige Mädchen fixierte ihre katzenohrige Freundin durchdringend.
"Ooooookay, noch mal von vorn! Du willst mir weismachen, Rick hätte Ikhny eingeladen, mit ihm auszugehen? Das ist ausgeschlossen!"
"Ach? Und wieso?"
"Weil er schon mit mir geflirtet hat! Wie kann er sich da umdrehen und einer anderen schöne Augen machen?!"
"Das ist nicht dein Ernst - Wrecka! Der. Kerl. Ist. Ein. Playboy! Das müsste dir doch schon aufgefallen sein! Er spielt mit den Herzen, der interessiert sich nicht wirklich für dich. Typen wie der wechseln ihre Freundin wie....wie ihr Hemd jeden Tag. Vermutlich hätte er keinerlei Hemmungen, nebenbei drei andere abzuknutschen, während er dir einen Heiratsantrag macht!"
".....Jetzt übertreibst du."
"Schon klar. Aber du weißt, was ich meine. Warum musst du dich unbedingt an so einen Kerl hängen? Du hast doch einen wunderbaren Jungen in deiner Nähe, der zehnmal mehr wert ist als dieser Macho!" Wrecka blinzelte erstaunt.
"Hä? Wen?"
Kizuna starrte ihre Freundin fassungslos an. Das musste ein schlechter Scherz sein! Wer ihr hier ehrliche Gefühle entgegenbrachte, war doch nun mehr als offensichtlich!
"Du machst einen Witz, oder?"
"Nein."
Sie blickte so ahnungslos drein, dass Kizuna nur entgeistert den Kopf schütteln konnte.
"Roose natürlich!"
Es verging ein Augenblick. Mit einem Mal brach Wrecka in schallendes Gelächter aus und hatte Mühe, sich wieder in die Gewalt zu bekommen.
"Du meine Güte! Allein die Vorstellung! Das mag ich so an dir, weißt du. Du bringst mich immer wieder zum Lachen."

"Hör zu. Das war kein Scherz. Ich meine das genauso, wie ich es gesagt habe. Er ist in dich verliebt und jeder weiß das. Jeder außer dir. Du trittst seine Gefühle mit Füßen und merkst es nicht einmal. Du wirst es bereuen, Wrecka. Ganz sicher."
Damit ging sie.
Wrecka starrte hinterher, unfähig, sich zu rühren. Das musste ein Scherz gewesen sein! Wenn Roose sie tatsächlich liebte, hieß das, dass sie ihn verletzt hatte durch ihre Gleichgültigkeit.... Kizuna musste sich irren! Sie musste!!

Azuma und Rill saßen in der Kantine am Lehrertisch und unterhielten sich. Während die Ärztin den Süßstoff in ihrem Tee verrührte, meinte der Chef-Ausbilder:
"Ich fürchte, da gibt's bald ein paar gebrochene Herzen."
"Wegen des hübschen Anwärters mit der Nummer 97? Ach, lass die Mädchen doch schwärmen. So was braucht man in ihrem Alter."
"Ah ja? Und für wen hast du geschwärmt?"
"Lass mich überlegen. Zuallererst für einen Schauspieler, der an unserem Kolonietheater die Liebhaberrolle spielte. Dann für einen bekannten Sänger. Und für einen jungen Klavierspieler, der während seines Studiums auf meiner Kolonie auftrat, um zusätzlich Geld zu verdienen. Da hatte ich gerade Semesterferien und hatte erleichtert die medizinische Fakultät hinter mir gelassen."
"Soso. Und für mich hattest du nie etwas übrig?"
"Wieso für dich? In unserer Kadettenzeit waren wir Partner, das ist richtig, aber damals warst du einfach nicht mein Typ."
"Verstehe. Damals. Und jetzt?"
"......Wa-wa-was?! Bist du übergeschnappt?! Wie käme ich denn dazu!"
Sie ergriff ihre Tasse und verließ eiligst die Kantine, ohne sich noch einmal nach ihm umzudrehen. Ein sympathisches Grinsen zog seine Lippen auseinander.
"Was immer du sagst, Rill....was immer du sagst...."
Wrecka hatte sich nach dem Gespräch mit Kizuna ebenfalls zum Abendessen begeben. Es war kurz vor acht. Um Punkt würde ihr Angebeteter Ikhny zu dem Rendezvous abholen. Sie kaute verärgert auf einem Stück Fleisch herum, fand es aber viel zu zäh. Tsukasa war auch an Rick interessiert, aber irgendwie war sie in letzter Zeit kaum mehr ansprechbar. Ob das daran lag, dass Yamagi mit Miranda zusammen war? Und Ikhny - und natürlich all die anderen Mädchen, die ständig um den Jungen herum waren. Eigentlich stimme es, dass er ein Playboy war. Hatte sie sich wirklich eingebildet, sie könne ihn für sich gewinnen, ohne ihn mit zig weiteren Damen zu teilen? Das Essen wollte ihr nicht mehr so recht schmecken. Sie brachte ihr Tablett zurück und trat auf den Gang hinaus. Warum hatte sie plötzlich solche Zweifel? Natürlich nur, weil Kizuna gesagt hatte, Roose wäre in sie verliebt! Das hätte sie gewiss bemerkt, das konnte nicht wahr sein!
"Bist du fertig?"
Sie horchte auf. Das war Ricks Stimme! Vorsichtig lugte sie um die Ecke und sah ihn, gekleidet in einen eleganten Smoking und mit einem kleinen Strauß in der Hand, vor dem Fluglotsen-Quartier 87-89 stehen. Die Tür öffnete sich und Ikhny begrüßte ihn. Zu Wreckas Überraschung wirkte sie jedoch eher unglücklich als erfreut. Es schien, als hätte sie geweint.
"Ikhny-chan. Warum bist du nicht umgezogen?"
"Es....es tut mir leid, Rick-san. Ich....ich kann nicht mit dir ausgehen."
"......Was? Aber....wieso denn nicht?"
"Ich war wütend auf Hiead. Ich glaube, ich.....habe nur aus Trotz zugestimmt. Du siehst zwar sehr gut aus und bist auch kein schlechter Mensch, aber.....mich aus Trotz mit dir zu verabreden, macht doch keinen Sinn. Ich müsste dir gute Laune vorspielen und meine Tränen verstecken....ich bin einfach nicht in der Lage...."
"......Ach so. Ich verstehe."
Er wandte sich mit hängenden Schultern um, verabschiedete sich und verließ sie. Wrecka konnte es kaum fassen. Vielleicht war das ihre Chance! Sie folgte ihrem Schwarm. Roose hatte sie schon wieder vergessen. Rasch umarmte sie ihn von hinten und hielt ihm anschließend die Augen zu.
"Wer bin ich?"
"Lass das. Mir ist nicht danach." Sie fuhr zurück. So kalt und streng hatte er noch nie mit einem Mädchen gesprochen. Oder galt das diesmal nur ihr?
"Ah, du bist es. Was willst du?"
"Äh......ich dachte, ich könnte dich trösten."
"Blödsinn. Gerade du. Du kapierst sowieso nichts. Hängst dich an mich, einen leichtherzigen und verantwortungslosen Kerl, der seine Gunst gleichmäßig nach allen Seiten verteilt und sich dann wundert, einen Korb zu kriegen, wenn er es einmal in seinem Leben ernst meint. Ikhny ist zu gut für mich, das wusste ich von Anfang an. Dennoch meinte ich, eine Chance zu haben....ha! Gegen einen wie Gner komme ich wohl doch nicht an....Aber du verstehst noch weniger. Du hast einen netten und aufopferungsvollen Jungen als Partner, der alles für dich tun würde, aber du merkst es nicht. Statt dessen läufst du einem Versager wie mir nach, bloß weil ich attraktiv bin. Hast du auch nur annähernd eine Vorstellung davon, wie weh ihm das getan haben muss? Wahrscheinlich nicht. Du bist blind, Wrecka-chan. Du erkennst die Liebe nicht einmal, wenn sie direkt vor dir steht. Sogar ich habe es begriffen. Ich begriff sofort, was er für dich empfindet, als er während des Balles zu uns kam, um dich an den Tanz zu erinnern, den du ihm versprochen hattest. Nicht einmal das konntest du halten. Darf ich dich etwas fragen? Wenn du traurig warst oder Schwierigkeiten hattest, wer hat sich dann um dich gekümmert, wer war die Schulter, an der du dich ausweinen konntest?"
".......Roose."
Die Antwort war nicht mehr als ein Flüstern.
"Wenn du sicher warst, alles wäre aus und du würdest nicht mehr weiterkommen, wer war für dich da und hat dich wieder aufgerüttelt?"
".......Roose."
Ihre Stimme wurde noch leiser.
"Wer liest dir jeden Wunsch von den Augen ab, ist stets bemüht um dich und hilft dir, wann immer es möglich ist?"
"........Roose."
Jetzt erstarb der Klang vollständig. Sie blickte betreten zu Boden, als ihr klar wurde, was sie getan hatte.
"Für dich waren seine Hilfsbereitschaft, seine Nähe, sein Mitgefühl und sein Beistand immer selbstverständlich. ZU selbstverständlich. Du hast ihn verletzt und ich bezweifele, dass er dir so einfach verzeihen wird. Jeder muss einen Preis zahlen für seine Oberflächlichkeit. Ikhny liebt einen anderen. Damit werde ich leben müssen. Und du....du hast den besten Freund verloren, den du jemals hattest. Vielleicht hast du es jetzt kapiert. Sawamura-kun ist zu gut für dich."
Ricks Schritte verhallten.
Wrecka sank auf den Boden. Ihre Lippen zitterten.
"Sawamura-kun ist zu gut für dich."
Sie dachte an die Fassungslosigkeit, den Schmerz in Roose' Zügen, als sie ihn "nur" als ihren Partner bezeichnet hatte, nicht einmal als Freund....und ihre wegwerfende Handbewegung, als wäre er nichts weiter als ein lästiges Insekt....Deutlich sah sie seine tiefen, smaragdgrünen Augen vor sich, die sie immer voller Wärme und Zuneigung angestrahlt hatten, roch den frischen Duft nach Wald und Blättern, der einzig ihm zu eigen war, spürte seine weiche Haut, wenn er sie in die Arme nahm, um ihre Tränen zu trocknen....ihre....Tränen.....zu....? Seine Worte von jenem Tag ergossen sich über sie wie ein Schwall eiskalten Wassers.
"......Wrecka. Ich sage es nur einmal. Wenn er dich Tränen vergießen lässt....erwarte nicht, dass ich es sein werde, der sie trocknet."
Ja.
Es war geschehen.
Allein durch ihre eigene Dummheit, ihre Oberflächlichkeit, ihr Unverständnis.
Sie hatte ihn verloren.
Einen Moment blieb es still in dem Korridor, in dem sie sich befand. Plötzlich jedoch würgte sich ein Schluchzer ihre Kehle hinauf, den sie nicht mehr aufhalten konnte. Heiße Tränen schossen ihr aus den Augen und sie presste sich verzweifelt eine Hand vor den Mund.
Sie hatte ihn verloren.
Ihn.
Roose.

Die Gefechtsbrücke war menschenleer. Niemand war mehr dort, nicht einmal die Lotsen, um noch ein paar Checks durchzuführen. Kazuhi war bei ihrem Bruder und betrachtete ihn sorgenvoll. Sie betete, dass er wieder gesund werden möge. Tune war allein in ihrem Quartier. Sie fror und fühlte sich nicht besonders. Auf ihrer Wange war noch eine leichte Spur von Phil Phleiras Ohrfeige zu erkennen. Sie berührte den rötlichen Streifen und erinnerte sich an die Worte ihrer Freundin, an die von Rio und Gareas. Sollte sie es wagen? Sollte sie noch einmal.... vertrauen? Erts schlief bereits, er war kein Nachtmensch wie etwa der Pilot der Eeva Leena, der mit seiner Partnerin in der Bar von GIS saß und einen Cocktail schlürfte. Rioroute hatte seine Liebste auf das Holodeck (Ich beschließe, das gibt's da jetzt einfach) geführt und sich ein romantisches Szenario mit Sternenhimmel und Violinenmusik ausgedacht. Die Göttinnen ruhten majestätisch in der Dunkelheit.
Helteage hatte die Reneighd Klein verlassen und leistete Teela Gesellschaft, die ihren Gefährtinnen wieder einen Besuch abstattete.

"Leidest du?"
"Nicht mehr, Teela. Auch wenn es mich traurig stimmt, sobald ich an Ernest denke, ich mache mir keine Vorwürfe mehr, ihn nicht gut genug beschützt zu haben. Ein Erinnerungsrest von ihm ist bei mir zurückgeblieben. Er hat gesagt, dass er weiß, dass ich alles versucht hätte, um ihn zu retten. Jetzt wünscht er sich, dass Tune von ihrer Trauer loskommen möge und er möchte, dass ich auf Erts aufpasse. Ich bin eine Seele und ich existiere, um denjenigen zu schützen, der meinen neuen Körper, die Ingrid, steuert. Meine Kraft ist schwächer als die des ,Guardian', aber dennoch will ich meine Aufgabe mit bestem Wissen und Gewissen erfüllen."
"Du hast recht, meine Freundin. Der ,Guardian' hat tapfer gekämpft und den behütet, auf den ich - auf den wir alle - warten. Es ist ihm vorherbestimmt, die Ernn Laties zu fliegen."
"Hat Elia ihn nicht schon einmal getroffen?"
"Ja. Natürlich war sie nicht in dem Sinne bei ihm - das, was er sah, war eine Spiegelung von Elias Geist, den sie zu ihm sandte. Er war damals noch ein Kind und so wählte sie als Erscheinungsform ebenfalls die eines Kindes. Er wird kommen, Helteage. Das Schicksal will es so. Zion wird zerstört werden, unsere schrecklichen Visionen werden wahr werden, wenn er seine Mission nicht annimmt. Aber ich glaube an ihn."
Ein langes Schweigen senkte sich auf die beiden "Goddess-Spirits". Was ihnen, was allen Wesen auf dieser Welt blieb, war Hoffnung. Die Hoffnung starb immer zuletzt. Und ER war ihre Hoffnung....

Wer träumt, dem wachsen Flügel.
Die nächste Folge heißt: "Curriculum 08: Versprechen"