Curriculum
10: Verzeihen
Teela öffnete die Augen und betrachtete die
Gefechtsbrücke außerhalb der Weißen Ingrid. Wie oft
hatte sie hier gestanden und sich für den Kampf vorbereitet.
Doch nun hatte sich ihr Schicksal erfüllt - sie war zur Seele
der Göttin geworden, wie es schon immer geplant gewesen war. Sie
wurde geboren, um Seele, um Beschützer zu sein. Wie spät
war es wohl? Seit sie gestorben war, hatte sie jegliches Zeitgefühl
verloren. Sie lächelte. Rei würde bald eintreffen. Sie
freute sich schon darauf.
Tatsächlich war Zero seit
gestern bereits auf dem Trägerschiff. Man hatte ihm und Kizuna
Piloten- und Lotsendress ausgehändigt und ihnen ihre Quartiere
zugewiesen. Beide hatten in ihrer ersten Nacht dieses neuen
Lebensabschnitts aus Nervosität unruhig geschlafen und
dementsprechend unausgeruht begannen sie am nächsten Tag mit
ihrer Aufgabe. Das Mädchen hatte vor dem Kontrollpult
Aufstellung genommen, während ihr Partner, zum ersten Mal in das
Gewand eines Piloten gekleidet, ehrfürchtig die Ernn Laties
betrachtete, von der er oft geträumt hatte. Irgendwie erschien
ihm die Situation seltsam unwirklich.
"Registrierung des
neuen Piloten. Starte den Vorgang."
Registrierung
läuft. entgegnete die etwas verzerrte Stimme des
Computers. Name des Piloten?
Der Junge holte
einmal tief Luft.
"Name des Piloten: Zero Enna."
Name des Lotsen?
"Name des Lotsen: Kizuna
Towryk."
Neuer Codename?
"Rei?"
Sie wandte sich an ihn und erkannte, dass er mit sich selbst im
Clinch lag. Sie trat auf ihn zu und umarmte ihn.
"Was ist
los?"
"......Könntest du den.....Vorgang noch
einmal starten?"
"Das könnte ich. Aber
warum?"
"Ich habe meinen wahren Namen zu lange
verleugnet. Das muss aufhören. Ich heiße Rei. So will ich
registriert werden, so will ich von den anderen angesprochen werden.
Ich wollte einmal stolz sein auf diesen, meinen Namen. Aber dazu muss
ich ihn tragen. Schluss mit Zero. Ich habe ,Rei' viel zu lange
vergessen. Hilf mir, ihn zurückzuholen."
Sie nickte,
drückte ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen und ihre
Hände flogen ein weiteres Mal über das Schaltpult.
"Registrierungsvorgang wiederholen. Neu starten."
Registrierung läuft. Name des Piloten?
Er
hob den Blick, seine Schultern und seine Haltung strafften sich.
Seine dunkelblauen Augen strahlten Entschlossenheit und
Ernsthaftigkeit aus.
"Name des Piloten: REI Enna."
Name des Lotsen?
"Name des Lotsen: Kizuna
Towryk."
Neuer Codename?
"Da muss ich
nicht überlegen. Der Codename soll nicht geändert werden,
sondern so bleiben, wie er ist. Ich werde Teelas Andenken in Ehren
halten."
Codename nicht geändert. Göttin
,Ernn Laties' ist bereit.
"Damit ist es also getan.
Jetzt bin ich wirklich ein vollwertiger Pilot. Aber ich bin auch der
Anführer der Pilotenstaffel, da ich die Weiße Ingrid -
Maschine 01 - fliege. Glaubst du, ich werde erfolgreich sein? Glaubst
du, sie werden diese, meine....neue, mir fremde Position
akzeptieren?"
Kizuna betrachtete ihn schweigend und
intensiv. Unter dem Blick ihrer schönen Augen fühlte er
sich dahin schmelzen wie Schnee in der Sonne.
"Du wirst es
schaffen. Du bist ein guter Kämpfer und besitzt
Führungsqualitäten. Sie werden dich
akzeptieren."
"Führungsqualitäten? Ich?"
"Ja,
du. Ich glaube an dich und vertraue dir. Aber das wichtigste ist,
dass du dir selbst auch vertraust. Du weißt doch, dass ich dich
liebe. Ich werde immer für dich da sein und auf dich aufpassen.
Du wirst ein fabelhafter Pilot sein!"
"Kizuna....du
bist wundervoll."
Er wollte sie gerade küssen, als ein
ohrenbetäubender Alarm ganz GIS erschütterte. Ein Beben
durchlief die Einrichtung. Zero bzw. Rei spürte eine dunkle Aura
und fuhr herum. Ein Victim! Die Präsenz eines Victims!
"Piloten
bereitmachen!"
Wie auf Kommando betraten die anderen die
Gefechtsstation. Erts kam als erster. Er erblickte seinen Freund und
eilte auf ihn zu.
"Ich freue mich, dich wieder zu sehen,
Zero. Herzlich willkommen in unseren Reihen!"
"Danke,
Kumpel. Aber halten wir uns nicht unnötig auf. Höflichkeiten
können wir später noch austauschen. Der Kampf hat
Priorität!" Erts lächelte.
"Du hast recht.
Auf gute Zusammenarbeit....First!"
Rei erstarrte für
einen Moment. Die Bezeichnung des Ersten Piloten! Er hatte ihn
tatsächlich....!
Yu folgte seiner Schwester zu seiner
Einheit. Er war jetzt soweit wieder hergestellt, dass er kämpfen
konnte. Galew postierte sich vor seinem Mecha und Leena checkte noch
einmal alles durch. Phil Phleira und Rioroute küssten sich,
bevor die junge Frau sich zu der Gelben Göttin wandte. Tune
winkte ihren Partner heran und das Cockpit der Reneighd Klein öffnete
sich. Kizuna zwinkerte Rei aufmunternd zu und er setzte ein
zuversichtliches Grinsen auf.
"Eeva Leena bereit!"
"Telia
Kallisto bereit!"
"Agui Keameia bereit!"
"Reneighd
Klein bereit!"
Plötzlich wurde es still. Alle drehten
sich zu dem neuen Mitstreiter in ihrer Mitte, der zudem noch ihr
Anführer sein würde. Er hatte nichts von Teelas Eleganz
oder ihrer geheimnisvollen Ausstrahlung - aber er wirkte entschieden
und verantwortungsbewusst. Gareas erinnerte sich an das gestrige
Gefecht. Das war der Anwärter, der die Bergung übernommen
hatte. Der Junge verfügte über viel Mut, zweifellos!
"Ernn
Laties bereit!"
".......Gut. Wir sind
soweit.......Piloten auf ihre Plätze!" befahl Rei etwas
zögernd. Er war zwar weder schüchtern noch zurückhaltend,
aber der Status, den er nun inne hatte, war noch so unbekannt und
zugleich auch überwältigend für ihn - er musste sich
erst daran gewöhnen. Als letzter verschwand er im Inneren der
Ingrid. Es war ein seltsames Gefühl und kaum zu beschreiben, es
war ihm, als versinke er tatsächlich im Körper eines
anderen. Ein Lichtkreis formte sie um ihn, als er die Hände
ausstreckte und die Einheit aktivierte. Seine Wangen wurden heiß
und es erschienen die Zeichnungen darauf, die auch auf dem Gesicht
der Göttin zu sehen waren. Die schweren Torflügel zu beiden
Seiten seines Stellplatzes ächzten zur Seite und der Mecha
bewegte sich nach vorne, Richtung Abschussröhre (Ihr wisst ja,
was ich meine). Rei hatte den Eindruck, eingehängt zu werden wie
eine lose Tür, doch dann ging ein Ruck durch die Ingrid und die
Geschwindigkeit nahm zu, während er sich der eigentlichen
Startbahn näherte.
"Start!" dröhnte es dumpf
von irgendwoher an seine Ohren. Das All umfing ihn. Er breitete seine
Arme aus und flog. Es war großartig!
Roose kletterte
aus seinem PRO-ING. Das Training war vorbei. Es war eigenartig, Zero
nicht mehr dabei zu haben, aber andererseits hatte er es verdient,
dass sein Traum sich erfüllte.
"Essen wir zusammen?"
fragte Wrecka, als er aus der Simulation herauskam.
"Nein.
Ich ziehe es vor, allein zu essen." erwiderte er in einem kalten
Ton. Sie biss sich auf die Lippen. Jetzt, wo sie endlich begriffen
hatte, war es zu spät. Roose sprach nur noch über das
Nötigste mit ihr und die Zuneigung und Wärme, die sie
früher so gut gekannt hatte, waren aus seinen Augen
verschwunden. Sie hatte ihm sehr wehgetan und ihn behandelt
wie....Sie wagte nicht, weiter darüber nachzudenken. Sie nahm
ihm seine Haltung nicht übel. Er war gleichgültig, so wie
sie es gewesen war. Ja, sie konnte es verstehen.....und
dennoch....warum machte es ihr dann bloß so viel aus?! Ihr Herz
fühlte sich wund und roh an. Als Rick sie abgekanzelt hatte, war
sie bestürzt gewesen, aber nicht traurig.
"Was erwartet
dieser Sturschädel denn von mir?!" grübelte sie wütend
vor sich hin. Sie stolperte in ihr Quartier - Tsukasa war nicht da,
weiß der Teufel, wo die steckte - und warf sich auf ihr Bett.
Zahllose Erinnerungen strömten durch ihren Geist....
RÜCKBLENDE
Wrecka war wieder sechzehn Jahre alt.
Sie hockte im Gang und weinte. Sie hatte gedacht, dieser Mistkerl
würde sie lieben! Und dann schmuste er heimlich mit einer der
Krankenschwestern! Was für ein verlogener, scheinheiliger
Bastard!
"Wrecka! Was hast du?"
Durch einen
Schleier von Tränen blickte sie hoch und erkannte Roose. Sie
wollte nicht, dass er sie so aufgelöst und verletzt sah, weshalb
sie sich abwandte und zischte: "Das geht dich nichts an! Lass
mich in Frieden!"
Er blieb.
Behutsam setzte er sich
neben sie, schlang einen Arm um ihre bebenden Schultern, zog ihren
Kopf an seine Brust und sprach mit sanfter und freundlicher Stimme
auf sie ein.
"Weine doch nicht. Wenn du mich fragst, ist
Dave keine einzelne deiner Tränen würdig. Er ist ein
Trottel und keinen Schuss Pulver wert. Er hat dir sehr wehgetan,
nicht wahr? Ich verstehe dich. Es tut weh, mit ansehen zu müssen,
wie sich jemand, den man liebt, einer anderen Person verschreibt,
selbst, wenn derjenige, dem die Gefühle gelten, sie nicht immer
verdient hat. Aber ein anderer wird kommen, ein Junge, der dich
wirklich von ganzem Herzen liebt und der alles für dich tun
würde. Dem es egal ist, ob du manchmal zickig, oberflächlich,
leichtherzig, ein bisschen verrückt und voreilig bist. Denn er
wird selbst deine schlechten Eigenschaften lieben, weil sie dich
ausmachen, den Menschen, der du bist. Gedulde dich ein bisschen. Wer
weiß, vielleicht ist er dir näher, als du glaubst."
ENDE DER RÜCKBLENDE
"Verdammt!"
Ihre
Faust krachte gegen die Trennwand zwischen den beiden Betten. Nun war
sie in Tränen ausgebrochen. Noch niemals zuvor hatte ihr Herz
dabei so grauenhaft geschmerzt! Diese Worte....wie hatte sie das
vergessen können?! Er hatte ihr praktisch sein Herz
ausgeschüttet und sie hatte es nicht kapiert!!
"Wer
weiß, vielleicht ist er dir näher, als du glaubst."
Warum hatte sie es nicht begriffen?! Warum nur?! So blöd
konnte einer alleine doch gar nicht sein!! Sie hatte ihn schon einmal
verletzt, durch ihre Beziehung mit Dave - aber da war es noch anders
gewesen, denn in diesem Fall war sie stets zu Roose gekommen, wenn
sie sich über ihren Freund geärgert hatte. Sie hatte ihn -
im Gegensatz zu der Sache mit Rick - nicht wie Luft behandelt
und.....Ihr wurde ganz heiß, als ihr ihre wegwerfende
Handbewegung auf dem Ball einfiel. Bei Gott! Was hatte sie getan?!
Seine Erscheinung quälte sie mittlerweile. Das fein geschnittene
Gesicht, die dunkelgrünen Augen, das smaragdfarbene Haar, der
geschmeidige Körper und sein süßes Lächeln....die
Wärme seiner Hände, wenn er sie trösten wollte, der
Klang seiner angenehmen Stimme, so liebevoll und fast zärtlich,
die Weichheit seiner Haut....Um alles in der Welt, wie hatte sie so
maßlos blind sein können?! Nein! Sie musste dem ein Ende
bereiten! Sie musste ihm sagen, dass es ihr leid tat und dass sie nie
wieder eine solche Dummheit begehen würde! Wrecka raffte sich
auf, wischte sich die salzigen Perlen aus den Augen und suchte ihren
Partner.
Der Victim spie eine Feuerkugel aus, die auf Rio zu
raste. Er wich gekonnt aus und baute ein Schutzschild für die
übrigen Göttinnen auf. In diesem Moment wechselte die
Kreatur ihren Kurs und schoss auf Zion zu.
"Formation 4D!
Wir müssen verhindern, dass er den Planeten erreicht!!"
Sofort reihen sich die Ingrids gemäß Reis Befehl in
die angegebene Formation ein und nahmen die Verfolgung auf.
"Rio!
Du sicherst die Umgebung! Erts! Du hältst Ausschau nach weiteren
möglichen Angreifern! Galew, Yu! Wir schnappen uns das Biest!"
"Alles klar, First!" ließ sich der Pilot der Eeva
Leena vernehmen. Der Bursche gefiel ihm. Er war weitaus humorvoller
und nicht immer so gefühlsarm, wie Teela es gewesen war.
Natürlich hatte er sie respektiert und ihr Tod bestürzte
ihn, doch gemocht hatte er sie nie in dem Sinn. Geschätzt, ja -
aber es war keine Freundschaft entstanden, so wie zwischen ihm und
Rioroute und Yu. Klar, der schweigsame Bursche hatte manchmal
Anwandlungen, die ihn nervten, aber Yu konnte auch äußerst
ungemütlich werden (vor allem, wenn es um seine Schwester ging!)
und im Grunde war er ein lieber Kerl, auch wenn er es nicht gerne
zeigte. Na und Rio - die offene und fröhliche Art, wenn auch ab
und an etwas frech und ungestüm, musste man einfach gern haben!
Außerdem, was Ungestüm betraf, davon konnte er selbst auch
ein Lied singen! Der Victim kam in Schussweite. Gareas wartete, bis
Leena ihm den Container schickte, packte schließlich die Waffe
und feuerte. Das Wesen wurde davon schwer getroffen und trudelte nach
hinten. Blut brach aus einer Wunde hervor.
"Kallisto! Das
Schwert!"
Die Rote Göttin preschte vor und in einem
gleichmäßigen, präzisen Schlag wurden die Tentakeln
abgetrennt.
"Bericht zur Lage!" Erts meldete sich.
"Keine Victims mehr in Sicht. Er ist allein. Beenden wir den
Kampf."
"Gib ihm den Gandenstoß, First!"
rief Rio lauthals.
"Also dann...."
Rei
konzentrierte sich auf sein EX. Sein Haar schimmerte türkis auf
und er überkreuzte die Arme. Nachdem er sie wieder ausgebreitet
hatte, erleuchtete eine große, weit hin sichtbare Explosion den
Weltraum. Der Feind war vernichtet.
"Für deinen ersten
Einsatz gar nicht mal schlecht, Kleiner!" grinste Galew.
"Natürlich fehlt dir noch die nötige Erfahrung und bis
du mal meine Weltklasse hast, na ja, das wird noch dauern, aber gibt
nicht auf! Du könntest es schaffen - vielleicht!"
"Vielen
Dank. Ich fühle mich höchst geehrt. Wie schlecht muss man
denn sein, um deine Klasse zu erreichen?" kam die schlagfertige
Antwort prompt zurück.
"..........................Im
Ernst - du gefällst mir, Kleiner!"
Nachdem die
Einheiten nach GIS zurückgekehrt waren, fiel Kizuna ihrem
Piloten um den Hals.
"Du warst super! Einsame Spitze!"
"Meinst du wirklich?"
"Klar doch! Hey,
schließlich hab ich alles gesehen, ich werde das am besten
beurteilen können! Und jetzt komm mit!"
"Was?
Wohin?"
"Wir müssen deine Daten noch in die
Pilotenkartei eintragen, damit du vom Bordcomputer registriert wirst.
Beeil dich!"
"Ist das denn so wichtig? He!! Zerr nicht
so!!"
Das Mädchen betätigte einen Knopf und ein
Bildschirm flimmerte an. Sie klickte das Feld "PILOT DATA"
an und gleich darauf erschienen die Konterfeis der Piloten, nebst den
wichtigsten Fakten.
Name: Gareas Elidd
Alter:
19
Blutgruppe: E0
Partnerin: Leena Fujimura
Einheit:
Maschine 02 - Blaue Göttin, Eeva Leena
Name: Yu
Hikura
Alter: 18
Blutgruppe: E0
Partnerin: Kazuhi
Hikura
Einheit: Maschine 03 - Rote Göttin, Telia
Kallisto
Name: Rioroute Vilgyna
Alter: 18
Blutgruppe:
E0
Partnerin: Phil Phleira Deed
Einheit: Maschine 04 - Gelbe
Göttin, Agui Keameia
Name: Erts Virny Cocteau
Alter:
16
Blutgruppe: E0
Partnerin: Tune Youg
Einheit: Maschine 05
- Grüne Göttin, Reneighd Klein
"Siehst du?
Sobald deine Daten eingegeben sind, wirst du natürlich ganz oben
stehen, in der zahlenmäßigen Reihenfolge der Ingrids. Soll
ich wirklich deinen richtigen Namen eintippen, oder....?" Er
nickte.
"Ich habe mich entschieden. Ich will unter diesem
Namen kämpfen!"
"Nun gut." Ihre Finger
huschten über die Tasten.
Name: Rei Enna
Alter:
17
Blutgruppe: E0
Partnerin: Kizuna Towryk
Einheit: Maschine
01 - Weiße Göttin, Ernn Laties
Er berührte
nachdenklich sein rechtes Handgelenk. Gestern noch hatte darauf jene
Zahl geprangt, die ihm so vertraut geworden war - die 88. Auf dem
Shuttle war die Markierung bereits entfernt worden. Es war wirklich
ein neuer Lebensabschnitt, der jetzt für ihn begonnen hatte. Und
er hoffte, dass er jenen "Guardian" finden würde, von
dem Teela gesprochen hatte. Dieser würde ihm alle Fragen
beantworten. Rei seufzte. Er hatte viele Fragen....
"Was ist?
Bedrückt dich irgendetwas?"
"Nein. Ich....habe nur
nachgedacht. Das ist alles noch so neu für mich....aber es ist
ein super Gefühl, in einer echten Ingrid zu sitzen und sie zu
steuern! Ganz anders als in einem PRO-ING! Ein Gefühl, als
wärest du eins mit einer wunderbaren, starken Kraft! Es
war....unglaublich!"
Er umfasste ihre Hüften, hob sie
hoch und wirbelte sie herum, bis ihr schwindelig wurde und sie ihn
lachend bitten musste, sie wieder auf die Füße zu setzen.
"Wie leicht du bist! Als hättest du Flügel!"
Sein strahlendes Lächeln ließ sie erröten.
".....Ah, red nicht so einen Mist! Es reicht, dass ich
Katzenohren habe! Ich bin schon hässlich genug!!"
Er
nahm ihr Gesicht unweigerlich in beide Hände und zwang sie, ihm
in die Augen zu sehen.
"Das will ich nicht noch einmal
hören! Du bist ganz und gar nicht hässlich. Ich finde deine
Ohren sogar sehr hübsch, sie sind niedlich. Du bist wunderschön,
Kizuna. So schön, dass selbst die Schwingen eines Engels mit
ihrem glänzenden Schein nicht traumhafter sein könnten als
das Leuchten deiner Augen."
Ihr Herz tat einen gewaltigen
Sprung. Seine Stimme war zu einem samtenen Flüstern
herabgesunken und klang mit einem Mal tief und erstaunlich männlich.
Noch bevor sie etwas sagen konnte, zog er sie in eine feste Umarmung
und küsste sie innig. Kizuna vergaß alles andere um sich
herum. Wie herrlich war es doch, geliebt zu werden....
Wrecka
fand ihren Partner. Er war im Erholungsraum und saß unter einem
Baum. Roose öffnete die Augen, als ein Schatten auf sein Gesicht
fiel.
"Du." stellte er teilnahmslos fest. Ihr schnürte
sich die Kehle zu.
"Ich....ich wollte dich um Entschuldigung
bitten. Ich weiß, dass ich mich falsch verhalten habe und dass
ich dich sehr verletzt habe. Es tut mir wirklich furchtbar leid. Du
verzeihst mir doch, nicht wahr? Ist jetzt alles wieder wie früher?"
"Nein."
Ihr heiterer Gesichtsausdruck veränderte
sich abrupt, wie unter einer gewaltigen Sturmflut. Sie war nicht
sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte.
"Sagtest du
,nein'?"
"Genau das. Wrecka....es geht nicht nur um
Solares. Die Tatsache, dass du nicht einmal auf die Idee gekommen
bist, ich könnte etwas für dich empfinden, trifft mich
weitaus schlimmer. So, wie ich mich um dich bemühte, hat es
jeder sofort kapiert, nur du nicht - weil alles, was ich für
dich tat, zu selbstverständlich war. Nicht jeder Anwärter
kümmert sich so bereitwillig und gern um seine Lotsin, wie ich
es bisher immer getan habe - das beste Beispiel ist Hiead. Ich war
nett zu dir, habe dir stets geholfen, wo ich nur konnte, habe deine
Tränen getrocknet....Sicher, dank deiner speziellen Diät -
unser kleines Geheimnis, neh? - ist aus mir ein schlanker Bursche
geworden, aber ich zweifele mittlerweile daran, ob das allein
ausreicht, um aufzuwiegen, was ich für dich getan habe. Deine
Oberflächlichkeit ist enttäuschend. Ich hatte angenommen,
mit der Zeit würdest du erkennen, warum ich mich um dich gesorgt
habe, doch dem war nicht so. Jemand anderes musste es dir auf die
Nase binden! Das ist schade. Schade und bedauerlich. Ich bin keine
Maschine, die auf Knopfdruck bei dir auftaucht und Kummerkasten
spielt. Warst du denn nicht glücklich, wenn ich da war, um dir
zuzuhören? Hat dir mein Trost gar nichts bedeutet?"
"Doch!
Es war schön, wenn du mir beigestanden
hast....aber...."
"....aber du hättest niemals
vermutet, dass mehr dahinter stecken könnte als
Freundschaft, was? Und da behauptest du vor anderen, du wärst
so sensibel! Ha! Ein Stein ist sensibler als du!"
Tränen
bildeten sich in seinen Augenwinkeln und er wandte sich schnell
ab.
"Warum....hast du es nicht begriffen?.....Warum hast
du es einfach nicht begriffen?!"
"Es....es tut mir
leid, Roose, ehrlich. Ich habe Verständnis dafür, dass
du dich mir gegenüber kälter gibst als vorher, ich habe
es verdient. Trotzdem....es ist genug. Verzeih mir, bitte."
"Weißt du....wenn ein Mensch durch eigene Schuld
etwas verloren hat, packt ihn ziemlich rasch die Reue. Aber aus
irgendeinem Grund geht dieser Mensch auch davon aus, mit einer
Entschuldigung wäre alles wieder in Ordnung. Manchmal
funktioniert das. Aber es gibt Fälle, in denen die Wut und
der Schmerz nicht durch ein paar Worte rückgängig
gemacht werden können. Nein, Wrecka. Alles war für dich
zu selbstverständlich. Verzeihen ist aber nicht
selbstverständlich. Erst, wenn du wirklich verstanden hast,
werde ich dir verzeihen."
"Erst, wenn ich
wirklich....? Was redest du da?! Ich weiß doch, dass du in
mich verliebt bist! Was denn noch?!"
"Siehst du?
Noch hast du meine Lektion nicht in vollem Umfang erschlossen.
Ich kann es in deinem Herzen erkennen, ganz tief drin. Aber bevor
ich es nicht auch aus deinem Mund höre und deine Augen in
diesem Gefühl leuchten sehe, kann ich nicht daran glauben.
Und jetzt lass mich bitte allein."
Sie nickte und
verließ ihn. Ihre Schritte waren mechanisch, ihre Knie
drohten, ihrem Gewicht nachzugeben. Noch niemals zuvor war sie
sprachlos und ohne Gegenwehr aus einem Gespräch
hervorgegangen. Plötzlich rannte sie, als werde sie von
einem Victim gejagt. Blindlings lief sie durch GOA, stieß
sich den Ellbogen an oder rammte jemanden....es war ihr egal. Sie
sah tatsächlich nichts. Ihr Blick war verschwommen und
undurchsichtig wegen der Tränen, die unaufhaltsam über
ihre Wangen perlten.
Ja.
Sie verstand Roose, wusste, warum
er sie kälter behandelte.
Sie. Hatte. Es. Verdient.
Sie
musste dies als Lektion annehmen.
Er hatte recht. Es sollte
sie nicht weiter stören.
Sie. Hatte. Es. Verdient.
Dennoch....
....WARUM MACHTE ES IHR SO VIEL AUS?!?!
Wer
träumt, dem wachsen Flügel.
Die nächste Folge
heißt: "Curriculum 11: Wärme"
