Benehmen und Respekt

"Ich soll WAS?"

Entsetzt starrte ich in das Gesicht meines Bruders, der wohl jeden Moment die Flucht ergreifen wollte. Und das auch zurecht.

Nervös spielte er mit seinen Fingern und strich sich mehrmals über sein braunes Haar.

"Deli, d-d-du hast doch g-gesagt, du wolltest eine Arbeit.......Und du hast mich auch gebeten, dass ich mich im Palast umhören soll, wenn es Arbeit gibt. Ähem....Und nun ja ich hab dir auch eine beschafft."

Ich verdrehte die Augen , noch immer nicht fassend, was er mir gerade angetan hatte.

"Ja! Aber so etwas wie Dienstmädchen! Und NICHT Kindermädchen. Wie hast du das bloß wieder hinbekommen? Aber ich sag es dir gleich: Vergiss es! Niemals. Das werde ich sicher nicht machen. Du kannst gleich morgen zum König gehen und sagen, dass deine Schwester sich nach etwas anderem umsehen will."

Ich kam zwei Schritte auf ihn zu und stand nun direkt vor ihm. Wütend funkelte ich ihn an und er schien immer verzweifelter zu werden.

"Da gibt es ein Problem...."

Ich wurde gefährlich ruhig.

"Und das wäre?"

"Na...äh...uff...ich hab dem König schon dein Einverständnis gegeben. Er erwartet dich morgen im Palast, wenn die Sonne aufgegangen ist."

Mein Mund stand weit offen. Ich konnte es nicht fassen.

Es war nicht so, dass ich Kinder nicht mochte, aber ich hatte noch leider nie so viel Geduld gehabt mit ihnen den ganzen Tag zu spielen und mich mit ihnen zu beschäftigen. Und besonders nicht, wenn es der Thronfolger vom Düsterwald war. Damit trug ich auch eine gewisse Verantwortung. Wenn dem kleinen Prinzen etwas passierte, konnte ich sicher alles ausbaden.

Mein Bruder, Delyn hatte mir schon erzählt wie viel Ärger Prinz Legolas machen konnte, wenn er mal wieder nach seinem eigenen Kopf gehen wollte. Er musste es ja wissen. Er war ja eine der Wachen. Da bekam man sicher eine Menge mit.

"Na wunderbar. Da hast du mir ja was schönes eingebrockt."

"Euer Hoheit?" Ich verbeugte mich und blickte König Thranduil kurz in die Augen.

Gestern ging unsere "Diskussion" noch sehr lange weiter. Es endete in einem großen Streit. Nachdem ich Delyn öfters angeschrieen hatte, verlor er auch bald seine Geduld und verteidigte sich mit allen Mitteln. Am Ende fand uns unsere liebevolle Mutter auf dem Boden raufend und schickte uns, für unser kindisches Verhalten, sofort in unsere Zimmer. Dort fing sie dann mit ihrer gewohnten Moralpredigt an. Ich solle mich nicht so verhalten, als sei ich noch ein Kind. So würde ich nie eine Lady werden. Wie oft musste ich mir das wohl noch anhören? Ich war doch noch nicht so Erwachsen, dass ich mich wie eine Lady verhalten wollte. Ich genoss mein Leben so wie es im Moment war.

Weil Delyn am Abend Dienst hatte, konnten wir kein Wort mehr miteinander wechseln, und so machte ich mich am nächsten Tag auf in dem Palast um dem König persönlich zu sagen, dass ich nicht für diese Aufgabe geschaffen war und dass mein Bruder nur ein totaler Dummkopf war und mir das alles eingebrockt hatte.

Na gut vielleicht ließ ich den letzten Teil lieber weg.

Rein kam ich leicht, denn die meisten Wachen kannten mich ja durch Delyn. Aber meine Nervosität stieg trotzdem. Wie konnte ich dem König bloß mitteilen, dass ich nicht auf seinen kleinen Sohn aufpassen wollte? Das war eine Herausforderung für sich.

Und nun stand ich vor ihm und wollte schon anfangen, doch er war schneller als ich.

"Ihr seid Deliwiel Cathania, unser neues Kindermädchen, nicht wahr?"

"Ja, aber..."

Er hielt die Hand hoch um mir zu zeigen, dass ich schweigen sollte. Was ich natürlich dann auch tat.

"Wunderbar. Ihr werdet sofort zu meinem Sohn geführt."

Und schon winkte er einer Dienstmagd zu.

"Ja, aber euer Hoheit, ich..."

"Ich bin jetzt in Eile und kann mir leider nicht die Zeit nehmen Euch besser kennen zu lernen. Bitte. Ferith, zeigt ihr Legolas' Zimmer."

Ich wollte noch irgendetwas sagen. Das darf doch nicht wahr sein. So hatte ich das nicht geplant.

"A-a-aber..."

Nach einem schnellen Knicks zum König, packte sie mich am Arm und zerrte mich aus dem Thronsaal.

"Ihr habt ziemliches Glück. König Thranduil durchbohrt alle neuen Kindermädchen mit Fragen, bevor er sie zu seinem Sohn lässt. Doch heute hatte er leider viel zu viel zu tun, also seid Ihr diesmal kurz ausgefallen."

'Na was für ein Glück', ging es mir schnippisch durch den Kopf.

Sie lächelte mich an und blieb dann doch stehen. Sie stellte sich vor mir hin und betrachtete mich eingehend.

Ich zog fragend die Augenbrauen hoch.

"Also Ihr seht nicht so aus, wie die Kindermädchen, die wir sonst so bekommen."

Ich verschränkte meine Arme und zuckte nur mit den Schultern. Spielte sie auf meine Kleidung an? Ich weiß, dass sie ein wenig zerknittert war, weil ich nicht vorhatte lange hier zu bleiben, deswegen schnappte ich mir das Erstbeste dunkelbraune Kleid, welches auf meinem Stuhl hing und war schon auf in Richtung Palast. Und man muss sagen, der Weg war noch etwas matschig vom Regen, also..' Ach Gott. Ich brauch mich doch nicht zu rechtfertigen.'

"Und wie meint Ihr das?" Vielleicht klang ich etwas zu gereizt, aber das war ja auch begründet.

Ich konnte jetzt meine Situation nicht mehr ändern. Jetzt war es leider zu spät. Ich dachte schon daran, einfach nach Hause zu gehen, aber das würde dem König wohl nicht so gefallen, wenn ihm jemand später mitteilte, sein Sohn wäre weggelaufen, weil es ihm zu langweilig wurde auf das Kindermädchen zu warten.

"Hm. Naja Ihr strahlt ziemlich viel Temperament aus. Das ist mal klar," lachte sie ein wenig.

Ich wollte noch etwas sagen, aber schon zerrte sie mich weiter durch diese riesigen, prunkvollen Gänge. Vielleicht, wenn es nun schon nicht mehr zu ändern war, konnte ich mir ja später die ganzen Gemälde anschauen, die hier herumhingen. Es gab ziemlich viele davon an den weißgolden verzierten Wänden und ich liebte Kunst. Immerhin etwas Gutes.

Aber dafür war jetzt keine Zeit, da Ferith es wohl ziemlich eilig hatte, mich los zu werden.

Nun standen wir vor seiner Tür und ich überlegte noch mal, ob ich vielleicht nicht doch nach Hause rennen sollte.

Aber das Dienstmädchen hatte schon geklopft und ließ mich hier allein stehen. Bevor sie um die Ecke bog, zwinkerte sie mir einmal zu und flüsterte noch vom Weiten: "Viel Glück," bevor sie ganz verschwunden war.

'Was soll das denn schon wieder heißen?'

"Herein", kam es von innen. Mein erster Gedanke war, dass die Stimme ein bisschen zu alt klang.

'Vielleicht der große Bruder?...Dummkopf! Der Prinz hat keine Geschwister.'

Ich öffnete die riesige Tür und trat ein.

Der Raum war sehr groß für eine Person. Ein riesengroßes Bett stand links von mir und ein schön verzierter Schreibtisch mit Stuhl genau gegenüber. Dann gab es noch eine Tür in der Nähe des Bettes. 'Wohl das Badezimmer.' Und die hübsche dunkelgrüne Couch war in der Nähe des Balkons, wo gerade ein blonder Elb saß und in sein Buch vertieft war. Er sah dabei sehr konzentriert drein und machte sich nicht einmal die Mühe aufzuschauen um zu sehen wer ihn gerade beglückte.

Ich wurde stutzig. 'Ein bisschen alt um auf ihn aufzupassen.'

Er war zwar noch kein Mann, aber ein kleines Kind war er ganz bestimmt nicht mehr. In Menschenjahre wäre er sicher schon 16 oder 17 gewesen.

"Verzeiht."

Nun blickte er auf und sah mich mit seinen hellblauen Augen an. Er stand auf und stand nun genau mir gegenüber. Er lächelte.

Der Elb nahm meine Hand und legte einen sanften Kuss darauf.

Er grinste noch immer schelmisch und wartete wohl darauf, dass ich etwas sagen würde.

Ein bisschen irritiert versuchte ich meine Stimme wieder zu finden, um zu analysieren was ich hier tue.

"I-ich wurde hierher geschickt als Kindermädchen, aber Ihr seid ein bisschen zu alt um..."

"Schon wieder...????????" Und schon war der Charme und die Grazie dieses Elben verloren.

Sein Lächeln war weg und er drehte sich um und setzte sich wieder auf die Couch. Laut seufzend fing er meinen fragenden und perplexen Blick auf.

"Also ich werde es Euch auch sagen, wie all den anderen, die mein Vater geschickt hatte. I-C-H B-R-A-U-C-H-E K-E-I-N-E-N A-U-F-P-A-S-S-E-R! Zum hundertsten Mal. Und ehrlich gesagt, wie ein Kindermädchen seht Ihr gar nicht aus."

Er betrachtete mich eingehend und schaute an mir auf und ab. An seinem Blick konnte man erkennen, dass ihm sichtlich gefiel, was er sah.

Mit offenem Mund stand ich da und konnte es nicht fassen. Also das hier hatte ich nun überhaupt nicht erwartet. Ich hatte ein kleines Kind erwartet, aber nicht einen halbausgewachsenen Elben, der sogar schon versuchte mit Frauen zu flirten. Die Reife dafür hatte er aber ganz bestimmt noch nicht. Doch darauf konnte ich jetzt im Moment nicht eingehen.

"Äh. Ihr seid Prinz Legolas? A-aber ihr seid ein bisschen zu alt, damit man auf Euch aufpassen muss."

Er rollte die Augen. Sehr genervt. Wie schnell sich seine Stimmung ändern konnte, war erstaunlich. Und dabei kam es mir so vor, als wäre ich nicht die Erste die so überrascht tat.

"Wie schön, dass Euch das auch auffällt. Mein Vater will es so. Aber ich habe schon lange keine Bedarf mehr darauf. Also. Ihr könnt verschwinden. Auf Wiedersehen. Die Tür steht noch offen. Ich glaube ihr wisst wie man sie schließt."

Er winkte respektlos mit seiner Hand, während er wieder in sein Buch schaute.

Ich schaute ihn etwas beleidigt an. Wie konnte er nur so mit Leuten umgehen, die er überhaupt nicht kannte? Pff. Und vorher noch so höflich.

"Nun ich glaube, der König wollte kein Kindermädchen, sondern jemand der euch Manieren beibringt."

Ich wollte es aufhalten. Wirklich. Laut zu denken war immer schon einer meiner Schwächen. Schnell klappte ich meine Hand vor dem Mund, als Legolas schon wieder aufstand, etwas zornig, und mit dem Zeigefinger in die Höhe. Sehr kindisch.

"Wie könnt ihr es wagen? Ich bin der Prinz und ich habe die besten Manieren die man sich wünschen kann. Für Euer Kommentar könnte ich Euch in den Kerker schmeißen lassen."

O-K. Diesmal war es mir egal, was aus meinem Mund rausrutschen würde.

Dieser junge Elb war nicht nur aufgeblasen, arrogant und kindischer als ich es meistens war. Er dachte auch, nur weil er der Kronprinz war, konnte er andere behandeln, wie er wollte.

"Mein Prinz, ich glaube der König wollte eine Anstandsdame, die euch Benehmen beibringt und da ich hier keines sehe, fühle ich mich verpflichtet diejenige zu sein, die es Euch lehrt."

Selbstsicher stand ich nun vor ihm. Ich hatte gewählt. Ich werde sein "Kindermädchen" sein.

Und schon wieder standen wir vor dem König.

Nachdem ich ihm meine Entscheidung mitgeteilt hatte, war Legolas sauer aus dem Zimmer gestürmt. Da ich genau wusste wohin er ging, folgte ich ihm natürlich.

"Vater! Sie glaubt sie kann mich herumkommandieren und mir beibringen wie man sich benimmt. So eine Frechheit habe ich noch nie erlebt!"

Ich stand daneben, etwas nervös und sagte kein Wort.

Der König rieb etwas genervt seinen Nacken. Er sah für einen Elben etwas erschöpft aus. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, dass die laute Stimme seines Sohnes hier nun wirklich Fehl am Platz war.

"Mein Sohn. Ich bitte dich, sei einmal vernünftig. Heute hatte ich schon genug Probleme und ich brauche dieses Theater hier nicht. Wie ich sehe hat sie ein bisschen mehr Ausdauer gezeigt, als die anderen, sonst wärest du ja nicht hier."

Nun grinste er uns beide an. Und dann richtete sich sein Blick nur auf mich. In seinen Augen funkelte irgendetwas. Vielleicht so etwas wie Respekt.

"Lady Deliwiel. Ich bitte euch, seid nicht zu streng mit ihm." Er grinste noch mehr.

Ich konnte nur mit weitgeöffneten Augen nicken. Etwas überrascht über seine Reaktion.

Natürlich war Legolas mehr als andere als begeistert. Seine Augen funkelten mich böse an, als wollte er mich gleich aufspießen. Dann drehte er sich wieder zum Thron.

"Vater ich bitte dich, dass kannst du mir n..."

"Schluss jetzt. Geht. Kein Wort mehr. Legolas, Deliwiel ist eingestellt und damit ist unsere Diskussion beendet."

Legolas wollte nicht aufgeben und bettelte weiter, doch König Thranduil blieb hart. Am Ende stürmte Legolas sauer aus dem Raum und die Tür fiel unsanft zu.

Ich seufzte laut auf, verbeugte mich vor dem König und wollte ihm hinterher gehen, als ich noch die Stimme des Königs hörte.

"Seid hart. Ich will, dass er endlich lernt, wie er sich gegenüber anderen zu verhalten hat. Macht ihn zu einem Elben. Ich bitte Euch. Versucht es."

Ich verbeugte mich und verließ den Saal.

'Na das kann ja noch was werden. Valar steh mir bei'