Konfrontation und 1.Versuch

Kam es mir nur so vor, oder wurde ich wirklich immer langsamer, je näher ich Legolas' Zimmer kam?

Aber es hatte sowieso keinen Sinn, es herauszuzögern. Das war mir natürlich bewusst. Ich wusste nur noch immer nicht, wie ich mich verhalten sollte. Was genau sollte ich denn tun? Ich wusste es wirklich nicht.

'Er braucht einen Freund.'

Delyn hatte ja recht, aber ich konnte ja eine Freundschaft nicht erzwingen. Und besonders nicht, wenn ich die Person selbst unerträglich fand, obwohl ich sie nur seit einer kurzen Zeit kannte. War wohl Ironie des Schicksals.

Naja. Ich konnte es ja mal versuchen.

Der erste Schritt wäre wohl Reden. Und schon das war die größte Herausforderung überhaupt. Wenn er schon den Mund aufmachte, kriegte ich die Krise. Ich musste also von meiner Seite Geduld und Verständnis aufbringen. Immer freundlich sein, das war der Trick.

Und wenn man redet, lernt man sich kennen und...

Ich war so in Gedanken, ich merkte nicht einmal, dass ich stehen geblieben war und direkt vor seiner Tür stand.

Zögernd hob ich meine Hand um zu Klopfen. Doch sie wollte sich nicht bewegen.

'Mein Gott Deliwiel. Werd Erwachsen.'

Noch einmal atmete ich tief durch. Ich klopfte, vielleicht etwas zu leise, aber wir Elben hören es ja sowieso, und trat hinein.

Ich musste schon ziemlich lange am selben Fleck stehen, den meine Geduld war bald zuende.

Legolas las schon wieder sein Buch, schenkte mir einen genervten Blick als ich das Zimmer betrat und seitdem tat er so, als sei ich Luft. Da dachte ich mir, na gut. Wenn er mich auf die Probe stellen wollte, meinetwegen. Er würde verlieren.

Doch jetzt schien ich mir selbst nicht mehr so sicher darüber. Hinter meinem Rücken waren meine Arme verschränkt und meine Finger krallten sich in meine Handfläche.

'Ich bin geduldig, ich bin geduldig.'

Irgendwann musste er ja mit mir reden.

Doch mein Gefühl sagte mir, dass ich jetzt schon verloren hatte. Er saß einfach da und war wahrscheinlich so sehr auf sein blödes Buch konzentriert, dass er dachte, ich wäre eine Statue. Daran hatte ich keinen Zweifel...

"Wollt Ihr mich die ganze Zeit ignorieren?" Meine Stimme klang sehr gereizt.

Und schon hatte ich nachgegeben. Da sah man wie gut ich meine Gefühle unter Kontrolle hatte. Und ich sollte ein Elb sein. Pff.

Immer noch keine Reaktion.

Das war zuviel. Ich ertrug diese Stille nicht mehr.

Schnellen Schrittes näherte ich mich ihm. Ich nahm ihm sein dämliches Buch aus der Hand und schmiss es in die nächste Ecke. Und endlich bekam ich auch eine Reaktion.

"Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen? Wie könnt Ihr es wagen? Verschwindet endlich, ich kann Euch nicht ertragen."

Er stand gefährlich nah bei mir, funkelte mich böse an und zeigte zur Tür.

"Lasst mich raten: Dort ist die Tür?"

Eigentlich hatte ich nicht vor einen Streit anzufangen. Was war aus dem freundlich und geduldig sein, geworden? Aber er provozierte ja! Er war schuld.

Legolas seufzte und sah mich angespannt und noch immer sauer an. Er ging zu seinem Schreibtisch und setzte sich auf seinen Stuhl. Die Füße legte er auf den Tisch und lehnte sich bequem zurück. Sein Blick veränderte sich. Er sah mich so komisch an, schaute an mir auf und ab.

"Sagt. Wie alt seid Ihr? Ihr seht nicht viel älter aus, als ich."

Ich wusste genau worauf er hinauswollte. Aber ich ließ mich nicht irritieren.

'Versuch so freundlich und normal wie möglich zu antworten.'

Guter Tipp. Ein neuer Start.

"Nun ich bin 932 Jahre alt."

Der Prinz lachte kurz auf.

"Also nicht alt genug. 120 Jahre Unterschied und Ihr denkt, Ihr müsst mir Benehmen beibringen? Ihr hättet es dringender nötig."

Ich hatte es gewusst! Ich hatte es ganz genau gewusst, dass er darauf anspielen würde. Aber es ging ja nicht wirklich um sein Benehmen. Eher um sein unfreundliches und manchmal gespieltes Verhalten.

"Ich bin trotzdem älter und weiß wenigstens wie ich mit anderen rede. Nehmen wir das Beispiel von vorhin: Ihr wolltet mich aus den Zimmer scheuchen. Als hätte ich irgendetwas für Eure Probleme gekonnt. Der König würde sicher nicht jemanden schicken, wenn es keinen Grund dafür gäbe oder?"

Zufrieden mit der Wahl meiner Worte, wartete ich auf seine Antwort. Er zog nur die eine Augenbraue hoch, als hätte er nichts begriffen.

Es klopfte an der Tür.

Ein Dienstmädchen kam hereingeschritten.

"Euer Hoheit ich bringe die sauberen Handtücher." Sie blickte ihn schüchtern an und wartete auf seine Reaktion, doch als er sich nicht einmal die Mühe machte sie anzusehen, ging sie einfach in das Bad um die Handtücher dort hinzulegen.

Legolas war in Gedanken vertieft. Vielleicht hatten meine Worte etwas bewirkt und ich hatte ihm zum Nachdenken gebracht?

Die Dienstmagd war derweil wieder aus dem Bad gekommen, verbeugte sich und verschwand aus dem Zimmer, da sie wohl genau wusste, dass Legolas nichts zu ihr sagen würde.

"Prinz Legolas das hier war gerade ein gutes Beispiel."

"Hm wie bitte?"

Er schaute auf und wollte wissen, was ich da gerade gesagt hatte.

Ich seufzte. "Die Dienstmagd. Ihr habt sie nicht einmal angesehen, Euch nicht einmal bedankt. Wisst Ihr überhaupt ihren Namen?"

Er sah mich völlig entgeistert an, als hätte ich irgendeine neue Sprache verwendet.

"Wozu?" Er schüttelte verständnislos den Kopf.

Na und da hatten wir es. Er begriff ja überhaupt nichts. Ich war entsetzt, wie wenig er doch verstand.

"Wozu???? Na weil sie ein lebendes Wesen ist. Weil sie Gefühle hat und es ihr sicher unangenehm ist, wenn Ihr sie so ignoriert, als sei sie nichts wert. Sie macht Eure Betten, sie putzt Euer Zimmer. Ein bisschen Anerkennung und wenig Freundlichkeit wird Euch doch nicht umbringen." Ich klang etwas verzweifelt, weil ich das Gefühl hatte, er hörte mir nur mit halbem Ohr zu.

"Wenn Ihr meint." Er zuckte mit den Achseln und richtete seinen Blick wieder auf mich. Und ich sah ihn nur kopfschüttelnd an. Unmöglich.

"Wir gehen reiten."

HÄ? "W-..Was?" Ich sah ihn verwirrt an. Wie kam er jetzt auf das?

"Na wie schon gesagt. Ich will hier nicht im Zimmer herumsitzen und da Ihr jetzt an mich 'gebunden' seid, müsst Ihr Wohl oder Übel mit."

Etwas skeptisch sah ich ihn an. Hatte er wirklich akzeptiert, dass ich ihn die meiste Zeit begleiten würde ?

Hier stimmte irgendetwas nicht. Er konnte sich doch nicht so schnell ändern. Er hatte Hintergedanken.

'Deli, er versucht es und du verurteilst ihn schon wieder.'

Na vielleicht versuchte er es wirklich. Oder ich war einfach nur wirklich naiv.

"Na gut. Aber auch das hättet Ihr etwas freundlicher sagen können. Und vielleicht ein 'Bitte'. Das ist doch nicht zuviel verlangt oder?" Ich konnte mir das einfach nicht verkneifen. Ich hatte ja Recht. Er würde es sonst nie lernen.

Nickend sagte er: "Bitte reitet mit mir aus, Mylady?"

Es war nicht perfekt, denn man merkte, dass er es nicht wirklich ernst meinte, nur versuchte es hinter sich zu bringen, aber es war immerhin ein Anfang. Besser, als wenn er mich ganz ignorieren würde.

Er ging aus seinem Zimmer. Mit mir im Schlepptau. Ich schüttelte etwas enttäuscht den Kopf. Hieß es sonst nicht immer 'Lady's first'?