Lektion gelernt ?
"Prinz Legolas! Verdammt noch mal, bleibt endlich stehen, "schrie ich aus Leibeskräften.
Mich als Gesellschaft für den Prinzen auszuwählen, war der größte Fehler in diesem Jahrtausend gewesen. Delyn war dem Tode geweiht. Nichts mehr würde von ihm übrig bleiben, wenn ich mit ihm fertig war. Er mochte bestimmt gute Absichten damit gehabt haben, aber hatte er nur einmal daran gedacht, dass ich in Lebensgefahr geraten könnte???
Denn da befand ich mich nämlich gerade. Der Prinz ritt, als wäre er von einer Biene gestochen worden. Und ich? Ich versuchte nicht zurück zubleiben. Und die ganzen herumhängenden Äste und Zweige machten mir meinen Weg nicht angenehmer oder leichter.
'Autsch' Und der nächste Kratzer auf meiner Wange, hervorgerufen durch so einen dämlich, herumhängenden Ast.
Ich kochte richtig vor Wut, war in Rage. Er machte mich wahnsinnig. Was sollte das hier werden? Ein Wettstreit? Wer kann besser reiten, als ich? Oder wie verliert man am besten seine neue Gesellschaft, der man nicht mal eine Chance zu geben braucht? Warum hatte ich mir überhaupt Hoffnungen gemacht, er würde sich sofort ändern wollen? Wer war ich schon, dass ich das bewirken konnte. Wie naiv war ich überhaupt?
Verzweiflung machte sich langsam in mir breit. Ich konnte ihn nicht mehr sehen und die Hufen seines Pferdes waren auch nicht mehr zuhören. 'Er konnte doch unmöglich so weit geritten sein.'
Ich verlangsamte mein Tempo und wenige Augenblicke später befand ich mich vor einem kleinen See. Ich stoppte und stieg vom Pferd ab.
Was sollte ich jetzt bloß tun? Ich hatte den Prinzen verloren.
Aber das war nicht mein einziges Problem. Wo war ich hier???? Ich hatte mich so beeilt Legolas hinterher zu jagen, dass ich überhaupt keinen Schimmer hatte wohin ich überhaupt geritten war. Man könnte eigentlich meinen dass ich mich Düsterwald auskenne, aber dieser See hier, war mir überraschender Weise unbekannt.
Ich starrte schon eine Weile in das durchsichtigklares Wasser. Es wirkte beruhigend und meine Nerven erholten sich ein klein wenig von diesem ganzen Stress hier. Ich ging näher heran und zog meine Schuhe aus. Zwei Schritte und meine Knöchel waren von Wasser bedeckt. Etwas kalt für diese Jahreszeit.
Ich schloss meine Augen und atmete tief ein.
'Du kannst dir ja später überlegen, wie du nach Hause kommst.'
Ich war mir sicher, dass der Prinz gut allein nach Hause kam. Wahrscheinlich war er schon wieder daheim und amüsierte sich prächtig, dass er mich so schnell losgeworden war. Vielleicht versuchte er zu verdrängen, dass ich überhaupt existierte.
Bei den Valar. Es war so unfair. Ich konnte überhaupt nichts dafür....
Alles ging so schnell, dass ich überhaupt keine Möglichkeit hatte zu reagieren.
Bevor ich mich versah, wurde ich von irgendjemanden so heftig geschubst, dass ich natürlich stolperte und mit ganzen Körper im Wasser landete.
Nach einer Schocksekunde tauchte mein Kopf aus dem Wasser wieder auf und ich drehte mich blitzschnell um, um in das Gesicht des Prinzen zu schauen, der in schallendes Gelächter ausgebrochen war.
Ich stand schnell auf und umarmte meinen Oberkörper. Ich kochte vor Wut. DAS war es also!!! Ich konnte sein Pferd nicht mehr hören, da er wahrscheinlich gestoppt hatte und auf mich hier gewartete hatte.
"Wie schön, dass es euch so amüsiert, mein Prinz." Ich trat mit dem Fuß ins Wasser um den Prinzen wenigstens ein bisschen nass zu spritzen. Es war wahrscheinlich die Reaktion eines Kindes, aber das war mir im Moment total egal. Mir reichte es vollkommen, wenn er nur einen einzigen Tropfen auf der Hose hatte. Wahrscheinlich würde er total ausflippen.
Doch er wich schnell zurück und sprang auf sein Pferd. Sein Gesichtsausdruck wurde von amüsant wieder auf ernst umgeschaltet.
"Merkt es euch. Lasst mich in Ruhe. Von Euch werde ich mir nichts vorschreiben lassen. Geht heute noch zu meinem Vater und sagt ihm, Ihr kündigt oder was auch immer."
Damit drehte er sich um und wollte schon los, doch ich konnte noch schnell reagieren.
"Wartet!" Er drehte seinen Kopf noch mal zu mir und zog fragend die Augenbrauen hoch.
"Wie denkt Ihr, soll ich nach Hause kommen? Ich habe keine Ahnung wo ich hier bin. Wartet wenigstens auf mich." Ich bestand darauf. Das war er mir immerhin schuldig. Ich bin klatschnass und mir war schrecklich kalt. Ich zitterte am ganzen Leib.
"Wenn ihr bis morgen noch nicht im Palast seid, schick ich Euch einen Suchtrupp, der wird euch wohl finden."
Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Was war bloß los mit ihm? Warum bestrafte er mich so?
Wütend ging ich aus dem Wasser und schrie wie eine Furie auf ihn. Ich nahm den nächstgelegenen Stein vom Boden und wollte ihn auf den Prinzen schießen, aber er hatte sein Pferd schon in Bewegung gesetzt.
Doch er kam nicht weit....
"Bitte Prinz Legolas. Wacht auf. Ich fleh euch an. Bitte macht die Augen auf." Ich kniete mich zu seinem Körper hin und begutachtete seine Stirn. Er hatte eine kleine Schramme, doch es war nichts Schwerwiegendes.
Das hatte man davon, wenn man versuchte mich hier zurückzulassen. Der Arme war leider so in Eile, meinem Wurf auszuweichen, dass er blitzschnell losgeritten war und den Ast, welcher noch dazu in seiner Kopfhöhe war, vollkommen übersehen hatte und unsanft dagegen knallte. Schwups und er war vom Pferd schneller unten, als er hätte sagen können: 'Ihr findet schon nach Hause, Lady Deliwiel'.
Ich rüttelte ihn mehrmals, doch es half nichts. 'Na wunderbar. Jetzt hatte er auch noch eine Gehirnerschütterung'.
Der König würde mir den Kopf abhacken. Und es half wahrscheinlich gar nichts, wenn ich ihm sagen würde, dass sein Sohn mit dem ganzen Blödsinn begonnen hatte.
Ich musste irgendetwas tun. Ich stand auf, zerriss ein Stück Stoff von meinem Ärmel, ging zum See und tauchte es in das kalte Wasser ein. Ich ging zurück zu der Stelle wo er lag und legte den nassen Stoff auf seine Stirn. Und es zeigte tatsächlich Wirkung, denn er stöhnte auf einmal laut auf und fasste sich auf den Kopf.
"Was.."
"Ruhig. Ihr habt wahrscheinlich eine leichte Gehirnerschütterung. Bleibt noch kurz liegen."
Er versuchte angestrengt die Augen zu öffnen, doch es gelang ihm nicht so recht.
"Mein Kopf." Er war bemitleidenswert.
Ich will nicht sagen: 'Er hatte es nicht verdient'. Er hatte es verdient! Voll und Ganz. Da gab es keinen Zweifel. Erst hetzte er mich durch den Wald und dann schubste er mich noch in den See.
Doch es tat mir trotzdem Leid. So wie er da lag, sich vor Schmerzen den Kopf hielt und angestrengt die Augen zusammen kniff, war er einfach nur ein Häufchen Elend seiner Selbst. Es passte einfach nicht zu dem Prinzen, denn ich 'leider' kennen gelernt hatte.
"Es wird gleich wieder besser." Ich versuchte mit meiner etwas aufgewühlten Stimme ihn zu beruhigen. Dabei merkte ich nicht, dass ich immer mehr zu ihm nach vorne lehnte und langsam über seine Wange strich.
Bei der Berührung machte er sofort seine Augen auf und bereute es sofort wieder. Er kniff sie wieder zusammen und stöhnte auf.
"Schon gut. Bleibt einfach ruhig liegen," redete ich auf ihn ein. Überraschender Weise schienen meine Worte bei ihm Wirkung zu zeigen und sein Gesicht entspannte sich ein wenig.
Warum wollte ich überhaupt, dass es ihm besser ging? 'Er hatte seine Lektion bekommen.' Genau. Und ich war kein Stück besser, wenn ich ihn jetzt hier zurückließ. Nein. So war ich nicht.
Meine Hand war noch immer auf seiner Wange und das Gefühl seine weiche Haut zu berühren war gar nicht mal so unangenehm. Im Gegenteil. Ich war mir nicht wirklich bewusst was ich da tat. Ich wollte einfach nur, dass es ihm wieder besser ging. Glaubte ich zumindest.
Und zu meiner großen Verwirrung hob er seine Hand und berührte meine. Bei der Geste erwachte ich endlich aus meiner Trance und wollte sie schon wegziehen, doch er hielt sie fest.
"Bitte," flehte er und ich gab nach. Er war auf einmal so nett, so...sanft. Hätte ich das gewusst, dass man eine Gehirnerschütterung brauchte, damit er endlich zur Vernunft kam, hätte ich ihm einfach eine Vase auf den Kopf schlagen müssen.
Er schmiegte sich noch mehr in meine Hand und mein Herz begann stärker zu klopfen. Meine Wangen waren sicher gerötet. Was tat ich hier eigentlich? Was tat er eigentlich?
Nach einer langen Stille öffnete er endlich wieder seine Augen und sah in mein besorgtes Gesicht.
"Geht es wieder?" fragte ich mit großen Augen. Mein Herz raste noch immer.
Er nickte und bemerkte erst jetzt, dass er meine Hand ganz fest hielt. Er ließ sie sanft los. Ich bereute es schon, wollte das Gefühl seiner warmen Haut nicht verlieren, doch nahm ich meine Hand von seiner Wange um ihm aufzuhelfen.
Er stand etwas wackelig auf den Beinen, deswegen stützte ich ihn. Dabei versteifte er sich ein wenig. Wahrscheinlich wollte er keine Hilfe von einer Frau. Typisch.
"Mein Pferd ist weg," bemerkte Legolas und lächelte mich schwach an. Das war sein aller erstes ehrliches und sympathisches Lächeln, dass ich bis jetzt gesehen hatte und es gefiel mir.
Ich erwiderte es sofort. Hoffentlich war mein Gesicht nicht zu rot.
"Dann nehmen wir halt meines."
"Danke," sagte er. An seinen Augen erkannte, dass er es mehrfach meinte.
Mein Lächeln wurde breiter. "Gern geschehen."
Der Prinz schaute an mir herunter und sein Lächeln verging wieder.
"Ihr zittert." Er sah mich entschuldigend an. Er wusste, dass es seine Schuld war. Er befreite sich kurz von mir um seinen Umhang zu nehmen und ihn mir um die Schultern zu legen.
"D-d-anke, Prinz Legolas." Mehr kriegte ich nicht heraus. Das war so eine ganz andere Seite von ihm. Die Seite die ich erst aufdecken musste.
"Ich glaube Legolas reicht," sagte er und meine Augen strahlten vor Freude.
"Dann nennt mich auch Deli. Nicht Deliwiel. Nur Deli." Oh Valar. Ich redete immer zu schnell, wenn ich aufgeregt war.
Er nickte lächelnd und wir gingen zu meinem Pferd. Legolas brauchte eine Weile bis er hoch kam, doch als er dann oben war, war er nicht einfach davon geritten, wie ich es normaler Weise erwartet hätte. Nein. Er streckte mir seine Hand entgegen um mir auf das Pferd zu helfen. Ich nahm seine Hand bereitwillig und schon saß ich hinter ihm.
"Legolas. Bist du sicher, dass du reiten kannst in dem Zustand? Vielleicht sollte ich..."
Er schüttelte nur den Kopf. "Nein! Ist schon gut. Halte dich einfach nur fest."
Er war stur, wie ein Mann, doch ich wollte nicht schon wieder Streit mit ihm anfangen. Nicht wenn wir gerade versuchten miteinander auszukommen. Also schlang ich meine Arme um seine Taille und er ritt langsam los. Und dabei musste ich zugeben, dass es angenehm war sich an ihn zu lehnen und seinen Duft einzuatmen.
'Bei den Valar. Du bist nicht mehr bei Sinnen.'
Das musste es sein.
Musste ich nur ein wenig hilfsbereit sein, damit er mit endlich ein bisschen Vertrauen entgegen brachte?
