(von Yllen)
Disclaimer der Autorin:
Alles gehört J. K. Rowling. Wenn ihr mir Geld dafür senden wollt, darf ich es nicht annehmen. Wenn ihr euch an eine Figur nicht erinnern könnt, dann ist es meine Eigene.
A/N der Autorin:
Ich weiß nicht, ob ihr dieses Kapitel mögen werdet. Es war wirklich schwer zu schreiben. Ich konnte lange nicht die richtige Perspektive finde. Es wurde geschrieben unter dem Einfluss von vielen Dingen wie Schlafmangel, sehr schlechte Laune, einem sehr traurigen, aber guten Film, den ich im Fernsehen über eine Frau gesehen habe, deren Welt in wenigen Minuten auseinander fiel. ...
Kapitel 5/7: Nur eine Fußnote in der Statistik
Ich beobachtete Arthur, als er den Gerichtssaal betrat. Er ist noch dünner, seit damals, als seine einzige Tochter in der letzten Schlacht gestorben ist. Ironischerweise darf er glücklich genannt werden – er verlor nur drei von seinen Kindern, die Zwillinge, Charles und Percy sind noch am Leben.
Was ist aus uns geworden, dass wir sagen, „Nur drei Kinder"?
Der Phönixorden verlor viele seiner Mitglieder. Aber die Leute im Orden waren Erwachsene. Auf alles vorbereitet. Entschlossen, ihr Leben zu riskieren, um denen, die Schutz benötigten, eine Chance zu geben. Die Anschläge der Todesser haben vielen Kindern von Zauberern und Muggeln das Leben gekostet.
Meine ganze Familie ist tot. Meine Kinder starben bei dem Angriff auf Hogsmeade, nicht bei dem vor einem Jahr, sondern erst vor kurzem. Mein Ehemann starb in der letzten Schlacht. Ich habe keine Schwestern und Brüder, und meine Eltern starben im Ersten Krieg.
Wer nicht die Erfahrung gemacht hat, allein zu sein, kann das nicht verstehen.
Als meine Familie noch gelebt hat, war ich glücklich, doch dann wurden mir alle grausam genommen. Dieser Schmerz ist unheilbar.
Manchmal überlege ich, ob ich mich selbst töten soll. Ihnen dorthin folgen, wo immer sie sind, wenn sie irgendwo sind. Aber dann nehme ich die Schachtel mit den Photos von ihnen, und ich sehe sie mir an, eines nach dem anderen.
Auf diesen Photos lächeln sie und winken mir zu. Manchmal umarmt mich mein Ehemann – jener auf dem Photo, natürlich – oder küsst mich. Nachher nehme ich meinen Schlaftrank, oder ich gehe gar nicht schlafen.
Sie sind dort für immer gefangen. Und ich darf sie beobachten, und zwischen den Tränen lächeln. Ich lebe von den flüchtigen Anblicken dessen, was einmal mein war. Ich beneide sogar mein früheres Selbst um diese Zeiten, nicht nur dafür, dass ich sie gehabt habe, sondern auch für das Nichtwissen. Für meine glückliche Sorglosigkeit.
Es gibt einen Grund dafür, dass ich mir nicht die Handgelenke aufschneide oder mich aufhänge. Oder eine Überdosis von meinem eigenen Schlaftrank einnehme.
Es ist, weil ich nicht weiß, ob es ein Danach geben wird.
Und ich muss sie masochistisch anschauen und mich erinnern. Erinnern, erinnern, erinnern. Ich finde einigen Sinn in der alten ägyptischen Idee, dass Menschen so lange leben, wie man sich an sie erinnert. Deshalb erinnere ich mich mit meiner ganzen Kraft. An die Art, wie sie sich bewegten. Ihr erstes Lächeln. Den Schlag ihrer Herzen. Was sie gerne aßen und was sie nicht mochten. Die Kleider, die sie trugen. Wie sie in ihrem Schlaf aussahen. Wie sie wuchsen und wie glücklich sie waren, als sie ihre Briefe aus Hogwarts bekamen. Die Aufregung, die ich fühlte, als ich auf ihre Briefe wartete, die erzählten, in welchem Haus sie waren, auf die Beschreibung der Lehrer, der Mitschüler, ihrer ersten Liebe... Die Art, wie sie sagten „o. k."oder „ja, Mum, regt dich nicht auf"und...
Und es gibt noch eine andere Sache, die mich am Fortgehen hindert.
Ich komme jeden Tag hierher. Ich beobachte jede Verhandlung. Ich sehe Todesser, die Leute, die meine Familie getötet haben, wenn sie nicht länger ihre Masken aufhaben. Nicht nur die geisterhaft weißen, die ihre Gesichter verdeckten. Auch die, die ihre Seelen versteckten.
Ich sehe sie, wenn das Selbstvertrauen nicht mehr in ihren Augen ist. Sie blicken nicht mehr überlegen drein. Nun ist es an ihnen, Schmerz ertragen, zu leiden, Angst zu haben. Ich sehe sie nicht mehr höhnisch grinsen. Ich sehe sie schreien, weinen, ohne Wirkung fluchen. Ich sehe, wie die ganze Hoffnung auf ihren Gesichtern zerrinnt, ich sehe, wie ihre Augen jedes Licht verlieren.
Wenn ich das sehe, wenn ich den Hass fühle, den die Menge ihnen hier zeigt, wenn ich ihre Gefühle spüre, wenn diese Monster schließlich gebrochen werden, weinen die Kinder in meinem Kopf ein bisschen weniger laut.
Vielleicht denkt ihr, dass ich wahnsinnig bin? Nein, das bin ich nicht. Wahnsinn wäre ein Segen für mich. Doch ich bin mir vollkommen dieser Welt bewusst.
Ich habe einen Schleier vor die Spiegel in meiner Wohnung gehängt. Nicht länger mein Heim. Nur mehr ein Platz zum Schlafen.
Das Tor öffnet sich, und ich warte ungeduldig, während sie den Gefangenen hineinbringen. Ich bemerke, dass ich meine Nägel tief in die Haut meiner Handflächen gegraben habe. Ein kleiner Bluttropfen zeigt sich, und ich lecke ihn ab. Er schmeckt süß. Ich habe neuerdings begonnen, mich an den Blutgeschmack zu gewöhnen, als ich entdeckte, wie wirksam körperlicher Schmerz ist, wenn du die wirklichen Leiden wegwischen willst.
Aber es gibt eine Sache, die ist sogar noch wirksamer. Und das ist es, weshalb ich hier bin.
Zum ersten Mal kam ich hierher nach einer der vielen Beerdigungen. Eine meiner Freundinnen hatte mich gefragt, ob ich sie begleiten könnte. Es war die Verhandlung eines der Todesser, die ihren Ehemann ermordet hatten, und sie wollte nicht allein sein. So kam ich hierher.
Ich spürte solch einen Schub von Adrenalin, solch ein Glücksgefühl in meinen Venen. Und erst das Gefühl, als er zum Tode verurteilt wurde... bei dem Aufschrei, den er gab... Oh, er war nicht einer von den Fanatikern. Er war Sein Anhänger, eben für Geld, und vielleicht noch mehr aus Spaß.
Rache ist wirklich süß. Genau wie Blut.
Und wie Blut, schmeckt sie später bitter.
Ich habe mein eigenes Verhängnis getrunken.
Jedes Mal, wenn ich hierher komme, sage ich mir, dass es das letzte Mal ist. Ich glaube für einen Moment, dass die Kinderschreie in meinem Kopf für immer verstummen werden. Aber später wache ich mitten in der Nacht auf, und ich schreie, schreie mir die Lungen aus dem Leib, weil sie nicht hier sind, wo ich bin. – Weil ich überlebt habe und sie nicht. Daher lege ich am Morgen meine schwarzen Kleider an und gehe wieder nach Askaban – ich habe noch brauchbare Verbindungen –, um mein Verlangen nach den Schmerzen anderer zu stillen, um endgültig sicher zu machen, dass sie leiden werden für das, was sie taten. Die Mörder meiner Kinder.
Ich würde mit Vergnügen auf ihren Gräbern tanzen. Ich fühle Freude, wenn sie schreien, wenn sie weinen, wenn sie sich im Schmerz winden. Ich fühle mich so gut, wie sie sich schlecht fühlen. Wenn sie die Hoffnung verlieren, sehe ich Licht.
Ich blicke auf den Gefangenen. Er ist dunkelhaarig, bleich, dünn. Ich konzentriere mich nicht auf seine Gesichtszüge, stattdessen versuche ich aus seinen Bewegungen zu lesen, was er fühlt. Du kannst deine Stimme und dein Gesicht ausdruckslos machen, aber die Art, wie du dich bewegst, verrät dich immer. Doch es gibt wenige, die dies wirklich lesen können.
Er ist apathisch. Macht nichts. Sie brechen sowieso immer zusammen.
Ich schließe vollständig meine Augen und höre den Stimmen zu. Da ist ein Gemurmel von Leuten, die ihn unter Beobachtung halten, und die klare Stimme von Arthur, die scharfe Stimme des Anklagevertreters, wechselnde Stimmen der Zeugen. Es wird in meinem Kopf zusammengemischt wie Musik. Keine Worte, ich sauge nur im wahrsten Sinne des Wortes die Gefühle auf. Wie ein Dementor.
Es macht süchtig – ich habe nicht länger die Kraft meine eigenen Gefühle auszudrücken, außer in diesen Morgenstunden. Ich betäube mich selbst mit einer Substanz, die langsam tötet – Hass und Schmerz.
Zusammen mit der Rache trinke ich mein eigenes Verhängnis.
Es kümmert mich nicht wirklich. Ich hole tief Atem, und mit ihm fülle ich meine Lungen mit dem Duft, den viele gesichtslose Gefangene an diesen Ort hinterlassen haben. Der Duft der Angst.
Arthur steht auf, um das Urteil zu verkünden. Die Luft ist voller Spannung. Ich glaube, die einzige Person, die es nicht kümmert, ist der Gefangene, und das enttäuscht mich.
Aber heute sind hier noch drei andere Verhandlungen. Ich werde nicht hungrig bleiben, da bin ich mir sicher.
Und vielleicht, vielleicht werden meine Kinder heute nicht in meinen Träumen weinen. Es gibt keine Chance. Aber es gibt die unvernünftige Hoffnung.
Weil, wenn sie nicht aufhören, was werde ich an dem Tag tun, wenn es keine Verhandlungen mehr gibt? Wenn ich sogar diesen kurzzeitigen Trost verlieren werde? Wenn sie niemals mehr aufhören, nicht einmal für eine Minute?
Ich warte nicht auf das Urteil. Ich verlasse den Raum, und die Leute drehen sich um, um mich anzustarren.
Ich verfluche die Welt. Ich verfluche ihn. Ich verfluche mich.
Gott. Wo immer DU bist, wer immer DU bist... Mach doch, dass meine Kinder zu weinen aufhören.
T.B:C:
Für die, die es wissen wollen:
„Ich würde mit Vergnügen auf ihren Gräbern tanzen."
Die Idee vom Tanz auf den Gräbern der Feinde/innen ist als literarisches und folkloristisches Motiv weit verbreitet. Als direkte Inspiration für ihre Fanfic führt Yllen eine Romanfigur des polnischen Schriftstellers Andrzej Sapkowski an: den Herrscher und Krieger Emhyr, der den ehrenden Beinamen „Weiße Flamme, die auf den Gräbern ihrer Feinde tanzt"führt.
Andrzej Sapkowski gilt als der beliebteste polnische Fantasy-Autor. Bücher von ihm wurden in auch in andere Sprachen (Russisch, Tschechisch, Spanisch) übersetzt und verfilmt.
„..., wo immer sie sind, wenn sie irgendwo sind."
Zitat, das leicht verändert wurde und auf Jan Kochanowski (1530 – 1584) zurückgeht. Kochanowski, wohl der bekannteste polnische Schriftsteller der Renaissance, verwendet es in seinen „Klageliedern" (polnisch: „Treny", englisch: Trenodies"), einer Versdichtung, die 1580 erschienen ist und sich an seine tote kleine Tochter richtet.
Ad. Reviews:
Hi Linadell – freut mich, dass Dir Yllens Fanfic gefällt. Es freut mich auch, dass Du die Übersetzung für gelungen hältst.
