Was opferst du für dein Leben?
(früher: Unsinn macht Sinn, wenn er sinnvoll ist)

So, bitte sehr, dass ist die Fortsetzung zu ‚Klischee lässt grüßen, oder doch nicht?'. Diese sollte zuerst gelesen werden. Hoffe sie gefällt euch so gut, wie der Vorgänger.

Disclaimer (gilt für dieses und alle folgenden Kapitel):
Mir gehört so gut wie nichts (ausgenommen der Idee, Candice McDouglas, Emily Reynolds, Sara Potter und ein paar anderer), sondern alles JKR. Ich verdiene kein Geld mit dieser Story

Summary:
Sequel zu ‚Klischee lässt grüßen'. Vier Jahre nach Hogwarts und ihrer Trennung, treffen Lily und James sich wieder. Lily ist nicht mehr die Alte, aber wider besseren Wissens, lässt sie sich auf James ein. Doch sie verbirgt ein dunkles Geheimnis.

Verschenke mein Leben!

Lily Evans fluchte leise. Noch etwas, was sie an England hasste: Das Wetter! Es regnete die sprichwörtlichen Bindfäden. Unablässig, schon den ganzen Tag. Normalerweise störte Lily sich nicht an Regen. Sie empfand es als angenehm, über menschenleere Straßen zu laufen und die kalten Tropfen auf ihrer Haut zu spüren. Das änderte sich eigentlich nur dann, wenn ein Gewitter heraufzog. Denn Gewitter waren ihr ein Gräuel. Aber im Moment hätte Lily wohl an allem etwas Schlechtes gefunden. Ihre Laune war denkbar übel. Nun ja, eigentlich war sie jenseits von übel, sie war… mordlustig.

Heute hasste Lily ihr Leben. Und alle Menschen darin. Und sich selbst. Nun, eigentlich hasste sie es nicht nur heute, sie hasste es schon seit einiger Zeit. Seit dem Tag, an dem ihr schönes Leben zusammengebrochen war – oder der Schein des schönen Lebens, wie auch immer man es sehen mochte. Und das war an dem Tag passiert, als sie eine Eule von Dumbledore bekommen hatte. Von Albus Percival Wulfried Brian Dumbledore, Schulleiter von Hogwarts. Auf Hogwarts war auch Lily gewesen, sieben Jahre lang. Und seit dem hatte sie nichts von Dumbledore gehört. War ja auch recht schwierig gewesen. Wie hätte er sie erreichen können?

Lily hatte sich vor vier Jahren, direkt nach ihrem Abschluss, nach Frankreich abgesetzt, nach Paris, um ehrlich zu sein. Sie war in der Anonymität der Millionenstadt untergetaucht, da sie wirklich einfach so verschwunden war, ohne sich zu verabschieden. Einzig ihre Eltern wussten, dass sie in Frankreich war und ihr genauer Aufenthaltsort war noch nicht einmal denen bekannt. Lily war sich sicher, dass ihre Freunde sie vermisst und gesucht hatten, aber es war besser so gewesen. Sehr viel besser. Sie hätte nicht so tun können, als ob… nein, nicht dran denken.

Damals war Lily mehr als dankbar über die halbfranzösische Abstammung ihrer Mutter gewesen, denn das hatte ihr das Leben in Paris ziemlich erleichtert. Nicht nur, dass sie von klein auf fließend Französisch sprach, einige ihrer entfernten Verwandten hatten sie auch bei sich aufgenommen und ihr geholfen, eine Wohnung zu finden. Einen Job hätte ihr ihre Tante Hélène auch vermitteln können, aber das kam nicht in Frage. Immerhin war Lily eine Hexe und hätte sich in einem Muggeljob (alle ihre französischen Verwandten (und die englischen) waren Muggel und hatten von Zauberei keine Ahnung) zu Tode gelangweilt. Stattdessen hatte sie sich in Paris zu einer Aurorin ausbilden lassen und seit einem Jahr arbeitete sie im französischen Zaubereiministerium. Mit ihrem Freund Sébastien lief alles weitgehend harmonisch, bald stand ihr Zweijähriges an, und über Mangel an Freunden, Geld oder sonst etwas, konnte Lily nicht klagen. Alles in allem ein perfektes Leben… oder fast perfekt.

Ja, und was machte sie jetzt wieder in England? In dem Land, aus dem sie vor vier Jahren Hals über Kopf verschwunden war, nur um ja niemandem von ihren Freunden je wieder in die Augen blicken zu müssen… und ganz besonders nicht IHM. James Potter. Der Mann, an den sie am wenigsten denken wollte – und an den sie am meisten dachte, selbst jetzt noch, nach vier Jahren. Der Mann, gegen den Sébastien immer ankämpfen musste, obwohl er ihn noch nicht einmal richtig kannte, und gegen den er niemals gewinnen würde. Der Mann, der für Lily einmal die Welt bedeutet hatte. Der Mann, für dessen Sicherheit sie alles auf sich nehmen würde – und es getan hatte. Der Mann, wegen dem Lily damals gegangen war. Der Mann, den sie mehr geliebt hatte, als sonst irgendetwas. Der Mann, dem sie das Herz gebrochen hatte. Und er wusste noch nicht einmal wieso. Aber er würde es nie erfahren.

Lily kickte einen Stein vor sich her und sah zu, wie er in eine der zahlreichen Pfützen fiel. Kleine Kreise zogen sich durch das Wasser, langsam größer werdend. Ihr Spiegelbild wirkte seltsam grau und verzerrt in diesem natürlichen Spiegel. Aber Lily brauchte ihn ohnehin nicht. Sie kannte ihr Gesicht, kannte es fast besser als seins. Aber nur fast. Das Wasser beruhigte sich wieder und sie sah ihr Spiegelbild nun klarer. Lange, dunkelrote Haare, jetzt schludrig zusammengebunden und klatschnass. Funkelnde, smaragdgrüne Augen, jetzt von einem grauen Schleier überzogen. Helle, weiche Haut, an der die Wassertropfen abperlten. Das Gesicht ebenmäßig, schön geschnitten mit aristokratischen Zügen. Liliana Tiara Evans. Der einzige Mensch, auf den sie vertrauen konnte.

Früher hatten sie sie als ‚hübsch' bezeichnet, jetzt sagten sie ‚schön'. Früher hatten sie sie für ‚klug' gehalten, jetzt nannten sie sie ‚intelligent'. Früher war sie ‚nett' gewesen, jetzt war sie ‚charmant'. Früher ging sie noch als ‚Mädchen' durch, jetzt musste sie eine ‚Frau' sein. Früher war sie siebzehn gewesen, jetzt war sie einundzwanzig. ‚Früher' war die beste Zeit ihres Lebens gewesen, ‚jetzt' war nur ein Schatten davon. Aber was machte das schon noch? Sie war nun mal, wie sie war. Eine brilliante Aurorin, eine hochintelligente Strategin, eine schöne Frau, eine loyale Freundin, eine leidenschaftliche Geliebte und… eine kaltherzige Schlampe.

Sébastien. Er war wahrscheinlich das Beste, was ihr hätte passieren können. Groß, durchtrainiert, dunkelhaarig und grauäugig. Genau ihr Typ, eigentlich. Basti liebte sie, las ihr jeden Wunsch von den Augen ab und tat praktisch alles, was sie wollte. Er verehrte sie, nannte sie manchmal ‚seine Göttin'. Und bei alle dem, wusste Lily, dass er sie nie halten könnte. Wenn sie je gehen würde, würde es ihr nichts ausmachen, Basti zu zerstören. Sie hatte schon zu viele Männerherzen gebrochen, nur um ihren eigenen Seelenfriede zu bekommen. Etwas, was ihr nie gelungen war und nie gelingen würde.

In Hogwarts war Lily die ‚ewige Jungfrau' gewesen, die ‚Unberührbare' (zumindest bis zu ihrem sechsten Jahr). Sie hatte ihre Freunde allzu sorgfältig ausgewählt. Jetzt war sie weit weniger wählerisch. Es hatte viele Männer gegeben, vor Basti, währenddessen und es würde sie auch danach geben. Ein One-Night-Stand hier, eine Affäre da. Und sie ging doch jedes Mal zu Sébastien zurück. Auch wenn er ihr nichts bedeutete. Wie die anderen. Er war nichts, nur Sicherheit. Er war der, der sie auffing, wenn sie fiel und von dem sie wusste, dass er sie nie würde stürzen lassen. Sie vertraute ihm, auch wenn er gut daran tat, dasselbe bei ihr nicht zu tun. Sie würde Basti nicht fangen, nicht halten, eher würde sie ihn zu Fall bringen. Und diese Erkenntnis tat nicht so weh, wie sie sollte. Ehrlich gesagt war sie Lily sogar egal.

Sie hatte geliebt, oh ja, aber die Liebe war es gewesen, die sie von ihm weggetrieben hatte. Liebe war etwas allzu Trügerisches. Liebe gefährlich, sie endete nur in Kummer und Schmerz. Und aus dem Grund, hatte Lily beschlossen, dass sie nie wieder jemanden lieben würde. Ihr Leben in England hatte sie für beendet erklärt. Hatte nur zu Weihnachten und zu den Geburtstagen eine Eule mit einem Geschenk an ihre Eltern geschickt und ansonsten keinen Kontakt aufgenommen. Hatte sogar den mit ihren pariser Verwandten abgebrochen. Und doch war sie wieder hier. In England, in London. Weil Dumbledore sie gerufen hatte. Weil sie ihre Hilfe brauchten, auf sie angewiesen waren und auf Knien vor ihr rutschten.

Dumbledore hatte ihr geeult. Sie müsse zurückkommen, hatte er geschrieben. Voldemort und die Todesser würden immer mehr Macht bekommen. Und niemand könnte sie aufhalten, außer Lily. Voldemorts… Nein! Das war sie nicht und das würde sie auch nie sein. Sie war nach England gekommen um mit Dumbledore zu reden. Nahezu angefleht hatte er sie, zu bleiben. Sie sollte für den Orden arbeiten. Den ‚Orden des Phoenix'. Das hatte sie gewusst, die Frage war viel eher, ob sie wollte. Nun ja, nein, eigentlich nicht. England tat ihre Seelenheil nicht gut und das miserable Wetter hier war nur ein kleiner Teil des Mosaiks. Ein sehr kleiner und sehr, sehr unbeutender.

Wieso sie geblieben war? Nun, Lily wusste es selbst nicht. Sie lebte in einem kleinen, schmuddeligen Apartment in der Nokturngasse. Sie arbeitete im ‚Zarada', einem sehr populären Szeneclub der Zaubererwelt, als Barkeeperin. Sie sehnte sich nach ihrem großen, hellen Penthouse in Paris und nach ihrem interessanten Job in der Aurorenzentrale. Sie vermisste ihre Freunde in Frankreich und Basti wollte auch wissen, wann sie wieder nach Hause zu ihm kam. Sie blieb trotzdem. Vielleicht war er der Grund. Er war lieb, nett, aber er konnte ihr ganz schön die Luft abschnüren. Lily wollte fliegen, frei sein, aber das verstand Basti nicht. Er fühlte sich nur vernachlässigt. Aber andererseits… er war immer sehr verständnisvoll und freundlich zu ihr. Er schluckte alles. Beschimpfungen, Seitensprünge, Ohrfeigen. Er war das, was Lily brauchte. Und das, was sie nicht wollte. Nur das sie das, was sie wollte nicht haben konnte. Sie wusste ja noch nicht einmal, was es war.

Sie arbeitet jetzt tatsächlich für Dumbledore, allerdings unbezahlt und undercover. Niemand wusste, dass sie wieder im Land war und wenn es nach Lily ging würde es auch niemand erfahren. Sie war Dumbledores ‚geheimnisvoller Informant', wie Sirius Black es beim letzten Treffen des Ordens gesagt hatte. Sie beschaffte Dumbledore Informationen, arbeitete Strategien aus und wohnte jeden Treffen bei. Allerdings unsicht- und vor allem unhörbar für die anderen Ordensmitglieder. Niemand wusste, wer sie war, auch wenn sie es alle wissen wollten. Und Lily selbst starb während den Treffen tausend und abertausend Tode. Denn sie sah alle wieder. Alle die, die sie nie mehr hatte sehen wollen. Ihre Freunde.

Sirius Beteigeuze Black, ihr wohl bester Freund. Der charmante Draufgänger, der sie immer zum lachen brachte. Remus John Lupin, ganz knapp ihr zweitbester Freund. Der einfühlsame Bruderersatz, dem man jedes Geheimnis anvertrauen konnte. Peter Pettigrew, ein anderer Freund. Der freundliche Mitläufer, der immer zur Stelle war, wenn man irgendwas brauchte. Andromeda Elisabeth Black, ihre allerbeste Freundin. Die gerissene Seelenverwandte, die Lily immer am besten verstand. Candice Lara McDouglas, ebenfalls eine beste Freundin. Die verständnisvolle Brave, die intelligenter war, als irgendwer sonst. Emily Reynolds, noch eine beste Freundin. Die sexy Verführerin, die für ihre Freundinnen aber immer da gewesen war. Bertha Angelika Huber, ihre ‚kürzeste' Hogwarts-Freundin. Die süße Stille, die immer alles im Voraus zu ahnen schien. Sara Mary Potter, ihre letzte beste Freundin. Die theatralische Träumerin, auf die im Notfall allerdings immer Verlass war. Und James Spencer Potter, der Mann, den Lily geliebt hatte. Aber das war Vergangenheit. Endgültig!