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Gegen Mittag wurde Lucas nun also mit einem Shuttle ans Festland gebracht. Alle Hoffnungen Bridgers schienen wie ausgelöscht. Er wusste nicht warum, doch eine kalte, schaurige Leere begann sein Innerstes auszufüllen.
In der Zelle der seaQuest saßen seit dem frühen Morgen zwei makronesische Jägerpiloten in Haft. Sie gehörten mit zu der Flotte, die wenige Tage zuvor das Boot in UEO Gewässern angegriffen hatte und bei dem der Ensign stark verletzt wurde. Durch den Alarm, den Captain Hudson gegeben hatte, war sein Gespräch mit Lucas auf der anderen Ebene abrupt beendet worden. Er war kurz davor gewesen das Computergenie zu überzeugen. Nathan war sich sicher, es hatte nicht mehr viel gefehlt und dann kam dieser Alarm. Dann mussten diese beiden Jägerpiloten auch unbedingt dazwischen funken!
Während der Fahrt saß er die ganze Zeit neben dem Bett und hielt die bewegungslose Hand. Seine Gedanken waren verstummt. Er wusste nun, was er zu tun hatte und er würde sich dazu Hilfe holen. Noch war er sich seiner Sache nicht absolut sicher, aber er konnte Lucas nicht allein lassen, das ging nicht. Wenn er schon nicht in dieser anderen Welt bei ihm sein konnte, dann wenigstens hier auf ihn achten, bis er sich dazu entschloss zurück zu kehren.
Bridger hoffte darauf, die kommende Nacht wieder dort zu sein, aber etwas sagte ihm, das dem nicht so sein würde. Darwin war auf der seaQuest, ohne ihn würde er nicht zu dieser Welt durchdringen können.
Am Dock wartete bereits ein Krankenwagen auf den Patienten, um ihn in das Hospital zu bringen, wo man bereits ein Zimmer hergerichtet hatte. Bis der Wissenschaftler in dieses jedoch gebracht wurde, untersuchten ihn die Ärzte gründlich. Hier standen ihnen weitaus bessere Möglichkeiten zur Verfügung als den Medizinern auf der seaQuest. Der Captain wartete stumm auf dem Gang nahe der Anmeldung. Aus einem Automaten hatte er sich einen Plastikbecher mit Kaffee geholt, der jedoch in seiner Hand kalt wurde ohne auch nur einen Schluck davon getrunken zu haben.
Dieser Untersuchungen dauerten bereits schon zu lange, als dann endlich die Flügeltüren des Untersuchungsraumes aufgingen, sprang er auf und ließ den erkalteten Kaffee auf dem kleinen Beistelltisch stehen. Die braune Lederjacke unter dem Arm, eilte er den Leuten entgegen. Zwei Pfleger schoben das Bett zu den Aufzügen.
"Wie ist die Diagnose?" Eigentlich eine selten dämliche Frage, da er die Antwort selbst bereits kannte.
"Es sieht gut aus. Die Wunden scheinen alle gut zu verheilen und auch die Knochenbrüche sollten keine weiteren Probleme mehr machen. Die CT-Aufnahmen sind auch in Ordnung. Keinerlei synaptische Verletzungen auf den Anzeigen zu erkennen gewesen. Wir müssen abwarten. Manchmal kommt es vor, dass sich Patienten nach einem schweren Schock in ein Koma zurück ziehen. Es ist eine unterbewusste Schutzreaktion des Körpers auf plötzlich eintretenden Schmerz.", sagte der zuständige Arzt, während sie gemeinsam mit den Pflegern auf einen der Aufzüge zu gingen. Er war noch sehr jung. Sein Abschluss von der Universität konnte noch nicht allzu lange zurück liegen.
"Können sie sagen, ob er wieder aufwachen wird?"
Der Arzt mit dem kurzen, leicht gelockten Haar, schüttelte den Kopf. "Das kann ich leider nicht. Es ist von Patient zu Patient unterschiedlich. Ich kann ihnen leider auch die Wahrheit nicht verheimlichen, dass es Leute gibt, die gar nicht mehr erwachen." Er nahm die Brille von der Nase und begann die Gläser an seinem Umhang zu putzen, ehe er sie wieder aufsetzte.
Ja, davon hatte Bridger bereits gehört. Hoffnungslose Komafälle, die in Spezialkliniken vor sich hin vegetierten. "Gibt es eine Möglichkeit jemanden aufzuwecken?"
Die Türen zum Aufzug öffneten sich und sie alle traten in die geräumige Kabine. Einer der Pfleger betätigte den Schalter für den vierten Stock.
Der Arzt lächelte verhalten. "Leider nein. Ich wünschte es gäbe ein Patentrezept hierfür, aber es geht nicht. Wie ich hörte, gehören sie nicht zu der Familie des jungen Mannes."
Nathan nickte. Wollte ihm dieser Mann jetzt etwa Probleme machen?
"Sie sollten sie über seinen Zustand informieren. Wir brauchen noch einige Unterschriften auf Formularen, die nur die Verwandten befähigt sind auszufüllen. Was wir von der UEO bekommen haben, reicht da nicht."
"Natürlich, ich werde versuchen mich mit ihnen in Verbindung zu setzen."
Sie kamen im vierten Stock an. Lucas' Zimmer war gleich das vierte im rechten Gang neben den Aufzügen. Sobald die Pfleger fertig waren und auch der Arzt sich versichert hatte, nichts mehr tun zu können, bis zur nächsten Visite, ließ er den Captain allein.
Er strich seinem Freund liebevoll über die Stirn. Neben seinem Bett war ein Apparat, der dessen Lebensfunktionen aufzeichnete. Ein regelmäßiges Piepsen wiederholte den gleichmäßigen Herzschlag.
Etliche Zeit strich dahin, in der er sich kaum bewegte. Erst als ab seiner Hüfte hinab alles taub zu werden drohte, stand er auf. Draußen begann es bereits zu dämmern und eine Schwester bat ihn bereits vor einer Stunde langsam zu gehen, da die Besuchszeit längst vorbei war. Sie hatte jedoch eine Ausnahme gemacht, da er der ehemalige Captain der seaQuest war. Normalerweise tat man das nur bei Familienmitgliedern.
Nun fiel ihm ein, dass da ja noch was war. Er musste Lucas' Mutter anrufen und sie bitten, einige der Formulare zu unterschreiben, bis er jedoch bis zu dieser Frage kam, musste er sie erst noch über den Zustand ihres Sohnes informieren. Würde sie sich ihm offen zeigen oder eher zugeknöpft, wie Lucas ihm mal erzählt hatte. Angeblich war er für sie weiterhin tot.
Anscheinend konnte er hier wirklich nicht mehr viel tun. Ein letztes Mal strich er dem jungen Mann über die Stirn und verabschiedete sich mit dem Versprechen, am nächsten Tag, so früh es ging zurück zu kommen.
Gleich neben dem Hospital war ein Hotel in das er sich für diese und die kommende Nacht einquartierte, bis er genau wusste, was er als nächstes tun wollte. Bevor er über das Internex-System nach Lucas' Mutter suchte, rief er seine Leute an. Sie sollten erfahren, dass sie für eine Weile ohne ihn weiter machen mussten und ihn, sobald man etwas von Robert fand, in diesem Hotel für die nächsten zwei Tage erreichen würde. Dann kam die schwierigere Aufgabe.
Durch seine Gespräche mit dem Ensign wusste er über die Namensänderung dessen Mutter Bescheid. Sobald er "Cynthia Holt" eingab, wurden ihm entsprechende Eintragungen aufgelistet. Er suchte die richtige raus und wählte. Nach dem zweiten Signalton erschien eine Frau Mitte fünfzig auf dem Bildschirm. Trotz ihres Alters war sie noch sehr hübsch und ihr Gesicht wurde kaum von Falten verunziert. Sie hatte kinnlanges, leicht gewelltes, braunes Haar. Ihre Augen waren die selben wie sie ihr Sohn hatte.
"Ja bitte?"
"Guten Abend. Bitte entschuldigen sie die späte Störung. Mein Name ist Nathan Bridger."
Der Ausdruck der Frau änderte sich. Es schien als würde nicht mehr viel fehlen sie das Gespräch beenden zu lassen. "Ja, ich kenne sie."
"Dann können sie sich bestimmt auch vorstellen warum ich anrufe."
Ein kaum merkliches Nicken.
Er rieb die Hände aneinander, um seine Nervosität zu verbergen. "Es hat auf der seaQuest einen Unfall gegeben, bei dem Lucas nicht unerheblich verletzt wurde."
Cynthia Holt machte einen erschreckten und auch besorgten Eindruck, als er dies sagte. "Geht es ihm wieder besser?", fragte sie mit leiser Stimme.
"Den Umständen entsprechend. Laut den Ärzten wird er wieder ganz gesund werden, es gibt nur leider ein Problem und das ein wenig komplizierter ist. Seit dem Unfall liegt Lucas im Koma und wurde jetzt von der seaQuest in ein UEO Krankenhaus gebracht."
"Ich verstehe."
"Die Leute im Krankenhaus brauche einige Unterschriften von den nächsten Verwandten. Ich wollte sie bitten, her zu kommen, um das zu erledigen und vielleicht auch Lucas zu besuchen."
Sie überlegte eine Weile bevor sie antwortete. "Tut mir leid sie da enttäuschen zu müssen. Aber das geht nicht."
"Wenn sie gerade zu tun haben, dann ist das wirklich kein Problem. Ich bin mir dessen bewusst, wie plötzlich mein Anruf kam, sollten sie also ein zwei Tage später erst kommen können, ist das völlig in Ordnung. Ich denke so lange können die Ärzte auch warten."
"Sie haben mich nicht verstanden, Captain. Ich kann nicht nach New Cape Quest kommen und in ein Krankenhaus auf Besuch gehen."
Er sah sie völlig verständnislos an. "Aber warum denn nicht? Hören sie, wir reden hier von ihrem Sohn!"
"Mein Sohn ist vor zehn Jahren mit der seaQuest verschwunden und damals verstorben. Wer auch immer jetzt in diesem Krankenhaus liegt ist nicht der Lucas, den ich als meinen Sohn kannte. Es tut mir leid für ihn und ich hoffe er wird schnell wieder gesund, aber ich kann meine Unterschrift nicht auf die Dokumente für eine andere Person geben. Wie stellen sie sich das eigentlich vor?"
Wäre Nathan nicht zu verblüfft, würde ihm die Kinnlage bis zum Boden herunter klappen. Tat diese Frau nur so, oder war sie wirklich derartig verblendet. "Wie kommen sie darauf, dass es nicht ihr Sohn ist? Die seaQuest ist wieder aufgetaucht und mit ihr Lucas. Er ist es tatsächlich."
"Erzählen können sie viel. Mir ist nicht unbekannt geblieben, dass es einige seltsame Dinge gibt, die mit dem Wiederauftauchen der seaQuest zusammen hängen. Mich hat auch vor einigen Wochen jemand angerufen, der sich als mein Sohn ausgegeben hat. Doch er kann nicht mein Sohn sein, denn der würde heute nicht mehr so aussehen, wie zu dem Zeitpunkt, als er damals verstarb. Solange ich keine schlüssigen Gründe für diese Rätsel bekommen, erkenne ich diese Person nicht als meinen Sohn an!"
"Leider fallen gewisse Details unter die Geheimhaltung, da haben sie recht und auch ich bin real und wieder zurück gekehrt. Bin ich für sie ebenfalls nicht der, der damals das Kommando über die seaQuest hatte."
Sie verzog ihre Lippen. Nervös fingerte sie mit ihrer linken Hand an einigen Haarsträhnen. "Hören sie, wenn sie mich angerufen haben, nur um mit mir diskutieren zu wollen, dann lassen sie es sein. Das hat keinen Sinn. Ich habe noch eine Menge zu tun, wenn sie nun also die Güte hätten, mich an meine Arbeit zurück kehren zu lassen, wäre ich ihnen sehr dankbar."
Bevor Bridger auch nur eingreifen konnte, hatte sie die Verbindung beendet. So hatte er sich das beim besten Willen nun wirklich nicht vorgestellt. Der Ensign hatte im Bezug auf seine Mutter wirklich nicht übertrieben gehabt. Sie war tatsächlich so engstirnig und verbohrt, wie er behauptet hatte. Dabei dachte er noch, er könnte an ihre mütterlichen Gefühle appellieren, doch sie hatte dies abgeblockt und das Gespräch viel zu schnell beendet, ehe er auch nur dazu kam.
Er rieb sich die schmerzenden Augen. Was sollte er nun tun? Diese notwendigen Papiere konnte er nicht unterschreiben, da er kein Familienmitglied war.
Aus einer der Schubladen in dem Hotelzimmer holte er etwas Papier hervor, einen Stift trug er stets bei sich. Sicherheitshalber notierte er sich die Telefonnummer von Ms. Holt. Mit etwas Glück konnte er sich vielleicht doch noch überreden, sich ihrem Sohn zu nähern.
Geistesabwesend spielte er noch eine Weile an dem Computer herum, nachdem er den Zettel in die Brusttasche seines blauen Hemdes verschwinden lassen hatte. Bevor er auch nur mitbekam, was er tat, erschien auf dem Monitor eine Adresse zu der er am nächsten Morgen noch vor dem Krankenhaus gehen würde.
