2.

Kaum hatte Draco die letzte Unterrichtsstunde am nächsten Tag hinter sich gebracht, als er auch schon davon stürmte. Wenig später erreichte er "Dark Palace", eine üble Zaubererspelunke im Herzen Londons, die den Titel Palace soviel verdiente wie eine Mülltonne. Wenn man jedoch die verkommensten Subjekte der Zauberergesellschaft suchte, dann war man hier genau richtig.

Gehüllt in seinen schwarzen Umhang betrat nun also Draco diese Einrichtung. Der Gestank nach Schweiß, Alkohol, altem Fett und sonstigen Ausdünstungen schlug ihm entgegen und ließ ihn würgen. Doch schnell hatte er sich wieder unter Kontrolle und er ließ seinen Blick durch den schummrigen und gut gefüllten Raum schweifen. In einer dunklen Ecke machte er endlich den aus, wegen dem er hier war.

"Hallo Mannix," begrüßte Draco die hager Gestalt, die sich über einen Krug Schnapsale, gebeugt hatte. Der Angesprochene fuhr auf und starrte Draco aus blutunterlaufenen Augen angstvoll an.

"Bleib ruhig sitzen," meinte Draco ruhig.

"Was wollen Sie von mir? Ich weiß nichts!" jammerte der Mann, während seine Hände unruhig mit den fransigen Enden seines dreckigen Hemdes spielten.

"Wo ist Harry?"

"Ich, ich weiß nicht wovon Sie sprechen." Mannix' Augen zuckten unruhig hin und her.

"Wo ist Harry Potter?" wiederholte Draco seine Frage. Doch diesmal mit einem Unterton in der Stimme, der sein Gegenüber zum Zittern brachte. Daran wie der heruntergekommene Zauberer den Kopf zwischen die mageren Schultern zog, erkannte Draco, dass er etwas wusste. Mannix' Augen weiteten sich, als er es golden in Dracos Hand aufblitzen sah.

"Also?" fragte Draco und die Galleone tauchte gut sichtbar in seiner Hand auf. Gier zeichnete sich auf dem abgehärmtem Gesicht des niedergekommen Mannes ab.

"Sie haben ihm eine Falle gestellt," flüsterte dieser schließlich. "In dem alten Herrenhaus bei Chester Forest." Die Galleone kullerten auf den Tisch und Mannix grabschte hastig danach. Als er wieder aufblickte war Draco verschwunden.

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Harry saß halb besinnungslos und gefesselt auf einem Stuhl. Die Haare hingen ihm wirr und strähnig in sein blasses geschundenes Gesicht. Wie hatte er nur so dumm sein können? Wie hatte er nur ohne jemand Bescheid zu sagen, hier her kommen können? Jetzt musste er eben mit den Folgen leben. Ein sarkastisches Lächeln verzog seine trockenen aufgesprungenen Lippen. Leben. Nein, leben würde er nicht mehr lange, dessen war er sich sicher. Verdammt! Er war doch erst 24. Er wollte jetzt noch nicht sterben, nicht vor Draco. 'Oh Harry, selbst in dieser Situation kannst du nur daran denken besser als Draco zu sein. Und jetzt führst du auch noch stumme Selbstgespräche....' Harry rutschte auf seinem Stuhl hin und her um sich in eine bequemere Position zu bringen.

"Sitzt still!" zischte einer seiner fünf Bewacher und schlug ihm ins Gesicht.

Plötzlich ging die Tür auf.

"Wir sollen ihn zu Ihm bringen," erklärte der gerade eingetretene Zauberer.

Harry fühlte wie er losgebunden wurde. Hätte er die Kraft dazu gehabt, dann hätte er jetzt einen Fluchtversuch gewagt. Aber die zwei Tage Folter und ein Minimum an Nahrung hatten ihn zu sehr geschwächt. Grob wurde er vom Stuhl gezogen.

"Wenn Er mit dir fertig ist, wirst du dir wünschen, Er hätte dich damals schon als Baby getötet," zischte ihm einer der Zauberer ins Ohr.

Gerade als sie durch die Tür hinaus auf den Flur traten, hörten sie einen Schrei aus Richtung der Eingangstür. Es musste einer der vier anderen Todesser gewesen sein, die das Haus bewachten. Die Todesser waren alarmiert. Einer von Harrys Wächter schlich sich den Flur entlang und verschwand schließlich um die Ecke. Keine zwei Sekunden später kam er zurückgeflogen und prallte hart gegen die Wand. Dann tauchte eine kleine zierliche Gestalt auf, den Zauberstab hoch erhoben, die braunen Haare wie eine Wolke um den Kopf.

"Hermine," hauchte Harry.

"Ach sie mal einer an, Mrs. Weasley. Sie begehen gerade den gleichen Fehler wie Ihr Freund Mr. Potter," meinte ein Todesser beinahe fröhlich.

Hermine zog lediglich eine wohlgeformte Augenbraue in die Höhe: "Ach?"

"Bei euch Auroren scheint gerade der Größenwahn ausgebrochen zu sein. Oder glauben Sie ernsthaft, Sie könnten es alleine mit zehn Todessern aufnehmen? Ihr Freund hier, hat das jedenfalls nicht geschafft."

"Zehn? Ich sehe nur sechs. Und außerdem ...."

"Ist sie nicht allein," ertönte eine arrogante Stimme hinter der Gruppe. Die Todesser wirbelten herum. Hinter ihnen ragte Draco empor, auf dessen blassem Gesicht sich der Hohn widerspiegelte, der den Todessern gerade vergangen war. Draco nickte Hermine unmerklich zu.

Die beiden Auroren griffen gleichzeitig an. Harrys Stützen ließen ihn abrupt los und er torkelte gegen die Wand, wo er schließlich mit geschlossenen Augen zusammensackte. Die Luft war erfüllt von Zaubersprüchen, Schreien, Flüchen und knisterte vor Magie. Dann, mit einem Schlag, war alles ruhig.

"Oh Harry, was machst du nur für Sachen?" erklang Hermines Stimme neben Harry. Er blinzelte und blickte direkt in ihr tadelndes Gesicht. Vorsichtig strich sie ihm die Haare aus dem Gesicht.

"Kannst du aufstehen?" fragte sie und ihre Stimme klang nun ehrlich besorgt. Harry kämpfte sich nach oben und stützte sich an der Wand ab.

"Geht schon," hauchte er. Dann drückte er sich ab, und machte zwei schwankende Schritte. Der Flur begann sich vor ihm zu drehen. Er spürte wie er den Boden unter den Füßen verlor. Starke Arme fingen ihn auf, hielten ihn fest. Dann wurde es dunkel um Harry.

"Hermine, kümmere du dich um unsere Freunde hier," hörte Harry Dracos Stimme wie aus weiter Ferne. "Ich bringe unseren Chef nach Hogwarts."

Harry spürte wie eine Träne eine feuchte Spur auf seiner Wange hinterließ. Gerade hatte er schon mit dem Leben abgeschlossen und jetzt.... Er musste sich auf die Lippen beißen um nicht hemmungslos loszuweinen. Er wurde hochgehoben und dann spürte er das leichte Kribbeln, als sein Körper apparierte. Als sich Harrys Blick dann endlich wieder klärte, sah er Hogwarts vor sich aufragen. In Sicherheit.

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Nach drei Tagen fühlte sich Harry wieder halbwegs bei Kräften. Er platzte fast vor Tatendrang und trieb mit seiner Ungeduld ("Kann ich jetzt endlich aufstehen und arbeiten? Mir geht es hervorragend.") beinahe die arme Madame Pomfrey in den Wahnsinn. Er wollte endlich wieder an die Arbeit! Gerade als er seine Beine über die Bettkante schwang, ging die Tür des Krankenflügels auf.

"Harry!" Ron Weasley, seines Zeichens Minister für die Sicherheit der Zaubererwelt, stürmte auf Harry zu und drückte ihn fest an sich.

"Ron," keuchte Harry. "Ich bekomme keine Luft mehr."

Mit einem breiten Grinsen ließ Ron von Harry ab und musterte ihn eindringlich.

"Und konnte Poppy dich von deinem Größenwahn und deiner Unbesonnenheit kurieren?"

Harry warf Ron einen finsteren Blick zu.

"Ich hoffe du hast deine Lektion gelernt," meinte Ron jetzt ernst. "Das hätte echt ins Auge gehen können."

"Ja ja."

"Du kannst wirklich von Glück reden dass Draco deinen Informanten ausfindig machen konnte."

"Ich muss mich wohl bei Hermine und Draco bedanken, was?" 'Schon wieder Draco', dachte Harry.

"Nur zu," erklang Hermines Stimme von der Tür. Gefolgt von Draco kam sie auf Harrys Bett zu.

"Hallo mein Liebling," begrüßte dieser sie und legte einen Arm um ihre Hüfte. "Draco."

"Ron," meinte Draco und nickte Ron kurz zu. Die beiden arbeiteten jetzt zwar für die gleiche Seite, aber wirklich leiden konnten sie sich immer noch nicht. Jedoch gaben sie sich alle Mühe wenigstens miteinander auszukommen. Dasselbe galt für Draco und Harry. Die alte Feindschaft saß einfach zu tief. Und Harry war sich sicher, dass Ron, ebenso wie er, hin und wieder daran dachte, dass Draco in Wahrheit ein Todesser war. Nur Hermine, ausgerechnet Hermine, schien vollstes Vertrauen in Draco zu haben, was für ihre Arbeit auch zwingend nötig war.

"Also was ist nun mit deinem Dank, Chef?" fragte Hermine und es glitzerte schalkhaft in ihren Augen.

"Danke," nuschelte Harry.

"Das ist alles? Wir retten dein Leben, das du leichtsinniger Weise aufs Spiel gesetzte hast, und alles was wir dafür kriegen ist ein 'Danke'? Außerdem wäre auch eine Entschuldigung fällig," stellte Hermine lächelnd klar.

"Okay, ich danke euch, dass ihr mein Leben gerettet habt und entschuldige mich in aller Form, dass ich euch nicht informiert habe. Zufrieden?"

Mit einem Lächeln schlang Hermine ihre Arme um Harrys Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Ron räusperte sich vernehmlich, doch mit einem Grinsen. Er wusste, dass er sich um die Liebe seiner Frau keine Gedanken machen musste, auch wenn ihm das wie ein Wunder erschien. Und er wusste auch um die innige Freundschaft, die Hermine und Harry verband. Es war die gleiche, die auch er mit Harry teilte. Darum war er auch fast vor Sorge gestorben, als Harry plötzlich verschwunden war. Wie oft hatte er schon Todesängste um seine Frau und seinen besten Freund ausgestanden? Sicher würden bald graue Strähnen sein flammend rotes Haar durchziehen.

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Draco spürte wie Erleichterung sich in ihm breit machte. Harry hatte sich scheinbar von den Strapazen erholt. Das war auch gut so, denn es wäre ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt gewesen, einen so fähigen Mann zu verlieren. Jetzt da Voldemorts Macht von Tag zu Tag wuchs.

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