Kapitel 2
Lustlos stocherte er in seinem Essen. Er wusste, dass er etwas essen musste, schließlich hatte er schon längere Zeit keine wirklich feste Nahrung mehr zu ich genommen. Aber jedes mal wenn er die Gabel auch nur ansatzweise zum Mund führte, schien sein Magen dagegen protestieren zu wollen und beglückte ihn mit einer Übelkeitswelle.
Eine unnatürliche, erdrückende Ruhe lag über der großen Halle. Nur hier und dort vernahm man leises Stimmengewirr und selbst das war kaum hörbar. Ron fühlte sich schlecht. Richtig, richtig schlecht.
Dumbledore und die anderen Lehrer hatten entschieden, dass der Unterricht nach einer Woche „der Trauer und Anteilnahme" wieder beginnen sollte, um schnellstmöglich neue Verteidigungszauber und ähnliches was ihnen im Kampf gegen Voldemort hätte helfen können, zu erlernen.
„Bekommst du auch nichts runter?" fragte Hermione neben ihm leise und als er seinen Blick auf ihren Teller richtete, fand er ihn genauso voll wie den seinen vor. Er schüttelte den Kopf. Wenn er nur daran dachte, sich auch nur ein winziges Stück Rührei in den Mund zu stecken, konnte er seinen Magen schon brüllen hören.
„Wir sollten aber etwas essen." Fügte Hermione hinzu und er beobachtete, wie sie ihre Gabel zum Mund führte. Doch kurz nachdem sie kaute, änderte sich ihre Gesichtsfarbe von weiß, nach grün und wieder zu weiß. Sie schluckte einmal hart und schob dann ihren Teller entschieden von sich.
„Schlechte Idee." Kommentierte sie und stand auf. „Kommst du mit zum Klassenraum? Wir haben jetzt DADA."
Ron nickte und schob ebenfalls den Teller von sich. Langsam stand er auf und machte sich mit Hermione auf den Weg. Peinliches Schweigen herrschte zwischen ihnen und Ron wurde abermals schlecht. Was war nur aus ihnen geworden? Er hatte immer noch nicht wirklich viel mit Hermione geredet und auch Ginny hatte er abgeblockt. Eigentlich hatte er bisher noch so gut wie mit niemandem geredet. Er runzelte die Stirn. Es tat ihm leid, sicher, aber er brachte es einfach nicht über sich Hermione darauf anzusprechen, dass er sie zu unrecht beschuldigt hatte, dass sie so tun würde als wäre nichts passiert. Und auch sie hatte keinen Versuch gestartet, ihm eine Entschuldigung zu entlocken.
Er räusperte sich.
„Hermione?"
„Hm?"
„Weißt du...." er hielt inne und blieb stehen. Verdammt, wieso war das so schwer?
„Was ist denn Ron? Wenn du so weiter machst, kommen wir nie rechtzeitig zum Unterricht." Bemerkte sie nicht gerade hilfreich.
„Wir haben noch massig Zeit. Und wenn du nicht solche wirklich hilfreichen Kommentare abgeben würdest, würde ich es vielleicht auch noch vor Stundenbeginn schaffen, mich bei dir zu entschuldigen." Erwiderte Ron gereizt ohne wirklich bemerkt zu haben, was er sagte. Erst als Hermione ihn aus großen braunen Augen anstarrte und sich zum ersten Mal seit langem ein Lächeln auf ihr Gesicht stahl, wurde ihm der Sinn seiner Worte gewahr.
„Du...." Sie stockte. „Es tut dir leid?"
Ron seufzte innerlich auf. Er hatte es geahnt. Er kam heute nicht so einfach davon.
„Ja, es tut mir leid, dass ich so lange nicht mit dir geredet habe. Es tut mir leid, dass ich gesagt habe, du würdest so tun, als wäre nichts passiert und es tut mir auch leid, dass ich dich in den letzten Tagen einfach total schlecht behandelt habe..."
Ihre Reaktion war unerwartet, da sie ihm völlig ohne Vorwarnung in die Arme sprang. Unerklärlicherweise blieb ihm ein wenig die Luft weg.
„Es tut mir auch leid Ron. Ich...ich hätte dich nicht immer bedrängen sollen. Ich meine, Jungs reden ja sowieso nicht so oft über ihre Gefühle...." Sie schluchzte und barg ihr Gesicht an seinem Hals.
Die Anspannung in seinem Körper löste sich und langsam zog er sie an sich. Irgendwie tat es gut, sich bei ihr entschuldigt zu haben. Es kam ihm so vor, als wäre die Barriere die sich in den letzten Tagen zwischen ihnen manifestiert hatte, endgültig eingestürzt und...es tat gut. Wirklich.
Ohne das sie es richtig wahrgenommen hatten, saßen sie nebeneinander auf dem Boden, mit dem Rücken an der Wand, Hermiones Kopf auf seiner Schulter.
„Er fehlt mir." Ihre leise Stimme klang gespenstisch in dem leeren, steinernen Gang. Er zog sie näher an sich. Es war ein Impuls. Glaubte er.
„Es ist so ungewohnt, dass wir nur noch zu zweit sind. Ich habe ständig das Gefühl, ich müsste auf ihn warten und er würde jeden Moment um die Ecke laufen. Er würde lächeln und sagen, dass es ihm leid tut das er uns hat warten lassen und ich würde ihn tadelnd ansehen und ihm mit strenger Stimme sagen, dass wir bestimmt zu spät zum Unterricht kommen...." Nun klang ihre Stimme tränenerstickt und auch Ron spürte den dicken Kloß in seinem Hals.
„Ich...ich hab ihm nie gesagt, dass er ein guter Freund war. Das er der Beste war. Ich hab es ihm nie gesagt...." Die Worte kamen einfach aus seinem Mund, ohne das er darüber nachgedacht hatte. Er hatte einfach ausgesprochen, was in seinem Kopf gewesen war.
Hermiones kleine Hand legte sich in seine. „Er wusste es." Flüsterte sie, aber die Überzeugung in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
„Er war wie mein Bruder. Er dachte wie ich, fühlte wie ich....und ich war nicht da um ihm zu helfen, als er mich brauchte...." Schuldgefühle. Er keuchte. Die Schuldgefühle erdrückten ihn, schlugen wie eine Welle über seinem Kopf zusammen.
„Er ist tot...und ich bin schuld, ich habe ihm nicht geholfen, ich hab ihm nicht geholfen, Hermione...ich hab...." Er zitterte. Ihm war kalt. Er bemerkte nicht, wie Hermione sich vor ihn setzte und ihre Hände auf seine Wangen legte, hörte ihre Stimme nicht, die ihn fast flehend bat, aufzuhören. Erst als ihre Handfläche mit einem lauten Knall auf seine Wange traf, kehrte er langsam wieder in die Realität zurück. Jetzt sah er Hermione. Sah wieder klar. Sie sah ihn an, ihre Augen gefüllt mit Tränen und...Angst. „Ich hab ihn umgebracht..." flüsterte er.
Fast unmerklich schüttelte sie den Kopf, schloss die Augen. Mit einer seltsamen Faszination beobachtete er die Tränen, die ihre Wangen hinabrannen, ohne die seinen überhaupt zu bemerken. Als sie die Augen wieder öffnete, lag unbändige Überzeugung in ihnen.
„Du konntest nicht dagegen tun. Wir konnten nichts dagegen tun. Er hat sich aufgegeben. Sirius' Tod hat ihm die Beine weggerissen. Wir hätten ihm nicht helfen können."
„Er fehlt mir so, Hermione."
„Ich weiß Ron, mir auch." Mit diesen Worten war es an ihr, Ron in die Arme zu ziehen und so saßen sie da. In einem steinernen Gang Hogwarts, Arm in Arm, weinend und sie schämten sich nicht dafür. Sie ließen ihrer Traurigkeit freien Lauf und verpassten ganz ungeniert die erste Unterrichtsstunde seit langem.
Tbc....
AN: Vielen lieben Dank für eure Reviews *freut sich ein loch in den bauch* Ich möchte euch natürlich auch für dieses Kapitel um eure Meinung bitten, da ich mir da wirklich nicht sicher war, ob das nun alles zu überdreht ist ;) also feedbakc, gell *gg*?
