### Hallo und willkommen zum dritten Abenteuer von Aragorn und Legolas!
An dieser Stelle ein ganz dickes Danke für all die tollen Reviews zum Schlusskapitel von „Hauch des Lebens". Sie waren sozusagen ein zusätzlicher Ansporn für die neue Story, die nun folgt.
Diesmal müssen wir aber ein paar kurze Erklärungen voranstellen.
Also, zunächst einmal bildet diese Geschichte den Abschluss der mit „Kreuzwege" und „Hauch des Lebens" begonnenen Trilogie. Zwar sind ein oder zwei kurze Einzelgeschichten bereits angedacht, doch ob oder wann ihr diese zu lesen bekommt, können wir euch noch nicht sagen. Erst einmal muss das reale Leben uns zeigen, welche Zeit uns noch zum Schreiben bleibt.
Nun einige Bemerkungen zur aktuellen Story:
Im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Geschichten werden Rückblicke auf lange zurückliegende Ereignisse immer wieder Teil dieser Geschichte sein, denn es ist gerade das Vergangene, das die zukünftigen Leben unserer Haupthelden entscheidend verändern wird. Es ist notwendig, dem Leser diese „Erinnerungen" zugänglich zu machen, damit klar wird, warum geschehen muss, was geschehen wird.
Zwar halten wir uns nach wie vor daran, dass unsere Geschichten unverrückbar auf das in den Büchern bzw. Filmen geschilderte Tolkien-Universum zuarbeiten, doch einige der Wege, die wir dabei einschlagen, kann man durchaus als AU bezeichnen. Immerhin hat Professor Tolkien diese „frühen" Wege ja sehr offen gelassen. Außerdem bieten uns gerade diese offenen Wege die Möglichkeit, einige Dinge zu erklären, die von Tolkien einfach in den Raum gestellt worden sind, wie z.B. die lange Geheimniskrämerei um Aragorns wahre Identität.
Eine abschließende Warnung sei noch angebracht: Im Verlauf der Handlung wird es sowohl zu Gewalt- als auch zu Sterbeszenen kommen. Bitte, lasst euch davon nicht abschrecken. Wie heißt es doch so schön? Das Ende ist erst der Anfang! Das gilt auch oder gerade für diese Szenen...
Und nun viel Vergnügen und eine spannende Lektüre!
ManuKu und Salara
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Schuld und Sühne
von: Salara und ManuKu
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Disclaimer: Die bekannten Charaktere
gehören nicht uns, sondern J.R.R. Tolkien. Wir ließen uns lediglich von seiner
Phantasie inspirieren.
vorhergehende Storys in dieser Serie:
(Die Handlungen der einzelnen Storys sind in sich abgeschlossen. Doch zum
besseren Verständnis einiger Handlungsfäden in dieser Episode, sollten nachfolgende
Geschichten zuerst gelesen werden.)
Kreuzwege
Hauch
des Lebens
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SCHULD und SÜHNE
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~TEIL 1~
Im Jahre 2933 des Dritten Zeitalters
Arathorn ritt nachdenklich in der Mitte seines Reitertrupps, der ihn und seine kleine Familie schützend umgab. Er war so tief in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkte, wie sein kleiner Sohn, der sich vertrauensvoll an die Amme schmiegte, ihn anlächelte. Erst das vergnügte Quietschen des Jungen riss ihn aus seiner Grübelei. Er hob den Blick, und als er das fröhliche Strahlen auf dem Gesicht Aragorns sah, konnte er gar nicht anders als zurückzulächeln. Gleichzeitig lenkte er sein Pferd etwas näher an das der elbischen Amme heran. Diese hob den Jungen hinüber zu seinem Vater, der den Zweijährigen ganz behutsam und dennoch fest in seine Arme nahm. Während Aragorn sich an seine Brust kuschelte, sah er kurz hinüber zu seiner Gemahlin Gilraen.
Die zartgliedrige Frau beobachtete ihre beiden Männer zärtlich und lächelte ihn beruhigend an, doch Arathorn ließ sich davon nicht täuschen. Er erkannte mühelos, dass sich hinter diesem Lächeln tiefe Sorge verbarg. Als Gemahlin des Stammesführers der Dúnedain war es ihr natürlich nicht verborgen geblieben, dass die Wälder – auch die um Imladris – immer unsicherer wurden und Gilraen hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass sie von dem Entschluss, ihren Gatten zusammen mit ihrem kleinen Sohn nach Bruchtal zu begleiten, nicht sonderlich erbaut war. Dennoch hatte sie seinem Drängen – ihrer Liebe zu Arathorn willen – schließlich nachgegeben. Ihr Mann war ihr dankbar dafür. Selbst, wenn sie es nie ganz verstehen würde: er wusste, dass es wichtig war, dass die Verbindung zwischen den beiden Blutlinien nie abriss.
Die morgendliche Sonne strahlte über die Wipfel der Bäume hinweg und ihr Leuchten sagte einen wundervollen Tag voraus. Ganz wie von Arathorn erwartet, gestaltete sich die Reise nach Bruchtal zu einer angenehmen Abwechslung.
Der größte Teil des Weges lag bereits hinter ihnen. Nicht mehr lange, dann konnte er seine Familie dem Schutz seines elbischen Verwandten überlassen und zusammen mit Elladan und Elrohir, den Zwillingssöhnen Elronds, den Spuren der Orks folgen, deren Präsenz in den Wäldern sich seit einiger Zeit zu einer wahren Gefahr für alle Reisenden entwickelt hatte. Arathorn war entschlossen, diese Gefahr ein für allemal aus dem Weg zu schaffen. Zusammen mit den Zwillingen, deren Fähigkeiten als Spurenleser geradezu legendär waren, würde er die Fährten der Orks ohne Schwierigkeiten finden.
Dennoch mischte sich unversehens Sorge unter seine Betrachtungen. Ein unbestimmtes Gefühl drohenden Unheils, das immer intensiver an ihm zu nagen begann, ließ Arathorn schließlich zur Seite sehen. Was er sah erklärte seine Unruhe schlagartig, denn sein Blick begegnete den hasserfüllten Augen eines Ork, der zwanzig Schritte entfernt aus den Wäldern hervortrat. Noch bevor er seinen Männern eine Warnung zurufen konnte, brach bereits die Hölle los...
Die Orks, die er vor wenigen Minuten noch in einer ganz anderen Region vermutet hatte, griffen plötzlich aus dem Schutz der Wäldern heraus an. Es waren mehr als zwei Dutzend grimmige wütende Gestalten, die von allen Seiten auf sie einstürmten.
Arathorn hauchte seinem Sohn einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, dann reichte er ihn der Amme zurück. Sie warf schützend den kleinen Umhang des Jungen um dessen Körper. Die elbische Klinge in ihrer Hand verriet, dass sie bereit war, das Leben Aragorns mit aller Kraft zu verteidigen, doch Arathorn winkte sie fort. „Es sind zu viele! Lauf! Versteck dich in den Wäldern. Nur sie können meinem Sohn noch Schutz bieten."
Er sah, wie sie nach kurzem Zögern ihr Pferd wendete und davon ritt, bevor einer der Orks auch schon mit erhobener Axt auf ihn zustürmte und er seinen Sohn aus den Augen verlor.
Verbissen kämpfte er vom Pferd aus gegen die stinkenden Gestalten an, die mit furchtbarem Gebrüll versuchten, ihr Erscheinen noch grauenvoller wirken zu lassen. Doch seine Männer ließen sich davon weder irritieren noch einschüchtern. Sie hatten gegen zu viele dunkle Gestalten gekämpft, um den Anblick dieser Orks noch zu fürchten. Innerhalb von Augenblicken war der Wald von erbittertem Kampfeslärm erfüllt.
Der Schlag eines Streitkolbens riss Arathorns Pferd die Hufe weg und ließ es kopfüber zu Boden stürzen. Er konnte sich rechtzeitig abrollen und kam schnell wieder auf die Beine. Zusätzlich zu seinem Schwert zog er nun noch einen Dolch aus dem Gürtel, um so im Kampf am Boden nicht ins Hintertreffen zu geraten, wenn der Feind ihn bedrängen sollte.
Im nächsten Augenblick kam der Ork, der sein Pferd zu Fall gebracht hatte, ein weiteres Mal auf ihn zu. Er hob die eisenbeschlagene Streitaxt, die mit spitzen Dornen besetzt war und holte zum Schlag aus.
Arathorn parierte und setzte zum Gegenschlag an. Sein Gegner, der seine Absicht ahnte, schützte sich vor den gut gezielten Hieben des Menschen mit einem Waffenschild. Der Schild war nicht mehr neu, doch er erfüllte seinen Zweck überaus gut, wie Arathorn insgeheim feststellte.
Höchstwahrscheinlich hat der ursprüngliche Besitzer diesen Schild vor nicht allzu langer Zeit selbst noch getragen, bevor die Orks ihn erschlugen, grübelte ein Teil seines Verstandes, während der andere sich darauf konzentrierte, eine Schwachstelle bei seinem Gegenüber zu entdecken.
Als der Ork den Arm gegen einen hoch geführten Schlag hob, fiel Arathorns Blick für einen kurzen Moment auf das Wappen, das diesen Schild zierte. Über einem blauen, liegenden Halbmond prangten drei gelbe Sterne.
Dem Stammesführer der Dúnedain stockte plötzlich der Atem. Er kannte dieses Zeichen! Er kannte es sogar besser, als ihm lieb war – es war das Wappen eines Südländerclans!
Oh Ilúvatar, sie sind hier, in dieser Gegend!
Schlagartig vergaß er das ihn umgebende Kampfgetümmel für einen Augenblick. Aber wie kann das sein? Es ist doch so lange her... Arathorns Gedanken rasten. Kann es sein, dass sie immer noch auf der Suche nach mir sind?
Ein heftiger Schlag gegen seine Schulter ließ ihn aus seiner Trance erwachen. Seine Unaufmerksamkeit hätte es seinem Gegenüber beinahe ermöglicht, ihn zu Fall zu bringen. Glücklicherweise war einer von Arathorns Männern in der Nähe, der ihm zu Hilfe kam und dem Ork sein Schwert durch den Körper stieß.
Aragorn. Wo ist Aragorn? Arathorn sah sich verzweifelt nach seinem Sohn um, konnte ihn in dem Durcheinander jedoch nicht entdecken. Er hoffte inständig, dass es seiner Amme gelungen war, sich mit ihm in den Wäldern zu verstecken, während seine Gedanken wieder zu dem zurückwanderten, was er gerade gesehen hatte. Der Anblick hatte Erinnerungen an jene Zeit geweckt, als er in den Südlanden unterwegs gewesen war.
'Du hast eine Blutrache auf dich gezogen, die bis ins letzte Glied deiner Familie wirkt,' hörte er plötzlich die Stimme Rivars, der ihm damals während dieser unseligen Zeit in den Südlanden geholfen hatte und schließlich zu einem Freund geworden war. 'Solltest du irgendwann einmal Kinder haben, wird die Rache auf sie übergehen. Selbst wenn du stirbst, werden deine Kinder ebenfalls gejagt, vergiss das nie...'
„Rivar," flüsterte Arathorn. Sein Freund war mit einer anderen Aufgaben betraut worden und hatte versprochen, der Reisegruppe einen Tag später zu folgen. Elrond wollte den Mann kennenlernen, der seinem Verwandten damals geholfen hatte, aus den Südlanden zu fliehen. Auch wenn Rivar höfische Umgebung nicht mochte und sich deshalb umso wohler bei den Dúnedain füllte, konnte er Arathorn diesen Wunsch nicht abschlagen.
Ich muss Rivar warnen. Von meinem Sohn wissen die Südländer vielleicht noch nichts, doch Rivar gilt unter ihnen als Verräter. Er muss auf der Hut sein!
„Gebieter!" Einer seiner Männer warf sich vor ihn, um einen Angreifer abzuwehren, den Arathorn in seiner Versunkenheit nicht kommen sah. „Es sind immer noch zu viele," keuchte der Mann, während er den Ork mit seinem Schwert abwehrte. „Sie kommen von allen Seiten. Wir können uns nicht zurückziehen. Was sollen wir tun?"
„Wir sind Dúnedain," erwiderte Arathorn und seine Stimme erhob sich über den Kampflärm hinaus. „Dúnedain geben sich niemals geschlagen."
Es waren nur Worte, und sie allein würden ihnen den Sieg auch nicht bringen, wußte Arathorn, doch vielleicht würden sie genügen, um die Entschlossenheit seiner Männer zu stärken. Fast gewaltsam riss Arathorn sich aus dem Griff der Vergangenheit los und konzentrierte sich wieder auf den Kampf.
Es gelang ihm, einen der angreifenden Orks zur Seite zu wirbeln und dessen Schwung auszunutzen, um ihn gegen einen anderen Angreifer stürzen zu lassen. Für einen Augenblick hatte er sich so eine kleine Atempause verschafft, doch ein schneller Blick in die Runde verriet dem Mann, dass ihre Lage selbst bei härtestem Kampf so gut wie aussichtslos blieb.
Gilraen, Geliebte... ich wünschte, ich hätte dieses eine Mal auf dich gehört. Jetzt bezahlt ihr vermutlich den Preis für meinen Starrsinn...
Diese Erkenntnis ergrimmte Arathorn. Mit nun hell in ihm auflodernder Wut stürzte er sich auf den nächsten Gegner.
Die Gedanken, die eben noch seiner Frau gegolten hatten, wurden von dieser erwidert. Gilraen war gleich zu Beginn des Kampfes von vier Dúnedain zur Seite gedrängt und vor den angreifenden Orks beschützt worden. Doch ihre eigene Sicherheit kümmerte sie nicht so sehr wie die ihres Mannes und ihres kleinen Jungen.
Furcht erfüllte ihr Herz, als sie an ihren Mann und ihren Sohn dachte. Vergeblich hielt sie nach den beiden Ausschau, doch im Durcheinander des um sie herum wogenden Kampfes konnte sie keinen von beiden entdecken.
Während die Menschen in den Nahkampf mit den Orks verwickelt waren, beobachtete sie der Anführer der dunklen Truppe aus sicherer Entfernung. Er hatte sich auf eine Anhöhe zurückgezogen und war sehr darauf bedacht, dass die Menschen ihn nicht sahen. Sein Körper war kräftiger als der der übrigen Orks gebaut und sein überraschend intelligenter Blick erfasste die Lage sehr schnell. Er hatte nicht lange gebraucht, um herauszufinden, wer der gegnerische Befehlshaber war. Beinahe genussvoll hob er den Bogen, der locker in seiner Hand lag, und zog einen Pfeil aus dem schwarzen Köcher auf seinem Rücken. Dann leckte er die dunklen Federn des Pfeilschaftes an, als wollte er einen Teil seiner schwarzen Seele mit dem Pfeil zusammen auf den Weg in sein tödliches Ziel schicken. Seine Augen funkelten und ein scheußliches Lächeln überflog sein Gesicht, bevor er wieder ernst wurde und sein Ziel anvisierte. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, ließ er den Pfeil fliegen.
***
Elladan und Elrohir hatten seit Tagen die Spuren der Orks verfolgt und mit Bestürzung festgestellt, dass diese den Reiserouten der Elben folgten. Ihr Vater, Lord Elrond, hatte sie daraufhin zusammen mit einigen Männern losgeschickt, um Arathorn, dessen Besuch sie erwarteten, zu warnen und ihn und die Seinen sicher nach Bruchtal zu geleiten. Der Kampflärm, der ihnen schon aus einiger Entfernung entgegenklang, verriet ihnen jedoch, dass sie zu spät kommen würden...
***
Der Kampf begann sich, wie von Arathorn befürchtet, langsam zu Gunsten der Orks zu entwickeln, doch die Dinge wendeten sich unerwartet zum Besseren, als urplötzlich etwa ein Dutzend Elben, angeführt von einem Zwillingspärchen, aus dem Wald auftauchten.
Arathorn nahm ihr Erscheinen nicht wahr, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich gegen die Angriffe eines besonders wütenden Ork zur Wehr zu setzen. Er fühlte, wie sein Arm immer schwerer wurde und die Wucht der gegnerischen Schläge sein Schwert immer häufiger zu Boden drückte. Ihn umgaben nur Blut und die hässlichen Fratzen der Orks, die nicht zu ermüden schienen und unverdrossen immer weiter angriffen.
Und als wäre dieser Anblick nicht schon genug, mischte sich auch ein anderes Bilder immer wieder unter Arathorns Gedanken: das eines Schildes mit einem Halbmond und drei Sternen!
„Arathorn!"
Der Klang seines Namens ließ Arathorn aufsehen. Für einen Moment glaubte er, die Stimme Elladans gehört zu haben, doch dann verwarf er diesen Gedanken. Meine Gruppe ist noch viel zu weit von Bruchtal entfernt, um auf Hilfe von dort zu hoffen...
Er hatte keine Gelegenheit, diesen Gedanken zu Ende zu führen, denn in diesem Augenblick durchbohrte ein Orkpfeil Arathorns Auge. Die Wucht des Treffers war so groß, dass er nach hinten geschleudert wurde, hart gegen einen Baumstamm prallte und schließlich daran zu Boden glitt.
Der Schmerz, der gleich darauf einsetzte war grausamer als alles, was Arathorn jemals in seinem Leben erduldet hatte. Die Marter war so groß, dass er nicht mehr atmen und schon gar nicht schreien konnte. Sie nahm ihm jede Sicht, lähmte ihn mit ihrer Intensität und ließ gerade noch einen letzten Gedanken zu. Die Botschaft, die dieser ihm jedoch überbrachte, ließ selbst sein Sterben zu etwas Fürchterlichem werden.
Während ihm das Leben entglitt, hoffte der im Todeskampf befindliche Verstand des Mannes, dass jemand zu ihm käme, dem er seine schreckliche Entdeckung mitteilen und den er bitten könnte, seinen Sohn vor dieser Gefahr zu bewahren.
Seine Hoffnung blieb jedoch unerfüllt.
Arathorn sah nicht mehr, wie Elrohir blitzschnell seinen Bogen spannte und den Ork auf der Anhöhe mit einem gezielten Schuss tötete.
Arathorn hörte nicht mehr, wie die eintreffenden Krieger aus Bruchtal die Orks kurz darauf überwältigten und der Sieg schließlich Menschen und Elben gehörte.
Arathorn fühlte nicht mehr, wie seine Frau Gilraen zu ihm lief und weinend über ihm zusammenbrach.
Arathorns letzter bewusster Gedanke galt seinem Sohn und der Blutrache, der er ihn ausgesetzt hatte. Das hilflose Entsetzen über das Wissen, welche Gefahr Aragorn von nun an drohte, begleitete den Stammesführer der Dúnedain hinüber in den Tod.
***
Während die Elben sich um die Verletzten kümmerten und die schlimmsten Wunden notdürftig versorgten, begannen die Zwillinge nach Aragorn zu suchen. Schnell sahen sie, dass sie den kleinen Jungen am Schauplatz des Kampfes nicht finden würden. In der Hoffnung, dass es ihm gelungen war, dem Morden der Orks zu entkommen, erweiterten sie ihren Suchradius. Elrohir folgte Spuren, die in südlicher Richtung davon führten, und sein älterer Bruder wandte sich nach Norden.
***
Elladan nahm sich Zeit, als er langsam und mit geschärften Sinnen vorwärts ritt. Er hatte die Augen auf den Boden gerichtet und folgte den geknickten Zweigen und Grashalmen, die sich an der noch immer sichtbaren Fährte fanden. Es erwies sich, dass die in gerader Linie nach Norden führende Spur immer deutlicher erkennbar wurde, je weiter der Kampfplatz hinter ihm zurückblieb. Jemand musste sich in großer Hast von dort entfernt haben.
Er fand seine Beobachtungen bestätigt, als er schließlich am Wegesrand nahe den Bäumen ein totes Pferd liegen sah, dem ein schwarzer Pfeil aus dem Hals ragte. Nicht weit davon entfernt lag eine Gestalt unter einem Baum, während in ein paar Schritten Entfernung zwei offensichtlich tote Orks lagen.
Alarmiert sprang Elladan vom Pferd und zog seinen Dolch, dann näherte er sich vorsichtig der Szenerie. Er verschwendete keinen weiteren Blick auf die Orks, sondern wandte sich sofort der reglosen Gestalt zu, die fast zur Gänze von einem elbisch aussehenden Umhang bedeckt wurde. Als Elladan sie erreicht hatte, kniete er sich nieder und zog den Stoff vorsichtig ein Stück zur Seite.
Was er sah, ließ ihn erstarren.
Vor ihm lag eine Elbin. Ihr Gesicht war bleich und der gebrochene Blick der offenen Augen sagte Elladan, dass sie tot war. Betrübt ließ er den Kopf hängen.
Aus Trauer um ein zu ewigem Dasein bestimmtes, nun jedoch gewaltsam ausgelöschtes Leben zog er sich für einen Moment in sich selbst zurück. Kaum einen Augenblick später vernahm er in seiner unmittelbaren Nähe ein Geräusch, das so leise war, dass er nicht genau sagen konnte, ob es Schluchzen oder Atmen gewesen war.
Alarmiert hob er den Blick wieder, während seine Hand den Dolch fester umklammerte, doch Elladan konnte nicht ausmachen, woher dieser eigentümliche Ton gekommen war. Ohne seine Wachsamkeit zu vermindern, sah er ein weiteres Mal zu der toten Elbin hinab. Erst jetzt nahm er das Blut wahr, das den Umhang dunkel zu färben begann. Behutsam schob er ihn ganz zur Seite.
Die Elbin lag auf der Seite. Ihre rechte Hand umklammerte einen langen Dolch, mit dem sie die beiden Orks noch hatte töten können, die linke lag über einer offenkundig tödlichen Wunde in ihrem Bauch. Ihre leblose Gestalt jedoch hatte sich wie zum Schutz um ein kleines Bündel gekrümmt, das sich nun reglos an sie presste.
Elladan hielt unwillkürlich den Atem an, streckte dann zögernd die Hand aus und berührte die kleine Gestalt vorsichtig.
„Aragorn?"
Das Kind bewegte sich nicht und Elronds Sohn begann zu fürchten, zu spät gekommen zu sein. Sein Zorn auf die erbarmungslosen Horden der Orks, die alles zerstörten, was gut und voller Licht war, begann ein nie gekanntes Maß zu erreichen. Zögernd streckte er eine Hand aus und berührte den Jungen. Die kleine Gestalt erzitterte plötzlich und ein leises Schluchzen erklang.
Es war dieses Geräusch, das Elladan zuvor vernommen hatte, und das ihm nun fast das Herz stocken ließ. Was hatte der Junge nur alles durchmachen müssen.
Oh ihr Valar, er lebt noch! Ich bin nicht zu spät gekommen. Zumindest nicht für ihn...
„Sieh mich bitte an, mein Kleiner," bat er sanft, um den Jungen nicht zu erschrecken und drehte ihn langsam an der Schulter zu sich herum. Mit großen Augen sah Aragorn zu ihm hoch, sagte jedoch nichts. Tränen strömten an den Wangen des Kindes hinab und mischten sich mit dem Blut, das überall an dem Jungen haftete. Selbst an seiner Wange waren die Spuren des Blutes zu erkennen.
Er sieht nicht verletzt aus. Elladans Blick hatte den kleinen Menschen hastig überflogen, aber keine Wunde gefunden. Es muss von seiner Amme stammen, als er sich an sie schmiegte.
Erleichtert holte Elladan tief Luft, dann lächelte er Aragorn so beruhigend an, wie es ihm möglich war. „Na siehst du, das war doch gar nicht so schwer. Und nun komm zu mir!"
Ohne, dass das Kind es bemerkte, steckte er den Dolch unauffällig fort, dann streckte er auch die andere Hand nach ihm aus. Der kleine Mensch zögerte zunächst, doch als er die spitz zulaufenden Ohren des Elben erblickte, faßte er Vertrauen zu Elladan und ließ sich von ihm in den Arm nehmen.
Der älteste Sohn Elronds murmelte beruhigende Worte in Elbisch und strich dem kleinen Menschen in sanften Kreisen über den Rücken, während Aragorn sich in die Halsbeuge des Elben kuschelte, als wollte er sich vor der Welt verstecken, die sich plötzlich für das kleine Kind in ein unvorstellbares Chaos verwandelt hatte.
Im nächsten Augenblick legte Aragorn beide Ärmchen um Elladans Hals und hob den Kopf. Fast ängstlich sah er über seine Schulter zu der am Boden liegenden Amme zurück.
„Nini schlafen?" fragte er zögernd und sah Elladan mit ernsten großen Augen an.
Erschüttert drückte Elladan den Kleinen an sich, während er nach Worten rang. In seiner Kehle hatte sich ein dicker Kloß gebildet, der ihm das Sprechen schier unmöglich zu machen schien. Er schluckte schwer.
„Nini ruht sich aus," erwiderte der Elbe schließlich mit erstickter Stimme und strich dem Kind über das Haar.
Die Amme musste ihm vor ihrem Tod erzählt haben, dass sie ein wenig schlafen müsse und er ganz ruhig sein solle. Wahrscheinlich hatte sie den kleinen Jungen nicht ängstigen und auf diese Weise verhindern wollen, dass Orks auf sein Weinen aufmerksam wurden.
Elladan war fast dreitausend Jahre alt. Er hatte schon viele Kämpfe ausgefochten und manche Tragödie erlebt, doch den Blick dieses zweijährigen Menschenkindes konnte er kaum ertragen. Wie sollte er einem Kind den Tod erklären, wo ihm selbst das Konzept des Sterbens doch so fern und fremd war?
„Kalt. Nini kalt." Die Stimme des Kleinen, der besorgt auf die reglose Gestalt der Elbin deutete, riß ihn aus seiner Versunkenheit.
„Nein." Elladan hörte, wie sehr seine Stimme zitterte. „Nini friert nicht, glaub mir, Aragorn."
„Doch!" Der kleine Aragorn sah zu dem Elben auf. In seinen grauen Augen lag so viel Überzeugung, dass es Elladan fast das Herz zerriß. „Nini kalt."
Im nächsten Augenblick löste sich der Junge von ihm, trat an die Amme heran und legte eine Hand auf ihre – nun im Tode kühle – Wange. „Nini kalt."
Elladan spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen, als er mit ansah, wie das Kind seinen kleinen, vom Blut der Amme getränkten Umhang abnahm und ihn mit kindlicher Sorgfältigkeit über ihren Körper breitete. Dann wandte sich Aragorn zu ihm um. „Jetzt gut. Nini warm!"
„Ja," flüsterte Elladan und zog den Umhang der Elbin wieder über deren Gestalt. „Nun ist ihr warm."
„Quel esta [Ruhe sanft]." Ein letztes Mal neigte Elronds Sohn den Kopf vor der toten Elbin, dann streckte er eine Hand aus, woraufhin sich das Kind bereitwillig zu ihm zurückbewegte. „Komm, Aragorn. Wir müssen gehen."
Der Elbe nahm das Kind in die Arme, stand auf und stieg wieder aufs Pferd. Schützend wickelte er seinen eigenen Umhang um Aragorn und es rührte ihn zutiefst, das sich der kleine Mensch, der so verletzlich und so unglaublich jung war, gleich darauf erschöpft an ihn schmiegte. Welche Wege Aragorn in Zukunft auch immer gehen würde, Elladan wusste plötzlich, dass er diesen besonderen Menschen nie wieder aus den Augen verlieren wollte. Er schwor sich, Teil seines Lebens zu werden – auf jede Art und Weise, die notwendig sein sollte.
Der Elbe lenkte sein Pferd wieder zum Kampfplatz zurück und spürte schon nach wenigen Minuten, dass Aragorn an seiner Brust eingeschlafen war. Erneut brachte er sein Pferd zum Stehen, wand seinen Umhang dann so um den Jungen, dass nur noch dessen kleines, blasses Gesichtchen zu sehen war, ehe er endlich sein Reittier wieder in Bewegung setzte.
***
Am Kampfplatz herrschte inzwischen jene Stille, die nur nach einem Kampf zu erleben war. Es war die Stille des Todes, die selbst von der Natur geachtet wurde. Die Verwundeten hatte man bereits nach Bruchtal abtransportiert und auch Gilraen war mit ihnen fortgeschickt worden, nachdem man ihr vom Bleiben abgeraten und versichert hatte, dass nach ihrem Sohn bereits gesucht wurde. Als Elladan zwischen den Bäumen zum Vorschein kam, sahen die vier Elben auf, die gerade dabei waren, die toten Orks samt deren Waffen auf einen Haufen zu schichten, damit sie später verbrannt werden konnten.
„Lord Elladan, Ihr habt das Kind gefunden, wie ich sehe." Gorenduil, ein Krieger, der dem Hause Elronds schon seit langem treu diente, kam auf Elladan zu, blieb jedoch stehen, als er sah, dass sich der kleine Mensch nicht bewegte. Gleich darauf erspähte er die Blutspuren, die sich über Aragorns Gesicht zogen. „Ist er...?"
Elladans Sorge um den Jungen war trotz dessen Unverletztheit groß – zu viel Schreckliches hatte der Kleine in zu kurzer Zeit mitansehen müssen. Der ältere Zwilling hatte keine Ahnung, was solche Erlebnisse bei einem so kleinen Menschenkind anrichten konnten. Es drängte ihn, das Kind zu seinem Vater zu bringen, daher ging er auf die gestellte Frage nicht näher ein. „Das Kind muß umgehend nach Bruchtal zu meinem Vater," erklärte er stattdessen kurz angebunden. „Ich bin nur hier, um euch um zwei Dinge zu bitten. Zum einen sagt meinem Bruder bitte, wo ich bin. Er ist gen Süden geritten."
Die Elben nickten, daher fuhr Elladan fort.
„Etwas weiter im Norden..." Er deutete in die Richtung, aus der er gekommen war. „...liegt die Leiche der Amme des Jungen. Ich bitte euch, folgt meinen Spuren und holt sie dort weg. Sie hat das Kind mit ihrem Leben beschützt und soll nicht vergessen werden."
„Das werden wir tun," versprach Gorenduil und gab einem anderen Elben ein Zeichen, ihm zu folgen, während Elladan sein Pferd wieder in Bewegung setzte. Sein Herz war voller Trauer über die Ereignisse dieses dunklen Tages und einmal mehr wurde er an den Verlust seiner Mutter erinnerte. Bekümmert drückte Elladan den schlafenden Aragorn an sich und ritt zurück nach Bruchtal.
***
Elrond war auf dem Weg zur Halle der Heiler, um sich nach dem Zustand der Verwundeten zu erkundigen. Auf halbem Wege kam ihm ein jüngerer, bei ihm in Diensten stehender Heiler entgegen. Er trug einen Waffenschild vor sich her, der fast mannshoch war und in einem Kampf dem größten Teil eines Körpers Schutz geboten hätte. Elrond hätte dem normalerweise keine Bedeutung beigemessen, doch als sein Blick auf das Wappen fiel, blieb er erstarrt stehen.
Er stellte sich dem Heiler in den Weg, der mit einer ehrerbietigen Verbeugung vorbeigehen wollte, und hielt ihn am Arm fest. „Was ist das für ein Schild? Woher habt Ihr ihn?"
Der Heiler blieb erschrocken stehen. Elronds fast grober Griff war mehr als ungewöhnlich angesichts dessen sonst höflichem Verhalten.
„Der Schild kam mit den Verwundeten, Herr. Einer der Menschen trug während des Kampfes eine schwere Rückenverletzung davon und wurde auf diesem Schild nach Bruchtal transportiert, um durch die stabile Unterlage schwerwiegendere Verletzungen zu vermeiden. Wir werden seine Fähigkeit zu Gehen glücklicherweise erhalten können."
Elrond antwortete nicht, sondern ergriff geistesabwesend und fast widerwillig den Schild. Dem jüngeren Heiler, der ihn erstaunt beobachtete, mutete es beinahe an, als fürchtete der ältere Elbe das, was er dort sah.
Elrond betrachtete das Wappen unterdessen eingehend. Er nahm sich Zeit, prüfte jede Einzelheit, doch es bestand kein Zweifel daran, dass er dieses Zeichen – ein Halbmond mit drei Sternen – kannte!
Arathorn hatte es als Brandmal zwischen seinen Schulterblättern getragen. Es war eine schmerzhafte Erinnerung an seine Gefangenschaft in den Südlanden gewesen. Das Zeichen hatte seinen menschlichen Verwandten als eine Art Sklaven gekennzeichnet.
„Bei den Valar," flüsterte Elrond. „Sie sind hier!"
„Was habt Ihr gesagt?" fragte der Heiler, der keinen Sinn in der letzten Bemerkung Elronds sah und durch das eigentümliche Verhalten seines Herrn mehr und mehr verunsichert wurde.
„Nichts von Bedeutung," erwiderte Elrond und nahm seine Gedanken zusammen. Er riss seinen Blick vom Schild los und sah den Heiler an. „Wie geht es den Verwundeten?"
„Sie sind auf dem Wege der Besserung, Herr. Bis auf einen konnten alle Verwundeten gerettet werden."
„Wo hat man Arathorns Leichnam aufgebahrt?"
„Er befindet sich in der Halle des Übergangs. Seine Männer werden ihn mitnehmen und in seiner Heimat bestatten."
„Danke, dass Ihr Zeit für mich hattet. Macht mit Eurer Arbeit weiter. Ich möchte Euch nicht weiter aufhalten."
Der Heiler verbeugte sich und eilte weiter, um den Schild in den Vorhof zu bringen. Elrond hingegen wandte sich um und machte sich auf den Weg zu Arathorn.
***
Eine Weile stand der Fürst von Bruchtal schweigend neben dem Lager, auf das Arathorns Leichnam gebettet worden war. Ein weißes, seidenes Tuch verhüllte die Gestalt des Menschen, die – gewaschen und vorbereitet – hier auf ihre letzte Reise wartete. Der Elbe starrte gedankenverloren auf das Antlitz des Menschen, dessen Konturen sich unter dem dünnen Tuch abzeichneten.
„Arathorn, mein Freund. Zu kurz war der Weg, den wir gemeinsam auf dieser Welt beschreiten konnten. Du bist gegangen... endgültig... ohne Hoffnung auf ein Wiedersehen!"
Elrond seufzte und legte seine rechte Hand auf Arathorns von der Seide bedeckte Stirn. Die Kühle des Tuches unter seiner Hand, das sonst sehr schnell durch einen Körpers erwärmt werden konnte, machte ihm deutlich, dass dies keine seiner Visionen war, sondern die Realität. Arathorn, Sohn von Arador, fünfzehnter Stammesführer der Dúnedain und ein Nachfahre seines über alles geliebten Bruders Elros, war tot. Und für Arathorns Sohn Aragorn war unvermittelt eine Gefahr aufgetaucht, die schon fast in Vergessenheit geraten war.
Elrond schüttelte den Kopf. Diese Gefahr spielt möglicherweise keine Rolle mehr. Elladan und Elrohir, so hatten die heimkehrenden Krieger ihm gesagt, waren immer noch auf der Suche nach dem Jungen. Der Elbe wollte den Gedanken zwar nicht zu Ende denken, doch er ließ sich dennoch nicht ganz verdrängen: vielleicht weilte auch der kleine Aragorn nicht mehr unter den Lebenden!
Er sah wieder auf Arathorns Gestalt hinab und fasste einen Entschluss.
„Höre mein Versprechen, Mellonamin. Sollte dein Sohn lebend gefunden werden, wird er in meinem Haus Schutz finden, bis er stark genug ist, seinen Thronanspruch geltend zu machen. Bis jener Tag kommt, wird das Wissen um seine eigentliche Herkunft aus Isildurs Blutlinie mein Geheimnis bleiben. Falls du mich auf deinem Weg noch hörst, dann setze ihn getrost fort. Ich weiß auch um die Gefahr aus den Südlanden, die wie ein dunkler Schatten über ihm lauert. Wandele also beruhigt an jenen Ort, den ihr Menschen nach eurem Tod aufsucht. Ich schwöre, ich werde auf Aragorn acht geben wie auf meine eigenen Kinder."
Elrond hoffte, dass seine Worte den Geist des Menschen noch irgendwie zu erreichen vermochten, und nach einem Augenblick des Schweigens verließ er den Raum.
***
Der Tod Arathorns ging allen sehr nahe. Arathorns Männer waren fast ausnahmslos in der Halle des Heilens untergebracht worden, weil jeder von ihnen die eine oder andere Verletzung während des Kampfes davongetragen hatte. So kam es, dass die späte Heimkehr Elladans mit dem kleinen Aragorn von so gut wie niemandem bemerkt wurde. Die wenigen Elben, die davon wußten, waren von Elrond angewiesen worden, Stillschweigen darüber zu bewahren und die Menschen in dem Glauben zu lassen, dass der Sohn Arathorns ebenfalls tot sei.
Elrond kümmerte sich rührend um den kleinen Aragorn. Er sorgte mit Elladans Hilfe dafür, dass der verunsicherte Junge gebadet und neu gekleidet wurde, dass er etwas zu essen erhielt und schließlich Ruhe im Schlaf fand.
Doch für dessen Mutter Gilraen vermochte er nicht viel zu tun.
Dass sie den Tod ihres Mannes mitansehen musste, hatte sie in einen tiefen Schock fallen lassen. Die Trauer Gilraens war so tief, dass weder Worte noch Taten sie bewältigen konnten. Der Herr von Bruchtal wusste, dass dieser Schmerz Gilraen vermutlich längst getötet hätte, wäre sie eine Elbin gewesen. Doch auch so würde Arathorns Ende ihr irgendwann den Tod bringen. Dieser Tod würde langsam kommen, über viele Jahre hinweg, und er würde sie erst erlösen, wenn die Gedanken an den Verlust des geliebten Gatten die Frau zu einer zwar atmenden, aber ansonsten leblosen Hülle gemacht hatten.
Die folgenden Tage brachten keine sichtbare Verbesserung für Gilraens Zustand.
Die Männer, die ihren Mann begleitet hatten, sahen, dass Elrond sich seit ihrem Eintreffen aufopfernd um Gilraen kümmerte, doch die empfindsame Frau blieb in einer Erstarrung gefangen, die von jedem als Reaktion auf den Verlust ihrer Familie angesehen wurde. Nur wenige Elben wußten, dass es nicht der Schock war, der Gilraen fast empfindungslos vor Trauer machte, sondern das neue und um so schrecklichere Wissen, warum sie ihren kleinen Jungen als tot bezeichnen mußte, wollte sie sein Leben schützen.
Nach einigen Tagen waren die meisten Menschen soweit wiederhergestellt, dass sie aus eigener Kraft in ihre Heimat zurückkehren konnten. In Wagen wurden die schwerer Verwundeten transportiert, während die anderen neben ihnen her ritten.
Gilraen hatte sich ihnen angeschlossen, denn sie ertrug das Wissen nicht, ihren geliebten kleinen Sohn so dicht bei sich und doch so unerreichbar fern von sich zu wissen. Sie ging mit den Männern fort, doch bald darauf zog sie sich schließlich ganz in ihre Heimat Eriador zurück. Arathorns Männer, die in die Wälder der Dúnedain zurückkehrten, hielten Arathorns Sohn dagegen weiterhin für tot und trauerten um ihn, so wie sie es um den Vater taten.
Aragorn dagegen führte sein Leben in Elronds Haus als Mensch unter Elben.
Er lernte alles, was es zu lernen gab und wuchs unter dem wachsamen Blick der Zwillinge auf. Sie hatten schnell damit begonnen, den Menschen als ihren kleinen Bruder zu betrachten und sich wortlos geschworen, ihn keine Sekunde aus den Augen zu lassen...
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wird fortgesetzt
