### Hallo! Eure Reviews haben die Idee mit der Sommerpause erfolgreich auf Eis gelegt. Bei soviel Protest können wir gar nicht anders, als weiter zu posten. *g*

### Und jetzt ohne viel Vorrede weiter im Text und macht euch auf eine dicke Portion Legolas bereit. In dieser Story darf er ja wie versprochen Held sein und etwas mehr Action erleben, als in der letzten Geschichte...

### Eine fest geballte Faust in Richtung FF.net, weil es uns nicht gestattet hat, unser Kapitel rechtzeitig am Freitag rauszubringen. Die müssten ihre Probleme doch langsam mal auf die Reihe bekommen, oder?! Grrrrrr...

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Schuld und Sühne

von:
Salara und ManuKu

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~TEIL 5~

Miro war trotz des Regens fast ohne Pause geritten. Er war entschlossen, erst die Alte Waldstrasse so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, bevor er sich und seinem Pferd eine längere Rast gestattete. Doch je länger er ritt, desto unheimlich wurde dieser Wald für ihn, denn für seine Augen schien sich nichts zu verändern oder darauf hinzudeuten, dass er dem Ende des Elbenwaldes näher kam.

Als er irgendwann glaubte, in der Ferne einen langgezogenen Schrei gehört zu haben, schrieb er es gleich darauf seiner Erschöpfung zu, denn gespenstische Stille lag über der Umgebung, als er sein Pferd aus dem Galopp heraus zügelte.

Unmerklich gewann die Müdigkeit die Oberhand über Mirodas. Schließlich wurde sie so überwältigend, dass er meinte, gleich aus dem Sattel fallen zu müssen. Ihn hielten buchstäblich nur noch die um die Zügel verkrampften Finger auf dem Rücken des Tieres. Schweren Herzens beschloss Miro, eine Pause zu machen.

Da er nicht direkt im Wald sein Lager aufschlagen wollte, suchte er sich eine etwas überschaubare Stelle aus. Seine Wahl fiel auf eine kleine Baumgruppe unweit des Weges. Das dichte dunkle Blätterdach der Bäume dort würde ihm genug Schutz vor dem Regen bieten, der seit dem frühen Morgen unvermindert anhielt.

Es war jedoch ein trügerischer Schutz, denn das dichte Blätterdach bot ebenfalls einer hungrigen Kreatur Unterschlupf, die beim letzten Beutezug leer ausgegangen war. Ihr Opfer hatte es geschafft, sie sich vom Körper zu reißen und gegen einen Baum zu schmettern. Als die Kreatur nach einer Weile wieder aufgewacht war, hatte sie weder die Wärme eines lebenden Körpers noch die Anwesenheit seiner Artgenossen in der Nähe gespürt. Also zog sie sich an diesen dunklen geschützten Platz zurück und wartete. Sie sah ihre Geduld schließlich belohnt, als sich nach einiger Zeit erneut jemand ihrem Versteck näherte.

Als der ahnungslose Miro sich auf den Stamm eines vor langer Zeit umgefallenen Baumes setzte und den aus seiner Satteltasche hervorgekramten Proviant aß, sah die in den Zweigen lauernde Kreatur ihre Chance gekommen. Ihr Opfer wandte ihr die bevorzugte Angriffsstelle, den Rücken, zu.

Die große schwarze Fledermaus ließ sich lautlos vom Ast fallen, an dem sie bisher gehangen hatte. Bevor Miro überhaupt wusste, was ihn angriff, spürte er, wie sich die messerscharfen Krallen des Tieres in seinen Rücken gruben. Mit einem Schmerzensschrei bäumte er sich auf, während die Panik ihn mit einem Satz aufspringen ließ. Seine Anstrengungen, sich das Geschöpf mit seinen Händen vom Rücken herunter zu reißen, erlahmten jedoch schnell, denn das mit langer Jagderfahrung ausgestattete Tier hatte sich gezielt an einer Stelle in seinen Rücken gebohrt, die Miro nicht zu erreichen vermochte.

Er schrie, doch schnell wurde daraus ein Wimmern, das schließlich ganz verstummte. Zunehmend undeutlicher spürte er, wie die Krallen ihm erbarmungslos den Rücken aufrissen. Im gleichen Maße, in dem das Blut warm an seinem Rücken hinabströmte und die vom Regen durchnässte, inzwischen zerfetzte Tunika dunkelrot färbte, wurden seine Gliedmaßen taub. Blutverlust und Erschöpfung forderten schließlich zusammen mit der betäubenden Wirkung des Speichels der Fledermäuse ihren Tribut.

Seine Beine gaben unter ihm nach und er fiel mit dem Gesicht voran zu Boden. Mit der wenigen ihm verbliebenen Kraft versuchte er sich erneut aufzurichten, doch es reichte nur zu einem letzten verzweifelten Blick über die Schulter auf seinen Angreifer. Das hektische Flattern der schwarzen Flügel verschwamm gleich darauf vor seinen Augen und wurde zu Dunkelheit... der Dunkelheit der Ohnmacht.

Die Fledermaus, die keine Gegenwehr ihres Opfers mehr spürte, konnte sich nun ungehindert daran machen, ihren Blutdurst zu stillen.

Inzwischen fiel Nieselregen vom Himmel und legte sich wie ein milchiger Schleier auf die Umgebung und die Natur, die sich – von den Geschehnissen unberührt – dem Nass entgegenstreckte.

Als Melkors schwarze Kreatur endlich satt war und von ihrem Opfer abließ, um zu den Artgenossen in die Höhle zurückzukehren, war Mirodas noch immer bewusstlos. Der junge Mann regte sich nicht einmal dann, als der leise Flügelschlag gleich darauf ungehört in der Dämmerung verhallte. Seine verkrümmte Gestalt lag wie ein Fremdkörper unter den Bäumen und erst die nächsten Stunden würden zeigen, ob Miros junger Körper die Stärke besaß, den Blutverlust zu überleben.

***

Legolas setzte unterdessen seinen Weg auf der Alten Waldstrasse in höchster Anspannung fort. Er hatte sein Pferd jedoch kaum zum Galopp angetrieben, als er von Ferne erneut eine Gestalt am Boden liegen sah.

Noch ein Opfer?

Vorsichtig ritt der Elbenprinz näher an den reglosen Körper heran. Schon aus einigen Schritten Abstand empfing ihn das gleiche Bild wie zuvor. Die wie künstlich um eine unsichtbare Längsachse verdrehte Gestalt des Mannes, seine in Fetzen vom Körper hängende Bekleidung und das Blut, das überall an ihm zu kleben schien.

Das ist schon der Zweite. Es muss eine ganze Gruppe von Reisenden getroffen haben. Was wollten die bloß hier?

Erneut ging sein wachsamer Blick in die Umgebung, doch der Wald offenbarte ihm nichts außer einem bedrohlichen Schweigen.

Die Fledermäuse werden zunehmend gieriger. Ich muss meinem Vater davon erzählen, wenn ich zurück bin. Der Düsterwald wird immer gefährlicher.

Seufzend zügelte der Elbe sein Pferd, stieg ab und näherte sich mit schussbereitem Bogen der liegenden Gestalt. Auch hier rechnete er damit, einen Toten vorzufinden, doch als er den Fremden auf den Rücken drehte, stöhnte dieser leise, blieb jedoch ohne Bewusstsein.

Rasch prüfte Legolas ein weiteres Mal die Umgebung, doch seine scharfen Elbensinne registrierten nichts, das auf eine Gefahr hindeutete. Als er sich sicher war, dass für den Moment keine Gefahr drohte, hängte er seinen Bogen wieder über die Schulter und kniete sich neben den Verletzten. So behutsam wie möglich schüttelte er ihn.

„Kommt zu Euch, ich bitte Euch..."

Der Fremde regte sich nicht.

Legolas, dessen Sorge wuchs, strich dicke Strähnen dunklen Haares mit den Fingerspitzen aus dem schlammbespritzten, blassen Gesicht und musterte den Mann, der auf den ersten Blick eine entfernte Ähnlichkeit mit Aragorn aufwies. Genau wie sein menschlicher Freund trug auch dieser hier seine dunklen Haare schulterlang um ein kantig wirkendes Gesicht. Lediglich die Gestalt des Fremden war anders, kräftiger, wie die eines Kriegers, der den Umgang mit schweren Waffen gewohnt war.

Als der Elbe genauer hinsah, erblickte er die schweren Wunden, die sich unter Schmutz und Unmassen geronnenen Blutes verbargen. Der rechte Arm wies tiefgehende, unregelmäßig gezackte Risse auf und die linke Hand wirkte fast wie zerfetzt.

Der Elbe wusste, dass zumindest diese Wunden rasch versorgt werden mussten, sollte der Mann nicht doch noch dem hohen Blutverlust erliegen. Legolas trug den Fremden unter den Schutz der Bäume und begann ihn zu verbinden, wohl wissend, dass er sich nicht sehr lange damit aufhalten durfte. Zu groß war die Gefahr, dass die Fledermäuse noch immer in der Nähe waren.

Legolas reinigte und verband die schlimmsten Verletzungen, dann zog er den Fremden vor sich aufs Pferd, schlang ihm einen Arm um die Hüfte und lehnte ihn vorsichtig an sich. Die Wunden auf dem Rücken waren ihm nicht entgangen, doch der Elbe wusste, dass er den Gefahrenbereich schnellstens verlassen musste.

Er ritt los, kaum dass er den bewusstlosen Mann fest in seinem Griff hatte. Auf ein leises Wort seines Herrn fiel der Rappe in einen leichten Trab.

Nach nicht einmal einer halben Stunde, in der es endlich zu regnen aufhörte, lichtete sich der Wald, der den Weg säumte. Die Fledermäuse bevorzugten dunkle, dichte Waldgebiete, und so wähnte Legolas das Gebiet sicher vor diesen Tieren. Er zügelte das Tier, stieg ab, hob den bewusstlosen Mann vom Pferd und legte ihn vorsichtig auf den Boden. Dann entfachte er ein spärliches Lagerfeuer, dessen Schein in der Dämmerung kaum über den nächsten Hügel reichte und in dessen Licht er sich nun auch den Rückenwunden zuwandte.

Während er fast sein gesamtes mitgeführtes Verbandsmaterial aufbrauchte, um den Fremden zu versorgen, musste Legolas sich eingestehen, dass er in seinem Leben nur selten schlimmere Verletzungen gesehen hatte. Die Fledermäuse hatten nicht nur den Arm und die Hand, sondern auch den Rücken des Mannes fast der Länge nach aufgerissen. Man musste kein Heiler sein, um zu wissen, dass es eine Weile dauern würde, bis alles halbwegs verheilt war. Und selbst danach würden hässliche Narben stets daran erinnern, wie knapp der Fremde mit dem Leben davongekommen war.

Wenn er überhaupt mit dem Leben davonkommt, dachte Legolas, als er provisorisch aus Moosen und Gras ein Lager aufpolsterte und den Verletzten schließlich sanft darauf ablegte. Um die gerade verbundenen Wunden auf dem Rücken des Mannes zu schonen, legte er ihn leicht auf die Seite und stabilisierte diese Stellung durch eine zusammengerollte Decke, die er ihm in den Rücken schob.

Legolas hatte keine Erfahrung mit Opfern, die von schwarzen Fledermäusen angegriffen und durch deren Speichel vergiftet worden waren. Einmal hatte ein Heiler ihm erzählt, dass Elben anfangs verwirrt und später depressiv bis hin zum Selbstmord auf diese Verletzungen reagiert hatten, doch mehr als diesen einen mündlichen Bericht hatte der Erfahrungsschatz des Elbenprinzen nicht aufzuweisen. So sah er den Reaktionen des Menschen mit gemischten Gefühlen entgegen.

Da er bis dahin nichts weiter tun konnte, setzte er sich schließlich ans Feuer und holte ein Stück Lembas aus einer der Satteltaschen. Gedankenverloren kaute er eine Zeitlang auf einem Bissen herum und musterte den Fremden, unter dessen Ohr er zufällig eine schlangenförmige Tätowierung entdeckt hatte.

Sie fügen sich freiwillig Wunden zu und gießen diese dann mit Farbe aus. Das ist ... barbarisch! Warum kennzeichnen sich Menschen nur auf diese Weise?

Das leise Stöhnen enthob ihn der Mühe, nach einer Antwort auf diese Frage suchen zu müssen. Kopfschüttelnd stand er auf und kniete sich neben dem Mann nieder, der erste Zeichen des Erwachens erkennen ließ.

***

Es gab kein langsames Wachwerden für Assat. Statt sich der Wirklichkeit Stück für Stück zu nähern, beförderte ihn der einsetzende Schmerz übergangslos ins Bewusstsein und damit in die Erinnerung zurück. In einem Augenblick sah er sich die Fledermaus von der Hand reißen und im nächsten Augenblick erfüllte ihn völlige Orientierungslosigkeit. Als er seine Augen zu öffnen und sich umzusehen versuchte, wollte sein Körper ihm jedoch nicht gehorchen. Panik durchflutete ihn.

Waren die hässlichen schwarzen Kreaturen noch in der Nähe? Hockten sie vielleicht um ihn herum und warteten nur darauf, dass er erwachte?

Überdeutlich spürte Assat den alles überlagernden Schmerz in seinem Rücken. Nur langsam gewann er wieder Gewalt über seinen Körper und nach einiger Zeit gelang es ihm unter großen Mühen, den Kopf zu drehen. Die Bewegung war jedoch bereits zuviel für seinen Körper. Das Blut rauschte in seinen Ohren und plötzlich glaubte er erneut das Flattern von Fledermausflügeln zu hören.

Dieses Geräusch würde er von jetzt an nie wieder vergessen.

Der Schock ermöglichte es ihm, die Augen aufzureißen. Desorientiert, wie er war, konnte er anfangs nicht viel erkennen. Es war dunkel um ihn herum, doch dicht neben ihm brannte ein Feuer, das ihn blendete. Seine Augen schienen unvermittelt sehr empfindlich auf Licht zu reagieren und dieser Zustand verunsicherte ihn. Der blendend helle Schein wurde jedoch schlagartig von einer Gestalt gemildert, die sich ihm näherte. Assat blinzelte und versuchte vor dem verschwommenen Schatten zurückzuweichen, der unaufhaltsam auf ihn zuzukommen schien. Reines Adrenalin durchflutete seinen Körper und ließ ihn reflexartig eine Hand hochreißen. Als der Mensch erkannte, dass er plötzlich wieder Gewalt über seinen Körper hatte, biss er die Zähne zusammen, ignorierte den reißenden Schmerz und sprang auf.

Es dauerte einen Augenblick, bis sich aus dem hellen Fleck endlich eine Gestalt formte. Assats schmerzumnebelter Verstand glaubte sie zu kennen, war sich jedoch nicht sicher, bis das Licht- und Schattenspiel schließlich ein Antlitz freigab.

Das Blut gefror ihm jedoch in den Adern, als sich aus verschwommenen Schemen schließlich Gesichtzüge formten und vor seinen Augen erneut jene hässliche und von billigem Fusel verschandelte Fratze entstand, die ihn einst als Kind Todesfurcht gelehrt hatte.

Das Gesicht, das er nun zu erblicken meinte, hatte sich so tief in seine Seele eingebrannt, dass nur der Tod es ihn würde vergessen lassen können. Assats Hände ballten sich zu Fäusten, doch er merkte es nicht einmal. Einst hatte er diesen Mann gefürchtet, nun hasste er ihn nur noch – das allerdings aus ganzem Herzen.

„Vater..." zischte er beinahe lautlos...

***

Als Legolas erkannte, dass Assat wieder zu sich gekommen war, ging er zu seinen Sachen zurück, um die Wasserflasche zu holen. Der Fremde hatte sicher Durst und sein Körper brauchte nach dem hohen Blutverlust unbedingt Flüssigkeit.

Um so erschrockener prallte der Elbe zurück, als der Mann ihn einen Augenblick lang intensiv anstarrte, dann plötzlich aufsprang und sich ihm gegenüber in Abwehrhaltung aufstellte.

Eigentlich hätte es ihm unmöglich sein sollen, überhaupt aufzustehen. Durch den Blutverlust müsste er völlig entkräftet sein, überlegte Legolas verwundert und beobachtete den Mann, der ihn keine Sekunde aus den Augen ließ. Vielleicht liegt es am Gift der Fledermäuse. Es muss auf Menschen anders als auf Elben wirken, irgendwie ... beängstigender.

„Ich will Euch nichts tun, Fremder. Ihr seid jetzt in Sicherheit," versuchte Legolas den Mann zu beruhigen, doch dieser schien ihm gar nicht zuzuhören. Bevor der Elbenprinz weitere Worte an ihn richten konnte, lief plötzlich ein zutiefst hasserfüllter Ausdruck über das Gesicht des Mannes.

„Vater..."

Der Tonfall dieses einen Wortes ließ Legolas erahnen, wie sehr der vor ihm stehende Mensch seinen Vater verabscheuen musste. Zugleich verriet es ihm, dass der Fremde tief in Wahnvorstellungen gefangen war, aus denen er sich offensichtlich aus eigenem Willen nicht befreien konnte. Es schienen äußerst unangenehme Bilder zu sein, die der Mann sah, denn der Hass, der aus seinem auf Legolas gerichteten Blick sprach, war für den Elbenprinzen fast körperlich spürbar. Er runzelte die Stirn und trat einen vorsichtigen Schritt zurück.

„Beruhigt Euch bitte und hört mir zu. Ich weiß, dass Ihr mich hören könnt. Seht mich genau an. Ich bin ein Elbe, nicht Euer Vater. Mein Name ist Legolas Grünblatt und mein Volk lebt in diesem Wald."

Die Beredsamkeit des Elbenprinzen schien jedoch nicht im mindesten zu dem Mann durchzudringen. Statt dessen sah er, dass sich die Verbände um die zuvor verbundenen Wunden des Mannes erneut rot zu färben begonnen hatten. Irgendwie muss ich ihn aus seinen Halluzinationen herausholen und beruhigen, sonst verblutet er noch...

„Wer seid Ihr?" versuchte er es erneut. „Sagt mir doch Euren Namen, damit ich weiß, wie ich Euch anreden kann."

„Du erkennst also deinen eigenen Sohn nicht wieder?" Assats Stimme vibrierte vor Hass und seine Augen funkelten, als er einen Schritt dichter an Legolas heran kam. „Dann werde ich dir meinen Namen sagen. Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du ihn NIE WIEDER vergessen, das schwöre ich dir. Sieh hin, Vater, ich bin es, Assat."

Legolas' Gedanken rasten, während er Assat argwöhnisch im Auge behielt. Er kannte diesen Namen. Aragorn hatte ihn ihm genannt. Er war also derjenige, dem er indirekt sein Leben zu verdanken hatte?

Welch eigenartige Wege das Schicksal doch geht, dachte der Elbe und versuchte erneut, den Menschen mit seinen Worten aufzurütteln.

„Seht mich genau an, Assat! Ich bin nicht euer Vater. Ich bin ein Elbe, ein Freund Estels. Ihr kennt Estel, ich weiß es. Assat, klärt Euren Blick. Erinnert euch doch daran, was wirklich geschah!" forderte Legolas eindringlich, doch schon Assats nächste Worte verrieten, dass seine flehentlichen Bitten noch immer nicht zum umnebelten Verstand des Menschen durchdrangen.

„Du willst mir also noch immer Vorschriften darüber machen, was ich zu tun und zu lassen habe?"

Assat griff sich mit der gesunden Hand einen dicken Ast, der neben ihm auf dem Boden lag.

„Du glaubst wohl, ich bin immer noch der 8-jährige Junge, der verängstigt in der Ecke der Hütte sitzt und sich von dir mit dem Lederriemen verprügeln lassen muss? Denkst du, ich würde es weiterhin zulassen, dass du Mutter und meine Geschwister schlägst, nur weil du zu feige bist, dich dem Leben zu stellen und ein richtiger Mann zu sein? Glaubst du wirklich, ich würde wieder weglaufen, um dir zu entkommen?" Assat wog den Ast in seiner Hand, als wollte er abschätzen, ob das Holz der Wucht seines Schlages und damit seiner angesammelten Wut auch standhalten würde.

Legolas konnte unterdessen die Gefühle, die sich in Assats dunkelblauen Augen widerspiegelten, kaum noch ertragen. Selten hatte er so viel Hass, Abscheu und Widerwillen gesehen. Plötzlich begriff der Elbe, dass Assat keinem vernünftigen Argument zugänglich sein würde. Er musste den Menschen nur ansehen, um dessen dringenden Wunsch nach Rache für zurückliegende Qualen zu erkennen. Jetzt galt es nur noch, sich gegen die Angriffe Assats zu verteidigen, ohne ihn noch schwerer zu verletzen, als er es ohnehin schon war.

Legolas hatte zwar Pfeil und Bogen während der Rast abgelegt, doch seine Zwillingsschwerter trug er noch. Dennoch widerstrebte es ihm, sie gegen den verletzten und offensichtlich unter dem Einfluss des Fledermausgiftes stehenden Mann einzusetzen. Es musste andere Waffen geben, mit denen er sich gegen Assat zur Wehr setzen konnte. Also sah auch er sich unauffällig nach einem dicken Ast um.

Als Assat einen Ausfallschritt machte und mit seiner behelfsmäßigen Waffe ausholte, rollte Legolas sich auf dem Boden ab und griff sich einen langen geraden Stock. Dann sprang er wieder auf und parierte damit die wütenden Schläge des Menschen. Nach der dritten Attacke gelang es ihm schließlich, Assat den Ast aus der Hand zu schlagen und ihm die Füße wegzureißen. Mit einem erstickten Aufschrei fiel der Mensch auf seinen verletzten Rücken, und der neu aufflammende Schmerz raubte ihm für kurze Zeit den Atem.

Diese Gelegenheit nutzte Legolas, um Assat mit einem genau bemessenen Faustschlag zurück in die Bewusstlosigkeit zu schicken. Das schien ihm die einzige Möglichkeit zu sein, den Mann davon abzuhalten, sich selbst weiter zu verletzen.

Er überzeugte sich davon, dass Assat noch lebte, dann er trug er ihn zu einem Baum und begann ihn bäuchlings an den Stamm zu fesseln.

Wenigstens kann ich mir jetzt die Verbände an seinem Rücken noch einmal ansehen, ohne gleich angegriffen zu werden, wenn er erwacht.

Der Elbe zog den letzten Knoten fest und vergewisserte sich, dass die Fesseln die zerfetzte Hand des Menschen nicht noch weiter aufrissen, dann ging er zu seinem Gepäck und holte die letzten Reste seines Verbandsmaterials hervor. Nur wenige Leinenbinden waren ihm noch geblieben. Es waren kaum genug, um Assat neu zu verbinden.

Resignierend schüttelte Legolas den Kopf. „Was hat mich nur glauben lassen, dass das ein ganz einfacher, problemloser Ritt werden würde?"

Als er das Verbandszeug zusammenzusammeln begann, drang schwach Hufschlag an sein Ohr. Überrascht sah er in die Richtung, aus der das Geräusch erklang.

Ein Reiter? Jetzt? Womöglich ein Gefährte von Assat, der den Angriff der Fledermäuse gleichfalls überlebt hat.

Der Gedanke, es mit einem weiteren, von aggressiven Halluzinationen geplagten Menschen zu tun zu bekommen, behagte dem Elben gar nicht. Langsam und mit einem schnellen Seitenblick auf den Stock, der ihm schon im Kampf gegen Assat gute Dienste geleistet hatte, richtete er sich auf, um dem Neuankömmling entgegenzusehen. Seine Miene, wachsam und misstrauisch, verwandelte sich jedoch gleich darauf zunächst in Unglauben und dann in Erleichterung, als er sah, wer sich da gerade mit langsamen, müde wirkenden Bewegungen vom Pferderücken gleiten ließ...

***

Auch für Miro kam mit dem Erwachen die Erinnerung an den Angriff der schwarzen Fledermaus zurück, dessen Plötzlichkeit ihm kaum eine Chance gelassen hatte.

Von Panik erfüllt riss er die Augen auf, doch als sein Blick sich endlich geklärt hatte, sah er nur abgestorbenes Laub, Erde, Moos und Rindenstückchen. Es dauerte einige Augenblicke, bis der junge Mann erkannte, dass er auf dem Bauch lag und der Waldboden keine Handbreit von seiner Nase entfernt war. Unter Aufbietung aller Kräfte wälzte er sich auf den Rücken.

Selbst diese einfache Bewegung war fast schon zuviel für seinen Körper, in dem das Herz zum Zerspringen hämmerte und dafür sorgte, dass Übelkeit in seiner Kehle empor kroch. Miro schluckte ein paar Male heftig dagegen an, bis sie schließlich nachließ und die Welt gnädigerweise aufhörte, sich um ihn zu drehen. Der Schmerz, der sich jetzt erneut und heftiger denn je wie ein glühendes Eisen in seinen Rücken brannte, verging jedoch nicht. Er presste kurz die Augen zusammen und stöhnte, ohne sich dessen gewahr zu werden, leise auf.

Jäh zuckte das Bild eines auf seinem Rücken haftenden Geschöpfes durch Miros Bewusstsein. Schwarze, hektisch flatternde Schwingen, die wieder und wieder seine Haut streiften und erbarmungslos über sie hinwegzuschmirgeln schienen. Das Gefühl von Krallen, die sich in seinen Rücken bohrten und noch immer dort zu stecken schienen, wie der Schmerz dem jungen Mann weis machen wollte.

Ich muss hier fort...

Das Bild, das seine Erinnerung ihm zeigte, schien Miro so schreckenerregend, dass er an nichts anderes mehr als an Flucht denken konnte. Beunruhigt drehte er den Kopf nach allen Seiten, ohne jedoch den Schatten zu erspähen, der ihm furchterregender als alles bisher Gesehene schien.

Sie ist weg. Aber sie wird wiederkommen. Immer schneller kroch die Panik in Miro empor. Ich darf nicht mehr hier sein, wenn diese Kreatur  zurückkommt.

Er glaubte zu spüren, dass jede einzelne Faser in seinem Rücken zerriss, als er sich mühsam erst auf die Ellenbogen stützte, um sich nach einigen heftigen Atemzügen endlich aufzusetzen.

Ich bin sicher, sobald ich hier weg bin. Miro klammerte sich wie ein Ertrinkender an diesen einen Gedanken, der stark genug war, dass er sich gegen das heiße Brennen in seinem Rücken durchsetzte. Ich muss aufstehen, bevor dieser geflügelte Teufel wiederkommt...

Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit seit dem Angriff vergangen war, doch es dämmerte bereits, als er es nach einigen Versuchen irgendwann schaffte, sich auf unsichere Füße zu stellen. Wiederum drehte sich die Welt erbarmungslos um ihn und nicht einmal der fest im Boden verwurzelte Stamm des Baumes, an den Miro sich mit einer Schulter lehnte, vermochte sie zum Verharren zu bringen.

Mein Pferd... Wo ist es?

Es kostete ihn unbeschreibliche Mühe, seinen Blick durch die Umgebung zu schicken, denn die Welt schien entschlossen zu sein, den jungen Mann vollends aus dem Gleichgewicht zu bringen. Die Baumstämme, in einem Augenblick noch meilenweit von ihm entfernt, schienen ihn einen Atemzug später bereits mit ihrer Nähe erdrücken zu wollen, das friedliche Lied der Vögel in den Baumkronen wurde zu schrillem, ohrenbetäubenden Pfeifen und der von Zeit und Wetter gezeichnete Stamm des Baumes, der Miro bis eben noch zuverlässigen Halt geboten hatte, mutete ihn plötzlich wie ein bockiges Fohlen an, das jede Hand abzuschütteln bemüht war.

Miro schwankte so heftig, dass er sich haltsuchend mit dem Rücken an den Baum lehnte. Als die Wunde auf seinem Rücken mit der rauen Rinde in Kontakt kam, war es ihm, als bohrten sich erneut Krallen in das rohe Fleisch. Nur mit ungeheurer Mühe unterdrückte er einen weiteren Schmerzenslaut.

Nicht schreien. Ich darf nicht schreien. Wenn ich schreie, hört sie mich und kommt zurück...

Schwankend wie ein vom Wind gepeitschtes Schilfrohr drückte er sich mit einer Hand vom Baum fort, während die andere versuchte, seinen Rücken zu berühren. Seine Fingerspitzen trafen auf den Stoff seiner Tunika, die in Fetzen hing und sich feucht anfühlte. Er zog die Finger nach vorn und betrachtete sie verständnislos, bis sich zu der Farbe plötzlich ein Wort gesellte.

Blut.

Es war dieses eine Wort, das seinen vom Fledermausgift beeinträchtigten Verstand schließlich ganz über die schmale Brücke vom Schock in den Verfolgungswahn beförderte.

Ich blute.

Er keuchte, löste sich vom Baum und tappte blindlings zwei taumelnde Schritte in den Wald hinein.

Ich werde verbluten, denn sie wird zurückkommen und mich finden und erst von mir ablassen, wenn ich tot bin! Tot! Wenn ich bleibe, bin ich tot...

Mit der Intensität eines Besessenen stolperte Miro über die kleine Lichtung, von Baum zu Baum, bis sein fiebernder Blick schließlich etwas Rotbraunes im Abendzwielicht auszumachen meinte. Ohne nachzudenken wandte er sich in diese Richtung, strauchelte ein paar Schritte, fiel, erhob sich wieder und ging weiter, ohne auf den Schmutz zu achten, der nun einen Großteil seiner Gestalt bedeckte. Endlich – nach einer Zeitspanne, die Mirodas wie eine Ewigkeit anmutete – hatte er den Ursprung dieses tröstlichen Rotbraun erreicht. Er streckte eine schmutzverkrustete Hand nach der Farbe aus – und fand Leben, Wärme und das Gefühl seidigen Fells unter seinen Fingern.

Endlich, mein Pferd!

Irgendwie drang dieser eine tröstende Gedanke durch Miros Wahnvorstellungen und veranlasste ihn, nach dem Haltestrick des Tieres zu tasten. Mit zitternden Händen zog und zerrte er am Knoten, der das Pferd an den Stamm band, bis der Strick sich endlich löste und lose in Miros Hand lag. Das Pferd schnaubte leise, als Miro sich mit letzter Kraft in den Sattel schob und mit unsicheren Fingern die Zügel packte. „Lauf!"

Es hätte dieser Aufforderung nicht extra bedurft, um die Fuchsstute in Bewegung zu setzen, denn das Tier hatte seit dem Angriff der Fledermaus unentwegt versucht, sich loszureißen. Nun, da es endlich frei war, galoppierte es zurück auf die Alte Waldstraße, fort von der Gefahr, die es so dicht bei sich gespürt hatte.

Miro hatte vollauf damit zu tun, sich während des Ritts auf dem Pferderücken zu halten. Jede Bewegung, die der wilde Galopp des Tieres auf ihn übertrug, schien die Wunden auf seinem Rücken noch weiter auseinander zu reißen. Er konnte fühlen, wie erneut warmes Blut über seinen Rücken hinabrann. Bald schon sackte er nach vorn über den Hals der Stute. Es war der einzige Halt, den seine zunehmende Benommenheit ihn noch finden ließ.

Die Zeit maß sich für den jungen Mann an der Schnelligkeit, mit der die Dunkelheit das Land überzog. Binnen kurzem war aus dem Zwielicht Abendfinsternis geworden, die das Band der Straße in einen schwach schimmernden Pfad verwandelte. Gleichzeitig kam kalter Wind auf, der schneidend durch seine von Regen, Schmutz und Blut durchnässte Kleidung drang. Miro zitterte vor Kälte, die sich auch dann nicht vertreiben ließ, als er sich eng an den warmen Leib des Pferdes presste. Schließlich glaubte der junge Mann, es nicht viel länger ertragen zu können.

Es kam fast einer Erlösung gleich, als irgendwann der schwache Schein eines Feuers direkt vor Miro aus der Finsternis auftauchte.

Feuer! Wo Feuer ist, ist Wärme. Und Menschen. Sie werden mir bestimmt erlauben, mich bei ihnen aufzuwärmen...

Mit kälteklammen Fingern zog er die Zügel des Pferdes an, das – nun dem unmittelbaren Gefahrenbereich entronnen – folgsam sein Tempo verminderte und schließlich ganz stehenblieb. Es kostete Miro unendliche Mühe, sich im Sattel aufzurichten und suchend nach vorn zu schauen.

Dicke Schleier tanzten vor seinen Augen, die alles in verschwommene Streifen hüllten, doch in der Nähe des Lagerfeuers zeichnete sich deutlich die Gestalt einer einzigen Person ab, die sich in diesem Augenblick aufrichtete und zu ihm hinüber sah.

Miros Verstand, von Fledermausgift, Schmerz und Kälte benommen, benötigte eine Weile, um die langen, hellen Haare, die von den tanzenden Flammen des kleinen Feuers rötlich-golden gefärbt wurden, einer bestimmten Person zuzuordnen.

Prinz Legolas! Ich habe ihn tatsächlich eingeholt.

Er wusste nicht, woher er diese Erkenntnis nahm, denn sein Sichtfeld verschwamm noch immer viel zu sehr, um die Züge des anderen deutlich sehen zu können, dennoch durchflutete immense Erleichterung den Menschen.

In Sicherheit...

Mirodas ließ zuerst die Zügel des Pferdes aus seinen klammen Fingern, dann sich selbst aus dem Sattel gleiten. Nun, da er den elbischen Prinzen gefunden hatte, schienen ihn auch der letzte Rest seiner Kraft verlassen zu wollen. Ohne sich weiter um sein Reittier zu kümmern, wankte er langsam auf den Prinzen zu, der ihm seinerseits bereits entgegenkam.

Dass die Freude in den Züge des Elben angesichts seines bemitleidenswerten Anblicks schlagartig durch Sorge ersetzt wurde, registrierte Miro nicht. Für ihn war einzig und allein wichtig, dass das improvisierte Lager mit dem Wärme versprechenden Feuer schon in seiner unmittelbaren Reichweite lag. Blind für alles andere außer dem anheimelnden Schein taumelte Miro auf Legolas zu.

„Großer Eru, was ist mit dir geschehen?" Der Elbe schlang ihm beunruhigt einen Arm um die Schultern, um einen drohenden Sturz zu verhindern. Dabei erhaschte er einen flüchtigen Blick auf den Rücken des Jungen. Ähnlich wie Assat hatte auch Miro dort tiefe, unaufhörlich blutende Wunden. Er seufzte unhörbar. Bitte, nicht auch er!

Vorsichtig musterte er das Gesicht des Menschen, doch anders als bei Assat machte Miro nicht den Eindruck, ihn angreifen zu wollen. Ein Teil seiner Spannung legte sich, als er sich, mit Miro im Schlepptau, langsam wieder in Bewegung setzte. „Was suchst du überhaupt hier? Du solltest jetzt in Sicherheit im Palast meines Vaters sein, statt dich allein und ohne Schutz den Schrecken dieses Waldes auszusetzen!"

Erst jetzt, da Legolas' Arm ihn stützte, merkte Miro, dass er kurz vor einem Zusammenbruch stand.

„Ich habe Euch gesucht." Miro atmete erleichtert durch, als Legolas ihn behutsam nahe dem Lagerfeuer zu Boden sinken ließ. „Ich konnte Euch doch nicht allein gehen lassen..."

Legolas, der sich keinen Reim auf Miros Erklärung machen konnte, gab dem Menschen die Wasserflasche, der sie hastig bis auf den letzten Tropfen leerte. Erst als Miro wieder ein wenig zur Ruhe gekommen zu sein schien, griff der Elbe den letzten Satz noch einmal auf. „Wieso kannst du mich nicht allein gehen lassen? Erklär' mir das!"

Miro, dem die Erschöpfung mehr als deutlich anzusehen war, hob müde den Kopf. „Ich gab Estel mein Versprechen, auf Euch acht zu geben. Das kann ich aber nicht, wenn Ihr Euch bei Nacht und Nebel aus dem Palast schleicht..."

Plötzlich dämmerte Legolas, was Miro meinte, als ihm das vor Monaten heimlich mitangehörte Gespräch der beiden Menschen wieder einfiel. Beinahe ungläubig lächelte er den jungen Mann an. „DESWEGEN bist du mir den ganzen Weg bis hierher gefolgt?"

Der ehemalige Dieb sah ihn an, als ergäben die Worte des Prinzen für ihn keinen Sinn.

„Ich gab Estel mein Versprechen," wiederholte er, dann streckte er die schmutzverkrusteten Hände der Wärme des Feuers entgegen. „Und ich werde es halten."

„Selbst, wenn du dich dafür tödlichen Gefahren aussetzen musst," murmelte Legolas kopfschüttelnd. Noch so ein unvernünftiger Mensch, der das Wohl anderer ohne nachzudenken über das eigene stellt... Mit gerunzelter Stirn betrachtete er die verschmutzte, durchnässte Gestalt des Menschen, die sichtbar zitterte. 

„Du musst aus diesen Sachen heraus und deine Wunden auf dem Rücken müssen gesäubert und verbunden werden." Er stand auf. „Ich werde dein Pferd herholen. Hoffentlich warst du wenigstens so klug, Ersatzkleidung einzupacken."

Miro nickte geistesabwesend und begriff den Sinn der Worte erst, als Legolas schon fort war.

Welche Ersatzkleidung? Ich habe doch keine anderen Sachen...

Er wollte sich umwenden, um den Elbenprinzen zurückzurufen, als sein Blick auf Assats an einen Baum gefesselte Gestalt fiel.

„Was zum...?"

Mit schreckensgeweiteten Augen starrte er auf den sich ihm bietenden Anblick. Er sah die Stricke, die die Hände des Mannes zu beiden Seiten des Baumstammes fixierten, seinen von blutdurchtränkten Leinenbinden bedeckten Rücken, doch die fast schon vergessen geglaubte Panik flammte mit neuer Heftigkeit in ihm auf, als Miro den braunen Haarschopf des Mannes erblickte.

Estel?

Der Atem stockte dem jungen Mann. Das kann doch nicht sein!

Er sah noch einmal hin, doch der Anblick blieb der gleiche. Der gefesselte Mann, den er blutüberströmt vor sich sah, erinnerte ihn nachdrücklich an den Mann, mit dem er Ardaneh vor wenigen Wochen erst verlassen hatte. Aber Estel ist doch sein Freund?

Schmerz, Kälte und Erschöpfung waren wie weggeblasen, als sein ungeheuerlicher Verdacht immer mehr zur Gewissheit zu werden schien. Die Farbe der Haare, diese Gestalt... Plötzlich überschwemmte schierer Horror Miros Denken. Das ist Estel!

Miro musste das Gesicht des Menschen nicht erst sehen, um davon überzeugt zu sein, recht zu haben. Mit jeder Faser seines Körpers glaubte er die Wahrheit zu fühlen. Abscheu, der in Wahrheit vom Fledermausgift hervorgerufenes Fieber war, begann den jungen Mann zu schütteln, während die Welt sich wiederum langsam um ihn herum zu drehen begann.

Das dort ist Estel! Legolas hat ihn gefesselt und dann... Miro wollte den Gedanken nicht zu Ende denken, doch der blutige Rücken ließ keinen anderen Schluss zu. Er hat ihn gefoltert! Ihr Valar, wie konnte der Prinz nur so etwas tun? Sie waren doch Freunde!

Als säße er auf einer glühenden Eisenplatte schoss Miro in die Höhe. Durch seinen Körper strömte nun so viel Adrenalin, dass er den jagenden Schmerz in seinem Rücken nicht einmal mehr wahrnahm.

Ich muss ihn befreien, ihm helfen, so wie er mir half...

„Keine Sorge, ich lasse Euch nicht im Stich, Estel," murmelte er und schwankte die ersten Schritte zu dem gefesselten Mann hinüber.

Legolas hatte unterdessen Miros Pferd am Zügel ins Lager geführt. Er kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Miro einen Dolch aus seinem Gürtel zog und damit die Stricke aufzuschneiden begann, die den bewusstlosen Assat hielten.

„Was machst du da? Hör auf!"

Er ließ die Zügel fahren, eilte mit weitausholenden Sätzen an Miros Seite und zog ihn vom Baum fort.

„Bestie!" Miro wirbelte schwer atmend herum und hielt den Dolch in drohender Gebärde vor sich, während sein hasserfüllter Blick Legolas anfunkelte. „Ihr seid eine Bestie! Erst nennt Ihr Estel Euren Freund und dann richtet Ihr ihn so zu. Aber das hat jetzt ein Ende..."

Wieder wollte er die Knoten durchschneiden, die Assat hielten, und erneut riss Legolas ihn – nun schon erheblich ungestümer und ziemlich unsanft – zurück.

„Hör auf! Es ist nicht so, wie du denkst. Das Gift in dir..."

Ihm blieb keine Zeit, dem vor Zorn bebenden Mirodas die Lage zu erklären. Noch ehe er seinen Satz vollenden konnte, stürzte sich der junge Mann mit einem wütenden Schrei auf ihn.

Er hatte es nur seinen ausgezeichneten Reflexen zu verdanken, dass die Klinge knapp an Legolas vorbei ins Leere ging. Während Mirodas die Waffe zu einem neuen Stoß erheben wollte, packte Legolas das Handgelenk des jungen Menschen und drehte es mit aller Kraft zur Seite.

„Lass... den ... Dolch ... fallen..." keuchte er und rang mit Miro, der trotz seiner Verletzungen eine überraschende Kraft und Wendigkeit an den Tag legte. „Ich... will dir... nicht... weh tun..."

Miro, zu dem die Worte nur noch undeutlich durchdrangen, antwortete nicht. Das Rauschen des Blutes in seinen Ohren war nun so laut geworden, dass das Geräusch ihn fast zu betäuben drohte. Verbissen kämpfte er darum, zumindest seinen waffenführenden Arm aus dem Klammergriff des Elben zu befreien, doch mit jeder verstreichenden Sekunde erlahmte seine Kraft deutlicher. Noch wenige Augenblicke, dann war er besiegt, spürte der Mensch.

Ein letztes Mal fiel sein Blick auf die an den Baum gefesselte Gestalt.

Er ist verloren, wenn ich jetzt versage! In einem Anflug von Verzweiflung warf er sich mit aller Kraft gegen die schlanke Gestalt des Elben.

Der hatte angesichts Miros Zustand mit einer so kraftvollen Attacke nicht gerechnet. Legolas konnte nicht verhindern, dass sein Fuß auf dem vom nachmittäglichen Regen noch schlüpfrigen Boden zur Seite wegrutschte, während sein Griff um das Handgelenk des Jungen für eine Sekunde schwächer wurde.

Das war alles, was Miro brauchte.

Mit einem triumphierenden Schrei wand er seine Hand aus Legolas' Griff, hob sie, um gleich darauf mit dem noch immer fest umklammerten Dolch auf ihn einzustechen.

Genugtuung durchfloss Mirodas wie helles, heißes Feuer, als er spürte, wie der Stahl der Klinge sich in das Fleisch des Elben bohrte...

***

wird fortgesetzt

Dragon-of-the-north:

Vielen Dank für deine zwei Reviews. Beide kamen unmittelbar nacheinander an. Aber FanFiction.Net scheint mit seinen Servern in dieser Woche wirklich ernste Probleme gehabt zu haben. Die Frage nach der Wahl der Mahlzeit der Fledermäuse (also Pferd oder Mensch) war durchaus berechtigt. Um ehrlich zu sein, hatten wir zwei nicht mal ansatzweise darüber nachgedacht! Also noch nachträglich Danke für den Denkanstoß!

Soweit es jetzt abzusehen ist, bleibt die fröhliche Flussszene die einzige unbeschwerte Zwillinge-Aragorn-Szene. Von nun an werden die Geschehnisse kaum noch Anlaß zur Fröhlichkeit bieten. Deine Überlegungen zur Auswirkung der Pfeilspitze auf die Begegnung Rivar-Aragorn war sehr interessant. Diese alte Pfeilspitze wird später allerdings eine ganz andere, doppeldeutige Rolle spielen, mit der Rivar im Grunde nicht direkt zu tun hat.

Die Sache mit der Formulierung (Die Elben/Er steckte weg) ist uns übrigens durch die Lappen gegangen. Sorry.

Nilibrethiliel:

Schön, dass du nun vom stillen Leser zum Reviewer geworden bist! Richtig verlegen hat uns dein Lob gemacht. Es ist die beste Belohung, wenn den Lesern die Umsetzung unserer Ideen gefällt, doch deinen Gestaltwandler kannst du ja trotzdem mal vorbeischicken. Man sollte immerhin wissen, wogegen man sich als Autor in acht muss. Vielleicht können wir ihn ja bei Gelegenheit mal ausborgen und auf unsere Musen ansetzen, damit die beiden nicht vergessen, was sie zu tun haben? *g*

Shelley:

Verwöhnt? Wir? Nöööö.... Na okay, ein bisschen, zugegeben. Aber wir werden acht geben, euch nicht zu oft damit zu nerven. Wir sind ab und zu mal Selbstzweifeln erlegen. Wenn plötzlich so wenig Reviews kommen, nehmen wir gleich an, wir hätten schlecht geschrieben.

Das Verhältnis Zwillinge-Aragorn. Es ist sicher meistenteils tatsächlich so, dass Aragorn meint, sich ihnen gegenüber irgendwie behaupten zu müssen. Gehen wir zu seiner Ehrenrettung einfach mal davon aus, dass auch er kein Kind von Traurigkeit ist und sich schon des öfteren bei seinen beiden elbischen Brüdern ... beliebt gemacht ... hat. *bg*

Aragorns Zusammentreffen mit Rivar wird sich für alle Seiten sehr interessant und später sogar problematisch gestalten. Auch Legolas, Miro und Assat werden immer mal wieder in die Handlung gemischt. Bis alle Fäden schließlich zusammen laufen, dauert es jedoch noch etwas. Übrigens: Zu „Helms Klamm" schreibe ich (Salara) dir demnächst mehr. Heruntergespeichert habe ich mir die Story schon, nur komme ich in Moment nicht zum Lesen. Aber es ist nicht vergessen. Wie ManuKu schon schrieb: ich stehe auf alles, was elbisch/elfisch ist...

Atlantis:

Es war wohl eher die herrschende Hitze, die die Menschen verständlicherweise vom PC vergrault hat. Die Fledermäuse sind diesmal gaaaaaaanz unschuldig (sie haben ihre Klauen wirklich nicht im Spiel)!

 Die Zwillinge haben ehrlich nichts mit Aragorn vor. Noch nicht, jedenfalls. Wenn die Story endet, könnte das allerdings ganz anders aussehen, und wir sind uns ziemlich sicher, dass Legolas ihnen dann bei ihren Plänen hilft. Die Bedeutung des Pfeils... Ohne ihn (und andere Dinge) würde unsere Handlung nicht so funktionieren, wie wir es uns ausgedacht haben.

Yvanne Palpatine:

Hey, keine Sorge, unsere Musen lagen mit dir am Strand und sonnten sich, während wir hier in der Großstadt schwitzten und vergeblich auf den eingebenden Kuß warteten... Nun seid ihr alle ja wieder bei uns. *Autorinnen atmen auf*

Die Idee mit der Sommerpause ist erst mal vom Tisch. In den nächsten Kapiteln wird man übrigens noch viel mehr über Rivars Vergangenheit erfahren. Immerhin spielt auch sie noch eine wichtige Rolle in den zukünftigen Geschehnissen.

Mystic Girl:

Beruhigend, dass die Idee mit der Sommerpause nicht so gut aufgenommen worden ist. *g* Ehrlich! Die 20 einsamen Jahre des Rivar waren für ihn ganz sicher ein hartes Brot, doch er hat es sich selbst ausgesucht. Und von Zeit zu Zeit waren die Jahre auch gar nicht so einsam, wie die Geschichte bald zeigen wird.

Es ist weniger Aragorn, der das Unheil magisch anzieht. Es sind eher die gefährlichen Ideen der FanFic-Autorinnen, die es ihm (oder Legolas – vorzugsweise jedoch beiden) auf den Hals hetzen. Hier jedenfalls waren wir diejenigen welchen, soviel geben wir beide ganz offen zu.

Welche Rolle Elrond bei der Geschichte zukommt? Laß dich überraschen. Seine Rolle fällt diesmal gänzlich anders aus als gewöhnlich. Mit was A- und B-Hörnchen angreifen? Na, mit allem was sich werfen läßt (und was nicht in der eigenen Vorratshöhle landet), ist doch klar. Also, lass deiner Fantasie freien Lauf: Nüsse, Bucheckern, Kastanien... Es sind deine Hörnchen! *g*

Asahi:

Assats Schicksal klärt sich, wenn auch noch nicht sofort. (Autorinnen ziehen vorsichtshalber mal die Köpfe ein)

Ja, die Ausmaße der Geschichte überraschen auch uns immer noch. So weit war das Ganze nie gedacht, aber je intensiver wir uns mit Teil 1 und 2 befasst haben, desto mehr offene Handlungsfäden fanden wir. Und da wir alle irgendwie noch beenden wollten, ergab sich schließlich diese Story. Aber es wird einfacher, wenn erst mal alle Haupthandlungsträger zusammengetroffen sind.

Arlessiar:

Eine Bemerkung in deiner Review gefiel mir (Salara) besonders: „Auf nach Bruchtal-City!". Meine manchmal ziemlich übermütige Fantasie hat sofort Purzelbäume geschlagen und mir Bruchtal in einem ganz anderen Licht gezeigt. Du hättest mich mal quietschen hören sollen! Selbst jetzt grinse ich noch immer wie ein Honigkuchenpferd...

Es wird wohl hauptsächlich ManuKu sein, die sich gelegentlich ans kühle Nass verkrümelt – sie wohnt näher dran. Ich (Salara) wohne viel zu weit von irgendeinem Meer weg und muss mich mit dem Plaste-Pool im Garten zufrieden geben, der jedoch meist mit meinen Nichten randvoll ausgefüllt ist. *seufz und neidisch auf die Mädchen guck*

Du Arme hast nicht nur die Hitze zu ertragen, sondern nun auch noch Bauarbeiten? Oh, man, das ist echt hart! Du hast unser ehrliches Mitgefühl. Da kann man dir nur wünschen, dass bald wieder Ruhe und Kühle in deine heimischen Wände einkehrt!

Für Glorfindel hält diese Geschichte auch eine – wenn auch erst mal nicht als so bedeutsam zu erkennende – Rolle bereit. Ohne, dass wir uns dessen zunächst gewahr wurde, haben wir neben den offensichtlichen auch versteckte Entwicklungen eingebaut, die erst später zum Tragen kommen werden.

Rivars Rolle... Ehrlich gesagt, gewann sie an Vielschichtigkeit, je mehr wir uns mit diesem Mann beschäftigten. Inzwischen baut diese Story auf ihm auf.

Nili:

Du bist also Hannibal über die Alpen gefolgt und hast dabei auch die Spuren unseres neuesten Kapitels gefunden? Kompliment! In dir steckt ein wahrer Geschichts- und Geschichten-Ranger! (Mal im Ernst, wir fühlen uns sehr geehrt, dass du dir neben dem sicher enormen Studienpensum auch noch Zeit für eine Review genommen hast. Danke!)

Die Wasserschlangen... Ja, es sind wendige kleine Viecher, die in jeden Bach, jeden Stiefel, jede Wanne, jede Story passen. Verblüffend... *bg*

Die Pfeilspitze würde statt rostbraun brandrot werden (wenn sie es denn könnte), wenn sie wüsste, welch schändliche Entwicklung sie in Gang setzen wird. Die geht weit über eine Blutvergiftung hinaus, auch wenn sie sich wahrscheinlich zunächst als solche zu tarnen versuchen wird.

Wir zwei würden die zerrissenen Klamotten unserer Lieblinge begierig freiwillig flicken, wenn sie solange neben uns sitzen bleiben und warten würden. ManuKu hätte dafür sogar eine Nähmaschine, obgleich wir wahrscheinlich die Uralt-Methode mit Nadel und Faden wählen würden – die dauert länger!!! Allein die Vorstellung, welcher Anblick uns für die Nadelei belohnt – Ranger mit bloßem Oberkörper, Elben mit... (okay, wir hören schon auf zu träumen – aber nicht zu grinsen).

Glorfindels Hang zu gelegentlich handfesten Überzeugungsaktionen konnten wir erstaunlicherweise auch nicht widerstehen, wie du lesen wirst. Die faust-feste, von dir selbst initiierte Beruhigungsaktion deines Review-Ichs war da erst der Anfang. Übrigens, pass auf, wenn du ihm folgst: der kennt Tricks, der Elbe... (*g*)

Wieso sollen wir peinlich berührt sein, wenn du uns knuddelst? Im Gegenteil: wir knuddeln zurück!

armlugwen:

Unser Update-Rhythmus ist einer der Punkte, auf die wir auch ganz stolz sind. Wir bemühen uns wirklich, so regelmäßig wie möglich zu bleiben. Im Allgemeinen gelingt das auch, sieht man mal von gewissen Alltagsproblemen bzw. Serverspinnereien bei FF.Net ab (wie z.B. in dieser Woche).

Du fandest die letzten Enden schon deprimierend? Uuuppps.... Wenn wir daran denken, was noch kommen wird, haben wir zwei bereits jetzt ein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken an deine zukünftige Stimmung. Sie wird von „deprimiert" bestimmt in einen ... hmm ... neuen ... Bereich überwechseln, schätzen wir.

Nähere Informationen zu Assats Schicksal liefern die nächsten Kapitel. Dieser „Gauner mit Gewissen" bleibt euch und uns vorläufig noch erhalten.

Hilfe!!! Da kommen nun bald auch noch Bratpfannen geflogen... *Autorinnen ducken sich schon mal und suchen vorsichtig nach einer Rückzugsmöglichkeit, ehe Salara es sich anders überlegt und sich eine einfängt, weil sie gerade eine braucht* Was kommt dann erst alles geflogen, wenn wir getan haben, worauf wir uns schon seit Wochen händereibend freuen??? Wir werden wohl in ein paar Wochen einen Wurfgeschoss-, Balrog- und gestaltwandlersicheren Geheim-Bunker mieten müssen...