### Und wieder steht ein neues Kapitel an. Sicher wollt ihr wissen, ob Aragorn sich wieder beruhigt hat oder mordlüstern Pläne schmiedet, wie er es Glorfindel heimzahlen könnte. Schafft Rivar es nun endlich mal, in Bruchtal anzukommen oder fällt auch er einer Fledermaus zum Opfer?

### Dies und noch ein wenig mehr erfahrt ihr im folgenden Kapitel! Viel Spaß beim Lesen!

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Schuld und Sühne

von:
Salara und ManuKu

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~TEIL 7~

In Aragorn tobte ungezügelte Erbitterung, als er mit kraftvollen Schritten dem Ausgang des Kampfplatzes zustrebte. Seine Hände waren so fest zu Fäusten geballt, dass sich die Fingernägel bereits schmerzhaft in die Handflächen gruben, doch der Heftigkeit seiner Empfindungen tat das keinen Abbruch. Wie ein brennender Pfeil hatten sich die letzten Worte des goldhaarigen Elben in Aragorns Seele versenkt.

Wie kann Glorfindel es wagen, mir so etwas zu sagen? Ich laufe nicht davon! Jetzt nicht mehr...

Inzwischen hatte sein hastiger Weg ihn tief in die Schatten der Baumgruppen hineingeführt, die sich von zwei Seiten aus den Wäldern bis nach Bruchtal hineinschoben, doch der Schatten, den die dichten Kronen über dem Boden webten, genügte nicht, um die Zorneshitze in Aragorn abzukühlen. Die Worte des Elben hatten Aragorn verletzt – mehr, als er zuzugeben bereit war – und sie drehten sich seither ununterbrochen hinter seiner Stirn, wo sich bereits die ersten Vorboten eines üblen Kopfschmerzes bemerkbar zu machen begannen.

„Ich bin nicht stur," knurrte er und hieb wütend mit einer Faust durch die Luft. „Und hitzköpfig noch weniger, sonst wäre ich geblieben, um mich mit ihm zu schlagen."

Ohne auf seine Umgebung zu achten, setzte er seinen Weg durch die Umgebung des Schlosses fort. Er merkte über seinen Gedanken gar nicht, dass ihn seine Füße dabei in einem langen Bogen wieder näher an den Schlossgarten herantrugen.

„Und verantwortungslos bin ich schon gar nicht. Glorfindel ist derjenige, der verantwortungslos handelt! Schließlich hat ER MIR die Luft genommen. Nicht umkehrt. Und mir dann auch noch zu sagen, dass das alles zu meinem Besten wäre... Ha! Dass ich nicht lache!"

Aufgebracht trat Aragorn gegen den nächstbesten Baumstamm und zuckte zusammen, als ein schneidender Schmerz durch seinen Fuß zuckte.

„Au!" Die entrüsteten Gedanken wurden vom heftig aufflammenden Schmerz in seinem Fuß  in den Hintergrund gedrängt. Vorsichtig lehnte Aragorn sich an einen Stamm und zog den leichten Stiefel aus, dessen Sohle lediglich aus etwas dickerem, gegerbtem Leder bestand. Für Übungen auf einem ebenen, sauberen Platz war dieses Schuhwerk genau richtig, doch für den hitzigen Kontakt mit einem uralten Baum mit dicker, zernarbter Rinde nicht.

Seit der Verletzung am Fluss waren ein paar Tage vergangen. Die auf der Fußsohle befindliche Wunde hatte angesichts der täglichen Belastung durch Laufen, Treppensteigen und ähnliches nur zögernd eine dünne Heilhaut entwickelt, und erst an diesem Morgen hatte Aragorn festgestellt, dass sich über Nacht eine leichte Rötung rings um die Wunde gebildet hatte.

Die allerdings war jetzt tiefer denn je, wie er nach einem prüfenden Blick auf den Fuß feststellte. Das die Wunde nicht so heilte, wie sie es eigentlich tun sollte, nachdem die Zwillinge ihm am Fluss ein Kräuterpäckchen mit in den Verband gebunden hatten, verhieß nichts Gutes.

„Das ist genau das, was mir jetzt noch gefehlt hat," fluchte er leise und versuchte vergeblich ein schmerzerfülltes Zischen zu unterdrücken, als er mit den Fingerspitzen über die heißen Wundränder strich. Er beschloss, sich aus der Kräuterkammer seines Vaters einige Mittel zu besorgen, um etwas dagegen zu unternehmen.

Aragorn, der sich gerade anschicken wollte, den Stiefel wieder anzuziehen, sah auf, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Drei Dinge registrierte er fast gleichzeitig: dass er sich inzwischen ganz in der Nähe des väterlichen Schlosses befand, dass die Gestalt, deren Nahen ihn aufgeschreckt hatte, Glorfindel war, und dass dieser direkt auf ihn zukam, ohne ihn jedoch zu sehen.

Ausgerechnet Glorfindel! Mit ihm will ich jetzt  am allerwenigsten reden. Hastig sah Aragorn sich nach einer Rückzugsmöglichkeit um, doch es war bereits viel zu spät, um zum Schloss zu flüchten. Innerhalb von Sekunden begriff er, dass ihm nur eine Möglichkeit blieb, sich vor dem Elbenkämpfer zu verbergen: er musste die Flucht in die Baumwipfel antreten.

Er klemmte sich den weichen Lederschaft des Stiefels zwischen die Zähne, dann ergriff er den untersten Ast des nächsten Baumes und zog sich daran empor. Dank ausgedehnter Kletterübungen mit seinen elbischen Brüdern beherrschte Aragorn die Kunst des Kletterns fast so gut wie diese. Die Krone des Baumes war zwar schon herbstlich gelichtet, doch Aragorn hoffte, dass sie noch dicht genug war, ihn vor den zufällig umherwandernden Blicken des Elben zu verbergen, der sich in eben diesem Augenblick auf einer nahebei stehenden Steinbank niederließ.

Hoffentlich sitzt er nicht bis zur Abenddämmerung dort, sonst falle ich ihm irgendwann direkt vor die Füße, dachte Aragorn, während er eifrig darum bemüht war, trotz des Brennens in seinem verletzten Fuß Reglosigkeit zu bewahren. Er wusste, dass jedes Geräusch aus dieser kurzen Distanz deutlich für das elbische Ohr zu vernehmen war. Ihm blieb nur, seine Blicke gleichfalls schweifen zu lassen – und nachzudenken...

***

Die Mittagszeit war längst vorüber, als Glorfindel sich endlich erhob und ins Schloss zurückging.

Für Aragorn waren die letzten zwei Stunden zu den längsten seines Lebens geworden.

Der Ast, der beim Hinaufklettern noch beruhigend breit erschienen war, hatte schnell die zweifelhafte Breite einer Schwertklinge angenommen. Und für sein Gefühl war sie mindestens genauso unbequem. Zumindest für jemanden, der es nicht gewohnt war, sich über Stunden hinweg keinen Deut rühren zu dürfen.

Legolas würde diesen Ast wahrscheinlich als eine sehr bequeme Lagerstatt empfinden, dachte Aragorn mit einem leichten Schmunzeln, als er an seinen elbischen Freund dachte.

Legolas...

Der Gedanke an seinen stets so ruhigen, überlegt wirkenden Freund hatte ihn schließlich dazu bewogen, etwas von seinem selbstgerechten Zorn zurückzunehmen und sich neutraler mit dem Erlebten zu beschäftigen. Noch immer empörten ihn die meisten Vorwürfe Glorfindels, doch einige hatten sich auch als berechtigt herausgestellt, nachdem Aragorn erst einmal den Mut gefunden hatte, sich näher mit ihnen zu befassen. Der Elbe hatte vor allem mit einem Recht gehabt: sein zorniges Davonlaufen vom Kampfplatz war eine Flucht gewesen.

Ich werde nach dem Abendessen mit Glorfindel reden, nahm Aragorn sich vor, als er mit ungewohnt steifen Gliedern endlich wieder vom Baum hinabkletterte. Er zuckte zusammen, als seine Fußsohle beim Kontakt mit dem Boden erneut brennenden Schmerz aussandte. Überaus vorsichtig drehte er den Fuß soweit nach oben, bis er einen Blick auf dessen Sohle werfen konnte. Was er sah, ließ das Gesicht verziehen.

Durch die Klettertour war die hauchdünne Hautschicht über der Wunde wieder aufgerissen. Schmutz und winzige Rindenstückchen hatten sich überall auf und in die Wunde gelegt und dafür gesorgt, dass die Verletzung noch ernster als zuvor wirkte. Mit größtmöglichem Bedacht säuberte er sie, so gut er es vermochte, dann zog er den Stiefel bedächtig wieder an.

Vielleicht sollte ich den Fuß meinem Vater zeigen?

Allein der Gedanke an die gerunzelte Stirn Elronds und die mit Sicherheit folgenden Vorwürfe, weil er so lange geschwiegen hatte, ließen ihn diesen Gedanken wieder verwerfen.

Nein, dachte er eigensinnig. Ich kann nicht mit jedem Kratzer zu meinem Vater laufen. Als Waldläufer werde ich so einiges in der Wildnis ertragen müssen, ohne gleich nach einem Heiler verlangen zu können. Zähne zusammenbeißen und durch!

Zwei probeweise unternommene Schritte verrieten ihm, dass es ein langer Weg ins Schloss werden würde. Seufzend begann er auf die Gebäude zuzuhumpeln.

***

Er hatte kaum die inneren Bereiche des Schlosses betreten, als ihm auch schon die ersten Diener entgegenkamen. Er erwiderte ihre Grüße so unbefangen wie möglich und biss die Zähne zusammen, um niemandem durch ein Humpeln zu verraten, dass er einmal mehr eine Verletzung davongetragen hatte.

Erst, als er sich unbeobachtet wusste, lehnte er sich im Gang einen Augenblick gegen die Wand und stöhnte vor unterdrückten Schmerzen auf. Der Fuß pochte, als wollte sich etwas gewaltsam einen Weg von innen nach außen bahnen.

„Elbe müsste man sein. Dann würden solche Wunden in kürzester Zeit heilen. Aber nein, ich musste ja als Mensch auf die Welt kommen... Wieso habe ich nicht ein bisschen mehr von dem elbischen Blut in meinen Adern, dass es für eine ordentliche Selbstheilung reichen würde?" murmelte er leise, während er den verletzten Fuß probeweise immer wieder belastete. Von Mal zu Mal gelang ihm das besser. „Ich brauche etwas gegen die Entzündung und außerdem ein paar von Vaters schmerzstillenden Kräutern, sonst überstehe ich die nächsten Tage nicht." Als er schließlich glaubte, den Schmerz einigermaßen unter Kontrolle gebracht zu haben, machte er sich, einem plötzlichen Entschluss folgend, auf den Weg zu Elronds Kräuterkammer.

Unterwegs murmelte Aragorn immer wieder einige Verwünschungen vor sich hin. Er wusste, dass er einer Selbsttäuschung aufsaß, aber zu fluchen machte es ihm leichter, die Gänge entlang zu humpeln.

Das gelbgoldene Licht des hereinbrechenden Nachmittags, das durch die fragilen Fensterrahmen in die Gänge fiel, hatte sein Spiel auf dem steinernen Boden bereits begonnen. Elrond hatte eine Besprechung mit seinen Beratern und dies war wohl Aragorns beste Chance, sich unbemerkt ein paar Kräuter zu besorgen. Der Elbenfürst hatte viel Wert darauf gelegt, dass er neben dem Kampftraining die Ausbildung zum Heiler nicht vernachlässigte. Daher wusste Aragorn, nach welchen Mitteln er zu suchen hatte.

Nach endlos erscheinenden Minuten hatte er sein Ziel schließlich erreicht.

Vorsichtig öffnete Aragorn die Tür zur Kräuterkammer. Sie war nicht verschlossen, da jedem Heiler zu jeder Zeit der Zutritt gestattet werden sollte. Wie erwartet, war die Kammer verlassen. Dennoch wurde er das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun, nicht sofort los. Die Heimlichkeit seines Vorgehens ließ ihn eine längst abgelegt geglaubte Verlegenheit spüren. Ihm war für einen Augenblick, als täte er etwas Verbotenes. Diesen Gedanken gewaltsam zurückdrängend, trat er rasch ein und schloss leise wieder die Tür hinter sich.

Nach zwei zögernden Schritten blieb Aragorn schließlich in der Mitte der winzigen Kammer stehen und ließ seine Blicke andächtig durch den Raum wandern. Weiches Nachmittagslicht verlieh ihm eine beinahe mystische Atmosphäre. So oft Aragorn die Kammer auch schon betreten hatte – noch immer empfand er sie als etwas Besonderes, Ehrfurchtgebietendes. Die Düfte, die den zahllosen in den Regalen ruhenden Leinensäckchen, Schalen, Krügen und Fläschchen entstiegen, erfüllten das kleine Gemach und verbanden sich zu einer gleichermaßen aromatischen wie beruhigenden Atmosphäre, die fast eine meditative Wirkung auf Aragorn ausübte. Er entsann sich vieler Gelegenheiten, in denen er – verletzt, erschöpft und am Rande der völligen Aufgabe – jenen unvergleichlichen Geruch nach Kräutern an der Robe seines Pflegevaters wahrgenommen hatte. So schlimm seine Verletzungen manchmal auch gewesen sein mochten – ebenso wie die sanften Worte des Elben und dessen heilkundige Hände hatte ihm nicht zuletzt auch jener Kräuterduft immer wieder geholfen.

Augenblicke später verschwand das Schuldbewusstsein, mit welchem er das Kräuterlager eben noch betreten hatte. Vater hätte sicher nichts dagegen, dass ich mir Kräuter zur Heilung meiner Wunde nehme, dachte Aragorn und ließ seinen Blick über die vielen Regale gleiten, die an den Wänden aufgereiht waren.

Aragorn war sich seines zum Teil elbischen Blutes und der damit verbundenen Selbstheilungskraft wohl bewusst. Insgeheim hatte er gehofft, dass dieser Teil seiner Herkunft sich als stark genug erweisen würde, um die Wunde am Fuß ohne Probleme verheilen zu lassen. Nach der Kletterpartie im Schlosspark musste er sich jedoch schweren Herzens eingestehen, dass dem nicht so war. Es besorgte ihn zunehmend, dass die Wunde heiß und druckempfindlich war und wie am ersten Tag schmerzte.

Zielsicher wandte Aragorn sich einem links neben ihm stehenden Regal zu, in dem sorgfältig Leinenbeutel unterschiedlicher Größe übereinandergeschichtet waren. Sie enthielten Kräuter, die die Schmerzen der in seiner Wunde entstandenen Entzündung lindern würden. Aragorn nahm sich eines der Beutelchen – das Kleinste, dessen Fehlen so schnell nicht auffiel, wie er hoffte. Nach kurzer Überlegung steckte er sich auch eine winzige, irdene Phiole ein, die zusammen mit vielen anderen ähnlichen Fläschchen im benachbarten Regal standen. Die Flüssigkeit, die sich darin befand, wurde aus dem Sud der Darsurion-Pflanze gebraut. Wie Elben verfügten auch Menschen über Selbstheilungskräfte – allerdings nur in gewissem Grade. Elrond hatte ihm einmal gesagt, dass der Darsurion-Sud die Heilung kleinerer Wunden bei Elben wie bei Menschen gleichermaßen anregte.

Das ist doch genau das, was ich jetzt brauche!

Zufrieden, alles Notwendige so schnell gefunden zu haben, verließ er die Kammer wieder und schlug den Weg zu seinem Zimmer ein, das sich am Ende des Ganges befand.

Ausgelaugt durch die Anstrengungen, das reglose Sitzen im Baum und den Kampf gegen den Schmerz entging ihm, dass Elladans besorgter Blick ihm durch die einen Spalt breit geöffnete Zimmertür folgte, bis Aragorn schließlich seine eigene Tür hinter sich schloss.

Zunächst wusch er die Wunde sorgfältig aus, dann goss er etwas vom Darsurion-Sud darüber. Als das Mittel eingezogen war, goss er sich einen Becher Wasser aus einer am Bett stehenden Karaffe ein und bröselte ein paar der getrockneten Blätter aus dem Leinensäckchen hinein.

Aragorn wartete einen Augenblick, bis ihre Inhaltsstoffe sich im Wasser entfalteten, bevor er den Inhalt des Bechers in einem Schluck herunterstürzte. Müde stellte er die restlichen Kräuter und das Fläschchen neben die Karaffe auf die Nachtkommode, ehe er sich voll bekleidet auf sein Bett fallen ließ.

Es dauerte nur Momente, dann stieg Wärme in seine Gliedmaßen und breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Nach dem anstrengenden Tag und der Auseinandersetzung mit Glorfindel dämpfte das Schmerzmittel nicht nur die Beschwerden in seinem Fuß, sondern auch die der verspannten Muskeln seines gesamten Körpers. Ein erleichtertes Lächeln flog über sein Gesicht. Bereits Augenblicke später war Aragorn so fest eingeschlafen, dass er nicht bemerkte, wie sich etwas später seine Zimmertür leise öffnete.

***

Elladan, der die neben der Kräuterkammer liegenden Zimmer bewohnte und gerade am Fenster gesessen und gelesen hatte, sah überrascht auf, als er von nebenan Geräusche vernahm. Elrond konnte es nicht sein, da er seinen Vater noch immer bei seinen Beratern wusste. Wer also befand sich da gerade im Kräuterlager?

Leise stand er auf, ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt breit.

Kaum ein paar Augenblicke später ging die Tür zum Nachbarraum ein zweites Mal auf und vor seinen verblüfften Augen schob Aragorn sich auf den Flur.

Schweigend beobachtete er, wie sein menschlicher Bruder geistesabwesend an ihm vorbei auf seine Räume zu ging und kurz darauf in ihnen verschwand. Dem Elben war der leicht humpelnde Gang Aragorns ebenso aufgefallen wie dessen blasse und verschwitzt wirkende Gesichtszüge und die beiden Gegenstände, die der junge Mann bei sich getragen hatte.

Vielleicht hat er sich während der Übungen mit Glorfindel verletzt. Ich sollte ihm nachgehen und fragen...

Er vergaß den Gedanken so schnell, wie er gekommen war. Elladan wusste, wie empfindlich Aragorn reagieren konnte. „Übertriebene Fürsorge" nannte sein menschlicher Bruder so etwas und wurde gewöhnlich ziemlich ärgerlich, wenn man sich zu intensiv nach seinem Befinden erkundigte. Da sich aber die leise Stimme der Besorgnis in Elladan nicht zum Schweigen bringen ließ, beschloss er ein paar Minuten zu warten, um dann in aller Stille einen verstohlenen Blick in das Zimmer seines Bruders zu werfen. Wenn er Glück hatte, war Estel so müde, dass er das Öffnen der Tür nicht einmal bemerken würde.

Kurze Zeit später schob Elladan sich behutsam in Estels Zimmer. Er blieb stehen, als er sah, dass dieser in seiner durchgeschwitzten Kleidung auf seinem Bett lag und tief und fest schlief.

Kopfschüttelnd trat der Elbe schließlich näher.

Er sieht erschöpft aus.

Die Gedanken, die er sich um das Wohl des Menschen machte, ließen ihn die Hand heben und sachte über dessen Stirn streichen. Besorgt registrierte er, dass eine ungewöhnliche Wärme von der Haut Aragorns ausging.

Entweder hat Glorfindel dich zu hart angefasst oder du wirst krank, kleiner Bruder...

Mit gerunzelter Stirn griff er sich das Beutelchen, das Aragorn sich aus dem Kräuterraum geholt hatte, und warf einen raschen Blick hinein, ehe er daran schnupperte.

Aha, schmerzlindernde Kräuter.

Er legte den Beutel beiseite, öffnete das Fläschchen und roch auch hier vorsichtig am Inhalt. Den Geruch des Heilmittels erkannte er sofort. Darsurion.

Spätestens jetzt meinte der Elbe die Wahrheit zu kennen.

Ich könnte wetten, du hast dich bei einer von Glorfindels Übungen verletzt und willst nur nicht, dass es jemand erfährt. Elladan betrachtete seinen schlafenden Bruder, dessen friedvolle Züge jedoch von der Blässe seines Antlitzes Lügen gestraft wurde. Selten war Aragorn ihm verletzlicher erschienen als in diesem Augenblick. Ich werde nachher zu Glorfindel gehen und mit ihm reden. Die Ausbildung soll dir helfen, dich aber nicht verletzen.

Vorsichtig stellte er das Fläschchen wieder an seinen alten Platz, dann wandte er sich zum Gehen. Schon nach einem Schritt blieb er jedoch stehen und sah zu Aragorn zurück. Nach kurzer Überlegung nahm er eine Decke von einem Sessel und breitete sie fürsorglich über Aragorn aus. Elladan nahm sich vor, später noch einmal bei Estel vorbeizusehen, dann verließ er das Zimmer des jungen Mannes so leise wie möglich.

***

Rivar ritt, bis die Nacht sich über das Land senkte. Als er den vor ihm liegenden Pfad schließlich kaum noch erkennen konnte, schlug er auf einer seitlich gelegenen Lichtung sein Lager auf. Das kleine Feuer, das er sich zum Schutz vor der regengeschwängerten Kühle entzündete, vermochte ihn jedoch nicht zu wärmen, so dass er froh war, bei beginnender Morgenröte seinen Weg fortsetzen zu können.

Die Sonne, die sich langsam über einen nur leicht bewölkten Herbsthimmel schob, hatte den höchsten Punkt ihrer Bahn schon vor einiger Zeit überschritten, als er endlich auf jenen unscheinbaren, nur wenigen Eingeweihten bekannten, Seitenpfad einschwenkte, der ihn in gewundenen Linien bis an die Tore Bruchtals führen würde.

Der Wald war an dieser Stelle besonders dicht und ließ kaum einen Sonnenstrahl bis auf den Boden dringen.

Rivar konnte sich, ebenso wie vor zwanzig Jahren schon, eines Anflugs von Ehrfurcht nicht erwehren. Die Bäume standen hier enger zusammen, als er es anderswo je gesehen hatte. Sie vermittelten durch die dicke Bemoosung ihrer Stämme und ihre ausladenden, uralten Kronen jedem, der sich seinen Weg zwischen ihnen hindurch bahnte, eine Ahnung von jenen zeitlosen Naturmysterien, die von den furchtsamen Menschen hinter vorgehaltener Hand nur „Elbenmagie" genannt wurden.

Wie lange er sich im Anblick der Umgebung verloren hatte, vermochte der Einsiedler nicht zu sagen, doch unvermittelt riss ihn eine Stimme aus seinen Betrachtungen.

„Tampa! Ya naa lle? Mani uma lle merna? [Halt! Wer seid Ihr? Was wollt Ihr?]"

Rivar brachte sein Pferd zum Stehen und sah sich um, doch der Sprecher zeigte sich ihm nicht sofort.

Richtig, die Grenzen Bruchtals sind ja gut bewacht, dachte er und hob die Hände in jener Geste, die anzeigte, dass er in friedlicher Absicht kam.

„Mein Name ist Be'nat Rivar'Odan. Vor zwanzig Jahren war ich ein Gefolgsmann Arathorns und nun bin ich hierher gekommen, um dem Herrn dieses Tales etwas von ihm zu bringen."

Einen Moment lang herrschte Stille, dann raschelte es in einer der Baumkronen.

Rivar drehte den Kopf zu jenem Geräusch. Er sah gerade noch, wie ein hochgewachsener, schlanker Elbenkrieger mit der Grazie einer Raubkatze aus dem Geäst zu Boden sprang, vor ihm stehenblieb und ihn misstrauisch musterte.

„Der Stammesführer der Dúnedain ist seit zwanzig Jahren tot. Wenn Ihr wirklich sein Mitkämpfer wart, solltet Ihr das eigentlich wissen..."

„Ich weiß es, glaubt mir. Ich sah den Ort, an dem mein Freund starb und habe diesen Anblick nie vergessen..." Rivar verstummte. Er konnte fühlen, dass noch immer viele Pfeilspitzen im Verborgenen auf ihn gerichtet waren. Einem plötzlichen Einfall folgend holte er das Siegel heraus, das ihn damals als Gefolgsmann Arathorns ausgewiesen hatte. Rivar hatte sich nie davon trennen können – nicht einmal bei seinem Aufbruch am Vortag – und nun wusste er auch, weshalb. Langsam, um die Elben nicht zu reizen, holte er das Siegel aus einer seiner Taschen und warf es dem wartenden Elben zu, der es mühelos auffing.

„Ihr solltet dieses Siegel auch nach all den Jahren noch erkennen. Es zeigt, dass ich die Wahrheit sage."

Der Elbe betrachtete das Siegel eingehend, dann hob er den Blick wieder und sah Rivar erstaunt an. „Es ist wirklich echt."

Er gab ein kurzes Handzeichen. Augenblicke später schälten sich von allen Seiten die Silhouetten weiterer Krieger aus dem Zwielicht.

„Dann lasst mich passieren, damit ich Eurem Herrn übergeben kann, weswegen ich gekommen bin."

„Einer meiner Männer wird Euch geleiten." Der Elbe übergab das Siegel einem seiner Krieger, der es einsteckte und gleich darauf einen schrillen, eigenartigen Pfiff ausstieß. Momente später trabte ein Pferd aus den Tiefen des Waldes und blieb wie selbstverständlich neben seinem Reiter stehen.

„Ihr werdet ihm folgen und seinen Weisungen gehorchen. Denkt daran, wir sind nicht die einzige Patrouille, die dieses Tal bewacht."

Rivar nickte zustimmend und warf dem unterdessen bereits aufgesessenen Wächter einen fragenden Blick zu. „Nach Euch dann also..."

Sie ritten los.

***

Ein Fremder kam in das Dorf geritten, ohne sich um die erschreckten Blicke zu kümmern, die ihn von allen Seiten streiften. Er wusste, dass er allein mit seiner puren Anwesenheit die Gelassenheit der meisten Menschen dieses Gebietes erschütterte, und er genoss die furchterfüllte Stille, die ihn auf diese Art stets umgab. Auch hier trat jeder, der ihm begegnete, automatisch einen Schritt zurück und versuchte so schnell wie möglich im nächsten Haus oder hinter der nächsten Ecke zu verschwinden.

Der Mann trug einen schwarzen Umhang über der Schulter und der untere Teil seines Gesichtes war bis über die Nase mit einem dunklen Tuch verhüllt. Auf dem Kopf trug er ein gewickeltes Tuch, das seine Fremdartigkeit noch betonte. Nur seine Augen, die dunkel und finster ihre Umgebung musterten, waren sichtbar. Seine Haut schimmerte in einem samtigen dunklen Braunton und auch sonst wies alles an dem Fremden auf seine fremde Abstammung hin. Keiner der Dorfbewohner hatte je einen solchen Menschen gesehen. Sie vermochten nicht einmal mit Sicherheit zu sagen, ob es überhaupt ein Mensch war, der sich da mit furchteinflössender Selbstsicherheit durch ihr Dorf bewegte.

Der Fremde schien sich im Dorf auszukennen, obwohl keiner der Dorfbewohner ihn jemals hier gesehen hatte. Er ritt bis vor den Dorfladen und als er langsam von seinem Pferd stieg, konnten die Bewohner des Dorfes sehen, wie sein Umhang zur Seite wehte und einen breiten Säbel sichtbar machte. Im Gürtel des Fremden steckten Dolche und hinter seinem Rücken ragte der Griff eines Schwertes in die Höhe, das der dunkle Krieger dort gut verborgen in einer speziellen Halterung unter seinem Umhang trug.

Langsam und seine Umgebung immer wieder musternd, betrat der Fremde den Laden. Der Inhaber blieb wie erstarrt hinter seinem Tisch stehen, als er den unheimlich wirkenden Neuankömmling erblickte. Erfolglos versuchte er, nicht allzu offensichtlich zu zittern. Fieberhaft überlegte der Ladeninhaber, wie er es schaffen sollte, den Fremden nach seinen Wünschen zu fragen, denn er traute seiner Stimme in diesen Moment nicht einmal das leiseste Flüstern zu.

Der Fremde nahm ihm diese Mühe jedoch ab.

„Gebt mir ein Fläschchen Sytharm," sagte der Fremde und warf gleichzeitig eine Münze auf den Tisch. Seine Stimme war dunkel wie seine Erscheinung und sie klang, als ob er jegliche Gefühle abgelegt hatte.

Der Inhaber zitterte, als er sich rückwärts zu seinen Regalen bewegte. Ohne den Fremden aus den Augen zu verlieren, griff er blind auf die Seite mit den Flaschen und zog gleich darauf eine kleine gelbgefärbte Tonflasche hervor. Immer noch zitternd stellte er sie auf den Tisch. Nach der Münze zu greifen wagte er nicht.

„Ihr... Ihr wisst um... um die Wirkung, Herr?" stotterte der alte Mann mit heiserer Stimme, während sein Blick wie der eines panischen Tieres immer wieder zur Tür glitt.

„Ich kenne die Wirkung genau," erwiderte der Fremde mit einem so gequälten Blick, dass plötzlich, für die Dauer eines kurzen Augenblicks, Mitleid in dem Ladeninhaber erwachte. Es lag so viel Schmerz im Blick des Fremden, dass sich der alte Mann zu fragen begann, warum ein offensichtlich so starker Krieger wie dieser des Lebens müde zu sein schien.

Sytharm war eine bernsteinfarbene Flüssigkeit, die in verdünnter Form Alkohol beigemengt wurde, um ihren berauschenden Effekt zu verstärken. Die Droge wurde hauptsächlich von Menschen eingenommen, die so der Wirklichkeit für eine kurze Zeit zu entfliehen versuchten. Je öfter man sie einnahm, desto kürzer wurde die Wirkung, die man mit ihr erzielte. War der Rausch erst einmal verflogen, traf den Süchtigen dann die Realität umso schmerzhafter. Im Volk hieß es, dass Sytharm den Blick des Dunklen weckte, wenn man so unvernünftig war, es zu nehmen.

Natürlich kannte auch der alte Ladeninhaber diese Erzählung, doch bisher hatte er sie immer für übertrieben gehalten. Ein Blick in die in einem unheilverkündenden Feuer glühenden Augen des Fremden belehrte ihn jedoch eines Besseren.

Als der Fremde seinen Umhang zur Seite schlug, um das Fläschchen in einer Seitentasche zu verstauen, sah der alte Mann ein ihm unvertrautes Wappen auf der Scheide des Säbels, den der Fremde am Gürtel trug. Das Zeichen war kunstvoll mit funkelnden kleinen Edelsteinen eingelegt und zeigte einen blauen Halbmond, über dem drei gelbe Sterne leuchteten.

„Sagen Euch die Namen Aradoran und Be'nat Rivar'Odan etwas?" fragte der Fremde und durchbohrte den Mann förmlich mit seinem Blick.

„N...nein, Herr!" Die Stimme des Dorfbewohners zitterte noch stärker als zuvor. Ein leichter Schweißfilm bildete sich auf seiner Stirn. Dem Ladeninhaber war, als müsste der Fremde seine Angst riechen können, doch der musterte ihn nur noch kurz und wandte sich dann ab. Er hatte keine andere Antwort erwartet.

Die Wege des Dorfes waren wie leergefegt, als er draußen wieder auf sein Pferd stieg. Der Fremde hörte, wie der Ladenbesitzer hinter ihm die Tür verriegelte und krachend die hölzernen Fensterläden schloss.

Ein eisiges Lächeln, das unter dem Tuch verborgen blieb, überflog sein Gesicht. Es war jedes Mal so. Schon sein bloßer Anblick schlug die Menschen in die Flucht. Doch es kümmerte ihn nicht. Für ihn zählte nur eines: Er wollte die beiden Menschen, die das ihm vorhergesagte Schicksal in einem einzigen Augenblick zerstört hatten, finden und ihrem Leben ebenfalls jeden Sinn nehmen. Sie würden zu seinen Füßen ihr Leben aushauchen, doch vorher würde er ihnen zeigen, wie viel Schmerz ein menschlicher Körper empfinden konnte, ehe das Leben endlich daraus entfloh.

Langsam ritt er aus dem Dorf. Er war sich der zahlreichen versteckten Augenpaare bewusst, die ihn beobachteten.

Wahrscheinlich beten sie zu den Valar, mich nie wieder sehen zu müssen, dachte er. Er wußte, dass ihr Wunsch bald in Erfüllung gehen würde, da er in diesem Teil Mittelerdes nicht fündig geworden war.

Fürchtet euch nur weiter, dachte er bitter und verlor sich für einen Moment in dem Gedanken, nicht der Einzige zu sein, der litt. Das ist nichts im Vergleich zu der Furcht, die jene fühlen werden, die mir dieses Schicksal angetan haben – Aradoran und Be'nat Rivar'Odan. Sie werde ich die wahre Furcht lehren: die Furcht vor dem Leben!

Jedes Leben in seinen Augen schien erloschen, als er unter diesen Gedanken den Dorfrand erreichte und gleich darauf mit der Dämmerung des angrenzenden Waldes verschmolz.

***

Etwa eine Stunde lang führte der Elbenkrieger Rivar auf verschlungenen Pfaden durch den Wald nach Westen, bis die Bäume unversehens vor ihnen zurückwichen und den Blick auf ein wundervolles Tal freigaben.

Ich hatte ganz vergessen, wie schön es hier ist, dachte Rivar und spürte nicht, wie der magische Friede dieses Ortes sich auch auf seinen Zügen widerzuspiegeln begann. Währendessen ritten sie langsam einen schmaleren Bergpfad entlang, der ihn und seinen Begleiter zum Talgrund hinabführte und vor einem kunstvoll verzierten steinernen Torbogen endete. Die dort stehenden Wachen sahen ihnen bereits abwartend entgegen.

Schließlich zügelte er sein Pferd. Der Elbe, der ihn begleitet hatte, erklärte den Wachen die Situation mit so leisen Worten, dass Rivar sie nicht verstand. Gleich darauf bedeutete man ihm mit einer Handbewegung, in den Innenhof zu reiten.

Rivars Begleiter griff in seine Tunika und zog das Siegel hervor, das er dem Einsiedler zurückgab. Dann neigte er zum Abschied kurz den Kopf, ehe er das Pferd wendete und davon ritt. Rivar hatte kaum ein paar Momente lang Zeit, ihm nachzusehen, dann riss eine Stimme ihn aus seinen Gedanken. „Steigt bitte ab und folgt mir. Euer Pferd könnt Ihr hier lassen. Wir werden es versorgen."

Er wandte sich um.

Vor ihm stand ein in dunkelgraue Seidenroben gekleideter Elbe, dessen langes helles Haar im Licht der Nachmittagssonne golden schimmerte.

Wortlos stieg er ab und legte die Zügel seines Reittieres in die Hände eines wartenden Bediensteten, dann folgte er dem Elben, der ihm bereits in Richtung auf das Schloss vorausgegangen war.

Nie zuvor hatte Rivar ein von Elben erbautes Gebäude von innen gesehen. Um so stärker faszinierte ihn nun das, was er in den Zimmern sah. Großzügig angelegte, geschwungene Fenster ließen an beinahe jeder Seite Luft und Licht in das Innere der weiten Räume, die Wände wurden von verspielt aussehenden Mustern bedeckt und selbst die Einrichtung – mannshohe Kerzenständer, breite Regale und zierlich wirkende Schränke, Tische, Sessel und Stühle – waren auf unaufdringliche Weise mit Ornamenten überzogen. Sogar der Boden war mit solchen Mustern geschmückt.

„Wir sind da!" Der Elbe war stehengeblieben. „Lord Elrond befindet sich in Moment bei seinen Beratern, aber ich werde ihn über Euer Ansinnen unterrichten."

„Gebt ihm das hier!" Rivar streckte dem Elben das Siegel hin, das er noch immer in der Hand hielt und das dieser nun zögernd nahm. „Er wird es wiedererkennen und Zeit für mich haben."

„Wartet bitte hier. Es wird nicht lange dauern."

Der Elbe verschwand in einem Gang, der vom hinteren Teil des Raumes tiefer in das Schloss hineinzuführen schien, während Rivar zu einem der Fenster hinüberging. Der Blick, der sich ihm von dort eröffnete, war fast genauso spektakulär wie vom oberen Bergkamm aus, denn in einiger Entfernung rauschte die machtvolle Kaskade eines Wasserfalls ins Tal und versprühte ihre Gischt wie einen feinen Schleier über die Umgebung. Allein dieser Anblick war märchenhaft genug, sich auf lange Zeit darin zu verlieren. Um so überraschender riss ihn schließlich die Stimme des goldhaarigen Elben aus seiner Verzauberung.

„Lord Elrond bittet Euch, in seine Privatgemächer zu kommen. Wenn Ihr mir also folgen wollt..."

Rivar begleitete den Elben durch einen langen, hohen Gang, der zu einer geschwungenen, hölzernen Wendeltreppe führte. Am Ende dieser Treppe lag ein weiterer Gang, der sich an seinem Ende in zwei Richtungen gabelte. Rivar folgte dem Diener, der nach rechts ging, schließlich vor einer mit reichen Schnitzmustern geschmückten Tür stehenblieb und leise klopfte, ehe er die Tür öffnete und ins Innere sah.

„Der Mensch Be'nat Rivar'Odan, der Euch zu sprechen wünscht, ist jetzt hier, mein Lord."

„Lass ihn eintreten," erklang eine ruhige, dunkle Stimme aus dem Inneren des Raumes. Ihr Klang versetzte Rivar unwillkürlich einen Schock. Er kannte diese Stimme! Über fünfzehn Jahre war es nun her, dass er sie zum letzten Mal gehört hatte, damals zwar weniger kräftig und meist sehr leise, doch es war unverkennbar das gleiche samtige Timbre, die gleiche beruhigende Art, mit der die Worte ausgesprochen wurden. Rivar hatte nie im Leben erwartet, sie noch einmal zu vernehmen.

ER ist Arathorns Elbenfreund? Es traf den alten Einsiedler wie ein Schlag. Das kann nicht sein...

Plötzlich schienen seine Beine doppelt so schwer zu sein, als er sich – wie er glaubte – mühsam zur Tür bewegte und schließlich ins Zimmer trat.

Der Herr Bruchtals stand an einem der Fenster des Raumes, doch sein Blick war unverwandt auf das Siegel gerichtet, das er in seinen langen, schlanken Fingern hielt und von allen Seiten betrachtete.

„Ihr...?" Rivars Kehle schien wie zugeschnürt zu sein. Mehr als dieses eine Wort brachte er nicht heraus, doch es genügte, um Elronds volle Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Das Studium des Siegels war schlagartig vergessen, als der Elbenherrscher den Kopf hob und jenes Antlitz erblickte, das er seit langen Jahren vergeblich wiederzusehen gehofft hatte. Selten hatte sich in Elronds Blick größere Fassungslosigkeit widergespiegelt als in diesem Moment. Ebenso langsam wie zuvor Rivar ging der Elbenfürst auf den Menschen zu, der noch immer wie angewurzelt an der mittlerweile geschlossenen Tür stand und ihn wie einen Geist anstarrte.

Schließlich hatte er Rivar erreicht. Elrond blieb vor ihm stehen, betrachtete den alten Mann lange, bis seine Verblüffung schließlich unverhohlener Freude wich. „Als mein Diener mir mitteilte, dass einer von Arathorns Männern mich zu sprechen wünscht, ahnte ich nicht, Euch zu treffen. Seid willkommen in Bruchtal, mein Freund! Euch verdanke ich mein Leben!"

***

wird fortgesetzt

Shelley: Schön, dass wir dir mit dem etwas früheren Posten des 6. Kapitels eine Freude machen konnten.  Zugegeben: es hatte reichlich Streitpotential, aber wäre das nicht so, wären die späteren Aktionen nicht so gut motiviert, wie sie sein müssen, um glaubhaft zu bleiben. Die späteren Katastrophen müssen sich ja auch irgendwie erklären... Dass sich die verschiedenen Parteien wieder zusammenraufen, steht außer Frage. Wenn du wissen willst, wann und vor allem wie das geschieht, bleib einfach dran.

Dragon-of-the-north: Vielen Dank für dein ausführliches Lob! Es ging uns runter wie das sprichwörtliche Öl... *g* Wir haben für deine Klausur die Daumen gehalten. Hoffentlich hat's gewirkt! Was die Auswirkungen des Fledermausgiftes angeht, so dämmerte uns erst nach und nach, was wir mit diesem Teufelszeug alles tun können: Leser im Ungewissen halten, Protagonisten zum Seelenstrip bringen... Du siehst: es ließ uns gleich mehrere Flie... äh, zukünftige Motivations-Probleme mit einer Fledermausgift-Klappe schlagen. *eg*  Die Glorfindel vs. Aragorn-Szenen waren für verschiedene zukünftige Entwicklungen wichtig, in denen der sonst in den Fanfics meist eher stiefmütterlich behandelte Glorfindel samt seinem manchmal hitzigen Kämpfertemperament noch eine sehr wichtige Rolle spielen wird. Aber mehr wird nicht verraten.

Nilbrethiliel: Danke für deine lieben Worte. Hey, bitte erwürg Glorfindel noch nicht!!! Wir brauchen ihn später noch dringend!!! *Autorinnen blättern  hektisch in den zukünftigen Manuskriptseiten herum* Also: wenn du nur ein bisschen mit ihm „spielen" willst, geht das klar, aber wir müssen ihn später auch noch hin und her schubsen können, also lass bitte alles wichtige dran, okay?! Und an uns bitte auch... *Autorinnen sehen sich angesichts einer drohend nahenden Nilbrethiliel plötzlich seeeeeehr besorgt nach ihrem Wurfgeschoß- und Verhau-sicheren Privat-Schutzbunker um*

Deine Idee, Legolas mit einer Bratpfanne aufzulauern, hat bei mir [Salara] Besorgnis geweckt. Unser aller Lieblingsprinz hat noch sehr schwere Tage vor sich – da kann er keine Beule oder gar Schlimmeres gebrauchen. Allerdings fürchten wir, dass sich der Gute zum Ende unserer Geschichte bestimmt auch so etwas wie eine Bratpfanne suchen, mit deren Hilfe er dann einem oder zwei sonst geschätzten Mittelerde-Mitbürgern Verstand einprügeln wird.

Luinaldawen: Du hast dir einen sehr schönen und ansprechenden neuen Namen zugelegt, obgleich Atlantis auch nicht übel war. Was Legolas und seine beiden Fledermausgift-geplagten Reisegefährten angeht, so wird ihr Schicksal erst in den kommenden Kapiteln zur Zufriedenheit aller geschildert werden. Diesmal sind erst mal wieder Aragorn und Rivar dran. Immerhin wird es langsam Zeit, dass auch diese beiden ihrem Verhängnis... äh, Schicksal begegnen.

Evala: Wir fühlen uns sehr geehrt, dass du dir trotz deiner zeitlichen und durch die Lebensumstände bedingten Probleme einen Moment genommen hast, um uns eine kurze Review zu schicken. Wir wünschen dir, dass sich alles zu deiner Zufriedenheit lösen wird und hoffen, dass du der Geschichte trotzdem treu bleiben kannst.

MysticGirl: Tut uns ja leid, aber deinen Elrond-Wunsch - Zitat: „Quält ihn nicht allzu lange..." können wir dir nicht erfüllen. Er hat einen nicht unwesentlichen Anteil an den Dingen, die irgendwann in den nächsten 3 oder 4 Kapiteln über alle hereinbrechen werden... Zwangsvollstreckungen wird's in Mittelerde wohl unter einer anderen Bezeichnung geben. Zwangsräumungen mit Sicherheit auch, oder wer glaubt wirklich an Gandalfs Version von der Mithril-Gier der Moria-Zwerge? Von wegen! Das sollten bestimmt alles Unterkünfte für zwangsgeräumte Monster, Orks und andere Wesenheiten werden. Hey: ein feuriger „neuer Bewohner" war zu Zeiten der Fellowship schließlich schon eingezogen... *bg*

BlackPearl: Dass dich die Kapitel bislang zu verzaubern vermochten, freut uns aufrichtig. Wir werden uns bemühen, dass das so bleibt! Um noch mal auf Glorfindels Verhalten zu kommen: Als Elbe hätte er natürlich ruhigere Worte finden können, doch dann hätte Aragorn nicht so reagiert, wie er es in diesem Kapitel getan hat. Doch das musste er, damit unsere Geschichte später funktioniert. Das klingt jetzt reichlich rätselhaft für dich? Keine Sorge: hinterher wirst du wissen, was wir jetzt nur verschwommen andeuten können. Ansonsten ist ein bisschen Unüberlegtheit die beste Basis für späteren Heldenmut, sagen wir nur! Und was Legolas angeht: Klar wird er die Fledermäuse irgendwie überstehen. Sonst könnten wir ihn ja später nicht erneut durch die Mangel drehen...

Nili: ManuKu: Hast du das eben gespürt?  Salara: Nee, was denn?  ManuKu: Irgendwas ist da eben an uns vorbeigesaust!  Salara: Aha, das muss dann wohl Review Nr. 53 gewesen sein.

ManuKu: Richtig, die, die man in den Zahlen schon sehen, aber noch nicht Schwarz auf Blau lesen konnte!

Hi Nili, da hast du aber Sockendampf gegeben. Wir haben diesen Freitag extra noch ein wenig länger mit dem Updaten gewartet, um zu sehen, wer von uns die Wette gewonnen hat. Salara tippte darauf, dass nur du es sein kannst und ManuKu musste das Gegenteil behaupten, weil es ja sonst keine Wette gewesen wäre! *g* Hey, ist doch schön, wenn deine Wochen quasi nur aus Wochenenden bestehen. Das bedeutet, dass du ein sehr ausgefülltes Leben hast! Glückwunsch! *bg* Unseren zarten Legolas, der wie eine Gazelle über die Wiese hüpfen kann mit einem Old Shatterhand zu vergleichen? Wer ist hier nicht ganz Gaga???

Elrohir/Elladan *im Chor*: Nili, Nili, Nili!

Ganz lieben Dank für deine bildsprachengewaltige Review!

In diesem Sinne wünschen wir allen Lesern eine schöne Woche!