### Und wieder ein neues Kapitel für euch da draußen!

### Ihr erfahrt etwas mehr über eine Prophezeiung... ein wenig mehr über den Bösen in dieser Geschichte... Lord Elrond hat auch ein wenig zu leiden...

### Aber wisst ihr was? Lest doch selbst und macht uns mit einer kleinen Review glücklich! *bg*

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Schuld und Sühne

von:
Salara und ManuKu

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~TEIL 11~

Aragorn wurde von den Sonnenstrahlen geweckt, die durch das Fenster direkt auf sein Gesicht fielen und mit ihrer Helligkeit die Spinnweben des Schlafes aus seinem Kopf vertrieben. Erst Sekunden später begriff er, dass noch etwas anderes da war, das ihn quälte: ein Brennen in den noch schlafmüden Augen, eine unangenehme Wärme, die nicht nur auf seiner Stirn zu spüren war, und ein dumpfer Schmerz in den Gliedern, der nicht allein nur von der Tatsache herrühren konnte, dass er aus irgendeinem Grund im Sessel übernachtet hatte.

Ein wenig desorientiert richtete er sich auf und spürte im nächsten Moment ein Buch, das zwischen ihn und die Sessellehne gerutscht war. Diese neue Entdeckung ließ ihn erst einmal alle Schmerzen vergessen.

Was ist das? Irritiert zog er den ledergebundenen Band heraus. Es dauerte einige – für ihn ungewöhnlich lange – Augenblicke, bis die Erinnerung an den vergangenen Abend zurückkehrte.  Rivars Tagebuch mit den Erinnerungen an meinen Vater!

Vorsichtig legte er es auf den kleinen beistehenden Tisch. Dann stand er mit einem leisen Stöhnen auf. Unvermittelt begann sich die Welt um ihn zu drehen. Haltsuchend griff er nach der Sessellehne, stützte sich dort ab und wartete, bis der Schwindel verflogen war.

Was war das denn?

In der Annahme, dass er sich zu schnell erhoben hatte, verharrte Elronds Ziehsohn noch einen Moment, ehe er wieder die ersten Schritte in den Raum hineinmachte. Schon nach zwei Schritten durchfuhren ihn die mittlerweile fast schon vertrauten Schmerzen aus der verletzten Fußsohle.

Der Fuß scheint inzwischen auch nicht besser geworden zu sein.

Behutsam bewegte sich Aragorn zu seinem Bett hinüber, zog den Schuh aus und begutachtete die Schnittwunde auf seiner Fußsohle.

Trotz der Behandlung mit der Darsurion-Lösung hatte sich die Entzündung in der Wunde nicht gegeben. Eher im Gegenteil. Das Rot der die Wunde umgebenden Haut begann sich inzwischen dunkelrot zu verfärben und der Schnitt hatte sich auch nicht wieder verschlossen.

Da muss ich nicht erst Vaters Meinung einholen, um zu wissen, dass das nicht gut aussieht. Verdammt...

Aragorn schnaufte verärgert.

Und Schuld ist nur meine verfluchte Kletterpartie gestern im Park. Warum wich ich dem Gespräch mit Glorfindel aus, statt ihm sofort wieder gegenüber zu treten? Aber nein – ich musste ja unbedingt stur sein. Und das habe ich jetzt davon!

Er hätte sich noch nachträglich für sein unbesonnenes Verhalten ohrfeigen können, doch der rationalere Teil von ihm wusste, dass das auch nichts mehr am Vorgefallenen ändern würde. Alles, was ihm blieb, war, einen Zeitpunkt abzupassen, zu dem er Elrond die Wunde zeigen konnte, ohne dass der Elbenherrscher ihn sofort für Tage mit irgendwelchen Mitteln bewegungs- und handlungsunfähig machen konnte. Was nichts anderes bedeutete, als dass dieser zuerst die Verletzung seines menschlichen Ziehsohns versorgen, ihm danach eine längere Strafpredigt über Aufrichtigkeit und Vorsicht halten und ihn zum guten Schluss für geringstenfalls ein bis zwei Tage mit seinen Tränken in den Schlaf schicken würde, damit die Wunde heilen konnte.

Aragorn wusste die Besorgnis seines Adoptivvaters zwar zu schätzen, doch der unbesonnenere Teil von ihm hielt sie angesichts der zu erwartenden Folgen für viel zu übertrieben.

Ein Mittel, das die Entzündung aus der Wunde nahm und vielleicht noch ein Kraut gegen das lästige Fieber, das durch seine Adern rann, sollten eigentlich genügen, fand der junge Mann.

Die Aussicht, noch für eine gewisse Zeit Schmerzen, Entzündung und Fieber selbst bekämpfen zu können und damit einem wütenden Elrond aus dem Weg gehen zu können, ließ ihn die verspannten Glieder recken. Ungewollt begann Aragorn zu lächeln, als er sich seiner Bewegungen schließlich bewusst wurde.

Fieber hin oder her - eine Nacht in einem Sessel zu verbringen ist fast vergleichbar mit einer jener Übernachtungen in einem Baum, die Legolas so bevorzugt.

Aragorn behandelte die Wunde erneut mit Darsurion, dann kleidete er sich um und ging in die Halle hinunter, wo die Diener bereits das Frühstück serviert hatten. Es besorgte ihn etwas, dass Rivar nicht erschien, und so beschloss er beim Hochgehen, nach dem alten Mann zu sehen. Vorher machte er jedoch einen kleinen Umweg über die Kräuterkammer. Nach längerem Suchen fand er ein stärkeres Schmerzmittel sowie eine Kräutermischung, die fiebersenkende Eigenschaften besaß.

Na bitte, dachte er, als er in sein Zimmer zurückkehrte. Das bekomme ich auch allein in den Griff. Davon muss Vater nicht einmal etwas erfahren.

Vergessen waren alle guten Vorsätze spätestens in jenem Moment, als die Heilmittel ihre Wirkung vollends entfaltet und Fieber und Schmerzen bis zur Bedeutungslosigkeit zurückgedrängt hatten.

Aragorn überlegte sich gerade, nun kurz in Rivars Zimmer vorbeizuschauen, als es leise klopfte.

 „Ja?"

Die mit geschwungenen Ornamenten reich verzierte Tür wurde einen Spalt breit geöffnet. Gleich darauf schob sich Rivars grauer Schopf ins Zimmer. Mit verlegenem Blick sah er Aragorn an, der ihn hereinwinkte.

„Komm nur, Onkel Rivar."

Der so Angesprochene trat eher zögernd in den Raum und sah sich verstohlen um.

„Schön hast du es hier..." Sein Blick blieb an den Fenstern hängen. Die morgendlichen Sonnenstrahlen krochen langsam in das Zimmer und hoben die hölzerne Elemente der Möbel mit einem besonders weichen Licht hervor. „Wirklich schön."

„Ich wollte gerade nach dir sehen. Wir haben dich beim Frühstück vermisst."

Schlagartig sah Rivar zu Boden. Man konnte spüren, dass ihm dieses Thema unangenehm war.

„Ich fürchte, zum ersten Mal in meinem Leben habe ich über den Sonnenaufgang hinaus geschlafen..." sagte er und wich Aragorns forschendem Blick aus.

Der registrierte das sofort. Ohne jedoch sofort etwas zu erwidern, ging er auf den Balkon hinaus und winkte Rivar zu sich, der Momente später an seine Seite trat. Schweigend genossen beide eine Weile die kristallklare Luft.

„Und warum bist du wirklich nicht zum Frühstück gekommen, Onkel Rivar?" fragte Aragorn irgendwann leise und musterte den älteren Mann.

Dieser drehte sich daraufhin zu ihm um. „Bitte, nenn mich nur Rivar. Ich fühle mich sonst noch älter, als ich schon bin. Als du noch ein kleiner Junge warst, habe ich dir den „Onkel" durchgehen lassen. Doch damit ist jetzt Schluss, verstanden?"

„Wie du wünschst, Rivar!" antwortete Aragorn mit ernster Miene, doch seine Augen glitzerten verdächtig.

„Braver Junge!" Rivar stimmte in das Lachen mit ein, das gleich darauf aus Aragorn hervorbrach. Dann wurden beide wieder ernst.

„Warum bist du nun nicht zum Frühstück gekommen? Du musst doch hungrig sein." Aragorn war entschlossen, nicht locker zu lassen.

„Weißt du, nach so langer Zeit in der Einsamkeit kann ich die Gegenwart so vieler, noch dazu Elben, nicht ertragen. Kannst du das verstehen?" Fragend und um Verständnis bittend sah Rivar ihn an.

Aragorn wusste aus den Aufzeichnungen, dass Rivar manchmal monatelang keinen Menschen, geschweige denn einen Elben gesehen hatte.

„Ich kann mir kaum vorstellen, wie es sich anfühlen muss," gab Aragorn leise zu. Außerdem war es ganz gut, dass du nicht dabei warst. Elrohir und Elladan haben geredet und geredet. So etwas am frühen Morgen kann einen für den ganzen Tag unbrauchbar machen. Dich hätte das Gerede sicher auf längere Zeit betäubt."

Aragorn bemerkte gar nicht , dass beim Gedanken an seine zwei elbischen Brüder ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen lag.

„Du liebst sie sehr, richtig?" fragte Rivar nachdenklich.

„Sie sind die einzige Familie, die ich habe. Ich liebe sie und ich weiß, dass es ihnen mit mir ebenso geht. Sie lassen es mich jeden Tag spüren."

Beide Männer schwiegen einen Augenblick.

„Es tut mir leid," sagte Aragorn plötzlich.

Rivar sah ihn fragend an. „Was tut dir leid?"

„Es tut mir leid, dass das Schicksal nicht nur meiner Familie, sondern auch dir so schrecklich mitgespielt hat."

„Wie meinst du das?"

„Hättest du meinen Vater nicht kennengelernt, würdest du noch immer in deiner Heimat leben, unter deinesgleichen, und hättest die Südlande nie verlassen. Und ohne Elronds Zutun hättest du mich nie für tot gehalten. Dir wäre die Einsamkeit erspart geblieben. Vielleicht hättest du sogar glücklich werden können..."

Aragorn schwieg hilflos, weil ihm plötzlich die Worte fehlten.

„Ich bin glücklich, Aragorn." Rivar trat dichter an ihn heran und sah ihm fest in die Augen. „Jetzt bin ich es wieder."

Aragorn wich dem Blick nicht aus. Er konnte die Wahrheit im Blick des älteren Mannes erkennen.

„Du weißt noch nicht, wie schön es ist, wieder Hoffnung zu haben, wo vorher nur noch eine unerträgliche Leere war." Rivar legte Aragorn eine Hand gegen die Wange, als wollte er sich der Gegenwart Aragorns vergewissern. „Ich weiß jetzt, dass du lebst, und dieser Gedanke gibt mir mehr Kraft, als du dir je vorstellen kannst..."

Ein unvermitteltes Klopfen unterbrach ihn. Beide Männer sahen zur Tür.

„Herein!"

Die Zimmertür öffnete sich und Elrond trat ein. Eigentlich hatte der Elbe fragen wollen, weswegen Aragorn am Vorabend in seine Gemächer gekommen war und damit das Gespräch zwischen ihm und Rivar unerwartet unterbrochen hatte. Rivars Anwesenheit ließ Elrond diese Frage jedoch verschieben. Er lächelte den alten Mann freundlich an.

„Wie geht es Euch heute, mein Freund?"

„Es geht mir gut." Rivar wirkte angesichts der ungewohnten Aufmerksamkeit sehr verlegen. „Eure Gastfreundschaft ehrt Euch. Ich fühle mich wohl in Eurem Haus."

Der Elbe nickte kurz. „Und doch wollt Ihr nicht bleiben, wie Aragorn mir heute früh erzählte."

„So gut es mir bei Euch auch gefällt, aber ich kann nicht." Hilflos schüttelte Rivar den Kopf. „Mir fehlen die Worte, um es anders auszudrücken, aber ich habe das unbestimmte Gefühl, noch etwas tun zu müssen, bevor meine Lebenslinie endet. Wohin mein Weg mich noch führen wird, werde ich sehen."

Elrond lauschte den Worten des alten Mannes nach, während er seinen menschlichen Sohn nachdenklich ansah.

Etwas an Aragorn erschien ihm anders an diesem Morgen, doch noch vermochte sich der Verstand des Elben keinen Reim auf den Anblick zu machen. Aragorn wirkte angespannt,  fand Elrond, doch noch während er seinen menschlichen Sohn musterte, bemerkte dieser den Blick und zog in einer stummen, fragenden Geste die Augenbrauen hoch.

Elrond schüttelte leicht den Kopf. Was hätte er seinen menschlichen Sohn auch fragen sollen? Ihm war selbst nicht klar, was ihn an Aragorns Anblick irritierte und so wandte er sich wieder Rivar zu.

„Wenn Ihr uns also verlassen wollt, so möchte ich Euch um etwas bitten, Rivar'Odan."

 „Was immer Ihr wünscht, ich werde es tun!"

„Ich bat Euch gestern schon darum, doch ich möchte es heute nochmals betonen. Dass Aragorn, der Sohn Arathorns, noch lebt, muss ein Geheimnis bleiben. Er ist weiterhin Estel, das menschliche Findelkind. Es gibt zu viele Feinde dort draußen, die – wüssten sie die Wahrheit – nicht abwarten würden, um herauszufinden, ob aus ihm wirklich die Hoffnung der Menschheit werden könnte."

„Ich verstehe!"

„Es gibt da noch etwas! Aragorns Vater war damals nicht zufällig in den südlichen Landen, als er in Gefangenschaft geriet. Er war dorthin aufgebrochen, weil ihn die Kunde erreicht hatte, dass eine schreckliche Gefahr in den fernen Gestaden erwachse. Er hat mir später nie alle Einzelheiten erzählt, nur, dass in jenen Tagen ein Unheil gebannt worden war, das mächtig genug gewesen wäre, ganz Mittelerde zu bedrohen. Der Preis, den er dafür zahlen würde, war jedoch hoch, denn er sagte mir, dass er die Vergeltung eines Südländers auf sich und seine Familie gezogen hätte. Ihm würde unversöhnlicher Zorn folgen, wohin er auch ginge, sagte er. Erst nach seinem Tod habe ich begriffen, wie nahe ihm die Späher jenes Südländers bereits gekommen waren..."

Rivar schüttelte den Kopf und wandte sich wieder dem Fenster zu.

„Glaubt mir, Lord Elrond, Südländer und allen voran der Dunkle Istari geben ihre Rache nie auf. Sie wird, wenn erforderlich, sogar weitervererbt..."

„Was sagtet Ihr da eben?" unterbrach Elrond den Menschen. Der Elbe sah aus, als hätte ihn der Schlag getroffen. „Der Dunkle Istari?"

Aragorn sah fragend zwischen Elrond und Rivar hin und her. Es schien, als hätte sein elbischer Ziehvater von dem bereits im Tagebuch erwähnten Dunklen Istari schon gehört.

„Wer oder was ist der Dunkle Istari?" fragte Aragorn, der nun neugierig geworden war.

„Mein Sohn, der Dunkle Istari war bisher nicht mehr als ein Mythos," begann der Elbenfürst zu erzählen. „Vor unendlich langen Zeiten kamen fünf Istari nach Mittelerde, um die Freien Völker zu einen und zu beraten, wenn es zur letzten Großen Schlacht kommt. Es heißt, sie seien Maiar des Lichts, und so wie sie gibt es auch Maiar der Dunkelheit Melkors. Dies sind schreckliche Wesen wie die Balrogs. Ehe Melkor in die Leeren außerhalb von Ea verstoßen wurde, gelang es ihm, die Schatten seiner Bosheit und seiner Lügen über die Herzen von Elben und Menschen gleichermaßen zu verteilen, um zumindest diesen Teil seines Wesens zu retten."

Elrond schwieg einen Augenblick, um seine Gedanken zu ordnen und seinem Sohn verständlich zu machen, was damals in jenen längst vergangenen düsteren Zeiten geschehen war.

„Sein treuester Diener Sauron versuchte immer wieder, jenes Erbe seines Herrn zu sammeln und für sich zu nutzen, doch stets konnte in letzter Minute verhindert werden, dass er ans Ziel gelangte. Schließlich beraubte ihn dein Vorfahre Isildur in der Großen Schlacht durch seine mutige Tat endgültig seiner letzten körperlichen Hülle und vereitelte damit jede Möglichkeit, dass Sauron über Mittelerde herrschen konnte. Eine Prophezeiung besagt nun, dass Saurons Geist eines Tages erneut ein sterbliches Wesen finden wird, in dessen Hülle er schlüpfen kann. Auf diese Weise würde er es schaffen, Melkors Bosheit zu sammeln und sie sich als dunkle Magie nutzbar zu machen. Mit ihrer Hilfe will er jenes eine Besitztum wiedererlangen, nach dem ihn stärker verlangt als nach allem anderen. Dieses Wesen, das Saurons Essenz und Macht dann in sich trüge, würde man den Dunklen Istari nennen. Gleich den Vertretern des Lichts würde er seinen Weg in diese Lande suchen, um Saurons dunkle Wünsche in dieser valarfreien Welt auszuleben. Wenn es diesen sechsten Istari inzwischen wirklich gibt, dann ist er ein Feind, dessen Zorn man sich niemals willentlich zuziehen sollte, weil es nichts gibt, das ihm entgegenzusetzen wäre."

Rivar starrte Elrond an, als hätte dieser soeben den Tag seines Sterbens verkündet. „Ich hasse es, das zu sagen, aber ich wünschte, Ihr hättet mir all dies nie erzählt. Jetzt begreife ich erst, warum Arathorn stets so besorgt war, obwohl ich uns hier in Sicherheit wähnte. Mein damaliger Herr..."

Rivars Blick wechselte zu Aragorn.

„...der deinen Vater in den Südlanden gefangen hielt, war ein Anwärter auf diese dunkle Kraft. Jeder in Ankaradas wusste es, doch ich glaube, kaum einer ahnte, was das wirklich bedeutete. Auch ich maß dem keine größere Bedeutung bei, als ich noch in den Südlanden lebte. Bei unserer Flucht müssen wir seine letzte Prüfung gestört haben, denn es war allgemein verkündet worden, das ihm am Tag nach der Schattenzeremonie die Macht eines Dunklen Istari zur Verfügung stehen würde. Das würde erklären, warum beinahe alle Krieger der Südlande sich auf unserer Spur gemacht haben. Es ist mir selbst heute noch ein Rätsel, wie wir trotz allem entkommen konnten..."

Plötzlich schimmerte Verstehen in den grünen Augen Rivars auf, über dem jedoch auch  deutlich erkennbar, die Furcht lag. „Er hat durch deinen Vater und mich offenbar alles verloren, was ihm geweissagt worden war. Er hätte der Dunkle Istari werden können... Er wird nicht eher ruhen, bis ich und alle Nachkommen Arathorns bis ins letzte Glied vernichtet worden sind."

Aragorn wusste nicht, was er erwidern sollte. Eindringlich war ihm soeben klar gemacht worden, warum es so wichtig war, dass er für den Rest der Welt weiterhin Estel blieb. Langsam sah er seinen Pflegevater an, dessen Miene so ernst wie nie zuvor war.

„Hast du das alles gewusst, adar?"

Elrond schüttelte den Kopf. „Nein, nur ein Teil war mir bekannt. Dein Vater hat nie darüber gesprochen, was während der Zeit seiner Gefangenschaft geschehen war. Er sagte mir nur, die Gefahr für Mittelerde wäre vorerst gebannt und bat mich eindringlich, auf dich acht zu geben, falls ihm etwas zustößt. Dabei erwähnte er, dass stets nach einem ganz besonderen Wappen Ausschau gehalten werden solle: nach einem Halbmond mit drei darüber liegenden Sternen. Wer dieses Wappen trüge, bringe seinem Sohn und ihm den Tod."

Der Elbe war immer leiser geworden. Während er gesprochen hatte, war er ans Fenster von Aragorns Zimmer getreten. Jetzt sah er hinaus auf das Tal, das – wie dem ernsten Thema zum Hohn – in strahlendem Herbstsonnenlicht gehüllt war.

„Erst, als die sterbliche Hülle deines Vaters vor mir lag, erblickte ich jenes Wappen an einem Schild, auf dem man einen Verwundeten hierher gebracht hatte. Ich begriff, dass – wer auch immer Arathorn jagte – ganz in der Nähe sein musste. Mit seiner Warnung im Ohr und dem Versprechen, das ich ihm gegeben hatte, sah ich nur einen Ausweg. Ich rief deine Brüder, Lord Glorfindel und einige wenige Vertraute zusammen und ließ sie schwören, deinen Namen und deine Identität geheim zu halten. So wurdest du zu Estel, dem menschlichen Findelkind... zu meinem Sohn."

Aragorn starrte seinen elbischen Vater an, als könnte allein die Kraft seines Blickes den Herrn von Bruchtal dazu bewegen, ihn anzusehen. Doch Elrond wandte ihm nach wie vor den Rücken zu. Plötzlich war Rivar von beiden völlig vergessen.

Mit weichen Knien, die bei jedem Schritt nachzugeben drohten, trat Aragorn langsam an seinen Ziehvater heran, bis die zwei schließlich nur noch eine Armlänge trennte. Aragorn starrte Elrond an und folgte einer plötzlichen Ahnung.

 „Du sagtest mir damals, dass meine Mutter zusammen mit meinem Vater beim Angriff der Orks ums Leben kam." Aragorns Stimme klang wie erstickt. „Ist das wahr?"

Die Unsicherheit und die Schuldgefühle, die unerwartet im Blick des Elben aufflackerten, ließen Aragorn schwanken. Er brauchte die Antwort nicht abzuwarten.

„Meine Mutter starb nicht?" fragte er fassungslos.

Elrond räusperte sich und fand seine Stimme erst nach Augenblicken wieder. Er sah Aragorn fest in die Augen und betete zu den Valar, dass sein menschlicher Sohn seine Beweggründe verstehen würde.

„In der Nacht nach Arathorns Tod ging ich zu Gilraen. Ich erzählte ihr das Wenige, das ich wusste. Deine Mutter ist eine äußerst ungewöhnliche Frau, Estel. Ihr mutiges Herz begriff die Tragweite der Bedrohung bereits, noch ehe ich geendet hatte. //Er muss hier bleiben, bei Euch,// sagte sie, ohne mich ausreden zu lassen. //Nur hier wird er sicher sein und so aufwachsen können, wie ich es ihm mit all meiner Liebe wünsche.//"

Elrond legte Aragorn unendlich behutsam eine Hand auf die Schulter.

„Begreifst du, was ich dir sagen will?"

Aragorn sah aus, als würde er aus tiefer Trance erwachen. Nur langsam kehrte das Leben in seine vor Entgeisterung reglosen Züge zurück.

„Meine..." Der leise Anflug eines Schimmerns trat in Aragorns Augen und er blinzelte, um die Tränen, die sich ihren Weg zu suchen drohten, zurückzuhalten. „Meine Mutter ließ mich hier zurück?"

„Sie ließ dich in meiner Obhut, weil sie dich liebte. Sie hatte ihren Mann verloren - sie wollte nicht auch noch ihr Kind verlieren."

„Ich verstehe..." Aragorn flüsterte die Worte nur, denn zu mehr schien seine Kraft plötzlich nicht auszureichen. Dann holte er tief Luft. „Wo ist sie? Lebt sie noch?"

Soll ich ihn anlügen? Er wird zu ihr wollen, wenn er die Wahrheit erfährt... Elrond seufzte. Er wusste, dass Aragorn ihm eine weitere Lüge nicht verzeihen würde. „Sie lebt in Eriador, ihrer Heimat, und es geht ihr gut. In jeder Nachricht, die mich von dort erreicht, erkundigt sie sich nach dir, will wissen, was du tust, was du erlebst... einfach alles, was eine Mutter interessiert."

„Sie lebt." Aragorn sah aus, als könne er diese Neuigkeit nicht begreifen. „Meine Mutter lebt noch."

Er starrte eine Weile an Elrond vorbei aus dem Fenster, dann kehrten sein Blick zu seinem Pflegevater zurück. Der Elbe sah, dass es in den Zügen des jungen Mannes arbeitete.

„Versuch bitte, unsere Entscheidung zu verstehen..." begann Elrond seine Handlungen zu rechtfertigen, doch Aragorn unterbrach ihn, indem er unvermittelt eine Hand auf die Elronds legte.

„Schon gut," sagte er, und es klang, als kämpfte er gegen die Tränen an. „Ich verstehe euch. Ihr hattet gar keine andere Wahl."

Der Elbenfürst, der die geflüsterten Worte genau verstanden hatte, sah seinen menschlichen Sohn an. Auf Elronds Zügen mischten sich unverkennbar Erleichterung, Schmerz und Stolz auf die Weitsicht seines jüngsten Sohnes. Er wollte etwas sagen, doch Aragorn schüttelte nur den Kopf.

„Nicht, Vater. Sag bitte nichts. Ich mache euch keine Vorwürfe. Lass mir nur etwas Zeit, ja?"

Elrond nickte. „Wie du wünschst."

Aragorn erinnerte sich inzwischen wieder daran, dass sie nicht allein im Raum waren. Er sah sich nach Rivar um.

Der Einsiedler hatte der Unterhaltung zwischen Vater und Sohn mit wachsendem Unbehagen gelauscht und schließlich mit dem Gedanken gespielt, das Zimmer so unauffällig wie möglich zu verlassen. Er hatte den Türknauf bereits in der Hand, als ihn Aragorns Stimme zum Stehen brachte.

„Du musst nicht gehen, Rivar. Du gehörst zu meiner Familie. Deine Tagebucheintragungen haben mir dies mehr als deutlich gemacht. Mein Vater..." Er zögerte, streifte Elrond mit einem kurzen Seitenblick. „...meine Väter verdanken dir ihr Leben. Lass es bitte zu, dass ich dir meine Dankbarkeit beweise! Lass mich etwas für dich tun."

„Du hast bereits alles für mich getan." Rivar begann zu lächeln, wissend und traurig zugleich. „Ich weiß jetzt, dass du lebst, dass es dir gut geht, dass du geliebt und beschützt wirst." Er verneigte sich kurz vor dem Elbenfürsten. „Das ist mehr Dank, als mir sonst je zuteil werden könnte. Ich kam in Hoffnungslosigkeit, doch wenn ich heute wieder fortgehe, dann in der Zuversicht, dass es dir gut geht. Es gibt nichts, das du mir darüber hinaus noch geben könntest, Aragorn, Sohn des Arathorn."

Der Ausdruck auf Aragorns Antlitz wurde nachdenklich. Dann hellten sich seine Züge wieder auf. „Vielleicht doch."

Er schlang Elrond kurz einen Arm um die Schultern, um ihn zu umarmen, dann kam er auf Rivar zu. „Lass mich dir wenigstens noch Bruchtal zeigen. Bitte..."

Rivar begann zu lächeln.

„Na gut." Er nickte dem Elben kurz zu, der die beiden aufmerksam beobachtete. „Dann zeig mir Bruchtal!"

Er ließ es zu, dass Aragorn die Zimmertür öffnete und ihn mit sich in den Flur hinauszog. Momente später war die Stille in Aragorns Zimmer zurückgekehrt.

Elrond, der noch immer am Fenster stand, sah eine Zeitlang hinaus auf das Tal, das vom Sonnenschein in ein geradezu magisches Licht getaucht wurde. Der Elbe wusste mit instinktiver Sicherheit, dass es die letzten Sonnenstrahlen vor dem nahenden Winter sein würden, und so genoss er es eine Zeitlang, einfach nur so im Licht zu stehen und die Wärme der Sonne auf dem Gesicht zu spüren.

Wie viel Zeit darüber verging, wusste er später nicht mehr zu sagen, doch als sich ihm schließlich die Mengen seiner eigentlichen Verpflichtungen wieder ins Gedächtnis drängten, riss Elrond sich aus der Idylle dieses Ortes. Seine Berater warteten sicher ungeduldig darauf, die gestern unterbrochene Beratung fortzusetzen. Nachricht aus dem Westen war eingetroffen, die eine schnelle Antwort verlangte, und an die Vielzahl der kleinen, die Haushaltung betreffenden, Entscheidungen mochte er erst gar nicht denken. Er seufzte lautlos. Vielleicht sollten sich zukünftig Elladan und Elrohir mehr an den Pflichten der Herren von Bruchtal beteiligen?

Es war genau dieser eine Moment, in dem Elrond jenes Tuch ins Auge fiel, in das Rivars Tagebuch eingewickelt gewesen war. Aragorn hatte es zur Seite gelegt, als er begonnen hatte, in den Aufzeichnungen des alten Einsiedlers zu lesen.

Gedankenverloren griff er nach dem Stück Stoff und ließ es durch seine schlanken Finger gleiten. Geschmeidig floss das seidige Gewebe über seine Haut, bis unversehens eine andere Textur dazwischengeriet.

Irritiert betrachtete er den betreffenden Abschnitt genauer. Er sah sieben gestickte Sterne, zwischen denen sich ein ebenso sorgsam gestickter Weg empor schlängelte.

Was für eine wundervolle Arbeit, dachte der Elbe und strich mit den Fingerspitzen sachte über die Stickerei.

Wäre einen Augenblick später ein Zweiter in Aragorns Zimmer gekommen, so hätte derjenige den Fürsten von Bruchtal erblickt, wie er scheinbar zutiefst in den Anblick einer Stickerei versunken zu sein schien. Nur die Zwillinge hätten gewusst, dass nicht die Schönheit der Handarbeit ihren Vater so fesselte, sondern der unbarmherzige Griff einer Vision.

So jedoch war niemand da, der verhindern konnte, dass Elronds Denken in Sekundenschnelle in einen Strudel gerissen wurde. Das Licht der Sonne verschwand ebenso wie ihre Wärme, weder das Tuches noch die Seidigkeit seiner Gewänder konnten seine Sinne streicheln. Alles, was blieb, waren Bilder, denen er nicht zu entrinnen vermochte...

Gesichter tauchten auf. Wirbelten um ihn, wie Blütenblätter, die vom Sommerwind aufgehoben und ohne Sinn oder Ordnung durcheinandergemischt wurden. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wurden Eins...

Er sah Elladan, der irgendwo in einem Wald kniete und ein etwa zweijähriges menschliches Kind im Arm hielt...

...das ist Estel, als er klein war...

...bis Elladan sich plötzlich erhob, um die eigene Achse wirbelte und ein Schwert niederfahren ließ.

„Wehr dich!" schrie sein ältester Sohn ihm entgegen.

Unvermittelt wechselte das Bild.

Elrond sah sich selbst dabei zu, wie er den Arm hochriss und den Hieb seines Sohnes parierte. Spürte, wie die Anspannung jede Faser seines Körpers erzittern ließ wie die Saiten einer Laute. Hörte, wie Metall auf Metall klirrte. Sah, wie Funken stoben – grell und unerträglich...

...wie jene Funken, die aus den Flammen flohen, wenn die Diener neue Holzscheite in den Kamin in der Halle des Feuers geworfen hatten. Eine Stimme, die er unter allen Ardas erkannt hätte. „Das hier werde ich immer dann sehen, wenn ich an mein Zuhause denke, Adar. Ich werde dich vermissen." Estel, der neben ihm saß und so wie er in die flackernden Flammen sah, die wieder und wieder Funken in die Halle warfen...

...gleißende Funken, die ihm die Sicht nahmen.

Er wollte die Augen abwenden und konnte es doch nicht.

Momente später war der Blick wieder ungetrübt, doch statt der Halle des Feuers in Bruchtal war es erneut ein Wald, in dem er sich wiederfand. Ein Bach floss in einiger Entfernung vorbei. Elrond konnte sein Murmeln ebenso hören wie die Stimmen seiner Söhne.

„Pass auf, Estel, sonst beißen dich die Wasserschlangen," hörte er sie unbeschwert lachen.

Elrohirs Stimme war unverkennbar. Elrond wollte lächeln, doch das Lächeln gefror ihm auf den Zügen, als sich der Anblick unvermittelt veränderte. Was er nun sah, entsprang seinen dunkelsten Albträumen.

Die Idylle des Baches war fort. Stattdessen lag ein Körper vor ihm auf dem Boden. Bar jeder Regung, nur schwach von Atem beseelt. Kein zweiter Blick war nötig, um die Person zu erkennen...

...Elrohir ... nein, bitte, ihr Valar,  nehmt ihn mir nicht...

Seinem jüngeren Sohn ragte eine Waffe aus dem Körper.

Ein Dolch? ... Eine fremde Waffe? Nein ... Es ist MEINE Klinge???... was habe ich getan... 

Kein zweiter Blick blieb ihm vergönnt, denn wieder wechselte das Bild.

Noch immer lag ein Körper auf dem Waldboden, doch nun war es nicht mehr Elrohir. Es war Rivar, der alte Einsiedler, der eine blutverschmierte Hand nach ihm ausstreckte. Elrond sah, wie sich Rivars Lippen bewegten, doch kein Laut drang an sein Ohr.

Was sagst du, alter Mann? Sprich mit mir...

Rivar murmelte zusammenhanglose Worte, die für Elrond nicht viel Sinn ergaben. Er hörte nur soviel heraus, dass Rivar sich große Vorwürfe machte und sich selbst anklagte.

Elrond wäre zurückgewichen, wenn er gekonnt hätte, denn im nächsten Augenblick stand der alte Mann ganz dicht vor ihm und lenkte den Blick des Elben mit ausgestrecktem Finger auf einen Punkt, der irgendwo hinter Elrond in den Baumwipfeln lag.

„Geht! Er wartet..."

Der Elbenfürst musste sich nicht umdrehen, denn wieder veränderte sich der Anblick für ihn. Innerhalb eines Momentes war aus dem Wald der Garten seines Schlosses geworden. Er sah sich nun vor einer der alten Eichen stehen, die ihre ausladenden Kronen bis weit über die Wege breiteten. Langsam – voller Unruhe über das, was ihn erwarten mochte – hob Elrond den Blick, bis er schließlich König Thranduils Sohn Legolas erblickte. Der junge Prinz saß reglos auf einem der tieferen Äste und sah ihm schweigend entgegen.

Nicht Herr über seinen Körper und sich dennoch jeder Handlung bewusst, ging er dem Thronerben von Düsterwald entgegen. Nur wenige Schritte trennten die beiden noch, als Legolas unvermittelt zu ihm hinabsprang und vor ihm stehenblieb. Blaue Augen sahen ihn an. Die Pupillen, zuerst klein wie Sandkörner, wurden plötzlich so groß, dass er ein Spiegelbild in ihnen erkennen konnte. Doch es war nicht sein Gesicht, das sich in ihnen widerspiegelte. Es war das Arathorns.

„Ich werde diese Wege gemeinsam mit Eurem Sohn gehen, das verspreche ich Euch!"

Legolas' Lippen hatten sich nicht bewegt, doch der Elbenfürst hatte die Entschlossenheit, die hinter den Worten steckte, deutlich gespürt. Er wollte etwas antworten, Legolas für seine Treue Aragorn gegenüber danken – und erstarrte, als ihm jäh eine Welle ungebändigten Zorns entgegenschwappte.

„Wage es nie wieder, mir so etwas anzutun, sonst bringe ich dich eigenhändig um!"

Kein Faustschlag hätte ihn heftiger treffen können als die Wut, die er nun in den Augen des Prinzen brennen sah. Noch ehe er nach dem Grund für den unvermuteten Stimmungswechsel fragen konnte, fühlte er, wie eine Hand seine Kehle packte und ihn mit eisernem Griff herumschleuderte.

Sein Kopf prallte so heftig gegen etwas Hartes, dass es ihm für einen Moment die Sicht verschleierte. Als die Schleier verschwunden waren, sah er sich nicht mehr Legolas gegenüber. Jetzt war es ein Mensch, der seinen Hals mit einer Hand zusammendrückte, während die andere,  nutzlos an der Seite hing.

„Kämpfe, Elbe!" Die Stimme des Mannes war selbstsicher, das Befehlen gewohnt. „Kämpfe für mich, deinen Herrn. Zeig ihnen, warum die Schlange Mittelerdes so gefürchtet ist." Das Gesicht des Mannes war nun so dicht vor ihm, dass er das Schlangenmal hinter dessen Ohr erkennen konnte. Obwohl es Elrond nicht einmal große Anstrengungen gekostet hätte, sich von diesem Unbekannten zu befreien, war da doch etwas, das er nicht zu benennen vermochte. Ein seltsames Gefühl, dass alles seine Richtigkeit hatte, hielt ihn zurück. So beschränkte er sich darauf, die Hand des Fremden zur Seite zu schieben.

Dieser ließ es – unerwartet widerstandslos – geschehen, trat gleich darauf zurück und übergangslos sah Elrond sich wieder in Bruchtal. Diesmal befand er sich in Estels Gemächern. Der Fremde, der ihn soeben noch wie einen Untergebenen behandelt hatte, stand nun in der Tür zum Zimmer und sah ihn aus meerblauen Augen an.

„Ich bin entschlossen, euch zu helfen. Wir können es uns einfach machen oder schwer, ganz, wie Ihr wollt. Aber was ihr auch unternehmt – ihr tut es nicht ohne mich!"

 Was meint er? Elrond ging auf den Fremden zu, der ihm mit unbewegtem Gesicht entgegensah. Als er ihn schließlich erreicht hatte, stand plötzlich jemand anderer vor ihm. Auch dieser Mensch war ihm noch nie zuvor begegnet, doch anders als bei dem Mann mit dem Schlangenmal zuvor strahlte dieser hier etwas Verstörendes aus. Es war, als könne er zwei Personen in einem Gesicht entdecken. Etwas, das ein Lächeln sein sollte, lag auf den jugendlichen Zügen des Unbekannten, doch bei näherem Hinsehen wurde eine Fratze der Feindseligkeit daraus. Der Mann hob den Arm und legte ihm eine Hand auf den Oberarm, doch die Berührung tat so weh, als schlössen sich glühende Zangen um die bloße Haut. Der Schmerz war unerträglich und der Elbe wollte die Hand abschütteln, doch so sehr er es auch versuchte – der Griff blieb unverändert.

„Lass mich los," wollte er laut fordern und flüsterte es doch nur.

Der Griff blieb, ebenso wie das Brennen.

„Loslassen..."

Der Mann mit den zwei Gesichtern öffnete den Mund, sagte etwas, doch tiefes Schweigen verschluckte jeden Laut.

Der Elbe versuchte den immer heftiger werdenden Schmerz in seinem Arm zu ignorieren und konzentrierte sich darauf, von den Lippen des Fremden zu lesen. Er konnte nur ein Wort auslegen – und auch das nur zweifelnd. Dieses eine Wort konnte sowohl FREUND als auch FEIND geheißen haben.

Freund oder Feind? Wessen Freund? Oder wessen Feind?

Noch während er über diese Frage nachsann, wurden die Bilder seiner Vision blass. Innerhalb von Momenten ersetzte Schwärze sie, die gleich darauf Sonnenlicht wich.

Mühsam hob er den Kopf und sah sich um. Zu seiner Erleichterung umgaben ihn wieder die vertrauten Wände von Estels Zimmer.

Die Vision ist vorbei. Endlich!

Immense Erleichterung durchflutete ihn und Elrond atmete tief durch. Jede seiner Visionen war überaus anstrengend und forderte seinem Körper das letzte Quäntchen Kraft ab, doch noch nie waren die Bilder so verwirrend gewesen wie diesmal. Nur weniges, das er gesehen hatte, ergab einen Sinn. Es war fast wie ein Blick in Galadriels Spiegel gewesen.

Erschöpft ging er zum Sessel hinüber, in dem Aragorn zuvor gesessen hatte, und ließ sich hineinsinken. Dabei fiel sein Blick zufällig auf seine Hände.

Das Tuch. Es war das Tuch..., begriff er müde und starrte jenes bestickte Stück Stoff an, das er noch immer umklammert hielt.

„Du bist gekommen, um Lebwohl zu sagen, mein Freund, doch etwas Furchtbares ist mit dir gekommen. Ich kann es fühlen," murmelte der Elbe und sah geistesabwesend auf die fein gestickten Sterne, deren Berührung seine Vision ausgelöst hatte.

Stets hatte ihn eine Vision vor etwas Kommendem gewarnt, doch diesmal konnte Elrond sich keinen Reim auf das machen, was sich seinen Augen dargeboten hatte.

Der leblose Elrohir, getroffen von der Klinge des Vaters. Elladan, der ihn angriff. Er selbst, für einen Menschen kämpfend. Legolas, blind vor Wut. Rivar, mit dem alles begonnen hatte. Dieser Mensch mit dem Schlangenmal, der wie die Hoffnung in finsterster Verzweiflung schien. Und dann dieser Zweigesichtige, bei dem nichts so war, wie es auf den ersten Blick schien...

Es waren sieben verschiedene Bilder gewesen, sieben Personen, von denen er zwei noch nicht einmal kannte.

Nachdenklich glitt sein Blick über die Stickerei und blieb erneut auf den Sternen hängen, die überaus kunstvoll in das Gewebe gewirkt worden waren.

Sieben... begriff er nach Sekunden der Sprachlosigkeit. Sieben Sterne und sieben Personen... Und der Dreh- und Angelpunkt – so wie der in der Mitte aufgestickte Pfad – war Aragorn!

Elrond lehnte sich im Sessel zurück und schloss erschöpft die Augen. Estel, ich fürchte das Schicksal, das deiner harrt. Was geschehen wird, ist Teil deiner Bestimmung, doch ich gäbe alles dafür, um dich davor zu beschützen...

Reglos verharrte Elrond eine Weile im Sessel, bis sich irgendwann die Vielzahl der auf ihn wartenden Pflichten in sein Gedächtnis zurückdrängten. Schweren Herzens erhob sich der Elbe und verließ den Raum, der so schlimme Vorahnungen für ihn bereitgehalten hatte. Erst, als er sich seinen bereits seit längerer Zeit auf ihn wartenden Beratern gegenübersetzte, registrierte er, dass seine Finger noch immer das Tuch umklammert hielten, mit dem alles begonnen hatte.

Er zögerte kurz, dann schob er es in eine Tasche seiner Robe. Vielleicht brachte ihm die Dunkelheit der nächsten Nacht ja weitere Bilder? Er hoffte, dass – wenn es so war – diese dann verständlicher sein würden. Und weniger unheilsschwer...

***

Gomar saß in seinem Zelt und starrte geistesabwesend vor sich hin. Draußen regnete es leicht und das leise Klopfen der Regentropfen auf seinem Zeltdach zerrte an seinen Nerven.

Ein Grund mehr, das alles nicht mehr sehen zu wollen, dachte der Mann und schloß einen Augenblick lang entnervt die Augen. Ich habe diese verdammte Suche ebenso satt wie diese ewige nasse Kälte, diese endlosen Wälder und diese Menschen, deren Haut so hell ist, dass ich das Blut hindurchschimmern sehe... Ich sehne mich danach, zuzuhören, wie der Wind durch die Hallen meines Palastes flüstert, die Wärme der Wüstensonne auf meinem Gesicht zu spüren und zu beobachten, wie ihr goldenes Licht die dunkle Haut einer schönen Frau aufleuchten läßt...

Diesen Gedanken nachzugeben war gefährlich, denn sie hielten ihn in einem Teufelskreis aus Wunsch und Wirklichkeit fest. Ein Teil von Gomar wußte längst, dass er keine andere Wahl mehr hatte. Von allem, was ihm geweissagt worden war, war ihm nichts geblieben außer dem Wissen um das, was man ihm genommen hatte.

Erneut kochte die Wut in ihm hoch.

Er wußte, dass er alle Bewohner Mittelerdes auslöschen würde, wenn er die Macht dazu besäße, und sei es auch nur aus dem einzigen Grund, damit auch die beiden Männer zu erwischen, nach denen er schon seit 20 Jahren auf der Suche war. Erst ihr Tod würde ihm die seit langer Zeit schmerzlich vermisste innere Ruhe wiedergeben.

Doch er besaß diese Macht nicht. Aradoran, der Mann mit den hellgrauen Augen, und Rivar, der Verräter aus den eigenen Reihen, hatten sie ihm genommen, noch bevor er herausfinden konnte, wie es sich anfühlen würde, bereits mit einem einzigen Gedanken der Herr über Leben oder Tod zu sein.

So dicht. Ich stand so dicht davor...

Gomar nahm einen langen Zug aus dem Weinkrug, bevor er ihn wieder vor sich auf den Boden stellte. Er hatte schon einige Tropfen Sytharm hinzugetan und wartete nun darauf, dass die Droge ihre Wirkung tat.

Der Hass, dass sein Leben ebenso hilflos wie das normaler Menschen war, war mit den Jahren beinahe unerträglich geworden. Dass er zu etwas Besserem bestimmt gewesen war, hatte er all die Jahre seiner Jugend hindurch gehört – solange, bis er jeden Zweifel daran verloren und es wirklich aus tiefstem Herzen geglaubt hatte. Doch das Schicksal war ein launischer Zeitgenosse: es hatte offenbar zwei einfache Menschen dazu auserkoren, ihm all das zu nehmen, was seine Bestimmung gewesen wäre.

Noch während er diesen finsteren Gedanken nachhing, begann das Sytharm langsam zu wirken. Gomar konnte spüren, wie seine aufgewühlten, vor Hass und Zorn brennenden Gedanken allmählich abdrifteten. Es waren nur Bilder, hervorgerufen von einer Droge, doch diese Bilder waren neben dem Hass alles, was er noch besaß.

Mit diesem Mittel, das er nun schon seit Jahren nahm, hatte er erneut ein Stück Dunkelheit, ein wenig Tod, in die Hand bekommen. Es war nicht viel, doch zumindest konnte er selbst entscheiden, wieviel Leben er noch in sich spüren wollte.

Plötzlich wurde Gomar schwindelig. Er schwankte ein wenig und ließ sich dann nach hinten in die Decken und Kissen fallen, die ihm als Lagerstatt dienten. Erwartungsvoll schloss er die Augen und genoss das heiße Kribbeln, das jetzt seinen ganzen Körper zu erfassen begann. Es war, als würde das Blut in seinen Adern zu kochen anfangen. Lust und Schmerz lagen gleichermaßen in dieser Empfindung, und Gomar war längst süchtig nach diesem nahezu einzigartigen Rausch geworden. Die Lust manifestierte sich in Bildern der Gewalt, der Vorstellung endlich gelebter Rache, und der Schmerz...

Der Schmerz war gleichsam die Krönung des Ganzen. Gomar konnte ihn kontrollieren und damit ein wenig jener Macht spüren, die die seine hätte sein sollen. Der Schmerz, den er jedesmal nach der Einnahme von Sytharm spürte, erschien wie ein Vorbote versprochener Belohnung. Er wußte, dass dieser Schmerz bald wieder gehen würde.

So wartete er ungeduldig und plötzlich war er da – der Zeitpunkt, an dem alles nichtig wurde und der Schmerz für kurze Zeit verschwand.

Es war still um ihn herum geworden. Lautlos. Friedlich. Kein Geräusch drang mehr aus dem Lager zu ihm durch und auch das klop-klopf‑klopf der Regentropfen verhallte. Nur das Schlagen seines Herzens konnte er noch vernehmen. Diese wohltuende Stille schien eine Ewigkeit anzuhalten und Gomar schaltete beinahe völlig ab – er dachte nicht, er fühlte nicht, er war für wenige Augenblicke beinahe glücklich. Doch in diese Welt, die nur aus dem einsamen Geräusch seines Herzschlages bestand, drang langsam ein Flüstern. Es wurde immer lauter und schwoll bald zu einem rauschenden Dröhnen an, das ihm all jene Erinnerungen zurückbrachte, die ihn an diesen Punkt seines Lebens geführt hatten.

Als Gomar es nicht mehr ertragen konnte, entrang sich ein langgezogener Schrei seiner Kehle.

***

Morag blieb wie alle anderen Männer Gomars erschrocken stehen und blickte zum Zelt ihres Anführers. Dieser markerschütternde Schrei war nichts Neues für die Bewohner des Lagers, doch trotzdem gefror ihnen jedes Mal das Blut in den Adern, wenn sie ihn hörten.

„Sollen wir nach ihm sehen?" Kassam war an Morag herangetreten und sah ihn fragend an.

Kassam war einer der jungen Rekruten, die sie aus den hiesigen Landen angeworben hatten. Es fanden sich immer wieder junge Männer, die sich gern prügelten und denen das Messer locker saß. Viele der Südländer, die von Anfang an an der Suche nach den beiden Männern beteiligt gewesen waren, waren über ihr alt geworden, andere irgendwann Orks, Wargs oder anderen gefährlichen Wesen Mittelerdes zum Opfer gefallen. Allein Gomar schien mit den Jahren stetig an Kraft gewonnen zu haben. Jeder Fehlschlag bei ihrer Suche ließ ihn nur noch unerbittlicher sein Ziel verfolgen. Damals, als Gomar Rache geschworen hatte, war er ein junger Mann von zwanzig Jahren gewesen, ebenso jung wie Kassam jetzt, doch nicht einmal im rücksichtslosesten ihrer Neuzugänge war jene Kraft zu sehen, die Gomar zu beherrschen schien. Genau jene Kraft beeindruckte Morag ebenso, wie sie ihm insgeheim Furcht einflößte.

Morag schüttelte den Kopf und sah den jungen Mann an. „Du kannst es tun, wenn du lebensmüde bist. Ich gehe nicht dichter als zehn Schritte ans Zelt heran."

Er wandte sich ab und ging zu den Pferden hinüber und Kassam, der einen Moment lang über die Worte des älteren Kriegers nachgedacht hatte, entschied sich schließlich, es ihm gleichzutun.

Eine halbe Stunde, nachdem Gomars Schrei das Lager erschüttert hatte, kamen zwei von seinen Männern mit zwei auffällig gekleideten Frauen zurück. Einer der beiden grinste übers ganze Gesicht und zwinkerte dem anderen vielsagend zu. Als die Zurückgebliebenen sahen, wen die beiden Männer da vor sich auf den Pferden hatten, erklärte sich ihnen einiges.

Gomar hatte offenbar mal wieder den Auftrag gegeben, ihm Frauen zu bringen. Gehorsam hatten sich daraufhin zwei von seinen Männern in eine weiter entfernte Stadt aufgemacht, um zwei willige Liebesdienerinnen zu entführen. Jeder der Krieger wußte, dass ihr Anführer Frauen mit Leidenschaft bevorzugte, solche, die wussten, wie man einem Mann dienen musste. Dafür brauchten sie jedoch geübte Liebesdienerinnen, keine Bäuerinnen, die wie verschreckte Hasen waren, nur weinten und sich in einer Ecke verkrochen.

Als die zwei Frauen von den Pferden gehoben wurden, sahen sie sich zunächst neugierig um. Natürlich verspürten auch sie Furcht, doch die Aussicht auf die versprochene gute Bezahlung bewirkte, dass sie sich ihre Angst nicht so deutlich anmerken ließen. Beide kannten sich mit Männern aus und wussten, dass man eine gewisse Art von Kriegern nur richtig anfassen musste, damit sie nach ihrer Pfeife tanzten. Im Allgemeinen genügte ein solches Verhalten meist, um unbeschadet in ihre Stadt zurückzukehren und die zwei Frauen hatten keinen Zweifel daran, dass ihnen das auch diesmal gelang.

„Hier sind die Frauen, die er haben wollte," rief einer der Reiter und stieg vom Pferd. „Wer wird sie ihm bringen?"

Die Frauen sahen erstaunt mit an, wie die Männer plötzlich vor ihnen zurückwichen und sich geschäftig einer Arbeit zuwandten.

Auch Kassam hatte den überstürzten Rückzug seiner Kameraden erstaunt verfolgt. Angewidert von der scheinbaren Feigheit der anderen schüttelte er den Kopf. Ein wahrer Krieger drückt sich vor keiner Aufgabe, dachte er. Wenn ich Gomar die Frauen bringe, stehe ich womöglich in einem guten Licht da.

Kurzentschlossen packte er die beiden Frauen am Arm und zog sie auf das Zelt ihres Anführers zu, dass er nach wenigen Schritten erreichte. Vorsichtig schob er die Zeltplanen beiseite, die den Eingang verdeckten, dann stieß er die Frauen hinein, bevor er ihnen folgte. Keine zwei Schritte weiter blieb er stehen und sah sich suchend im Zelt um.

Selbst für seinen Geschmack machte das Innere des Zeltes einen wenig ordentlichen Eindruck. Am Eingang lagen ein paar Kissen, aus denen die Federfüllung herausquoll, im Mittelpfosten des Zeltes steckte ein Dolch und es schien fast, als hätte Gomar seine Wut an dem Stück Holz ausgelassen. Direkt daneben erblickte er schließlich ihren Anführer.

Gomar lag reglos auf einigen Decken und schien zu schlafen, doch die dunklen Ringe unter den geschlossenen Augen ließen Kassam vermuten, dass ihr Herr schon seit einigen, offenbar ziemlich langen Nächten nicht mehr richtig geschlafen hatte.

Der junge Rekrut überlegte kurz, ob er ihn wecken oder sich lieber zurückziehen sollte. Dann verwarf er den letzten Gedanken wieder. Entschlossen trat er näher und beugte sich zu Gomar hinunter. Er stieß ihn leicht an der Schulter an, glaubte jedoch nicht, dass das genügen würde.

Die Reaktion Gomars folgte allerdings prompt, denn der Anführer der Südländer riß die Augen auf, als hätte man ihn geschlagen, und starrte Kassam an. Es war jedoch kein Erkennen, das in den dunklen Augen lag, sondern Wahn.

Kassam wußte nicht, dass sein Anführer noch tief in den Bildern der sytharmbedingten Halluzination gefangen war. Es waren diese Bilder, die das Handeln des Kriegers bestimmten. In Gomars Augen brannte das Bild eines jungen Mannes mit hellgrauen Augen und dunklem Haar, den er mehr haßte als alles andere auf diesem armseligen Flecken Ardas. Jener junge Mann hatte es schon einmal gewagt, sich seinem Schicksal in den Weg zu stellen und schien nun erneut höhnisch auf ihn herabzulächeln.

Es bedurfte keines weiteren Anstoßes, um aus Hass Mordlust werden zu lassen. Augenblicklich war Gomar auf den Beinen.

Die beiden Frauen drängten sich erschrocken zum Zelteingang zurück und sahen mit weit aufgerissenen Augen, wie Gomar blitzschnell den verblüfften Kassam ergriff, ihm einen Arm um den Hals legte und das Messer aus dem Balken neben sich zog. Ohne ein Wort zu verschwenden, setzte er es an den Hals des jungen Mannes und machte eine kurze Bewegung mit dem Handgelenk. Gleich darauf färbte sich der Stoff der Zeltwand mit roten Blutspritzern. Kassams Körper sackte lautlos zu Gomars Füßen zusammen und fiel dann zur Seite.

Die beiden Frauen starrten einen Augenblick lang entsetzt auf das Bild, das sich ihnen bot, dann liefen sie schreiend aus dem Zelt. In dem darauffolgenden Tumult schafften sie es, sich aus dem Lager der Südländer zu entfernen. Sie wussten, dass der Weg zum nächsten Dorf weit war, doch die Furcht hielt ihre Hoffnung auf ein glückliches Entkommen am Leben.

Morag, der die zwei Liebesdienerinnen an sich vorbeihasten gesehen hatte, ahnte düster, was geschehen war. Unter äußerster Vorsicht betrat er das Zelt Gomars, blieb aber am Eingang bereits stehen.

Gomar stand mitten im Zelt und sah mit dem Ausdruck des Abscheus auf die Leiche Kassams zu seinen Füßen herunter. Morag hatte inzwischen genügend Erfahrung mit dieser ganz bestimmten Laune seines Herrn gesammelt, um schon nach wenigen Augenblicken zu erkennen, dass dieser unterdessen wieder bei Verstand war. Die durch die Droge hervorgerufene Verwirrung war durch den Adrenalinstoß des Mordes verschwunden.

Ohne viel Mitleid glitt sein Blick zu Kassam weiter. Der Bursche hatte gut mit dem Messer und dem Schwert umgehen können, jedoch nicht viel Verstand besessen. Der junge Rekrut war seit einigen Wochen bei ihnen gewesen und hätte begreifen müssen, wann man Gomar stören konnte und wann es gesünder war, ihn in Ruhe zu lassen.

„Schaff ihn weg," forderte Gomar und seine Stimme klang so unbewegt, als wäre nichts vorgefallen. Noch immer konnte er die Reste des Traumes in sich spüren und war insgeheim beinahe froh darüber, dass dieser unglückliche Narr Kassam ihn daraus befreit hatte.

Während Gomar seinen Dolch an der Kleidung des Toten abwischte und ihn dann beiläufig in den Gürtel steckte, sah er reglos zu, wie Morag sich anschickte, die Leiche des Kriegers aus dem Zelt zu schleifen.

„Ach ja..." Gomar ließ sich nachlässig auf sein Lager zurückfallen und lehnte sich zurück. „Hol mir die Frauen wieder her."

Morag nickte wortlos und machte, dass er aus dem Zelt kam. Er hatte in den Augen Gomars jenes gefährliche Feuer auflodern sehen, das er schon viel zu oft dort gesehen hatte. Dieses Feuer wartete seit Jahren darauf, gelöscht zu werden, doch kein Mittel hatte dies bislang vermocht - auch vergossenes Blut nicht. Vielleicht würden die Künste der beiden Frauen die Wut Gomars besänftigen – zumindest für einen kurzen Moment lang...

***

wird fortgesetzt

Shelley: Nun ja, wir haben uns bemüht, ein klein wenig „Authentizität" in unsere Story einfließen zu lassen, vor allem bei der Entfernung zwischen Düsterwald und Bruchtal. Die 3-4 Wochen, die das den meisten Quellen nach in etwa ausmacht, haben wir in unserem Interesse mal auf ca. zweieinhalb Wochen abgekürzt, doch auch diese Zeit will erst mal gefüllt werden, ohne dass die Leser in dieser Zeit vor Langeweile eingehen. Das war zumindest in Bezug auf Legolas nicht ganz einfach. Die gedanklichen Veränderungen von Assat und Miro gehen auf behutsame Weise vor sich. Assat ist da schon weiter (immerhin ist er unserem Verständnis nach um einiges älter als Miro), aber auch Mirodas wird noch reichlich Gelegenheit haben, über alles nachzudenken. Und was nun die Südländer angeht...  Es weiß ja in Bruchtal niemand, dass sie schon so dicht vor den Toren des Tals stehen. So wird wohl auch keiner Rivar davon abhalten, seinen geplanten Weg fortzusetzen. *Autorinnen grinsen wissend und überaus erwartungsvoll*. Unheil, nimm deinen Lauf!!!

Mystic Girl: Zugegeben: die Zeitangaben sind eines der schwierigsten Themen im Tolkien-Universum. Wir haben bisher immer versucht, einigermaßen nachvollziehbare Zeitangaben zu verwenden, doch gerade diesmal war für das, was wir vorhaben, eine genaue Angabe erforderlich, die wir jedoch für unsere Zwecke trotzdem kürzen mussten. Wer sagt, dass Assat mit seiner Vergangenheit abgeschlossen hat? Mitnichten, mitnichten! Und das Gottseidank, wie die späteren Kapitel zeigen werden. Assat hat nur die Schuldgefühle zum Tod seiner Leute überwunden, ansonsten ist er noch immer der Gentleman-Gauner, als den wir ihn kennen. Miros Ergebenheit Legolas gegenüber ist etwas, das sicher noch einer genaueren Betrachtung wert sein wird. Doch nicht in dieser Geschichte. Später vielleicht. Und was nun Elronds Seelenqualen angeht... Hoffen wir mal, dass seine vielen Tausend Lebensjahre ihm die Kraft geben werden, alles durchzustehen, was wir mit ihm vorhaben.

Ne-chan: Das mit dem Fieber bemerken ist so eine Sache. Bei mir [Salara] ist es zum Beispiel auch so, dass man mir Fieber weder ansieht noch anmerkt – eine Tatsache, die mir als Kind oft genug den Satz „Hör auf zu übertreiben!" eingebracht hat, ehe man sich bequemte, mal ein Thermometer zu holen, um dann festzustellen, dass da ja tatsächlich Fieber in meinem Körper wütet. Bei Aragorn dürfte das unserem Verständnis nach noch ausgeprägter sein, denn wir schätzen das elbische Erbgut in ihm als so stark ein, dass es sein Körper bis zu einem gewissen Grad selbst schafft, sich auf Fieber einzustellen. Rivar nun dürfte keine Vergleichsmöglichkeit haben, um festzustellen, dass Aragorns Temperatur höher als normal ist. Darauf verlassen ManuKu und ich uns jetzt mal. Ein autoritärer Legolas gefällt dir also? Hey, ich glaube, da würde sich wohl gern mal jemand von einem gewissen Elben beherrschen lassen oder?! *Hinten anstellen bitte!!!*

Celebcristien Beshi: Schön, mal wieder von dir zu hören! Welches ist denn dein Lieblingsautor und welches Buch erinnert dich durch die Hauptcharaktere an unsere Story? Aragorn erinnert dich an deine dreijährige Schwester? *bg* Lass ihn das bloß nicht hören, sonst bekommt er noch Depressionen, schließlich halten ihn die Elben schon für überaus jung.

Nili: FF.Net mag vielleicht keine Finger zum Reinbeißen haben, aber bei jedem einzigen Versuch, auf die Seite zu kommen, wünschten wir FF.net einen Hals zum Umdrehen. Zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit ziehen die Damen und Herren Techniker da so einen Stunt ab. Gibt da keiner auf den Server und seine Funktionalität acht? *grummel* Du wartest seit 4 Kapiteln auf eine Fuß-Szene? Hmm... *Autorinnen ziehen überrascht die Augenbrauen hoch* Soweit wir es verfolgen können, sind wir doch bereits mehrmals auf Aragorn und seine Füße eingegangen – sowohl barfuß als auch in Stiefeln. *Autorinnen stecken die Köpfe zusammen: „Was meint sie wohl? Da besieht er sich seine Füße, da humpelt er, da schüttet er sich sein Darsurion drüber..."* Sei ehrlich: du wartest auf eine „Aragorn-wird-jetzt-ganz-fürchterlich-leiden-und-keiner-kann-so-schnell-etwas-dagegen-tun"-Szene! Aber auf die wirst du noch zwei, drei Kapitelchen warten müssen, fürchten wir. Dann jedoch wird er so leiden, dass es dir das Herz abschnüren wird, glaub uns.

ManuKu: Ich habe da noch eine Frage... Salara: Dann mach schnell, das neue Kapitel muss raus! ManuKu: Kann es sein, dass Nili Fußfetischist ist? Erst bekommt sie das Würgen, wenn sie Galadriels Füße sieht und dann kann sie nicht genug von Aragorns bekommen... Salara: Berechtigte Frage! Nun, Miss Nili?...

Legolas klingt wie ein Glückskeks? (By the way: Danke für diesen Vergleich) Dann würden wir gern mal an diesem Glückskeks knabbern. Und mir wäre völlig egal, wie er dabei klingt. Hauptsache ich habe genug zum Naschen... *BG* Was hast du gegen eine absolutistische Monarchie, solange jemand wie Legolas ihr vorsteht? Was die Südländer auf der Schulter des Wirtes gesucht haben? Naja, wer die letzten Kapitel aufmerksam gelesen hat, kann es sich denken! *g* Aber eines der nächsten Kapitel geht noch einmal ganz genau auf dieses Thema ein, womit die Dinge dann endgültig ins Rollen kommen. Übrigens: Wunder dich nicht, wenn demnächst eine Staffel Waldelben an deiner Tür klopfen. Die Beleidigungen Legolas gegenüber – dummer Waldelb, Blondine etc. – haben ihren Höhepunkt erreicht und sind durch die Elben nicht mehr länger zu tolerieren...

Dragon-of-the-north: Für dein tolles Lob ganz lieben Dank! Es ist schön, zu erfahren, dass ihr als treue Leser solchen Anteil an unserer Geschichte nehmt und du sie sogar derart hoch einschätzt. Das macht uns sehr verlegen und verpflichtet gleichzeitig für die kommenden Teile. Eine Sehnenscheidenentzündung ist eine üble Sache – vor allem, wenn man sein geliebtes PC-Spielzeug in Reichweite vor sich sieht und die Schmerzen einem ununterbrochen ein deutlich hörbares „Denkste, mein Schatz!" zurufen. Dann können wir dir nur eine schnelle und gute Besserung wünschen! Legolas' Reaktionen auf gewisse Ereignisse zu entwickeln ist gar nicht so einfach. Er soll als Elbe schon anders, irgendwie weiser reagieren als Menschen, doch wir überaus menschlich-unüberlegt handelnde Autorinnen haben da so unsere Probleme, immer etwas Elbisch anmutendes zu finden. Wenn uns gesagt wird, dass wir es dennoch schaffen, freut uns das natürlich um so mehr.