Ich weiß. Es hat wirklich ewig gedauert. Es tut mir wirklich leid. Ich habe seit dem 21. Juni einfach nur noch Fanfiction gelesen, um mich zu trösten, zwischendurch noch das siebte Kapitel geschrieben – und dann ging gar nichts mehr. Totale Schreibblockade, Wutanfälle, alles. Naja. Das Kapitel, das ich ursprünglich geschrieben hatte, war fast doppelt so lang wie normal. Also habe ich es geteilt und in zwei, drei Tagen gibt es dann schon das nächste. Bitte reviewt!!

Okay, dann müssen wir wohl mal rausfinden, was Ginny-chan hat…*Ginny bittet einmal Aaaah zu sagen*

@Angel344 *seufz* Ja, Harry ist ein Idiot…Warum müssen Typen sowas auch immer vergessen? (Geburtstage, Jahrestage – was auch immer…) naja, danke fürs Reviewn!

@Ginny-Potter3 *schniiief* Jaaa…Teil 5…*bricht in Tränen aus* JKR ist so gemeiiiin!!! Äääh…trotzdem Danke fürs Reviewn!

@urukai Jaa, ich weiß. Es hat gedauert mit dem nächsten Kapitel. Naja, ich hoffe, du reviewst fleißig weiter.

@Phoenixkind Vielen Dank fürs Reviewn!

Disclaimer: Dieses ganze Universum gehört Joanne Kathleen Rowling, ich leihe mir die Charaktere und die Umgebung nur. Bei dieser FF muss außerdem mit Buffy-Zitaten oder ähnlichem gerechnet werden, die werde ich aber nicht jedesmal extra rausschreiben. Buffy gehört natürlich Joss Whedon *verehr*

Die Buffy-Folge 1.11 "Out of mind, out of sight (a.k.a. Invisible Girl)" bzw. "Aus den Augen, aus dem Sinn" behandelt ein ähnliches Thema wie dieses Kapitel. Ich würde zwar nicht sagen, dass ich die Idee daher habe, aber bevor sich noch jemand angegriffen fühlt…

~AnnaMoonlight~

Was niemand sieht

Harry stand da und starrte auf den Fleck, an dem er Ginny vermutete. Er streckte die Hand aus und stieß gegen etwas Festes. Fühlen konnte er sie, doch sehen…

„Ganz ruhig, Ginny", sagte er und versuchte, seiner Stimme einen zuversichtlichen Ton zu geben. „Das ist bestimmt nur eine Phase, genau wie bei Hermine und mir. Es wird sicher nicht lange andauern. Aber was machst du hier im Wald? Und warum ist Laurie bei dir?"

Eine Weile sagte Ginny gar nichts. Doch dann sagte sie sehr leise: „Ich war total verwirrt und bin erstmal auf die Ländereien gerannt. Dort bin ich stundenlang geblieben. Irgendwann, als es dämmerte, bin ich dann in Richtung Verbotenen Wald gegangen. Ich…ich habe geweint und…und Laurie muss mich wohl gehört haben. Ich habe nicht darauf geachtet, wo ich hinging und sie auch nicht…und wir haben uns verirrt."

Ginny, Harry und Laurie schwiegen alle für einen Moment. Harry runzelte die Stirn. Würde er den Weg zurück zur Schule finden? Auch er hatte nicht auf den Weg geachtet…

Doch er riss sich zusammen und ließ sich nichts anmerken. „Gut, dann lasst uns zurück zur Schule gehen. Ginny, gib mir deine Hand."

Er fühlte, wie ihre Hand sich um die seine schloss und sah auch, dass Laurie Ginnys andere Hand genommen hatte. Mit klopfendem Herzen führte er sie in Richtung, wie er glaubte, Norden und versuchte angestrengt, sich daran zu erinnern, wie er hergekommen war. Hoffentlich verliefen sie sich jetzt nicht total…

Doch nach, wie es ihnen schien, Stunden lichtete sich der Wald und sie konnten die dunklen Umrisse von Hagrids Hütte erkennen. Harry erläuterte den Mädchen rasch das Prinzip des Geheimgangs und kurz darauf tauchten sie durch die Regentonne und standen wenig später tropfnass im Geheimgang. Nun begriff Harry auch, dass die pinkfarbenen Gebilde an den Wänden wirklich Föhns sein mussten. Ein heißer Luftstoß genügte und Harry, Ginny und Laurie waren wieder völlig trocken. Sie kehrten zurück ins Verwandlungsklassenzimmer und machten sich auf dem Weg zum Gryffindorturm.

Harry ahnte, dass es eine lange Nacht werden würde, schließlich hatten sie zumindest Ron und Hermine einiges zu erklären.

*

Schon früh am Morgen trafen sie sich wieder im Gemeinschaftsraum. Ginny hatte dort auf einem Sofa geschlafen, da sie ihren Zimmergenossinnen keinen Schock bereiten wollte. Sie und Harry hatten noch bis spät in die Nacht mit Ron und Hermine im Gemeinschaftsraum gesessen und diskutiert. Laurie hatten sie sehr bald ins Bett geschickt. Sie hatte keine Ahnung davon, was eigentlich los war und sie wollten sie auch nicht einweihen.

„So", sagte Ron jetzt. „Was tun wir?"

Harry runzelte die Stirn. Ja, was sollten sie tun? Für alle anderen war Ginny einfach verschwunden…

„Wir müssen Professor McGonagall alles erzählen", sagte Hermine plötzlich laut.

Alle starrten sie an. Der stellvertretenden Schulleiterin alles erzählen? Warum sollten sie?

Hermine spürte wohl die forschenden Blicke und den Unwillen der anderen.

Sie zog eine Augenbraue hoch und sagte: „Ja, ihr habt schon richtig gehört. Überlegt doch mal, warum sollten wir ihr es nicht erzählen? Ginny ist unsichtbar, sie kann heute nicht zum Unterricht erscheinen und irgendwann werden die Lehrer sicher merken, dass sie fehlt…Bevor sie anfangen, das ganze Schloss nach ihr zu durchkämmen, sollten wir unser Hauslehrerin da nicht lieber die Wahrheit sagen? Sicher werden wir auch von meiner und Harrys ,Phase' erzählen müssen, doch wir konnten ja nichts dafür, sie kann uns also nichts vorwerfen. Außerdem war sie Mitglied in der Phoenix-Truppe, vielleicht kann sie uns helfen! Und bin ich mir sicher, dass sie Fudge nichts sagen wird. Sie hasst ihn noch mehr als wir."

Mit diesen Worten überzeugte sie die anderen. Harry zweifelte zwar immer noch ein wenig, doch er sagte nichts. Nie hatten sie sich von außen Hilfe geholt, immer hatten sie alles alleine geregelt. Nun ja, Sirius hatte er natürlich um Rat gefragt, aber das zählte nicht. Und nun sollten sie ihrer Lehrerin alles erzählen?

„Gut", entschied Harry. „Wir gehen aber nicht alle. Hermine, Ginny und ich reden mit McGonagall, das sollte reichen."

Ron zuckte zusammen. „Hey, was soll das?! Ginny ist meine Schwester! Natürlich komme ich mit!"

Harry seufzte. „Jemand muss uns aber im Unterricht entschuldigen, wenn es länger dauert. Hermine kann einfach am besten reden, außerdem war sie auch schon mal in so einer Situation, erinnere dich an die Sache mit dem Gedankenlesen! Genau wie ich. Und dass Ginny mitkommt, ist ja selbstverständlich! Bitte, Ron!"

Ron warf ihm einen wütenden Blick zu, schnaufte ärgerlich auf und verließ den Gemeinschaftsraum.

Hermine seufzte leise. „Harry, hör auf, ihn immer so auszugrenzen!"

Harry wirbelte herum und wollte protestieren, doch in diesem Moment sagte Ginny: „Hört mal, ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich möchte jetzt wirklich ganz schnell wieder sichtbar werden…okay?"

Harry und Hermine verstanden voll und ganz. Sie machten sich sofort auf den Weg zu Professor McGonagall.

Harry war nervös. Es war neu für ihn, sich jemandem anzuvertrauen, damit dieser die Sache in die Hand nahm. Sein Leben lang hatte er sich auf sich selbst verlassen müssen, hatte alles selber regeln müssen. Als Sirius auftauchte, konnte er sich zwar Rat von ihm holen, doch noch nie hatte er jemanden gebeten, sich einer Sache anzunehmen, weil ihm selbst die ganze Angelegenheit ganz einfach über den Kopf wuchs.

Er klopfte und Ginny, Hermine und er traten ein. Professor McGonagall saß am Schreibtisch. Sie sah eindeutig sehr erschöpft aus. Das erste Mal in sechs Jahren realisierte Harry, wie alt sie doch schon sein musste. Nie hatte er darüber nachgedacht und heute sah sie wirklich aus, als hätte sie einiges durchgemacht.

„Mr. Potter, Miss Granger", sagte sie und runzelte die Stirn. „Hat Ihr Unterricht nicht längst begonnen?"

Harry und Hermine nickten synchron.

Nun wurde die Lehrerin wachsam. Sie forderte sie auf, auf der Couch Platz zu nehmen, dann sah sie sie lange und gründlich an.

„Was ist das Problem?"

„Nun, Professor", begann Hermine. „Es ist etwas geschehen. Etwas…recht Einschneidendes und wir dachten, wir informieren Sie besser. Nun, unser Problem ist recht offensichtlich – oder besser gesagt, das ist es gerade nicht. Wir…"

Hermine erzählte der Lehrerin alles. Sie ließ nichts aus, so dass Harry, als das Gespräch auf seine Attitüden im November kam, nur beschämt zu Boden guckte. Sogar die Sache mit Sheila in dem leeren Klassenraum musste sie erwähnen! Harry war tomatenrot angelaufen und erst als er Ginnys Hand in seiner fühlte, wurde er wieder ruhiger.

Professor McGonagall hörte gespannt zu und unterbrach Hermine nicht.

Als diese geendet hatte, sagte die Professorin: „Miss Weasley?"

„Ja?" erwiderte Ginny auf ihrem Platz neben Harry.

Vorsichtig streckte McGonagall eine Hand aus und berührte Rons kleine Schwester.

„So, so, " murmelte sie. „Das ist alles sehr bedenklich. Ich will Ihnen nichts vormachen: Ich tappe genauso im Dunkeln wie Sie. Ich kann nur Vermutungen anstellen. Das einzige, was mir wichtig scheint, ist die Rolle von diesem Erstklässler, Danny Osbourne, als Sie, Miss Granger, diese seltsame Gabe hatten…genauso wie Miss Weasleys Rolle in Potters Fall. Osbourne hatte keine Ahnung, was Sie meinten, als sie Kürbissaft zu ihm sagten. Er war nur eine Figur in einem Spiel. Während es bei Ihnen, Miss Weasley, wohl reiner Zufall war, dass Sie genau die Worte sprachen, die nötig waren, um das Ganze zu beenden."

Sie schwieg und sah nachdenklich aus dem Fenster.

„Und was wollen Sie uns damit sagen?" durchbrach Harry schließlich die Stille. „Dass wir einfach abwarten müssen, bis irgendwer zufällig das tut und das sagt, was Ginny wieder sichtbar machen könnte?"

Professor McGonagall seufzte. „Im Moment ist das leider der einzige Rat, den ich Ihnen geben kann. Wir müssen einfach abwarten, schätze ich…Mr. Potter, ihr Pate ist doch sicher informiert, oder nicht? Er arbeitet gegenwärtig mit Nicolas Keft zusammen, der sich mit so etwas auskennt. Er weiß sicher…"

„Das hat Sirius auch gedacht", unterbrach Harry sie entnervt. „Leider wusste er auch nicht mehr. Er sagte nur, dass das alles wohl hauptsächlich von unseren Gefühlszuständen abhängt."

Professor McGonagall runzelte die Stirn. „Nun, das ist natürlich eine Idee…Ich werde Nachforschungen anstellen. Miss Weasley, niemand wird über Ihren Zustand informiert werden. Reden Sie bitte auch mit Miss Tozer, damit sie sich nicht verplappert. Ich werde auch Madam Pomfrey über die Sache in Kenntnis setzen. Offiziell sind Sie in der Krankenstation und müssen unter Quarantäne gehalten werden, so dass niemand Sie besuchen kann. Ich möchte nicht, dass Fudge Wind von der ganzen Sache bekommt."

Mit diesen Worten erklärte sie das Gespräch für beendet. Harry, Hermine und Ginny bedankten sich und verließen das Büro.

*

In den nächsten Tagen konnte Ginny also nicht zum Unterricht gehen. Sie genoss die freien Tage sehr und Harry hatte langsam aber sicher das Gefühl, dass ihr die ganze Sache richtig Spaß machte. Sie waren der Lösung der ganzen Sache immer noch nicht näher gekommen und es sah auch nicht so aus, als würden sie es in der nächsten Zeit schaffen.

Harry stürzte sich ins Quidditchtraining, so dass er keine Zeit hatte, viel nachzudenken. Natürlich fiel Ginny als Hüterin auch erstmal aus, was das Training sehr erschwerte.

Weihnachten kam immer näher, genau wie Harrys Treffen mit Sirius. Harry wusste nicht, mit wem er zum Weihnachtsball gehen sollte. Eigentlich war er ja davon ausgegangen, dass Ginny seine Partnerin wurde, doch nun sah es ja nicht so aus, als könne er mit ihr hingehen…

Drei Tage vor Weihnachten erreichte Harry ein Brief von Cho. Sie schrieb:

Lieber Harry,

ich hoffe, es geht dir gut. Kimi schrieb mir, dass sie in letzter Zeit überhaupt keine Visionen hatte. Sagt sie die Wahrheit oder verschweigt sie mir etwas? Sollte es so sein, sag es mir bitte. Sie ist doch meine Schwester.

Seltsam, Weihnachten nicht mit der Familie zu verbringen. Sonst bin ich fast jedes Jahr nach Hause gefahren. Aber erstmal wird Kimi sicher in Hogwarts bleiben wollen und außerdem sind meine Eltern nicht gerade in Feierstimmung. Sie machen sich ständig (durchaus berechtigte) Sorgen wegen Voldemort. Zudem ist das Reisen im Moment auch sehr gefährlich. Portschlüssel werden kaum noch verwendet und Apparieren kann ich ja noch nicht.

Es ist einsam geworden. Die Menschen haben Angst, kümmern sich nur noch um sich selbst. Ich habe dir doch von Aliyah erzählt, nicht? Sie hat die Schule abgebrochen. Niemand weiß, wo sie jetzt ist, nicht einmal ihr Freund. Aber hätte Kimi es nicht vielleicht gesehen, wäre sie von Voldemort erwischt worden? Ich bete, dass es ihr gut geht.

Alain lässt dich grüßen. Ich sehe, wie ihn die Sorge um Cara kaputt macht, doch er lässt kaum noch jemanden an sich heran. Unheimlich, wie weit die Liebe einen bringen kann…

Ich hoffe, du meldest dich bald. Umarme Hermine, Ron und Kimi von mir.

Alles erdenklich Liebe,

Cho

Harry runzelte die Stirn. Das klang ja alles nicht so gut…Vielleicht sollte er Alain einfach mal schreiben. Beauxbatons war sicherlich beinahe so sicher wie Hogwarts…doch wenn man bedachte, was Anastacia Malfoy in Werwolfgestalt letztes Schuljahr alles hatte anrichten können, bedeutete dies nicht gerade viel.

*

Drei Tage vor Weihnachten saß Harry alleine am See. Kimi und ihre Freundinnen störten mit ihrem Gekicher und Gekreische den ganzen Gemeinschaftsraum und Harry hatte es einfach nicht mehr ertragen. Natürlich freute er sich, dass es Kimi im Moment so gut ging und dass sie keinerlei Visionen hatte, doch sie benahm sich einfach nur nervtötend. Dies musste eine von Kimis typischen Phasen sein, von denen Cho ihm öfter berichtet hatte. Kimi führte sich schlicht und einfach wie eine achtjährige auf und Chelsea, April und Hillary ließen sich mitreißen. Schon seltsam, dass das zierliche Mädchen manchmal wie ein Kleinkind und manchmal wie eine alte Frau wirken konnte.

„Störe ich?" ertönte plötzlich eine Stimme neben ihm.

Er wandte sich um und sah niemanden. „Hey, Gin."

Er spürte, dass sie sich neben ihn setzte. Stumm tastete er nach ihrer Hand.

„So hast du mich lange nicht mehr genannt", brach Ginny schließlich das Schweigen.

„Was meinst du?"

„Ganz einfach Gin", erwiderte sie. „So hast du mich schon genannt, als ich nur Rons kleine Schwester für dich war. Das ist schön. Als wäre alles wie damals, als wäre ich noch klein und das Böse noch nicht so präsent."

„Nein."

Jetzt sah sie wohl gerade ziemlich verwirrt aus. „Was, nein?"

„Am Anfang, als ich in dir wirklich nur Rons kleine Schwester gesehen habe, habe ich dich noch nicht so genannt. Und das währte auch nicht lange. Nachdem ich erfahren hatte, dass Voldemort dich benutzt hat, um die Kammer des Schreckens zu öffnen, habe ich in dir immer eine ganz andere Person gesehen, als die anderen. Gin, das ist nicht verletzend gemeint, aber deine Eltern, deine Brüder…alle sahen sie nur die kleine, arme Ginny, die vom bösen Onkel hereingelegt worden war. Aber ich habe nie so gedacht."

„Nein?"

„Nein", fuhr er fort. „Lucius Malfoy hat das Tagebuch in deinen Kessel getan. Nicht in Rons, nicht in meinen…in deinen. Und das hat er nicht getan, weil du jemand bist, den man leicht beeinflussen kann, denn das ist Ron auch. Tom Riddle wollte unbedingt, dass ich das Buch in die Finger kriege – wäre es da nicht viel einfacher gewesen, wenn Malfoy das Buch meinem besten Freund gegeben hätte? Ron und ich machen alles zusammen, wir schlafen im selben Schlafsaal…Es wäre logischer gewesen. Aber er gab es dir, einem Mädchen, bei dem ich das Buch bestimmt nicht so schnell bekommen hätte. Genauso gut hätte er es mir geben können, das hätte jede Menge Umwege gespart…"

Hier unterbrach ihn Ginny. „Malfoy hat mir das Buch zugesteckt, weil er gesehen hat, dass ich schwach bin. Weil er gesehen hat, dass ich niemand bin, der schnell Freunde gewinnt. Jemand, der zu schüchtern ist, um auf andere zuzugehen. Er hat gemerkt, dass ich jemand war, der zu einem Freund, dem ich alles erzählen konnte, niemals Nein sagen würde. Du hättest viel früher erkannt, was es mit dem Tagebuch auf sich hat, du wärst nicht so leicht zu manipulieren gewesen."

Harry schüttelte wütend den Kopf. „Warum denken bloß alle, dass ich nicht zu erschüttern bin? Es bin nicht ich gewesen, der Voldemort vor fünfzehn zu Fall gebracht hat, es war die Liebe meiner Mutter. Ich bin nichts Besonderes! Wäre deine Mutter für dich gestorben, dann wäre alles genauso gelaufen, du wärst das Mädchen, das lebt! Könnt ihr nicht endlich alle aufhören, in mir den Retter der Menschheit zu sehen?! Ich bin Harry, bloß Harry, und noch lange kein Held! Ich habe es nie geschafft, mir selbst zu helfen, als ich Voldemort gegenüber stand, nie! In meinem ersten Schuljahr half mir wieder die Liebe meiner Mutter. In meinem zweiten Jahr schickte Dumbledore mir Hilfe. Ohne Fawkes und den Sprechenden Hut hätte es nie geklappt. In meinem vierten Jahr hatte ich wahnsinniges Glück, dass mein Zauberstab aus demselben Kern bestand wie Voldemorts. In meinem fünften Schuljahr haben uns Snape und Sirius gerettet. Ohne diese Hilfe wäre ich längst tot! Ich habe nie etwas getan, das mich zu einem Helden machen würde! Warum könnt ihr das nicht endlich einsehen?!"

Längst sprach Harry nicht mehr alleine zu Ginny. Er sprach zur ganzen Welt, klagte sie alle an, in ihm etwas zu sehen, das er nicht war, nicht sein wollte.

„Ich will einfach ganz normal leben!" redete er weiter. „Ich möchte durch die Straßen gehen, ohne dass sich jeder den Kopf nach mir verrenkt! Ich will keinen Krieg…und ich will auch nicht, derjenige sein, der Voldemort vernichtet! Jeder könnte ihn vernichten, warum denken also alle, dass ich dafür bestimmt bin?!"

Seine Stimme brach fast. Harry atmete tief durch. Ginny sagte nichts.

Harry beruhigte sich etwas und sprach schließlich weiter: „Aber Malfoy hat das Buch dir gegeben. Nicht weil du schwach, nicht weil du leicht zu manipulieren warst…ich glaube, er gab es dir, weil er in dir etwas gesehen hat, Ginny. Er hat gesehen, dass du dich von der Dunkelheit angezogen fühlst…Er hat gesehen, dass du Tom Riddle auf deine Art helfen konntest. Weil du ihn verstanden hast."

Ginny sog scharf die Luft ein. „Nein! Wie kannst du so etwas nur sagen? Ich hasse die Dunkle Seite! Ich würde nie etwas tun, was du gute Seite gefährdet…wie kannst du nur denken, dass ich Tom Riddle verstehen kann? Er ist ein Monster!"

Harry starrte nachdenklich auf die Stelle, wo er seine Freundin vermutete. „Tom Riddle sagte mir, wie erstaunlich er es fände, wie sehr ich ihm ähnelte. Damals war ich schockiert…Wie konnte ich Voldemort ähneln? Doch heute sehe ich es anders. Ich denke, ich ähnele ihm wirklich ein bisschen. Aber nicht so sehr wie du." Ginny schnaubte, doch Harry sprach einfach weiter. „Du warst einsam, als Malfoy dir damals das Tagebuch gab. Voldemort war, ist und wird sein ganzes Leben lang einsam sein. Du kanntest die Einsamkeit, genau wie er. Die Dunkle Seite fasziniert dich. Du fragst dich, wie ein Junge, der dir so normal vorkam, eine solche Macht erlangen konnte. Wie er so mächtig werden konnte, dass heute kaum jemand seinen Namen aussprichst. Du fragst dich, ob du das auch schaffen könntest. Nicht so grausam, aber so mächtig zu sein. Mir geht es genauso. Wir sind uns sehr ähnlich, Ginny. Aber bei dir ist das Ganze noch ausgeprägter."

Schweigend starrte Harry auf die dünne Eisschicht, die sich auf dem See gebildet hatte. Er hatte Ginny nicht verletzten wollen, aber seine Worte hatte er völlig ernst gemeint.

Ginny schwieg eine lange Zeit. Als sie schließlich sprach, war ihre Stimme beherrscht und ruhig. „Ja. Du hast Recht. Es hat mich fasziniert, dass dieser sechzehnjährige Junge eines Tages eine solche Macht bekommen sollte. Das tut es immer noch. Ich sah ihn damals, bevor ich wusste, wer er war, als Freund und Vertrauten. Er konnte mich verstehen, weil er das alles selbst einmal durchgemacht hat. Die Einsamkeit, der verzweifelte Wunsch, beachtet zu werden. Ich weiß nicht, was geschehen wäre, hätte ihn damals jemand aus seiner Einsamkeit gerissen. Vielleicht wäre er nie der geworden, der er heute ist. Vielleicht hätte er Karriere gemacht, hätte geheiratet…aber das werden wir alles nie erfahren. So gesehen müsste ich eigentlich froh sein, dass Lucius Malfoy  mir das Buch gegeben hat. Nach allem, was in der Kammer des Schreckens geschehen ist, begannen die Leute, mich zu beachten. Plötzlich war ich jemand. Ich wurde von meiner Einsamkeit erlöst. Und vielleicht wäre ich andernfalls geendet wie Tom Riddle…besessen davon, endlich Respekt und Achtung zu erlangen und jemand zu sein. Die Einsamkeit in mir wird nie ganz verschwinden…und ich sehe es als Erinnerung, was mir widerfahren ist. Wegen dieser Einsamkeit besitze ich die Gabe, Mitleid mit Tom Riddle zu empfinden. Mit Tom, nicht mit Voldemort."

Ginny hatte voller Gefühl gesprochen und Harry merkte, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen.

Unvermittelt fragte er: „Ginny, möchtest du mit mir zum Weihnachtsball gehen?"

Im nächsten Moment sah Harry Ginny neben sich sitzen. Es dauerte einige Sekunden, bis er es realisierte. Ginny war wieder sichtbar! Von einer Sekunde auf die andere…

Ginny starrte fassungslos auf ihre Hände. Dann hob sie den Kopf und sah Harry an.

„Woran lag es jetzt?" flüsterte sie. „Daran, dass wir über etwas gesprochen haben, das längst hätte geklärt werden müsste – oder daran, dass du mich zum Ball eingeladen hast?"

Harry schüttelte langsam den Kopf. „Ich weiß nicht. Aber ist das nicht auch egal? Die Hauptsache ist doch, dass du wieder sichtbar bist!"

Gleichzeitig sprangen die beiden auf und fielen sich in die Arme. Sie waren erleichtert, dass sie eine Aufgabe gemeistert hatten, dessen Lösung sie nicht im Entferntesten hätten ahnen können.

Stumm legte Harry den Arm um Ginny und die beiden sahen über den See.

„Mir hat mal jemand gesagt", sagte Ginny leise, „dass wenn du einen Neuanfang machen möchtest, du übers Eis gehen solltest. Dann kannst du sehen, ob das klappen kann."

Harry zögerte nicht lange. Er setzte einen Fuß auf das Eis. Es hielt. Er reichte Ginny eine Hand und zog sie zu sich. Vorsichtig begannen die beiden, auf die Mitte des Sees zuzugehen.

„Du hast meine Frage noch nicht beantwortet", sagte Harry plötzlich. „Gehst du mit mir zum Ball?"

Ginny sah ihn an und lächelte.

„Die Frage braucht keine Antwort, Harry", sagte sie leise. „Du kennst sie doch längst."

In diesem Moment brach der Boden unter ihren Füßen weg.