Rätselhafte Post:

Eigentlich war der heutige Tag nichts Besonderes. Die Sonne schien wie immer im Frühsommer auf den kleinen Vorort von London. Sophie, Mark und James Potter schliefen noch. Nur James sollte heute etwas bekommen, womit er nicht gerechnet hatte. Im Allgemeinen wusste er immer schon Wochen im Voraus, was er zum Geburtstag bekam (kein noch so gutes Versteck war vor seiner Neugier sicher). Schon einige Male war er dabei beinahe von seinen Eltern erwischt worden, konnte sich aber immer noch irgendwie in Sicherheit bringen, wobei der Zufall ihm immer zu helfen schien. Kurz vor seinem neunten Geburtstag hatte er gerade die Garage durchsucht und sein neues Fahrrad hinter den Pappkartons mit den alten Schulsachen seiner Eltern entdeckt, als sein Vater früher von einem Termin nach Hause kam. Doch als dieser das Garagentor öffnen wollte, ging es nur sehr langsam auf und sein Vater musste sich mächtig anstrengen, es überhaupt zu bewegen. Es war, als ob es sich plötzlich weigerte, sich öffnen zu lassen.

Doch genau so plötzlich wie es sich geweigert hatte, verrichtete es wieder normal seinen Dienst; doch diese kurze Zeitspanne gab James die Möglichkeit, die Kisten wieder so zu platzieren wie sie waren und ins Haus zurück zu schleichen.

Ein Sonnenstrahl durchbrach die Jalousie und traf das Gesicht eines Jungen mit schwarzem Haar, das wohl nur selten eine Bürste oder einen Kamm sah – könnte man denken, da es in alle Himmelsrichtungen wucherte.

James setzte sich seine Brille auf und warf einen Blick auf die Uhr. Es war 6.30... Heute war Samstag, weshalb es sicher zu früh war um die Treppe runter zu rennen und sich über die Geschenke seiner Eltern herzumachen. Aber hinunter schleichen um zu überprüfen, ob er wirklich alles gefunden hatte würde bestimmt kein Hindernis sein, das James nicht überwinden könnte. Er zog sich leise an, schlich durch den Flur, die Treppe hinunter - wobei er drauf achtete, die dritte und achte Stufe, die so verräterisch knarrten, zu umgehen und stand nun vor der Wohnzimmertür. Er öffnete die Tür nur einen Spalt, der grade groß genug war um hindurch zu kommen. James kannte das Haus wie seine Westentasche und wusste ganz genau wie er irgendwo hin kam ohne allzu laute Geräusch zu machen. Die Wohnzimmertür war immer ein heikles Thema gewesen, da sie schon sehr früh anfing zu quietschen.

Die Potters waren nicht reich, soviel konnte man auf den ersten Blick sehen, aber arm waren sie gewiss auch nicht. Sie waren eben eine typische Vorortfamilie. Mr. Potter arbeitete in London bei einer größeren Firma, Mrs. Potter arbeitete halbtags in einem der kleinen Geschäfte im Ort.

Sie waren ganz normale Menschen, die versuchten über die Runden zu kommen und ihrem Kind zu ermöglichen, was die Welt für es bereithielt. Mr. Potter war zwar nicht der beste Handwerker, aber er sagte immer, dass wenn man nur die richtige Motivation hat etwas zu tun, man es auch schaffen kann und so erledigte er den größten Teil der Reparaturen, die im Haus anfielen, selbst. James half ihm oft dabei, was immer ein Heidenspaß für James war, da Mr. Potter zwar immer motiviert war sein Haus in guten Zustand zu halten, doch leider nicht immer die Geduld aufbrachte, die einige Arbeiten (wie zum Beispiel eine knarrende Treppe) erforderten.

Als er die Tür leise hinter sich zuzog, sah er, dass seine Eltern wie üblich den Geburtstagstisch schon vorbereitet hatten. Sein Blick fiel auf ein rechteckiges Paket, dass doch relativ schwer aussah, was bedeutete, dass dies wohl der neue Plattenspieler sein musste, den er vor zwei Wochen auf dem Dachboden in einem Koffer entdeckt hatte. Ein paar flache, quadratische Päckchen sagten ihm, dass auch die Beatles-Platten, die er zwischen den Platten seiner Eltern gefunden hatte, wohl für ihn bestimmt waren.

Die leicht knautschigen Geschenke sagten ihm, dass auch seine schlimmsten Befürchtungen mal wieder wahr geworden waren und seine Mutter ihm wieder etwas zum Anziehen schenkte, was zweifellos wieder ganz „putzig"an ihm aussehen würde. Er hatte zwar nicht herausgefunden was es war, aber sein Drang, die Anziehsachen früher zu sehen als er musste, hielt sich in Grenzen.

Ein erneuter Blick auf die Uhr verriet ihm, dass seine kleine Spionageaktion schon 45 Minuten verschlungen hatte und es jetzt viertel nach sieben war. Er hatte jetzt noch 15 Minuten um wieder leise ins Zimmer zu kommen und auf die ersten Morgengeräusche seiner Eltern zu warten, die trotz des angebrochenen Wochenendes wie üblich um halb acht aufwachen würden.

Kaum war James wieder in seinem Zimmer, hörte er auch schon die ersten schlaftrunkenen Geräusche seines Vaters, der die Schafzimmertür aufmachte und im Bad verschwand.

Danach folgte das für einen Samstag übliche morgendliche Ritual. Die Badezimmertür klappte zu, die Stufen knarrten und sein Vater verschwand in der Küche. Kurze Zeit später hörte man die üblichen Geräusche wenn James Vater am Wochenende das Frühstück zubereitete und roch den frisch gebrühten Kaffee. Danach ging Mr. Potter zur Haustür, drehte den Schlüssel zweimal im Schloss und öffnete mit einem leisen Knarren die Tür. Das darauf folgende Klappern war das des Briefkastens, der nun von ihm geleert wurde und daraufhin fiel die Haustür wieder knarrend zu.

Als James sich auf den Weg ins Bad machte war es kurz nach acht und seine Mutter war schon unten beim Frühstück. Als er nach unten kam bot sich ihm allerdings ein Anblick, den er nicht erwartet hatte. Normalerweise würde sein Vater jetzt hinter seiner Zeitung hervorgrinsen und seine Mutter wäre gerade dabei, die Kerzen auf dem selbstgebackenen Kuchen anzuzünden.

Doch weder war eine Zeitung in der Hand seines Vaters noch brannten die elf Kerzen auf seinem Geburtstagskuchen. Überhaupt schienen seine Eltern ihn nicht bemerkt zu haben. Sie waren beide damit beschäftigt, einen Brief zu lesen. James ging an den Tisch und konnte nun den Briefumschlag sehen, der auf der Tischdecke lag. Er sah alt aus und mit smaragdgrüner Tinte hieß es da:

An James, Mr. und Mrs. Potter

Die Küche

Jaxon-Lane Nr. 33

37642 Little-Sterning

Die Eltern von James schreckten auf, als er sich an den Tisch setzte. Offenbar hatten sie wirklich nicht bemerkt, dass er runter gekommen war. Sein Vater räusperte sich kurz und ergriff dann das Wort: „Guten Morgen James ... so wie es aussieht haben wir diese Jahr eine Überraschung für dich, die du nicht vorher lüften konntest, gleichwohl ist es auch für uns eine Überraschung, aber..."– er brach ab, hatte zwar versucht, belustigt und froh zu klingen, doch irgendwie spürte James, dass hier irgendwas nicht stimmte. Auch war ihm aufgefallen, dass sein Vater wohl Schwierigkeiten hatte, ihm mitzuteilen, was er ihm mitteilen wollte. „Am besten wird es sein", sagte Sophie Potter mit dünner Stimme, „wenn er den Brief selbst liest."

Sein Vater nickte leicht verunsichert und hielt James den Brief hin, damit der ihn lesen konnte. James sah, dass die Hand seines Vaters leicht zitterte und fragte sich, was wohl in diesem Brief stand, ob er vielleicht etwas angestellt hatte? Doch wie so oft bei James siegte Neugier schnell über Angst oder Furcht und er nahm dem Brief entgegen. Auch dieser sah alt aus und war mit derselben smaragdgrünen Tinte geschrieben.

HOGWARTS-SCHULE FÜR HEXEREI UND ZAUBEREI

Schulleiter : Albus Dumbledore

(Orden des Merlin, Erster Klasse, Hohes Tier, Internationale Vereinig. d. Zauberer )

Sehr geehrter Mister James Potter,

wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei aufgenommen sind. Das Schuljahr beginnt am 1. September.

Vier Wochen vorher wird ein Mitarbeiter für die Zusammenarbeit mit Nicht-Magischen Menschen bei Ihnen um 15.00 Uhr eintreffen, der Ihnen mit Rat und Tat behilflich sein wird.

Mit freundlichen Grüßen

Minerva McGonagall

Stellvertretende Schulleiterin

James ließ die Hand, in der er den Brief hielt, sinken. Er sah seine Eltern fragend an, nur lag in den Blicken seiner Eltern derselbe verwunderte, leicht konfuse Ausdruck, der auch in seinem liegen musste. Sein Kopf war leer. „Zauberer? Ich? Kann das wirklich sein? Wie?"All diese Fragen stürzten plötzlich auf ihn ein und ohne dass er es beeinflussen konnte sprudelten sie auch gleich aus James heraus. Die Potters sahen sich fragend an. Nach kurzem Schweigen ergriff Mr. Potter das Wort: „Also, James, ich ... ähm ... ich meine wir haben keine Ahnung was es damit auf sich hat. Ich denke mal das ist ein kleiner Scherz von irgendwem, auch wenn ich zugeben muss, dass dieser Brief sehr offiziell aussieht..."Wieder trat Schweigen in die Runde und im Verlaufe des Frühstücks schienen sie darin stillschweigend übereingekommen zu sein, dass es sich um einen Scherz handeln musste. Doch wirklich davon überzeugt schienen sie alle nicht zu sein.